Marode Stadtfinanzen in Zeiten von Wahlen
Text
Georg Renner
, Jakob Winter
Ausgabe
02/2025
GEORG RENNER
Der Wilhelmsburger ist freier Journalist und betreibt den Podcast „Ist das wichtig?“.
Die Stadt ist pleite. Ok, nicht wirklich, noch ist sie immerhin in der Lage, Gehälter zu zahlen und ihre Aufgaben zu erfüllen, aber wir sind schon ein bisschen zu nahe am Abgrund, als dass es noch gemütlich wäre: Wenn St. Pölten nicht bald einen Konsolidierungsplan vorlegt, wird das Gemeindebudget bald unter Landes-Kuratel gestellt. Für eine Gemeinde dieser Größe und dieses Status‘ eine Blamage sondergleichen.
Jetzt kann man einwenden, dass es einerseits wirtschaftlich schwere Zeiten sind und dass andere um nichts besser wären: Hat nicht der Bund gerade größte Mühe, ein ähnliches Verfahren aus Brüssel abzuwenden? Suchen nicht immer mehr Gemeinden – auch das reiche Baden – gerade genauso Hilfe in ihrer Budgetmisere?
Stimmt schon: Das Geld ist da wie dort zu locker gesessen – und strukturelle Faktoren wie ein Finanzausgleich, der es gerade größeren Gemeinden schwer macht oder eine über Jahre nicht erhöhte Grundsteuer spielen eine Rolle. Aber die Frage, ob man nicht einfach hätte vorsichtiger budgetieren und sich die Stadt in dürren Jahren auf ihre wesentlichen Aufgaben beschränken hätte müssen, kann man dem Rathaus nicht ersparen.
Also: Ja, man kann und muss etliche der Ausgaben der Stadt in den vergangenen Jahren hinterfragen. Ob es – bei aller Liebe zu Elementen wie dem Kinderkunstlabor – wirklich verantwortungsvolle Politik war, das Tangente-Kulturprogramm durchzuziehen, als die Wirtschaftskrise in Österreich schon in voller Blüte stand, zum Beispiel. Ob man manche Bauten – ob Promenade oder Alumnatsgarten – nicht lieber hintangestellt hätte, bis die Zahlen wieder im schwarzen Bereich sind. Ob Förderungen wie jene für erneuerbare Energien – zusätzlich zu jenen von Bund und Land – wirklich der Weisheit letzter Schluss waren, wenn sich die Stadt dadurch finanzieller Handlungsfähigkeit in der Zukunft beraubt.
Und jetzt bleiben eben nur mehr harte Notmaßnahmen. Es wäre zu hoffen, dass die Budgetpolitik auch für kommende Jahre ihre Schlüsse daraus zieht: Bevor man Geld ausgibt, muss man es erst einmal haben.
JAKOB WINTER
Aufgewachsen in St. Pölten, emigriert nach Wien, Digitalchef beim „profil“.
Es gibt zwei Dinge, die sich nicht gut vertragen: Wahlkämpfe und Sparmaßnahmen. Erinnert sei an den Nationalratswahlkampf im Vorjahr, bei dem ÖVP und Grüne jeden Sparzwang wegwischten, große Kostenstellen wie den Klimabonus munter erhöhten, nur um hinterher zerknirscht eingestehen zu müssen: „Wir haben zu viel ausgegeben.“ Ausgesprochen hat diesen Satz Magnus Brunner, Ex-Finanzminister. Also der Mann, dessen Job es eigentlich gewesen wäre, genau das zu verhindern.
Wir haben zu viel ausgegeben. Das wäre ein Satz, den nun auch Landeshauptleute und Bürgermeister in den Mund nehmen müssten.
Auch in St. Pölten. Die Gemeindeaufsicht des Landes fordert nun einen Konsolidierungspfad von der Landeshauptstadt. Wer dahinter eine Finte des schwarz-blauen Landes gegen die rote Stadt vermutet, irrt.
Ein Blick auf die größten Kostenstellen des Stadtbudgets: Ein Faktor sind die hohen Lohnabschlüsse der öffentlich Bediensteten. Dazu kommen stark steigende Umlagen für Spitäler und Pflege, die die Stadt ans Land abführen muss – dabei werden finanzkräftige Gemeinden stärker belastet. Einnahmenseitig kommt durch die Wirtschaftsflaute weniger an Ertragsanteilen herein. Ab 2023 ist im Budget auch eine Kostenexplosion im Bereich „Kultur“ erkennbar, die auf die Aktivitäten der Doch-nicht-Kulturhauptstadt zurückzuführen sind.
Nun muss St. Pölten zwei Dinge vereinen, die schwer zusammenpassen: Ein Sparpaket schnüren, ein Jahr vor der Gemeinderatswahl. Einnahmenseitig hat die Stadt wenig Möglichkeiten. Sie kann (und wird) die Gebühren anheben. Und der Bürgermeister wird beim Finanzressort auf die triste Lage der Gemeinden hinweisen. Doch große Spielräume zum Geldverteilen hat auch der Bund nicht. Daher wird es nur mit Einsparungen gehen.
Im Rathaus dürften nun alle Kostenstellen durchforstet werden. Zu erwarten ist, dass Pensionierungen nicht nachbesetzt und Bauprojekte um ein paar Jahre nach hinten verschoben werden. Ob das reicht? Wir werden es in diesem Fall noch vor der Wahl wissen.