MFG - Bitte warten, auf Kindergarten
Bitte warten, auf Kindergarten


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Bitte warten, auf Kindergarten

Text Michael Müllner
Ausgabe 02/2025

Die Landespolitik versprach allen Zweijährigen einen Kindergartenplatz, doch viele Gemeinden kamen mit dem Bauen nicht nach. Auch in St. Pölten blieb für 60 Kinder zuletzt nur ein Platz auf der Warteliste. Warum ist das so?


Anfang des Jahres 2025 sorgte eine gemeinsame Reportage von ORF NÖ und profil für Aufsehen. Ein halbes Jahr lang hatten die beiden Medien in einer Recherche-Kooperation alle 573 Gemeinden in NÖ befragt, wie der Ausbau der Kindergärten läuft. Hintergrund der Anfrage war das Versprechen von ÖVP-Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner aus dem Landtagswahlkampf, „Nieder­österreich zum Kinderösterreich und zum Familienösterreich zu machen.“ Da Eltern nur bis zum zweiten Geburtstag des Kindes in Karenz gehen können, der früheste Kindergarten-Eintritt bislang aber erst mit zweieinhalb Jahren möglich war, setze man sich das Ziel, diese „Betreuungslücke“ zu schließen, indem man einen Kindergartenplatz für alle Zweijährigen ab dem September 2024 versprach.
Halten mussten dieses Versprechen dann die Gemeinden, die für Ausbau und Betrieb der Kindergärten zuständig sind, dafür aber finanzielle Unterstützung vom Land erhalten. Rund 30 bis 40 Prozent der Baukosten würden die Gemeinden vom Land gefördert bekommen, bis 2027 würden so im Rahmen der Kindergartenoffensive zusätzlich 750 Millionen Euro vom Land zur Verfügung gestellt. Umso ernüchternder war dann das Ergebnis der Recherche: 330 der 573 befragten Gemeinden gaben keine Antwort. Aus den Rückmeldungen der anderen Gemeinden zeichneten die Journalisten ein aktuelles Lagebild. Insbesondere die finanzielle Situation der Gemeinden macht Ausbau und Betrieb schwierig, teilweise gibt es auch zu wenig qualifiziertes Personal, um in den Gruppen zu arbeiten. Im Ergebnis zählten die Journalisten mindestens 217 Kinder, die im September 2024 entgegen der Ankündigung keinen Kindergartenplatz erhalten hatten. „Allein 143 Kinder davon entfallen auf die Stadt Groß-Enzersdorf und die Landeshauptstadt St. Pölten“, führte das profil unter anderem aus. 
St. Pöltens ÖVP-Klubobmann Florian Krumböck griff die Berichterstattung auf und warf daraufhin St. Pöltens SPÖ-Bürgermeister Matthias Stadler vor, dass er die Anliegen der Familien und Forderungen der Volkspartei jahrelang ignoriert habe. Die Opposition habe schon vor Jahren gewarnt, dass es zu wenige Kindergartenplätze gäbe, die Rathaus-Mehrheit habe sich aber lieber mit Resolutionen ans Land und Showpolitik beschäftigt, anstatt im eigenen Wirkungsbereich den Ausbau neuer Plätze voranzutreiben. Vorwürfe, die von den Verantwortlichen zurückgewiesen wurden, nicht zuletzt unter Hinweis auf den laufenden Ausbau der Kindergärten sowie auf kleinere Gruppen, durch veränderte Betreuungsschlüssel. 

Baustellen & Betreuungsschlüssel
Wirft man einen genaueren Blick auf die Situation rund um die Kindergärten in St. Pölten, so zeigt sich tatsächlich ein massiver Umbruch. Im Rahmen der Kindergartenoffensive werden im Stadtgebiet derzeit 25 neue Kindergartengruppen errichtet. Zusätzlich werden fünf Tagesbetreuungseinrichtungen errichtet, das sind spezielle Gruppen, die sich an die Jüngsten richten, also Kinder unter zwei Jahren. Im Februar wurde in der Ludwig-Stöhr-Straße ein neuer Kindergarten mit vier Kindergartengruppen und einer Tagesbetreuungsgruppe in Betrieb genommen. Bis September 2025 folgen laut Andreas Schmidt, dem Leiter des zuständigen Geschäftsbereichs im St. Pöltner Rathaus, zusätzlich dreizehn weitere Kindergartengruppen und zwei Tagesbetreuungs-Gruppen im Stadtgebiet. 
Doch wie kam es dazu, dass im September 2024 nicht alle Zweijährigen einen Platz im Kindergarten bekommen haben? Andreas Schmidt führt zwei wesentliche Punkte an. Einerseits sei das Zeitfenster zwischen der politischen Ankündigung des Vorhabens, für alle Zweijährigen einen Platz anzubieten, und dem Starttermin sehr kurz gewesen. Wie jedes größere Bauvorhaben braucht auch der Aus- und Neubau von Kindergärten Zeit. Viele Projekte würden aber in den nächs­ten Monaten fertig werden, was zu einer deutlichen Entspannung der Lage führen wird. Andererseits haben Änderungen im NÖ Kindergartengesetz zu einer Reduzierung der gesetzlichen Höchstzahlen geführt, weshalb im September 2024 durch diesen neuen Betreuungsschlüssel rund 180 Kindergartenplätze weniger verfügbar waren. Weniger Kinder in den Gruppen bedeutet zwar eine bessere Betreuungsqualität, aber natürlich auch, dass man weniger Kinder im bereits bestehenden räumlichen Angebot unterbringt.
Dass rund 180 Kinder im September 2024 auf der Warteliste standen, möchte Schmidt auch relativieren. Dabei sind auch Kinder, die zwar einen Kindergartenplatz bekommen hätten, deren Eltern aber auf einen Platz in einem anderen „Wunschkindergarten“ warten würden. Tatsächlich seien es laut Schmidt rund 60 Zweijährige gewesen, für die man im September 2024 keinen Platz hatte: „Hätten wir das Thema der weggefallenen Plätze durch den geänderten Betreuungsschlüssel nicht gehabt, wären wohl alle untergekommen.“ Für den September 2025 ist er optimistisch, dass alle einen Platz bekommen werden, wenngleich auch in manchen Stadtteilen nicht immer garantiert werden kann, dass jedes Kind im Wunschkindergarten der Eltern unterkommt.

Zukunftsblick & Förderbedarf
Woher weiß man eigentlich, wo Kindergartenplätze in Zukunft gebraucht werden? Entscheidend ist dafür die Bedarfserhebung, die auf Wunsch der Gemeinde vom Amt der NÖ Landesregierung durchgeführt wird. Dabei werden die Geburtenzahlen der letzten fünf Jahre betrachtet, der Zuzug in die Gemeinde sowie auch die lokale Wohnbautätigkeit. So versucht man bestmöglich abzuschätzen, wo im Stadtgebiet wie viele Kindergartenplätze in den kommenden Jahren gebraucht werden. Im Rahmen der aktuellen Kindergartenoffensive ergab diese Bedarfserhebung für das St. Pöltner Stadtgebiet den Bedarf von 25 Kindergartengruppen sowie fünf Tagesbetreuungseinheiten, die nun eben in den kommenden Monaten fertiggestellt werden. 
Doch auch wenn diese Gebäude schon bald von Kindern bespielt werden, bleiben die Herausforderungen der Offensive aktuell. Das Land trägt die Personalkosten für diplomierte Pädagoginnen und Pädagogen. Die Gemeinden tragen die Kosten für das Betreuungspersonal. In einer Regelgruppe waren früher 25 Kinder, nun sind es 22. Betreut werden diese von einer Pädagogin und einer Betreuerin, fast immer sind es in diesem Berufsfeld Frauen. In den Kleinkindgruppen wurde die Anzahl der Kinder auf 15 reduziert, zugleich arbeiten dort aber nun neben der Pädagogin auch zwei Betreuerinnen, statt früher nur einer. Dieser Mehrbedarf an Personal stellt viele Gemeinden vor Probleme. In St. Pölten ist Andreas Schmidt noch positiv gestimmt, diese Aufgabe zu schaffen, auch wenn der Personalbedarf sehr groß ist. Man habe in St. Pölten schon frühzeitig begonnen, das Personal aufzustocken und die Mitarbeiterinnen auch zu binden. Der Auswahlprozess sei jedenfalls schwieriger geworden. Früher waren die Bewerberinnen fast immer auch gut qualifiziert, aber „heute müssen wir schon sehr genau hinschauen, wen wir überhaupt aufnehmen können“, so Schmidt. Von zehn Bewerbungen sind nach einem Jahr noch fünf bis sechs Personen im Dienst. Einige Bewerberinnen würden draufkommen, dass sie für diesen anspruchsvollen Job nicht geeignet sind. 
Der Blick auf die Kindergärten ist jedenfalls ein lohnender Blick in die unmittelbare Zukunft. So leiten die Stadtverantwortlichen aus der Entwicklung der Kindergartenzahlen auch Rückschlüsse auf den Bedarf bei den öffentlichen Volksschulen ab. Nicht nur was die Anzahl der Kinder betrifft, sondern auch, was nötig ist, um diese gut zu betreuen und zu bilden. In den letzten Jahren bemerkt Abteilungsleiter Schmidt zunehmend Bedarf an Unterstützungsangeboten für Familien mit Kindern, die einen heilpädagogisch-integrativen Bedarf haben. In den Kindergärten gibt es eigene Gruppen, in denen diese Kinder von mehr Personal intensiver betreut werden können. In diesem Zusammenhang wurden von der Stadt auch Ansuchen um Genehmigung und Errichtung von weiteren drei heilpädagogisch-integrativen Gruppen an das Land gestellt, um diesen Familien einen guten Start ins Bildungsleben ihrer Kinder zu ermöglichen. 

"ICH SAG NICHT."
Im September 2024 fehlten laut Recherchen von ORF und profil in ganz NÖ mindestens 217 Kindergartenplätze für Zweijährige. Von den 537 Gemeinden im Bundesland wollten 330 keine Zahlen herausrücken. Das zeigt wieder einmal das Grundproblem der mangelnden Transparenz, wenn Mächtige auf Informationen sitzen, die sie nicht mit der Öffentlichkeit teilen wollen. Oft gar nicht, weil es einen Skandal zu verschleiern gilt, sondern schlicht um sich einer kritischen Auseinandersetzung mit der Realität zu entziehen. Dabei lohnt es sich, die eigene Leistung gerade auch dann seinen Bürgerinnen und Bürgern darzulegen, wenn es schwierig wird. Wenn die St. Pöltner Stadtverwaltung im September 2024 für sechzig Zweijährige keinen Kindergartenplatz hatte, dann ist das natürlich ärgerlich, aber auch eine Chance zu erklären, warum das so war. Spätestens in diesem Herbst lässt sich dann auch anhand aktueller Zahlen zeigen, ob man adäquate Ausbaupläne auch korrekt umgesetzt hat. Das größere Problem haben wir also in jenen Amtsstuben, in denen man sich hinter dem Amtsgeheimnis versteckt, den Bürgerinnen und Bürgern die lange Nase zeigt. Loosdorf? Prinzersdorf? Pyhra? Kirchberg an der Pielach? Warum habt ihr die Anfrage von ORF und profil unbeantwortet gelassen? Während etwa Lilienfeld, Melk, Tulln oder Traismauer nicht nur geantwortet haben, sondern auch für alle Kinder einen Kindergartenplatz anbieten konnten.