Kulturelle Aneignung
Text
Roul Starka
Ausgabe
Hab mir heute früh die Kultur der Römer aus Aelium Cetium angeeignet und eine Eierspeis gegessen. Aus Südamerika hab ich die Erdäpfel für meine Pommes und ich tanz sogar Samba mit dir! In englischen Schulen wird Shakespeare teilweise aus den Bücherlisten gestrichen: zu brutal, zu viel Rassismus, Sexismus und -keit und -heit. Und jetzt nehmt ihr mir meinen Winnetou weg.
Was macht ihr woken VerbieterInnen eigentlich den ganzen Tag außer verbieten? Ihr seid nicht woke, sprich wach, ihr seid seit eurer Geburt noch keine Sekunde munter gewesen, ihr hattet noch keine Sekunde Freude am Leben, ihr seid die neue Diktatur des Maximalfrustes, den ein Mensch erreichen kann. Ohne Grausigkeiten und Strafen würde keine Diktatur eine Woche überleben. Und ihr werdet strafen wollen. Ich kann das aus eurem Schwachsinn rauslesen.
Normal ist geworden das Schreien unserer Einsamkeit, das Betteln um Aufmerksamkeit auf Facebook mit Photoshop, Pizzaecken und Katzenfotos. Statt mit Rucola bestreuen wir unseren täglichen Pizzafraß mit Bildern des Schreckens, bewerfen uns ausgewogen mit Urlaubsfotos und Fotos von zerfetzten oder hungernden Kindern. Dann sind wir betroffen. Zwei Minuten später ist wer im Fernsehen nicht nach deinem Geschmack gekleidet, ein Tropfen Kaffee in deinem Heim verschüttet. Vorbei die Gedanken an die Menschen, die gar kein Heim haben. Du tobst, willst Rache, willst … ja, was eigentlich? Deine Mama und deinen Papa im Bauch, die dich jetzt halten, ganz fest drücken und sagen: „Ich bin da, ich liebe dich, weil es dich gibt.“