Verschwende deine Zeit
Text
Tobias Zuser
Ausgabe
»Mach’s dir selbst!« – befehlen Silbermond auf ihrem Album. Doch hier sprechen sie auch über Politik, Schubladen und Geld.
Silbermond polarisieren: Für die einen ist es ein poppiger Abverkauf deutschsprachiger Rockmusik, für die anderen die beste Darbietung von emotioneller Lyrik. Doch eins ist unbestritten: Sie haben mit ihrer Musik gehörigen Erfolg. Ihr aktuelles Debüt-Album »Verschwende Deine Zeit« erreichte nach kurzer Zeit Platin-Status und ihre bisherigen Singleauskopplungen schafften es allesamt in die deutschen Charts. Nun ist man auf großer Tour und gastiert am 2. Februar in St. Pölten. Doch auch abseits der Bühne haben die Dame und die drei Herrn so einiges zu sagen:
mfg: Wie wichtig ist euch als Band das Thema Politik? Würdet ihr euch als eine politische Band bezeichnen oder politische Themen in eure Texte mit einbeziehen?
Silbermond: Wir sind in erster Linie eine Band, die einfach nur Musik macht und dabei das aufschreibt, was sie erlebt und beschäftigt. Dazu gehören natürlich auch Sachen, die in deinem Umfeld und im Alltag passieren. Auf unserem ersten Album findet man teilweise Themen, die einem in diesem Alter nun mal am meisten beschäftigen. Doch die Ansichtsweisen ändern sich, wenn man älter wird, deswegen werden sicher auch politische Themen beim nächsten Album eine Rolle spielen.
Bei der letzten Landtagswahl in eurer Heimat Sachsen erreichte die NPD 9,2%. Wie empfindet ihr die politische Stimmung in Deutschland? Seid ihr selbst damals zur Wahl gegangen?
Wir waren zur Zeit der Wahl auf Tour, haben aber per Brief unsere Stimme abgegeben. Das Problem ist vielleicht, dass viele in den Parteizielen keine wirkliche Verbesserung sehen, egal um welche Fraktion es sich handelt. Deswegen gehen sie gar nicht wählen oder wählen aus Protest die falsche Partei. Rechts zu wählen ist das Schlimmste und das Dümmste, was man machen kann, denn wozu diese idiotische Ideologie führen kann, sollte jedem bewusst sein. Das Ergebnis, das die NPD bei unserer Landtagswahl erreicht hat, sind eindeutig 9,2% zu viel, das ist klar, deswegen würden wir aber nicht von einer nationalen Tendenz reden. Den Menschen, die dieses Jahr aus Protest rechts gewählt haben, muss man einfach wieder klar machen, dass das der falsche Weg ist, denn zu den schönsten Sachen, die es gibt zählen mit Sicherheit Freiheit und Demokratie und dass die Gedanken rechter Parteien nicht Ansatzweise etwas damit zu tun haben, muss man diesen 9,2% einfach wieder klar machen. Dafür werden wir uns auch an entsprechenden Stellen einsetzen.
In den letzten Monaten war in Deutschland immer wieder von einer Radio-Quote für heimische Bands die Rede, von der eine extrem polarisierende Wirkung ausging. Jetzt wurde eine »freiwillige Selbstverpflichtung« für die Radio-Sender entschieden. Wie steht ihr prinzipiell zu dieser Idee?
Wenn man zu etwas gezwungen wird, zum Beispiel per Gesetz, macht es dann noch Spaß? Es soll doch Spaß machen deutsche Musik zu spielen und nicht Krampf sein. Man sollte den Ansatzpunkt bei den Plattenfirmen suchen, die einfach mehr in deutsche Bands investieren sollten. Dazu kommt, dass sich bei dieser Entscheidung nicht auf deutsche Produktionen besonnen wird, sondern rein auf das deutsche Wort. Deutsche, gute Bands mit englischen Texten, wie zum Beispiel »Die Happy«, hätten es also noch schwerer und wir müssten wohl mit mehr »Wolfgang Petri« und »Anton aus Tirol« leben.
Eure Karriere hat ja eigentlich mit englischen Texten begonnen. Wann und warum kam der Knackpunkt als ihr nur noch in eurer Muttersprache gesungen habt?
Eine Band muss sich entwickeln und ausprobieren. Als wir uns 1998 kennen gelernt haben und angefangen haben, zusammen Musik zu machen, haben wir eben die Songs nachgespielt, die uns gefallen haben und die waren meist englisch. So hat es sich auch ergeben, dass wir unsere ersten Songs auch in eben dieser Sprache geschrieben haben. Vor über drei Jahren haben wir dann einfach einmal einen deutschen Text ausprobiert und gemerkt: Wieso denken wir mit unserem »Schul-Englisch« poetisch sein zu können? Wie kann man englische Musik machen, wenn man die Sprache gar nicht beherrscht? So entstand der erste deutsche Song... der zweite... und jetzt sind wir hier - obwohl es zu der Zeit, als wir damit angefangen haben, noch »out« war und es alle als »Schlager« abgestempelt haben.
Eure erste große Tour habt ihr ja als Support von Jeanette Biedermann erlebt – eine Popkünstlerin mit doch eher jungem Publikum. Wie habt ihr die Auftritte und den Anklang erlebt?
Es war für uns eine riesige Chance viel unterwegs zu sein und den Leuten zu zeigen, wer Silbermond eigentlich sind. Zu uns kamen dann die großen Geschwister der Kleinen oder die Eltern – das war schon lustig. Aber der größte Traum eines jeden Musikers ist es natürlich auf eine eigene Tour zu fahren und damit sind wir ja auch bald bei euch in St. Pölten, was uns wirklich sehr freut!
Jeanette hat ihre musikalische Karriere ja auch mehr oder weniger unter den Begriff »Rock« gestellt. Seht ihr einen Unterschied zwischen ihrer und eurer Attitüde dahinter?
Wir mögen diese Sparten nicht so. Für den einen machen wir Pop-Musik, für den anderen machen wir Rock und für wiederum einen anderen ist das »Scheiß-Musik«. Das ist immer Ansichts- und Geschmackssache! Wir machen einfach das, was uns Spaß macht, ohne dabei an irgendwelche Schubladen zu denken, aber wer Jeanette kennt und uns kennt, der wird sicher einige Unterschiede feststellen können. Das ist ja auch gut so. Für jeden Geschmack etwas dabei.
Wo würdet ihr euch am ehesten zu Hause sehen wollen: in der großen Pop-Welt oder doch eher in dem Bereich, den man heute noch »Underground« nennt?
Populär ist doch so vieles. Wichtig ist, dass du dir als Band treu bleibst und immer das machst, was du selbst vertreten kannst. Und eine Band, die ihre Songs selbst schreibt und eine Geschichte vorzuweisen hat und nicht von heute auf morgen ein »Superstar« ist, vor denen haben wir Respekt und die nehmen wir auch ernst. Da braucht man keine Schubladen wie »Underground« oder »Pop«!
Oft wird kritisiert, dass bei Newcomern mehr die Leute und Institutionen dahinter als die Band selbst verdienen. Wie steht ihr zu dieser Kritik bzw. wie erlebt ihr diese ganze Geld-Angelegenheiten?
Die ersten zwei Jahre waren alles andere als einfach. Wir haben eben ein bisschen gezockt und alles auf eine Karte gesetzt, weil Musik unsere Leidenschaft ist und wir in zehn Jahren nicht sagen wollen, dass wir eine Chance, das auch auszuleben, verpasst hätten. Wir haben ein Team um uns herum, in dem wir vertraut arbeiten und die Leute darin sind zu unseren Freunden geworden. Unter Freunden geht alles gerecht zu, auch das Geld!
Im letzten Jahr ist rund um Silbermond viel geschehen. Was habt ihr euch für das Jahr 2005 vorgenommen?
Natürlich arbeiten wir an unserem zweiten Album. Wir haben 2004 viel erlebt und das muss ja irgendwie auf Papier gebracht werden. Außerdem gehen wir ja wieder auf die »Verschwende Deine Zeit«-Tour und damit sind wir auch das erste Mal in Österreich! Worauf wir uns auch sehr freuen ist der Festivalsommer. Es wird also weiterhin viel los sein bei uns – auch 2005!
AKTUELLES:
Im November 2004 erlangte das Album »Verschwende Deine Zeit« mit 200.000 verkauften Exemplaren den Platin-Status. Seit Oktober ist eine Spezial-Edition in den Läden.
ZUR BAND:
Silbermond, die zu Beginn ihrer Karriere einmal »Jast« hießen, machen seit 1998 Musik und bestehen aus Stefanie Kloß, Johannes Stolle, Andreas Nowak und Thomas Stolle.