Büro für Diversität, (k)ein Büro für Integration?
Text
Johannes Reichl
Ausgabe
02/2025
„Statt dem Büro für Diversität brauchen wir ein Büro für gelungene Integration“, forderte im Jänner Stadtrat Florian Krumböck via Aussendung und sorgte damit beim angesprochenen Team einigermaßen für Verwunderung, wurde die Stadteinrichtung doch dereinst u. a. genau deshalb gegründet und legt einen Hauptfokus der Arbeit auf Integration und Dialog.
Auf die Kritik angesprochen, stellt die Leiterin des Büros für Diversität Martina Eigelsreiter das Selbstverständnis der Einrichtung wie folgt dar: „Städte sind für alle da! Städte, die sich um Menschen anderer Herkunft bemühen, setzen Angebote, die nicht nur für Deutschsprachige sind, es gibt Veranstaltungen, bei denen unterschiedliche Kulturen gefeiert werden und Netzwerke für neu zugezogene Menschen. St. Pölten hat als multikulturelle und -religiöse Stadt (an)erkannt, dass es hier etwas zu tun gibt, und hat 2012 mit dem Büro für Diversität eine Anlaufstelle für Menschen geschaffen, die neu in der Stadt sind. Mit dem Ziel, die Lebens- und Zukunftsperspektiven der in St. Pölten lebenden Menschen zu verbessern, setzt das Büro für Diversität viele verschiedene Maßnahmen und Projekte um.“
Diesbezüglich verweist sie etwa auf das seit 2016 bestehende Diversity Café St. Pölten „als Begegnungsraum für zwischenmenschlichen Austausch, auch jenen zwischen den Kulturen“, das im Vorjahr mit dem Monika-Vyslouzil-Preis ausgezeichnet wurde, 2020 von „Respekt.net“ zum „Ort des Respekts“ gekürt wurde und bereits 2021 den Österreichischen Verwaltungspreis erhielt.
Ein anderes vom Büro unterstütztes Integrations-Modul sind die Schulworkshops „Flucht & Migration – Integration durch Vereine und Sport“ von Damir Dukić. Der Handballtrainer der Sportunion St. Pölten, dereinst selbst in Folge des Balkankrieges nach Österreich geflüchtet, hat am eigenen Leib die positive Relevanz von Sport-Vereinen als Vehikel der Kontaktanbahnung, Integration in die Gemeinschaft sowie des schnelleren Spracherwerbs kennengelernt. Seine Erfahrungen und Gedanken zum Thema Migration und Sprache gibt er im Rahmen von Schul-Vorträgen weiter.
Dem Wunsch Krumböcks im Gemeinderat, man möge doch lieber Deutschkurse denn Kurdischkurse anbieten, hält man entgegen, dass man zwei Mal pro Woche jeweils für drei Stunden mit Unterstützung von Ehrenamtlichen Zuwanderinnen und Zuwanderern Deutschkurse anbietet. „Die Kurse sind auf lokale Bedürfnisse ausgerichtet, bedarfsorientiert und flexibel“, so Eigelsreiter. Zudem führt man für Kinder und Jugendliche mit Sprachschwierigkeiten den Feriendeutschkurs „Deutsch für mich“ durch „zur Überbrückung und Vorbereitung auf das nächste Schuljahr.“
Interreligiöser Dialog
Ein ganz klarer Fokus auf Integration und friedliches Zusammenleben liegt nicht zuletzt dem 2015 gegründeten „Interreligiösen Dialog“ zugrunde, für den im Vorjahr ein gemeinsames Wertebekenntnis ausformuliert wurde: „Wir teilen die Überzeugung, dass vor jeder Zuordnung zu einer Religion jeder Mensch ein Mensch ist, mit besonderem Wert und besonderer Würde, unabhängig von Nationalität, Alter, Geschlecht und Religion. Als Mitglieder der Interreligiösen Dialogplattform der Landeshauptstadt St. Pölten bekennen wir uns zur Gewaltfreiheit. Nicht in unserem Namen und nicht im Namen unserer Religion können und dürfen religiöse Argumente zur Rechtfertigung von Gewalt missbraucht werden. Wenn Vertreterinnen und Vertreter unterschiedlicher Religionen zusammenkommen, so treffen auch unterschiedliche Welt- und Lebensdeutungen aufeinander. Wir bemühen uns, Gemeinsamkeiten und Verbindendes zu sehen und Trennendes nicht zu verbergen, sondern in aller Offenheit anzusprechen und auszuhalten. Wir bekennen uns zu einem ehrlichen Dialog in Respekt voreinander. Dazu bekennen wir uns.“ Insgesamt beteiligen sich 14 Glaubensgemeinschaften am Interreligiösen Dialog.
Als weitere Initiativen des Büros für Diversität führt Eigelsreiter den „Iftar-Empfang“ an, im Zuge dessen der Bürgermeister anlässlich des Fastenmonats Ramadan Vertreterinnen und Vertreter muslimischer Vereine mit Frauen- und Jugendbeauftragten sowie die muslimischen Religionsgemeinschaften ins Rathaus einlädt, die von den verschiedenen Religionsgemeinschaften ehrenamtlich geführte „Wärmestube im Saal der Begegnung“ oder auch das mit Jänner diesen Jahres gestartete Integrationsprojekt „Singende Friedenstaube“, im Zuge dessen Menschen unterschiedlicher Religionen in Begegnungsworkshops zusammen kommen.
Das ist nicht nichts. Tatsächlich sind die Herausforderungen im Integrationsbereich aber nicht weniger geworden, weshalb wohl insgesamt eher an eine finanzielle und personelle Aufwertung des Büros für Diversität denn seine Liquidierung gedacht werden müsste. Insbesondere unter dem Aspekt, dass es auch weitere wichtige gesellschaftliche Themenfelder bearbeitet, die nicht vernachlässigt werden dürfen: Menschen mit Behinderung, Gleichberechtigung der Frauen, sexuelle Orientierung.
BEVÖLKERUNG NACH NATIONALITÄT
Mit Stand 2024 wies St. Pölten eine Gesamtbevölkerung von 59.770 Personen auf, davon 46.052 (77%) Österreicher und 13.718 (23%) Nicht-Österreicher.
Die Gruppe der Nicht-Österreicher bilden 4.392 EU-Bürger, 2.072 Personen aus dem ehemaligen Jugoslawien, 1.397 Türken, 3.195 Menschen aus Asien (davon als größte Gruppen 1.525 Syrer und 836 Afghanen), 1.744 Bürger aus der ehemaligen UDSSR (davon als größte Gruppen 734 Russen und 830 Ukrainer), 341 Afrikaner, 197 Amerikaner, 6 Personen aus Australien und Ozeanien, 259 Sonstiges (staatenlos/ungeklärt/unbekannt).
Quelle: Statistischer Jahresbericht St. Pölten
MITGLIEDER DES INTERRELIGIÖSEN DIALOGS ST. PÖLTEN
Alt-Alevitische Glaubensgemeinschaft, Alt-Katholische Kirche, Bahá’i Religionsgemeinschaft, Evangelische Kirche, Freie Christengemeinde – Pfingstgemeinde, Islamische Glaubensgemeinschaft, Alevitische Glaubensgemeinschaft, Islamische-Schiitische Glaubensgemeinschaft, Katholische Kirche, Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten, Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage, Neuapostolische Kirche, Rumänisch-orthodoxe Kirche, Serbisch-orthodoxen Kirche.