Neuer Nährboden entsteht
Text
Andreas Reichebner
Ausgabe
02/2025
Am Sonnenpark St. Pölten am Spratzerner Kirchenweg, der Menschen durch interdisziplinären Kulturaustausch verbindet, ist das Bauen, ein neues Werden deutlich spürbar. Das Haus 81 steht vor der Fertigstellung. Wenn sich das Frühjahr dem Sommer zuwendet, wird mit einem Festakt eröffnet werden. Zum Kulturverein Solektiv vereint, wird der „alte Geist“ von Lames und Sonnenpark nun durchlüftet von neuen Kräften.
Eine dieser Kräfte ist Konstanze Müller, die seit einem Jahr die künstlerische Leitung des Vereines Solektiv innehat. „Der alte Geist ist nach wie vor spürbar, muss auch dableiben. Er ist die Aussaat, die Wurzeln, die nun neue Möglichkeiten eröffnen“, so Konstanze, die diesen Platz als etwas Organisches sieht, „die Häuser, der Park sind der Körper, die Seele, das Leben geben die Menschen, zu denen ich jetzt gehör, dem Ort.“ Vom Hörensagen hat sie, die ehemalige BORG-Schülerin, damals den Sonnenpark gekannt, durch eine persönliche Begegnung mit Agnes Peschta, durch die sie den „Mythos“ Andi Fränzl näher kennenlernte, die Lust bekommen, an diesem generationenübergreifenden Ort ihren Gestaltungswillen einzusetzen. „Ich habe bei der Intervention vom Kollektiv Neonpink ‚Mühlbacherinnen‘ anlässlich der Tangente, erfahren, dass die künstlerische Leitung ausgeschrieben wurde“, erzählt sie – der Rest ist Teil der Geschichte des Sonnenparks. Die beginnt 1999, als das Kollektiv „La Musique et Sun (LAMES)“ auf der Suche nach neuen Proberäumen von der Stadt das damals fast undurchdringliche Park Areal samt Gebäuden – bis auf Widerruf – zur Verfügung gestellt bekommt. Das Haus 83 wurde als Proberaum und Partylocation (Schwarzer Raum) genützt, 2006 das interdisziplinäre Kunstsymposium „Parque del Sol“ installiert, 2011 mit dem Sonnenparkfest und der Sensibilisierung der Bevölkerung letztendlich 2016 erfolgreich gegen die Veräußerung des Areals gekämpft. 2021 erweiterte sich der Sonnenpark zum Themenpark, das Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport zeichnete die Vereine LAMES/SONNENPARK, die sich später zu Solektiv verschmolzen, für ihre „herausragenden Leistungen“ mit dem Outstanding Artist Award aus. Konstanze Müller, die eine klassische Ausbildung im darstellenden Tanz und Theater hat, sich aber in der freien Szene entwickelte, sieht sich als Teil eines Kollektivs.
Community arbeitet mit
Das wird bei einer Begehung der Großbaustelle gleich deutlich. Gemeinsam mit Günter Pöck, einem ehrenamtlichen Vereinsmitglied, der die Geschicke rund um den Bau leitet, sich um Gelder, Subventionsbelange kümmert, wird das Neuentstehende freudig begangen. „Das ist der Weiße Saal, dessen Räumlichkeiten nun viel lichtdurchfluteter sind und sich wundervoll dem Park öffnen. Hier werden die ´Artist in Residence`-Räume untergebracht, dort die Büros und da, als Zukunftsvision ein Multifunktionsraum mit Publikumstribüne, der die Chance auf Eigenproduktionen lässt“, erzählen beide fast unisono. Pöcks von Farb- und Putzspritzern bedeckter Pullover zeugt vom aktiv mitwirkenden und arbeitenden Community-Geist, den auch die Präsidentin Agnes Peschta und Urgestein Markus Weidmann-Krieger, der die ökologische Leitung des Parkes ausübt, tragen. „Die derzeitig aktiven Mitglieder bereiten durch die Arbeit am Bau und bei den Veranstaltungen Möglichkeiten für Inaktive und laden Neugierige herzlich ein, Teil davon zu werden“, freut sich Konstanze Müller nun den Weg der Transformation im Team beschreiten zu können.
Konstanze möchte noch mehr die „Tore öffnen“, bestimmte Formate, wie die legendären Clubnächte, getragen vom Einfluss von Andi Fränzl, auch in die Richtung Diversität denken und auch von Co-Kurator:innen bespielen lassen. Was kann eine Clubnacht alles sein? Sie möchte auch jüngere Vereinsmitglieder einladen, gemeinsam unter ihrer Ägide, spezielle Events, die auf ein junges Publikum zugeschnitten sind, zu veranstalten. Das Potenzial, das die Diversität der Weiterentwicklung langjähriger Community-Mitglieder, deren Nachwuchs und neuen Vereinsmitgliedern birgt, soll genützt werden, auch um nach außen zu strahlen.
Zurzeit hat man als Verein ein Veranstaltungskontingent von zehn Tagen im Jahr zur Verfügung, das soll sich aber in der Zukunft ändern. Durch bauliche Maßnahmen wie Schallschutzmauern oder der Schallschleuse beim Schwarzen Raum soll dies beizeiten möglich sein, immer im Verbund mit einer guten Nachbarschaft. Ihren persönlichen Fokus möchte Konstanze auf darstellenden Tanz und Theater legen: „Durch seine Interdisziplinarität bietet der Ort die Möglichkeit, zukünftig auch dem Darstellenden mehr Raum zu geben.“ In Konstanzes Kopf schwirren eine Fülle von Ideen, etwa mit professionellen Künstlerinnen und Künstlern mit Behinderung und einer gehörlosen Tänzerin gemeinsam eine Kollektivaktion am Ort zu entwickeln. Auch eine lebendige Ausstellung, immersiv bis hin zu klassischen Kooperationen, schwebt ihr vor. Sie ist beseelt vom Gedanken der freien Szene, die in ihrer Unabhängigkeit und Offenheit langjährige Traditionen verändern darf. Ihr ist dabei wichtig, eine Balance zu leben, einen gemeinsamen Rahmen zu schaffen, wo Kunst und Kultur entstehen kann.
Mit Gespür in die Zukunft gehen
„Dasein in der Präsenz, mit Gespür in die Zukunft gehen“, erläutert sie, „der Verein hat so eine lange Geschichte, die auch herausfordernd ist. Ich bin herzlich und mit enormem Vertrauen aufgenommen worden, werde aber natürlich auch immer wieder gefragt, warum ich manche Dinge so mache.“ Noch mehr zusammenwachsen sollen alle bisherigen Communities wie Foodsharing, der Tauschraum, die Programmmitarbeit und jene, die sich der Natur verschrieben haben, und neue werden wachsen. „Denn ohne Community gibt es keinen Verein. Der Ort bietet so viele Möglichkeiten, neue Ideen reifen zu lassen, umzusetzen und auch Dagewesenes zu einem anderen Wesen werden zu lassen.“ Im Herbst gibt es eine Keramikausstellung , mit „Beauty in Between“ von Sophie Abraham wird kooperiert. „Internationale Künstler:innen und Vereinskünstler:innen mit nationaler Kunst in Verbindung zu bringen, dafür ist der Ort wie geschaffen. Aber das braucht Zeit und Raum, wir werden das Schritt für Schritt implementieren.“ Dazu möchte das Kollektiv Interessierte oder jene, die eine andere Perspektive darauf bekommen wollen, herzlich einladen.