Privilegiert
Text
Johannes Reichl
Ausgabe
Okay – ich entschuldige mich! Ich weiß, 18 Seiten Berichterstattung nur über das Tangente Festival (dazu noch drei Kolumnen zum Thema) sind eine Zumutung! Aber, um sie zu beruhigen – nicht nur für Sie! Für uns war das auch kein Spaß, knochenharte Arbeit. Nicht, dass ich es nicht hätte kommen sehen. In der Redaktionssitzung debattierten wir schon stundenlang, wie wir dieses Monstrum bändigen können, ohne wirklich einen roten Faden zu finden – am Schluss stand gar im Raum, einfach eine weiße Seite als unseren Beitrag zum 17 Millionen Dollar (okay Euro)-Baby abzudrucken, um unserer Ratlosigkeit Ausdruck zu verleihen. Aber nein, Herr Reichl musste diese Kiste ja öffnen – und jetzt also der (Kopf)Salat und ein Stress wie weiland bei der ersten MFG-Ausgabe, an die ich mich noch so gut erinnern kann. Aber, um Kollegen Jonas Vogt von der ZEIT zu zitieren: „Einer muss es ja tun“, was natürlich Blödsinn ist. Gar nichts muss man, man denkt nur manchmal, man muss.
Dieses Müssen, oder es war ja eher ein Wollen, das sich als Müssen getarnt hatte, beseelte uns auch bei erwähnter erster Ausgabe vor – Trommelwirbel – fast auf den Tag genau 20 Jahren! Um ein Gefühl zu bekommen: Matthias Stadler war damals gerade Bürgermeister geworden – ja, so lange ist das schon her! Damals trug er noch Hochwasserhosen und eine abgetönte Brille. Sein Geschmack ist über die Jahre besser geworden. MFG ebenso, wie mir scheint (wobei ich jetzt vielleicht nicht der aller objektivste Zeitzeuge bin.) Seriöser. Reifer. Dafür geht mir bisweilen das rotzig Unbedarfte der Anfangsära ab. Wohin die legendären Bilderstories? Wohin Interviews mit Gott höchstpersönlich (danke an den damaligen Autor Matthias Steinperl, dafür schmoren wir dereinst beide in der Hölle)? Und wir druckten tatsächlich – aus reiner Hetz und Provokation – barbusige Damen ab, untermalt mit poetischen Bildtexten wie „Wenn der Winter naht, gibt es zwei Möglichkeiten: Warm anziehen oder reichlich Brennholz vor der Hütte.“ Heute undenkbar. Aber was für ein Spaß! Was gleich geblieben ist über all die Jahre, ist unser journalistisches Ethos, unsere Leidenschaft, unsere Mission. Wenn Sie sich länger darüber langweilen möchten, können Sie ja das Interview ab S. 42 lesen, das wir – ja so weit ist es mit uns mittlerweile gekommen – einfach dem Cityflyer gefladert haben … eh mit dessen Zustimmung.
Aber, mein Gott, nach 20 Jahren darf man schon einmal auf ein bisschen Nachsicht hoffen. Also, was ich eigentlich sagen möchte: DANKE! An Sie, liebe Leserinnen und Leser für Ihre Treue; an dieses unglaubliche, unglaubliche, UNGLAUBLICHE MFG-Team, das Beste ever; an die Gebrüder Voak für ihr grenzenloses Vertrauen und dass sie das Ding als Herausgeber seit zwei Jahrzehnten ermöglichen; an all unsere (Werbe)Partner – viele seit der ersten Stunde mit an Bord; an meine Frau, die über meine Abwesenheit nahe den Erscheinungsterminen immer elegant hinwegsieht (oder fällt sie ihr vielleicht gar nicht auf und sie genießt die ruhige Zeit … SCHAAAATZ???!!!); an all die unzähligen Gesprächspartner, die mein Leben bereichert, meinen Horizont erweitert, meinen Blick auf die Welt beeinflusst haben. Und natürlich ans MFG – du hast dich prächtig entwickelt mein Kind. Wir sind sehr stolz auf dich!
Wie formulierte es weiland Hugo Portisch, der als Säulenheiliger des Journalismus hier natürlich nicht fehlen darf, an junge Journalisten gerichtet (es dürfen sich aber auch die alten Hasen davon angesprochen fühlen): „Eure Aufgabe ist es, Wachhund der Nation zu sein, den Regierenden auf die Finger zu schauen, Rechtsbrüche aufzuzeigen, Korruption zu bekämpfen. Dafür habt ihr den interessantesten, aufregendsten, befriedigendsten Beruf, den man überhaupt haben kann. Der Journalist kann vom Sandler bis zum König mit allen reden, sie befragen, über sie berichten. Und er kann sein Wissen mit einem großen Publikum teilen. Ein größeres Privileg kann es gar nicht geben.“