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St. Pöltens gute Seite

Wirtschaftsdeutsch

Ausgabe 06/2009

In Zeiten der Wirtschaftskrise (Ja sorry, wir haben eine. Und nein, wir bösen Medien schreiben sie nicht herbei) ist es unentbehrlich, sich mit einigen Fachbegriffen vertraut zu machen. Diese dienen freilich nicht immer der exakten Wiedergabe von Wortinhalten, sondern manchmal genau ihrem Gegenteil, sollen also bewusst verwischen, verharmlosen oder verschleiern.
Wenig verwunderlich, dass derlei Ausdrücke zum Gutteil in diversen Propaganada- und PR-Abteilungen geprägt werden. 
Im Gespräch machte Bankdirektor Kendler die Feststellung, dass „der Mensch immer alles optimieren möchte.“ In diesem Kontext fiel mir auch der äußerst elegante Terminus „Gewinnmaximierung“ ein, und beides verweist im Grunde auf ein und die selbe miese Eigenschaft: unsere Gier!
Ausgeblendet wird dabei freilich, worauf diese Maximierung gründet, kurzum, auf wessen Kosten sie geht. Nicht selten auf jene der Arbeitnehmer. Von diesen verlangt man dann so lustige Sachen wie „Nulllohnrunden“ (wie jetzt, krieg ich Lohn oder nicht?) oder man fordert sie überhaupt gleich zum „Lohnverzicht“ auf. Sowieso schon Standard ist „Flexibilisierung“, was man einfacher mit Ausbeutung übersetzen könnte. Aber selbst dann ist man eigentlich noch relativ gut daran, weil der eigene Job nicht dem „Outsourcing“ zum Opfer gefallen ist.
Manche Begriffe machen es eben einfach erträglicher. In einer Welt, die „schöner, schneller, besser“ zu ihren obersten Maximen erklärt hat und in der Wachstum als Fetisch schlechthin gilt, haben sodenn auch böse Worte wie Stagnation ausgedient. Deshalb heißt das jetzt „Nullwachstum“. Herrlich! Noch geiler ist „Minuswachstum“ für Schrumpfung, und auch „Gewinnwarnung“ hat es in sich. Das heißt nämlich nicht, dass das Unternehmen keinen Gewinn schreibt, sondern nur, dass der Gewinn niedriger ausfallen wird als im Vorjahr. In „Zeiten wie diesen“ (was für eine schöne Redewendung, als seien Zeiten wie diese nicht immer diese Zeiten) wäre natürlich eine exkate Übersetzung tröstlicher: „Achtung, Achtung, wir machen Gewinn!“ Jippieh!
Aber was will man erwarten in einer Welt, die den Menschen zum „Humankapital“ degradiert hat, also zur beliebig verschiebbaren Größeneinheit im Wirtschaftsprozess, dem einmal mehr oder weniger Wert beigemessen wird. „Wert“ freilich immer nur bezogen auf seine Produktivität, nicht etwa seine menschliche Würde oder dergleichen Schnickschnack. Deshalb klingt es auch stets wie eine gefährliche Drohung (und ist eine), wenn Manager von „schlanker Produktion“ reden oder, ganz böse, von „Entlassungsproduktivität“ – also davon, wie sehr die Produktivität steigt, wenn man Leute kündigt. Wobei so plump wird das natürlich nicht formuliert, man ist ja nicht unmenschlich. Kündigungen heißen deshalb neuerdings „Freisetzungen“. Da ist man dann so schön frei (Die Krise als Chance), dass man etwa, wie es Arbeitslosen in Deutschland nach Hartz IV angeboten wurde, eine lustige ICH-AG gründen kann, also nolens volens zum Einzelunternehmer wird. Stellt sich natürlich die Frage, wofür AG steht. Aktiengesellschaft ist lächerlich. Arbeitsgemeinschat ist auch irreführend. Dann wohl doch eher das Ich als Teil einer Angstgemeinschaft! Und die geht dieser Tage um, die Angst.
Im übrigen auch bei manch Spitzenmanagern, weil da irgendwelche subversiven moralisierenden Nasenbohrer doch glatt behaupten, sie seien in Relation völlig überbezahlt. „Neiddebatte“ riefen sie empört! Dabei gehören sie doch auch zu den Opfern, ebenso wie  (dies wurde 2008 übrigens zum Unwort des Jahres in Deutschland gekürt) die „notleidenden Banken“. Die Ärmsten!