Der Nicht-Sesshafte
Text
Thomas Fröhlich
Ausgabe
02/2025
Er ist ein Einzelkämpfer, gehört keiner künstlerischen Vereinigung an und übt sich in angewandter Vielseitigkeit. Nun wurde eins seiner Werke zugunsten des Europaballetts versteigert. In St. Pölten zählt er (noch) zu den Unbekannten: Andreas Kindig.
„Was kümmert es das Wasser, Was wir für Idioten sind, Es rinnt; es rinnt und rinnt.“
(A. Kindig)
Ende 2024, nach dem massiven Unwetter, das (nicht nur) halb St. Pölten unter Wasser setzte, hatte Heinz Hausmann, St. Pöltner Baumeister und Galerist, eine Idee: Auf seine Initiative fand eine Auktion statt, bei der eine beeindruckende Büste des Solotänzers Florient Cador versteigert wurde. Geschaffen wurde das Kunstwerk von Andreas Kindig. Die Büste wurde um 3.000 Euro ersteigert. Der Erlös kam einem neuen Ballett-Schwingboden für das Europaballett zugute. Seit dem verheerenden Hochwasser in St. Pölten war es den hundert Tänzerinnen und Tänzern ja nicht mehr möglich gewesen, in ihrer gewohnten Umgebung zu trainieren und zu proben, da die Schwingböden durch das Wasser beschädigt worden waren und entfernt werden mussten. „Das Porträt war als Renommierprojekt gedacht“, verrät der Künstler Andreas Kindig bei einem Gespräch im Café Emmi. „Ich hab‘ Florient Cador, von dem ich wusste, dass er schon Modell gestanden hat, auf der Straße angesprochen und gefragt, ob ich ihn modellieren dürfte. Er war sofort einverstanden. Die Versteigerung zugunsten des Europaballetts war dann eine Win-win-Situation: ein Beitrag für die Erneuerung der hochwassergeschädigten Tanzböden und für mich ein weiterer Schritt an die Öffentlichkeit, nach meiner Ausstellung in Wien im Oktober letzten Jahres.“
Eine glückliche Fügung, könnte man sagen. Und das für einen Menschen, der nicht immer nur Glück hatte. „Schon von Kind auf habe ich als Künstler gedacht, besonders, nachdem die Kindergartentante meine Zeichnungen so gelobt hat.“
In Wien als Halbperser in prekären Verhältnissen aufgewachsen, ist er mit siebzehn ausgezogen, dank der Intervention seiner mutigen Deutschprofessorin. Ein Nicht-Sesshaftwerden prägt sein Leben bis heute, privat und künstlerisch. „Das Auge wird nie satt“ – das war der überaus passende Titel seiner Ausstellung in den Räumlichkeiten des Fotografen Robert Newald in Wien, die gemeinsam mit Reinhard Gombots vor etwa einem viertel Jahr stattfand. Und auch Kindig selbst vermeidet jeglichen künstlerischen Stillstand. „Mit vierzehn machte ich vergeblich die Aufnahmeprüfung an der ‚Graphischen‘ in Wien in der Leyserstraße. Ich war so beleidigt, ich hab’s nicht wieder probiert.“ Nach einem Schluck Kaffee erzählt er weiter: „Nach der Matura an der ‚Herbststraße‘ (HBLA für Kunstgewerbe) habe ich fast zwanzig Jahre die Hausgrafik bei Manner-Schnitten‘ aufgebaut.“ Die Kunst verlor er jedoch nie aus den Augen und er versuchte sich in den verschiedensten Techniken. Für ihn sind seine Arbeiten kein Zeitvertreib, sondern immer ernsthafte künstlerische Auseinandersetzung. „Meine größte Arbeit, ‚der Gießer‘, eine lebensgroße Bronzestatue, 180 cm hoch, steht vor der Kunstgießerei Mikić, für die ich sie in Ton modelliert habe.“ Aktuell arbeitet Kindig an Holzschnitten (Druckgrafiken), aber auch Malerei und Keramik rücken mehr und mehr in seinen Fokus. „Letztens habe ich Schachfiguren entworfen, obwohl ich Schach eigentlich nicht mag. Aber die Herausforderung, diese Figuren von Grund auf neu zu gestalten, fand ich extrem spannend.“ Mit dieser Vielfältigkeit hatte er sich lange nicht an die Öffentlichkeit gewagt, obwohl er von der Qualität seiner Arbeiten überzeugt war und ist. „Die Angst, zu wenig Portfolio zu haben, zu wenig Linie in den Arbeiten, zu wenig Wiedererkennbarkeit, keine akademische Ausbildung, kein Netzwerk – all diese Bremsen halt.“ 2018 hatte er im Red Point in St. Pölten seine erste Vernissage, 2024 in Wien seine zweite.
Man darf Kindig durchaus als Unangepassten, als Suchenden sehen, mit Scheu vor dem sich Etablieren in einer Masche oder Stilrichtung. Mit Blick aufs Kaffeegeschirr im Kaffeehaus etwa meint er: „Das Gestalten einer Teekanne ist ebenso reizvoll wie all die Entscheidungen zwischen Schwarz und Weiß im Holzschnitt, oder für Form und Farbe in der Malerei. Auch Lyrik ist eine meiner Lieben.“ Als politischen Künstler sehe er sich nicht, obgleich er „das Kritische in der Kunst“ vermisse. Denn schlussendlich sei Kunst ein Kommunikationsmittel: „Gerade Künstler sollten als Seismographen der Gesellschaft auch wahrgenommen werden.“
Der „Nachwuchskünstler“ Jahrgang 1964 habe einige Ideen und Entwürfe in der Pipeline. Seine „Dämonen“ Sucht und Depression seien inzwischen handzahm geworden, und er sehe sich auf einem guten Weg, sozial und spirituell; beides gleichermaßen „parteilos“. Zum Abschied bemerkt er noch: „Mein Traum war immer, von Kunst leben zu können; nicht davon leben zu müssen ist aber auch ein Stück Freiheit.“
Andreas Kindig kennt als Nicht-Sesshafter viele Wege. Was wohl der richtige Weg sein dürfte.