Halb bekannt
Text
Thomas Fröhlich
Ausgabe
Sie haben sich nicht nur in St. Pöltens EGON eine treue Fangemeinde erspielt. Ihre Musik liegt irgendwo am Schnittpunkt zwischen 60ies-Folkrock, neuer Volksmusik und unpeinlichem Austropop. Ihre aktuelle, dritte CD heißt „Voi gsund“, in ihren lyrics geht’s allerdings eher um nicht ganz so rund laufende Dinge. Höchste Zeit mit Michael Flieger von „Opfekompott“ folgendes Gespräch zu führen.
Voi gsund? Als wir uns Montag vormittags bei Addo‘s in der St. Pöltner Innenstadt treffen, wirkt Michael Fliegers Stimme ein wenig … knarzig. So als hätte er am Vorabend mit Bob Dylan und Tom Waits gemeinsam gefeiert und deren Sprechduktus vorübergehend übernommen. Wobei das mit dem Feiern gar nicht so daneben liegt. „Ich hab‘ gestern meinen 45. Geburtstag g‘habt. Und weil mir da schon ein bissl z‘viel Familie war, bin ich auf‘n Berg ‘gangen. Und danach zum Wirten in Kirchberg.“ Kirchberg, seine Heimatgemeinde. „Na, ja, und durt is halt länger g‘worden.“ Er grinst sich eins und tut einen beherzten Schluck Kaffee. Einmal noch kräftig räuspern, dann geht’s.
In St. Pölten – und generell in Niederösterreich – sind Opfekompott mit Flieger an der Akustik- und Slide-Gitarre, Stefan Zeuner an Gitarre und Mundharmonika, Klaus Buchmann am Bass und Erich Kirchner an Drums und Percussion inzwischen eine überaus gefragte Partie. Und das, obwohl die Texte, die großteils von den beiden Sängern Flieger und Zeuner stammen, nicht unbedingt der Spaßgesellschaft verpflichtet sind, wie es bei vielen Dialektacts dieser Tage der Fall ist. Erinnert die Ausrichtung des Sounds mitunter an die geniale 60ies-Folkrock-Band The Byrds, so brauchen die lyrics Vergleiche mit Bob Dylan, Bruce Springsteen oder Neil Young nicht zu scheuen: in lokalem Sprachkolorit auf den Punkt gebrachte Alltagsbeobachtungen, durchaus poetische Reflexionen und Song gewordene Kurzstories aus dem zwischenmenschlichen Bereich, fern von Kitsch und Anbiederung. Und nicht zuletzt versetzt der auch im Metal umtriebige Kirchner den Stücken mit seinen Drums gern eine Dynamik, die die Zuhörer sofort vergessen lässt, dass es sich im Grunde um ein reines Akustikprojekt handelt.
Begonnen hat das alles ja ganz anders: „Wir zwei Sänger haben 1989 zum Spü‘n ang‘fangen,“ erinnert sich Flieger. „Langzotert und sehr rock-orientiert.“ Kaemha nannte man sich damals. Erst wurde auf Englisch gesungen, „obwoi des eigentlich kana wirklich kennan hod,“ sehr bald danach auf Deutsch. Und dann kam jener Abend, „an dem wir in Hainfeld g‘spüt hom. Die Hittn bummvoi – und kana hod zuag‘head.“ Man erkannte: So geht‘s nicht weiter. „Mit dem Geiger Toni Burger haben wir dann einen Akustikauftritt g‘habt.“ Und man beschloss, diese Richtung weiter zu verfolgen. Fremdmaterial wie etwa von Johnny Cash wich Eigenem – und in den Nullerjahren wurde dann Opfekompott aus der Taufe gehoben. Obwohl der Grund für die Namensgebung nach wie vor im Dunkeln liegt. „A Rauschg‘schicht!“, meint Flieger und lacht. „Irgendwas Regionales halt. Nachher sucht man nach Erklärungen.“
Dem Regionalen sind Opfekompott verpflichtet, in Musik und Texten. Und legen da mitunter ihre Finger auch auf die offenen Wunden, die das (post)moderne Leben auf dem Land mit sich bringt. „In Kirchberg funktioniert ja die lokale Wirtschaft noch halbwegs“, meint Flieger. „Aber wenn man sich generell in Österreich die Bauernhöfe anschaut – das sind großteils nur noch Fleisch- oder Milchfabriken.“ Und die EU fördere diese industrialisierte Form der Landwirtschaft auch noch mit Irrsinnssummen. Was letztendlich in das Lied „Agrar(r)evolution“ auf ihrer letzten CD Eingang fand.
Flieger selbst hat ja Forstwirtschaft studiert. „Aber dauernd allan im Woid umanand rennen – des woa nix für mi. Ich war dann eine Zeitlang beim Stift Melk angestellt.“ Irgendwann verfasste Flieger in fünfjähriger Arbeit einen forstlichen Bericht, der dann in einer Schublade landete: „Sowas ziagt di runter.“ Als Diplompädagoge arbeitet Flieger derzeit als Erzieher in Krems, denn „von der Musik leben? Kannst vergessen!“ Zumindest im Moment. Doch die Beliebtheit der Band wächst und wächst. „Obwohl: Halb bekannt ist mir eigentlich am liebsten. Also für einen Auftritt g‘scheit zoid kriagn, gnua Leid ansprechen – und trotzdem no gmiadlich ins Wirtshaus gehen können.“ Einstweilen sei man halt eher in Niederösterreich gut unterwegs. „Wien ist zum Beispiel ein schwieriges Pflaster – dort muasst ja scho dafür zoin, damitst spün deafst.“ Und wenn man in Österreich nicht gewissen „alteingesessenen“ Seilschaften angehöre, habe man es generell nicht so leicht.
Da arbeite er lieber mit Toni Burger oder musikalischen Allroundern und Grenzgängern wie Otto Lechner zusammen, die regelmäßig auf Opfekompott-Tonträgern zu hören sind.
Dass er mit den Liedern nicht die Welt verändern könne, wisse er. „Aber wir sind ja auch keine Liedermacher. Wir sind in erster Linie eine Band, die Musik macht, die uns taugt“: knackiger Dialekt-Folk mit Rockelementen, den auch ein Wolfgang Ambros vor Jahrzehnten mal drauf hatte.
Was offenbar auch immer mehr Zuhörern taugt, wenn auch einstweilen noch eher auf der regionalen Ebene. In einer gerechten Welt verfügten Opfekompott wohl schon über einen bedeutend höheren Bekanntheitsgrad und täten Konzerte mit Dylan oder Young spielen. Aber was ist schon gerecht? Außerdem wäre das auch das Ende des „halb Bekannten“. Denn wie Flieger so schön meint: „Wenn i zwa Wochen ned in Kirchberg bin, geht ma eigentlich wos o. Und i gfrei mi, wenn i duat afoch so ins Wirtshaus gehen kann und Leid triff, mit denen i redn kann.“
Da Anzige bin i natürlich net / der nu net ham gehen wüh / wahrscheinlich is heit Voimond / oda woa heit afoch nu zfüh / zum Tuan. (Aus: Nur net ham gehn)
Afoch? Nein, einfach ist das nicht. Aber gut zu hören. In jeder Hinsicht.
In St. Pölten – und generell in Niederösterreich – sind Opfekompott mit Flieger an der Akustik- und Slide-Gitarre, Stefan Zeuner an Gitarre und Mundharmonika, Klaus Buchmann am Bass und Erich Kirchner an Drums und Percussion inzwischen eine überaus gefragte Partie. Und das, obwohl die Texte, die großteils von den beiden Sängern Flieger und Zeuner stammen, nicht unbedingt der Spaßgesellschaft verpflichtet sind, wie es bei vielen Dialektacts dieser Tage der Fall ist. Erinnert die Ausrichtung des Sounds mitunter an die geniale 60ies-Folkrock-Band The Byrds, so brauchen die lyrics Vergleiche mit Bob Dylan, Bruce Springsteen oder Neil Young nicht zu scheuen: in lokalem Sprachkolorit auf den Punkt gebrachte Alltagsbeobachtungen, durchaus poetische Reflexionen und Song gewordene Kurzstories aus dem zwischenmenschlichen Bereich, fern von Kitsch und Anbiederung. Und nicht zuletzt versetzt der auch im Metal umtriebige Kirchner den Stücken mit seinen Drums gern eine Dynamik, die die Zuhörer sofort vergessen lässt, dass es sich im Grunde um ein reines Akustikprojekt handelt.
Begonnen hat das alles ja ganz anders: „Wir zwei Sänger haben 1989 zum Spü‘n ang‘fangen,“ erinnert sich Flieger. „Langzotert und sehr rock-orientiert.“ Kaemha nannte man sich damals. Erst wurde auf Englisch gesungen, „obwoi des eigentlich kana wirklich kennan hod,“ sehr bald danach auf Deutsch. Und dann kam jener Abend, „an dem wir in Hainfeld g‘spüt hom. Die Hittn bummvoi – und kana hod zuag‘head.“ Man erkannte: So geht‘s nicht weiter. „Mit dem Geiger Toni Burger haben wir dann einen Akustikauftritt g‘habt.“ Und man beschloss, diese Richtung weiter zu verfolgen. Fremdmaterial wie etwa von Johnny Cash wich Eigenem – und in den Nullerjahren wurde dann Opfekompott aus der Taufe gehoben. Obwohl der Grund für die Namensgebung nach wie vor im Dunkeln liegt. „A Rauschg‘schicht!“, meint Flieger und lacht. „Irgendwas Regionales halt. Nachher sucht man nach Erklärungen.“
Dem Regionalen sind Opfekompott verpflichtet, in Musik und Texten. Und legen da mitunter ihre Finger auch auf die offenen Wunden, die das (post)moderne Leben auf dem Land mit sich bringt. „In Kirchberg funktioniert ja die lokale Wirtschaft noch halbwegs“, meint Flieger. „Aber wenn man sich generell in Österreich die Bauernhöfe anschaut – das sind großteils nur noch Fleisch- oder Milchfabriken.“ Und die EU fördere diese industrialisierte Form der Landwirtschaft auch noch mit Irrsinnssummen. Was letztendlich in das Lied „Agrar(r)evolution“ auf ihrer letzten CD Eingang fand.
Flieger selbst hat ja Forstwirtschaft studiert. „Aber dauernd allan im Woid umanand rennen – des woa nix für mi. Ich war dann eine Zeitlang beim Stift Melk angestellt.“ Irgendwann verfasste Flieger in fünfjähriger Arbeit einen forstlichen Bericht, der dann in einer Schublade landete: „Sowas ziagt di runter.“ Als Diplompädagoge arbeitet Flieger derzeit als Erzieher in Krems, denn „von der Musik leben? Kannst vergessen!“ Zumindest im Moment. Doch die Beliebtheit der Band wächst und wächst. „Obwohl: Halb bekannt ist mir eigentlich am liebsten. Also für einen Auftritt g‘scheit zoid kriagn, gnua Leid ansprechen – und trotzdem no gmiadlich ins Wirtshaus gehen können.“ Einstweilen sei man halt eher in Niederösterreich gut unterwegs. „Wien ist zum Beispiel ein schwieriges Pflaster – dort muasst ja scho dafür zoin, damitst spün deafst.“ Und wenn man in Österreich nicht gewissen „alteingesessenen“ Seilschaften angehöre, habe man es generell nicht so leicht.
Da arbeite er lieber mit Toni Burger oder musikalischen Allroundern und Grenzgängern wie Otto Lechner zusammen, die regelmäßig auf Opfekompott-Tonträgern zu hören sind.
Dass er mit den Liedern nicht die Welt verändern könne, wisse er. „Aber wir sind ja auch keine Liedermacher. Wir sind in erster Linie eine Band, die Musik macht, die uns taugt“: knackiger Dialekt-Folk mit Rockelementen, den auch ein Wolfgang Ambros vor Jahrzehnten mal drauf hatte.
Was offenbar auch immer mehr Zuhörern taugt, wenn auch einstweilen noch eher auf der regionalen Ebene. In einer gerechten Welt verfügten Opfekompott wohl schon über einen bedeutend höheren Bekanntheitsgrad und täten Konzerte mit Dylan oder Young spielen. Aber was ist schon gerecht? Außerdem wäre das auch das Ende des „halb Bekannten“. Denn wie Flieger so schön meint: „Wenn i zwa Wochen ned in Kirchberg bin, geht ma eigentlich wos o. Und i gfrei mi, wenn i duat afoch so ins Wirtshaus gehen kann und Leid triff, mit denen i redn kann.“
Da Anzige bin i natürlich net / der nu net ham gehen wüh / wahrscheinlich is heit Voimond / oda woa heit afoch nu zfüh / zum Tuan. (Aus: Nur net ham gehn)
Afoch? Nein, einfach ist das nicht. Aber gut zu hören. In jeder Hinsicht.