MFG - ALS DER SPECHT AUS DER JOSEFSTRAßE DAS GRÜNE HOLTE
ALS DER SPECHT AUS  DER JOSEFSTRAßE  DAS GRÜNE HOLTE


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

ALS DER SPECHT AUS DER JOSEFSTRAßE DAS GRÜNE HOLTE

Text Thomas Schöpf
Ausgabe 06/2024

Zum Start der 73. „Tour of Austria“ am 2. Juli schaut vielleicht einmal wieder der „Specht“ in seiner Geburtsstadt St. Pölten vorbei.

Einer, der sich ganz besonders über die Rückkehr der „Tour of Austria“ nach St. Pölten freut, ist Radsport-Legende Roland Königshofer. Der dreifache Steher-Weltmeister auf der Bahn (1989, 1990 und 1991) im Windschatten hinter dem motorisierten Karl Igl, und 29-fache Staatsmeister in diversen Kategorien, wuchs in der Josefstraße auf und fuhr die Österreich-Radrundfahrt bei all seinen 13 Teilnahmen durch. 1984 und 1992 eroberte er das Grüne Trikot des best­en Punkte-Fahrers. Zudem wurde er 1992 im Ausscheidungsrennen rund um das KIKA-Gebäude, in unmittelbarer Nachbarschaft der Wohnung seiner Eltern, Zweiter.
„Die Rundfahrten waren ein gutes Podium, mich im TV zu präsentieren. Vor allem bei der Österreich-Radrundfahrt, die damals ja noch meist über elf Etappen ging, also eine halbe ‚Tour de France’ war, habe ich gelernt, mit den tagelangen Schmerzen der Anstrengungen umzugehen. Das hat mir dann auf der Bahn sehr geholfen“, erzählt Königshofer. Einen Namen hatte er sich spätestens bei der Bahnrad-WM 1987 in Wien gemacht, als er im ausverkauften Ferry-Dusika-Stadion im Kampf gegen die viel titulierte „italienische Mafia“ Bronze eroberte. Im Gegensatz zu allen anderen Nationen stellten die Italiener vier statt drei Starter, weil Mario Gentili als Titelverteidiger automatisch teilnahmeberechtigt war. 
Obendrein waren sie in diversen Entscheidungs-Gremien überproportional vertreten. „Nachher hat sich sogar die italienische Botschaft eingeschaltet, dass solche Ausdrücke nicht verwendet werden sollen, da es ja gar keine Mafia gibt“, lacht Königshofer, „nie vergessen werde ich aber den Moment, als ich bei meiner Anreise mit dem Auto im Radio gehört habe, dass bereits alle Zufahrtsstraßen verstopft sind, im Ö3-Verkehrsfunk! Es herrschte eine Länderkampf-Stimmung wie in einem ausverkauften Fußball-Stadion. Als ein Italiener auch noch den Stinkefinger Richtung Publikum ausfuhr, kochte die Volksseele über.“

Im Angesicht des Dodes 
Danach kannten Königshofer alle sportaffinen Österreicher. Es war die Zeit, als es noch kein Internet und im TV nur FS 1 und FS 2 gab, und die Sendung „Sport am Montag“ mit Hintergrundberichten noch ein Millionenpublikum anlockte. Fritz Dodes berichtete über die Rundfahrt und die älteren TV-Konsumenten werden sich gewiss an den Soundtrack „Hey Hey“ (von Gershon Kingsley) erinnern, der bei den Abfahrten vom Großglockner stets gespielt wurde.
Die damals sehr zahlreichen Berg­etappen verhinderten, dass Königshofer auch in der Gesamtwertung ganz vorne mitmischen konnte. „Von der Salzburger Seite bin ich den Glockner gar nicht g’scheit rauf gekommen. Bei den seltenen Anfahrten von der Kärntner Seite schon, weil es da ein langes Stück gegeben hat, wo jedes Mal starker Gegenwind war und ich habe mich im Begleitkonvoi immer wieder etwas heran tasten können“, so Königshofer. Der „Specht“, wie er aufgrund seiner zwei natürlichen Haarfarben genannt wurde (Einmal servierte ihm ein Wirt in geselliger Runde ein Stück Holz: Zum Pecken!), war ein Spezialist für herausfordernde, knifflige Flachpassagen. „A Gasslflitzer war ich“, lacht er. Einer, der sich auch gerne auf kleineren Kriterien, den sogenannten „Kirmesrennen“, tummelte. „Ich habe einfach ein G’spür entwickelt, wo man am besten attackieren kann, oder sich besser zurückhält, wie man Kurven gut anfährt, Winkel und Wind für sich nützt. Irgendwann war ich dann auch nicht mehr so schüchtern und habe im Auto auf die Siegerehrungen gewartet, sondern habe mich unter die Leute gemischt.“ Das hat den Fans und seinen Sponsoren getaugt und Königshofer in vielerlei Hinsicht weiter gebracht. Der heute 61-jährige Unternehmer bietet Rennrad-Fahrtechniktrainings und Fahrrad-Sicherheitsschulungen an.

Spitzenzplätze fix gePUCHt
Im legendären „PUCH“-Team fand der damals aufstrebende Jungspund 1984 seinen Platz. Frei wurde jener auch deswegen, weil Rudolf Mitter­egger († 24. April 2024) bei der Österreich-Rundfahrt in der Nähe von Wilhelmsburg bei einer unübersichtlichen Baustelle in einen Graben gestürzt war und sich eine schwere Kopfverletzung zuzog. „Wenn du bei PUCH mit von der Partie warst, hast du gewusst, dass du jetzt gewinnen kannst. Mitdenken hast’ damals aber noch dürfen, und dich teilweise sogar selbst erkundigen müssen, in der wievielten Gruppe du eigentlich gerade fährst“, sagt Königshofer, „heute hat jeder seinen Stöpsel im Ohr, der Teamchef bis zu fünf Monitore im Auto und sagt dir, wann du wie stark rein treten sollst. Außer bei Olympia.“
Doping war damals schon ein großes Thema, Königshofer einer der ersten Athleten, die dafür unterschrieben haben, dass auch bei Trainings Kontrollen durchgeführt werden dürfen. „EPO kam Gott sei Dank erst nach meiner Zeit auf und die damals gängigen Mittel konnten alle gut nachgewiesen werden. In manchen Jahren bin ich 20 bis 40 Mal, auch daheim, kontrolliert worden und habe mich darüber gefreut! Meist habe ich die Kontrolleure dann gefragt: ‚Schaut’s da eh auch noch rüber?’“, lacht Königshofer. 
Der Specht schaut heuer wahrscheinlich in St. Pölten und aus beruflichen Gründen in Steyr zur Tour. Dass der Tross nach drei Jahren Pause (2020 bis 2022) wieder durch Österreich radelt, sei vor allem für die heimischen Spitzenteams enorm wichtig. Nicht zuletzt deswegen fungieren heuer wieder fünf Teams gemeinsam mit dem Gründer des Vienna City Marathons, Wolfgang Konrad, als Veranstalter. Hey! Hey!