Musikalische Dachbodengeschichten
Text
Laura Csambal
, Timo Wöll
Ausgabe
Mit vier bekam Christoph Lotter seine erste Melodica, in den 80ern begann er Musik zu produzieren und in den 90ern gründete er den Rooftop Room – eines der bekanntesten Tonstudios der Region. Ein Besuch.
Fangen wir ganz am Anfang an – wie hat es dich in die Musikbranche verschlagen?
Zur Musik bin ich gekommen, als ich mit vier Jahren eine Melodica zu Weihnachten geschenkt bekam. Danach blieb es dann bei den weißen und schwarzen Tasten. Die erste Band muss wohl so um 1985 entstanden sein, als wir mit unserem Englischprofessor im Gymnasium eine Version der Rocky Horror Picture Show erstellt haben, mit der wir damals die „FABRIK“ vollgefüllt haben. Seitdem hat es mich offensichtlich nicht mehr losgelassen.
Ist ein bisschen untertrieben – mit dem Rooftop Room hast du ja ein eigenes Tonstudio gegründet. Woher rührt der Name und warum gerade Prinzersdorf?
Der Rooftop Room hat sich irgendwann in den 80ern entwickelt, ohne dass er vorher einen Namen hatte. Mit den ersten Produktionen in den heutigen Räumlichkeiten ging es dann 1996 los. Der Name kommt schlicht daher, dass sich der Raum auf dem Dachboden befindet, und Prinzersdorf: Nun, ich wohne seit 30 Jahren hier, und ich mag das Land mehr als die Stadt.
30 Jahre sind in der Musikbranche, v. a. in Sachen Produktionsmöglichkeiten, ja eine Ewigkeit. Was hat sich verändert?
Kurzgesagt: Früher war alles analog, heute ist alles digital. Jeder Musiker, der auch konsequent komponiert, besitzt heute einen Computer mit Software sowie ein Interface oder ein digitales Mehrspurgerät und produziert zu Hause im Schlafzimmer.
Überspitzt formuliert: Warum brauchts dann noch ein Tonstudio … wobei bei dir ja alles ein bisschen anders abläuft, weil du quasi gleich die Band mitlieferst. Wie kann man sich den Produktionsprozess vorstellen?
Meistens bekomme ich zuerst die Basic Tracks vom Künstler, die ich bei mir in die DAW importiere und mal mit vorgefertigten Drumpatterns unterlege, um eine gewisse Richtung festzulegen. Dann spiel ich meine Keyboards, Bass oder Backing Voc‘s ein, falls welche benötigt werden. Anschließend geht das File weiter zu Knolli, der seine Gitarren bei sich zu Hause aufnimmt. Danach kommt meistens Mats mit seinen Ideen zu den Drums, welche dann wieder bei mir eingespielt werden. Das wird dann so lange wiederholt, bis wir ein ordentliches Grundgerüst haben. Anschließend gibt es das Feedback vom Künstler, wie weit wir seine Idee und sein Feeling zum Song getroffen haben. Dieser Prozess läuft dann so lange weiter, bis alle zufrieden sind. Zum Schluss machen wir die Vocals mit dem Künstler drauf und fertig.
Wie leitest du die Musiker durch diesen Prozess, um ein bestmögliches Ergebnis zu erzielen?
Das ist unterschiedlich. Manche benötigen mehr Zuspruch und Unterstützung sowie auch viele Takes, bis es passt. Andere brauchen nur einen Versuch, der dann der Beste ist, und wo es nachher nur schlechter wird. Wichtig ist, denke ich, eine gute Atmosphäre und ein freundschaftlicher Umgang auf Augenhöhe miteinander. Schließlich ziehen ja alle am selben Strang.
Gibt’s irgendwelche Rituale?
Nein, ich bin kein abergläubischer Mensch, dass ich vor der Arbeit ein Räucherstäbchen anzünde. Geräte hochfahren, alles vorbereiten, das ist Routine.
Routiniert wie deine Kunden, da finden sich v. a. Profis, oder?
Ganz im Gegenteil – die „Profis“ brauchen unser Angebot nicht, denn die haben selbst genug Möglichkeiten. Für uns ist es wichtig, was wir im Song hören können und ob sich was draus machen lässt. Zudem ist natürlich auch die Chemie mit dem Künstler wichtig. Also hören wir uns gerne alles an, was an uns herangetragen wird. Wir sind immer offen für Neues.
Das heißt, Rookies welcome – welche Tipps hast du für jene, die zum ersten Mal aufnehmen?
Üben, Ausprobieren und nicht aufgeben, wenn es nicht gleich klappt.
Wobei bei dir ja schon zuletzt auch sehr namhafte Künstler ein- und ausgegangen sind.
Die letzten zwei Jahre waren richtig spannend, mit dem dritten Album „Gin Tonic In Heaven“ von Fresh Freddie und der EP „Nucleus Affairs“ von Markus Sis sowie dem ersten Video „Soul Rebel“, das wir produziert haben. Derzeit arbeiten wir an zwei Projekten: „Herb m Sweet“ mit Herbert Minarik, dem ehemaligen Frontman von DoubleU6 und „Hea Dreckat“ – ein Dialektrockprojekt, da haben wir am 1.7. das erste Video „Jägermeister“ auf YouTube veröffentlicht. Zudem haben wir auch noch eine dritte Anfrage, die in der Warteschlange steht.
Wobei der Rooftop Room in den sozialen Netzwerken kaum vertreten ist – Absicht?
Ich mag es eher klassisch. Es gibt die Homepage mit vielen Infos und Musik, den Youtube Kanal und eine Soundcloud-Seite. Ich halte aber nicht viel von „Ich-like-Deins-wenn-Du-vorher-meins-likest“-Geschichten. Aber wer weiß, vielleicht poste ich mal ein kurzes Tik-Tok Video, wenn Mats beim Drummen wieder mal einen Stick zu Kleinholz verarbeitet oder ich mit dem Feuerzeug eine Bierflasche öffne.
Kannst du eigentlich vom Tonstudio leben?
Als Musiker/Musikproduzent kannst du nur davon leben, wenn dir ein weltweiter Nummer 1 Hit gelingt – bis dahin entstehen eigentlich nur Kosten. Oder man spielt sehr viel live und unterrichtet nebenbei, was ich auch lange gemacht habe. Also gehen wir auch alle brav arbeiten.
Klingt nach einem schweren Business. Wie beurteilst du die aktuelle Musikindustrie?
Die Musikindustrie ist, wie der Name schon sagt, eine Industrie und genauso handelt sie auch. Wenn Menschen wie Bruce Springsteen an Streams nur 4.000 Euro pro Jahr verdienen, dann läuft etwas falsch. Mit den Möglichkeiten der digitalen Veröffentlichung steht einem zwar die ganze Welt offen, aber innerhalb der Millionen Veröffentlichungen gefunden, gehört und dann vielleicht auch noch von einem Major Label gesignt zu werden, ist unwahrscheinlicher als ein Lotto-Jackpot. Es geht uns aber mehr um die Musik als Leidenschaft, weil uns einfach etwas fehlen würde, wenn wir damit aufhörten. Erfolg ist für mich auch nicht ausschließlich durch finanzielle Einnahmen messbar. Erfolg ist vielmehr, wenn der Künstler und wir alle im Team sicher sind, dass wir es nicht besser hätten machen können. Egal ob das Ergebnis jetzt hunderttausenden Menschen gefällt oder nicht. Musik zu produzieren ist ein positiver Schaffensprozess, der hoffentlich dem einen oder anderen beim Anhören ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Music is the language of passion!
MEHR ALS EIN TONSTUDIO
Rooftop Room music productions ist kein klassisches Tonstudio, wo „nur“ Tonaufnahmen von Künstlern hergestellt werden, sondern dahinter verbirgt sich auch ein Musikerkollektiv aus erfahrenen Live- und Studiomusikern. Dieses fungiert als Backing Band und hilft bei der Entwicklung, beim Arrangement und bei der Produktion von Ideen und Demos der Kunden weiter.
Zur Rooftop Room Kombo zählen Christian Lotter (keys/guit/b/voc/arr/prod/tech), Martin Nemec (drums/arr/prod), Johannes Maria Knoll (guit/b/arr/prod) „und auch Max Schleifer (b) steht uns manchmal zur Verfügung!“, so Mastermind Christian Lotter.