MFG - All the young dudes
All the young dudes


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

All the young dudes

Text Johannes Reichl
Ausgabe 02/2025

Jedem Interview sein passender Soundtrack, und so läuft bei meiner Fahrt nach Ossarn David Bowies „All The Young Dudes“. In Wahrheit natürlich eine glatte Themenverfehlung, weil die „Dudes“, die ich dort besuche, vornehmlich nach dem Rhythmus des Rock’n’Roll der 50er- und 60er-Jahre reiten – und das seit zehn Jahren!

Als mir Mika Stokkinen eine Woche zuvor bei einem Fest verrät, dass The Ridin Dudes heuer ihr zehnjähriges Jubiläum feiern, kann ich es im ersten Moment gar nicht glauben, freilich mit umgekehrten Vorzeichen: Erst?! Tatsächlich wähnt man die Band schon „ewig“ an seiner Seite, was vor allem an Mikas jahrzehntelanger Omnipräsenz in der heimischen Musikszene liegen mag, doch es ist erst zehn Jahre her, dass der Meister des R’n’R-Stromruders quasi auf ein neues Pferd setzt. „Ich machte damals eine schwierige Phase durch – zum einen hatte ich den Eindruck, dass ich künstlerisch irgendwie anstehe, zum anderen liefs privat nicht rund: Scheidung, Frau weg, Haus weg, und das Pflegeheim, wo ich bis dahin gearbeitet hatte, sollte auch zusperren.“ Um gleich ein paar Euro ins Phrasenschwein zu werfen … jeder Niederlage wohnt bekanntlich eine neue Chance inne, und so drückte Mika die Reset-Taste und erfand sich quasi neu, um doch irgendwie der alte Vollblutmusikant zu bleiben: Den Brotberuf als Pfleger schmiss er und konzentrierte sich nun vollends auf seine Karriere als Profimusiker. Dass er die Entscheidung durchzog, hatte dabei wohl auch mit einem zufälligen, freilich durchaus schicksalhaften Treffen mit einem gewissen René Grohs, damals vor allem als umtriebiger Generalmanager der „Invaders“ bekannt, im Gasthof Graf zu tun. „Ich hab dort mit Steger Rudi einen Gig gespielt und bin nachher an die Bar raus, wo René stand. ‚Ah, du bist auch da‘, begrüßte ich ihn, und er meinte nur lapidar ‚ja, aber nicht wegen euch‘“, lacht Mika – worin sich René, der mit uns in Ossarn am Tisch sitzt, freilich gehörig täuschen sollte. „Mika hat mich an dem Abend gefragt, ob ich sie nicht managen möchte“, erinnert sich René, und Mika ergänzt. „Er hat nur gemeint: ‚Was muss ich da tun?‘ und dann ‚Ich überlegs mir!“ Wie die Antwort ausfiel, ist bekannt. Und so saß man alsbald mit Ron Glaser und Andreas Hadl an einem legendären Abend, der sich bis in die frühen Morgenstunden ziehen sollte, „richtiggehend aufgekratzt“ zusammen, um einen passenden Namen für die neue Band zu finden. „In den USA bist du ja überall der Dude, der Kumpel, das gefiel uns“, so René, „wobei wir einen nicht zu kurzen, aber auch nicht zu langen Namen wollten, so in der Länge wie Rolling Stones etwa“, verrät Mika und fügt schmunzelnd hinzu „weshalb die erste Idee The Rolling Dudes war.“ Weil es aber einen Brand diesen Namens bereits gab und das wohl auch irgendwie zu sehr nach Stones Plagiat klang, wurden aus den Rolling schließlich The Ridin Dudes. „Ich hatte da so ein Bild vor Augen, von einem Zug, der in einsamen Bahnhofstationen in den USA hält, oder von Reitern in der endlosen Prärie“, sinniert René, was auch erklärt, warum Mika alsbald in das neue Logo, dessen Erstentwurf ebenfalls an diesem Abend entstand, eine Lokomotive einfügte. Ob nun Zug oder Reiter, es war jedenfalls der Beginn einer neuen Reise … 

Out of Gföhl
… die offiziell am 4. April 2015 in Gföhl ihren Ausgang nahm, wo Mika, Ron und Andi erstmals als The Ridin Dudes auf der Bühne standen. René hatte bis dahin schon eine neue facebook-Seite gebastelt und einen alten klassischen amerikanischen Schulbus bestellt, auf dem das neue Logo geklatscht werden sollte. Überhaupt dürfte Mika alsbald gedämmert sein, dass man in Sachen Management mit René aufs richtige Pferd gesetzt hatte. Nicht nur, dass René die schon beim ersten Treffen vollmundig versprochenen drei Gigs als Morgengabe mit einbrachte, „kreuzte er bei einem Konzert in Krems in Latzhose und Cowboyhut auf. Nach dem Konzert ging er mit dem Hut durch. Als der erste Gast ‚nur‘ einen fünf Euro Schein hineinwarf, fixierte er ihn scharf mit den Augen und fragte streng: ‚Hats dir leicht nicht gefallen?‘ Woraufhin der ‚Ermahnte‘ den Obolus erhöhte und die anderen Gäste dem Beispiel folgten.“ 
Grohs trichtert den Jungs auch von Beginn an Selbstbewusstsein ein. Als die Bandmitglieder etwa zweifeln, ob sie sich beim größten Elvis Festival Europas in Bad Nauheim anmelden sollen, greift der Manager kurzerhand zum Telefon und ruft den Veranstalter an – der, wie erwartet, abwinkt. „Ich antwortete nur: ‚Warte, ich schick dir einen Link von uns zu und garantier dir, dass du mich zurückrufst und wir bei dir spielen.“ Einige Monate später stehen „Ron Glaser & The Ridin Dudes“ tatsächlich beim European Elvis Festival auf der Bühne, Ron wird zudem beim Contest zum „bes­ten Elvis seit Elvis“ gekürt. „Das war schon völlig irre, dass wir da gleich gewinnen“, schüttelt Mika noch heute ungläubig den Kopf. 

Colonel Grohs
Rasch wird klar, dass René nicht „nur“ der Manager der Ridin Dudes ist, sondern selbst Teil der Gruppe, was auch mit einer grundlegenden Weichenstellung manifestiert wird: Die Jungs gründen gemeinsam eine eigene Firma – aus der im Übrigen mittlerweile drei geworden sind: eine für Booking & Co., eine für Merch und eine für CD-Produktionen. „Ich habe von Anfang an klargestellt, dass René volles Mitglied ist, wir also alle Einnahmen aufteilen – nicht etwa nur über Provisionen arbeiten.“ Zum Schaden der Band sollte es nicht sein – nicht nur dass René unermüdlich Gigs an Land zieht, warf René auch auf unnachahmliche Weise die Promotionmaschine an „weil du neben den Gigs als Plattform vor allem medial stetig präsent bleiben musst.“ Dabei nahm der größte Elvis-Fan Österreichs wohl Anleihen beim legendären Manager des King, Colonel Parker. Wie dieser sorgte er dafür, dass das Dudes-Logo fortan wo überall möglich ins Gesicht sprang –  auf Autos, auf Jacken, auf T-Shirts, Kühlschrankmagneten, Tassen bis hin zu KFZ-Kennzeicheneinfassungen. Als ein Neider einmal monierte „‚ihr seid ja gar keine Band mehr, sondern nur mehr eine Marke‘ war das das größte Kompliment überhaupt“, freut sich René noch heute, und auch ein stichelndes „ihr würdet euer Logo ja sogar auf Klopapier drucken“ quittierte die Band mit „he, eigentlich eine gute Idee“, lacht Mika. „Wir hatten ja auch schon ‘mal über Präservative geblödelt, so nach dem Motto ‚Ein Dude kommt selten allein.‘“, schmunzelt er und fügt trocken hinzu: „Aber eines ist klar: Die beste Vermarktung würde dir nichts helfen, wenn das Produkt Scheiße ist.“ Das Gegenteil ist der Fall – The Ridin Dudes zählen heute zu den herausragenden Vertretern ihres Genres. „Dass wir als kleine Stadtband nach nur zehn Jahren in einem Atemzug mit Legenden wie Monti Beton oder der Mojo Blues Band genannt werden, kann sich schon sehen lassen“, ist René stolz, und Mika ist überzeugt, „dass wir uns enorm weiterentwickelt haben.“ 
Was sich auch im Repertoire niederschlägt, „das über die Jahre immer umfangreicher geworden ist“, so Mika. Mittlerweile covert man nicht „nur“ Chuck Berry, Elvis & Co., sondern schreibt auch eigene Songs. Zudem unternimmt die Band immer wieder Ausflüge in andere Genres, wenn man etwa an Programme wie „Rock’n‘Soul“ denkt, oder bürstet bekannte Pop- und Rockklassiker gegen den Strich und verwandelt sie in Rock’n’Roll Hadern im Dudesstyle. „Außerdem hat Pascal ganz neue Einflüsse eingebracht, die uns auch einem jüngeren Publikum öffnen“, freut sich Mika über die jugendliche Verstärkung. „Wobei die Musik ja durchaus eine ‚alte‘ sein kann, aber man darf eben nicht stehen bleiben – wenn ich allein an die technischen Möglichkeiten heute denke.“ Erst vor Kurzem habe ihm ein Freund einen KI generierten Song vorgespielt „der hatte Hitpotenzial, das war schon spooky.“ Sind Musiker also eine aussterbende Rasse? Da winkt Mika ab: „Das glaube ich nicht, weil dir Live-Auftritte, die Emotionen, die damit verbunden sind, keine KI nehmen kann! Live ist live!“

Licht und Schatten
Und eine Liveband sind die Dudes durch und durch, ohne Zweifel die aktivste in der gesamten Region, was ihnen mitunter den Vorwurf einbringt, „zu viel zu spielen“. In Wahrheit scheint das Gegenteil der Fall zu sein – die Leute bekommen einfach nicht genug von der Band, wenn man alleine an den bummvollen Rathausplatz kurz vor Weihnachten denkt, und das, obwohl die Dudes erst zwei Wochen zuvor in ähnlich großem Rahmen bei Weihnachten im Park aufgetreten waren. Die gefühlte Omnipräsenz der Band hat dabei auch mit einem interessanten Geschäftsmodell zu tun: Je nach Anlass, Location, Veranstaltung, Geldbeutel des Auftraggebers und verfügbarer Manpower agiert man nämlich, IKEA lässt grüßen, im Baukastensystem: So gibt es The Ridin Dudes im Duo, im Trio, als Quartett oder in Vollbesetzung zu fünft. Quasi eine Band, mehrere Formationen. Darüber hinaus arbeitet man immer wieder mit befreundeten Künstlern zusammen, etwa Tini Kainrath, Dennis Jale oder Peter Rapp, holt sich für Sonderformate Support von außen, z. B. für „Rock’n‘Soul“ die Pepe Schütz Allstar Horns, und hat sich auch schon den Traum vom Blockbuster-Auftritt samt Symphonieorchester 2022 im VAZ erfüllt. „Ich hatte da immer die legendären Konzerte von Brian Setzer im Kopf“, schwärmt René, Mika wiederum ist vor allem der unglaubliche Aufwand in Erinnerung geblieben: „Das war schon eine Steißgeburt“, lacht er, „aber es ist schon geil, wenn hinter dir auf der Bühne auf einmal das fette Orchester loslegt – wow!“ 
Freilich gab es für die Band in diesen zehn Jahren nicht nur Licht, sondern auch Schatten. „Am Anfang war es generell ein Kampf. Meine neue Selbstständigkeit empfand ich zum einen zwar als Befreiung, zum anderen ging sie aber auch mit Existenzängsten einher – es war ja das erste Mal seit meinem 16. Lebensjahr, dass am Monatsende kein fixes Gehalt eintrudelte“, erinnert sich Mika. Einen schweren Schicksalsschlag bedeutete der Tod Ron Glasers. „Im August hatten wir noch einen Gig gemeinsam gespielt, im Dezember ist er gestorben. Das war schon heftig. Wir gingen zu der Zeit zwar bereits verstärkt jeder seiner eigenen Karrierewege, aber für uns stand plötzlich die Frage im Raum: ‚Wie geht’s jetzt weiter?‘, zumal auch Pascal, der zwar schon als Gitarrist bei den Elvis Shows mit an Bord war, noch nicht in seiner Rolle als Sänger der Dudes entdeckt worden war. Das hätten glaube ich nicht alle Bands überlebt“, ist Mika überzeugt. 
Auch Corona stellte eine Riesenherausforderung dar, was René mit „Bist du deppad, das war crazy!“, quittiert. „Ich hab mich sofort stundenlang in die diversen Fördermodelle eingelesen und wir haben, weil wir ja nicht live spielen konnten, irgendwann begonnen, jeden Freitag ein Konzert live zu streamen – mit zuletzt bis zu 10.000 Viewern!“
Im Vorjahr ereilte Mika dann auch noch ein Schlaganfall. „Die ärgste Erfahrung meines Lebens!“, räumt er ein. „Es war auch das erste Mal in der Geschichte der Dudes, dass ich einen Gig nicht spielen konnte.“ Als er auf einem Video einen Substituten an seiner statt spielen sieht, „war das schon spooky.“ Auf dem linken Ohr quält den Musiker seitdem ein stetes Rauschen „aber nichts, das mich umbringt“, so Mika lakonisch. Letztlich sei es ein Streif-, ein Warnschuss gewesen „heute trinken wir bei den Gigs Kamillentee und unterhalten uns, welche Medikamente wir nehmen müssen!“, lacht er selbstironisch,  fügt aber demütig hinzu „Ich kenne befreundete Musiker, die es wirklich hart erwischt hat. So gesehen hatte ich noch Glück und stand nach einigen Wochen schon wieder auf der Bühne und konnte sogar die USA Reise mitmachen!“ Dafür hatte er sich im Vorfeld das O.K. seines Neurologen geholt, „der beim Blick aufs CT nur meinte: ‚Na, das Hirn eines 50-jährigen haben Sie nicht!‘ – das war mir als Rock’n’Roller klar“, witzelt Mika und amüsiert sich noch heute köstlich, dass erst im Oktober die Bewilligung auf Reha eintrudelte „da stand ich aber schon wieder seit einigen Wochen auf der Bühne und war zurück aus den USA!“

Immer wieder Elvis
Zu den USA, insbesondere zu Elvis, haben die Dudes überhaupt eine ganz besondere Verbindung. Nicht nur, dass René wohl der größte Elvis-Fan – zumindest – Österreichs ist mit einer wahnwitzigen Sammlung aus diversen Devotionalien und Originalstücken, wandelt die Band seit jeher auf den Spuren des King und hatte mit Ron Glaser den stimmlich wohl besten Elvis-Interpreten seiner Zeit in ihren Reihen. Ein Umstand, der auch in den USA honoriert wurde, wo Ron sowie René die Ehrenbürgerschaft von Elvis Geburtsort Tupelo verliehen wurde „Eine Ehre – die mit Ausnahme der Scorpions – noch keinen anderen Europäern zuteil geworden ist.“ Außerdem durften die Jungs wie weiland Elvis selbst den Stadtschlüssel aus den Händen des Bürgermeisters entgegennehmen. In Tupelo standen die Dudes im legendären Silvermoonclub, wo Elvis seine ersten Sporen verdient hatte, auf der Bühne, und durften beim Elvis Festival Tupelo auftreten – auch das keine Selbstverständlichkeit für europäische Bands.
Über die Jahre hat René dank seiner Sammelleidenschaft und steten Jagd nach Elvis Memorabilien auch freundschaftliche Bande zu einigen Wegbegleitern des King aufgebaut, etwa dessen Ex-Freundin Linda Thompson, die ehemaligen Leibwächter Dick Grob und Sam Thompson, oder auch Musiker wie Norbert Butmann oder Schlagzeuger Jerome „Stump“ Monroe. Diese lassen es sich nicht nehmen, immer wieder mal auch bei den von den Dudes organisierten Fanreisen in die Staaten vorbeizuschauen. Sechs waren es bislang an der Zahl, auf den Spuren Elvis wandelnd steht dabei nicht nur Tupelo, sondern zumeist auch Las Vegas und das Musik- und Elvis-Mekka schlechthin, Memphis, am Programm. Ebendort ließen es sich die Dudes nicht nehmen, im berühmten Sun Studio, wo Elvis‘ erste Platten entstanden, eine Aufnahmesession zu buchen, zudem spielten sie in der legendären Bleak Street auf „ohne gleich verscheucht zu werden“, grinst René. Und natürlich besuchte man das Allerheiligste: Graceland! Mika, der schon als Junior von seiner Großmutter mit dem Elvis-Virus infiziert worden war, „was soweit ging, dass ich früher, auch wenn man es nicht glauben mag“ – dabei lüpft er kurz den Hut und zeigt seine Glatze –„eine klassische Elvis-Dolle getragen habe“, kann sich noch gut an seinen ersten Besuch in Elvis‘ Villa erinnern: „Im ersten Moment dachte ich nur: ‚Oida, is die Bude klan‘“, lacht er. Drinnen wurde er dann aber wie alle von Ehrfurcht ergriffen. „Wir standen in der Küche. Seine Kumpels erzählten, dass er dorthin immer über eine kleine Treppe vom ersten Stock runterkam – das Sonderbare war, dass sie genau wussten, wann er auftaucht, obwohl sie ihn gar nicht gehört hatten, einfach aufgrund seiner unglaublichen Aura. Und die spürst du dort auch und denkst dir, dass er jeden Moment um die Ecke schaut – da bekommst du Gänsehaut.“
Die würde vielen Elvis-Fans auch bei den Schätzen von René auflaufen, die ich in Folge noch näher unter die Lupe nehme. Stolz zeigt mir René auch die Ehrenbürgerschaftsurkunde, dann hält er aber nachdenklich inne. „Solche Auszeichnungen sind natürlich schön, weil du damit etwas in der Hand hast. Aber – auch wenns pathetisch klingt – allen voran sind wir unseren Fans dankbar, weil sie das, was wir machen – und vor allem WIE wir es machen – erst ermöglichen!“ 
Mika nickt zustimmend. „Ohne Fanbase ginge gar nichts! Danke Dudes!“