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St. Pöltens gute Seite

Trautes Heim, Glück allein

Text Sascha Harold
Ausgabe 06/2013

Wohnen ist Grundrecht. Zu diesem Schluss kommt jedenfalls die Caritas in einer Pressekonferenz zum Thema leistbares Wohnen. Auch die Politik ist auf den Zug aufgesprungen und dass sich damit Stimmen machen lassen, ist nicht erst seit dem fulminanten Wahlerfolg der KPÖ Graz bekannt. Wie sieht die Situation in St. Pölten aus?

Es war letzten November, da staunte die heimische Polit-Kaste nicht schlecht, als die KPÖ Graz in der Gemeinderatswahl zur zweitstärksten Kraft in der Stadt wurde. Wahlprogramm: Wohnpolitik. Inzwischen hat auch der Rest Österreichs die Aktualität des Themas erkannt, und vor der kommenden Nationalratswahl dürfte es mit ziemlicher Sicherheit einer der zentralen Schauplätze werden.
Die Brisanz kommt nicht von ungefähr: Die Caritas rechnet vor, dass Mieten österreichweit in den vergangenen zehn Jahren inflationsbereinigt um 13 Prozent angestiegen sind, während die Löhne dieser Entwicklung nicht einmal im Ansatz Schritt halten konnten. Preistreiber sind hier vor allem Altbauwohnungen. Allein in den letzten drei Jahren sind die pro Kopf Ausgaben für Mietwohnungen in Österreich um über 30 Euro pro Monat gestiegen – in Niederösterreich liegt man leicht darunter.
Preisanstieg
Dass es Preisanstiege gibt, darüber herrscht auch in der St. Pöltner Politik Konsens. So meint Bürgermeister Matthias Stadler etwa: „In den vergangenen Jahren ist vor allem im Bereich der privaten Mietwohnungen der Mietpreis deutlich stärker als die Inflation angestiegen.” Zudem weist er darauf hin, dass Bautätigkeiten privater Träger in Österreich zurückgegangen seien, was eine weitere Preissteigerung nach sich ziehen wird. Mögliche Lösungen sind für Stadler unter anderem der Ausbau gemeinnütziger Wohnungen sowie die Zweckbindung der Wohnbauförderungen. Die Stadt ihrerseits versuche durch den gezielten Ankauf von Grundstücken, Baurechtsaktion oder einer Objekt- und Subjektförderung im Hinblick auf Wohnen in der Innenstadt preisregulierend einzugreifen. St. Pölten sei prinzipiell gut aufgestellt.
Ins selbe Horn stößt auch Innungsmeister Georg Edlauer: „St. Pölten hat erst 2012 den Rang der billigsten Landeshauptstadt an Eisenstadt abgetreten. Bei uns in St. Pölten ist lebenswertes Wohnen noch leistbar.” Allerdings weist er auch darauf hin, dass mit der besseren Anbindung durch die neue Westbahnstrecke die Preise durch steigende Nachfrage in die Höhe schießen könnten und damit eine vergleichbare Entwicklung, wie sie schon Stockerau und Korneuburg erfahren haben, eintreten könnte.
Wohnen erkennt er jedenfalls seinem Status nach als Grundbedürfnis an, verwehrt sich aber gegen den Begriff „Grundrecht“.

Politikum ums ‘Recht aufs Wohnen’

In der europäischen Sozialcharta wird im Artikel 31 explizit auf das Recht auf Wohnen eingegangen. Konrekt gemeint ist damit die Förderung von Wohnraum mit ausreichendem Standard zu leistbaren Preisen. Österreich hat den Artikel allerdings nicht ratifiziert. Das Bekenntnis zu leistbarem Wohnen findet man hingegen durch die Bank im St. Pöltner Gemeinderat.
Der FPÖ Abgeordnete Klaus Otzelberger nimmt besonders die Gemeindewohnungen in die Pflicht: „Wohnen ist ein Grundbedürfnis und deswegen muss es immer im Blickwinkel politischen Handels liegen. Auch und eigentlich gerade in Nicht-Wahlkampfzeiten. Gemeinde-Wohnungen haben den ursprünglichen Sinn, sozial benachteiligten und wirtschaftlich weniger starken Bürgern für wenig Geld ein lebenswertes Wohnen zu ermöglichen.”
Gerade in den Gemeindewohnungen beklagen viele Bewohner starke Preisanstiege in den letzten Jahren, zudem bewegen sich in St. Pölten die Kautionen in der Höhe von 6 Monatsmieten, also an der gesetzlichen Höchstgrenze.
Die grüne Abgeordnete Nicole Buschenreiter warnt daher: „Nicht selten scheitert die Suche nach einem Dach über dem Kopf schon am Aufbringen der hohen Ablösen und Kautionen, etwa im Falle diverser Gemeindewohnungen und Genossenschaftswohnungen, vom Kredit zur Schaffung eines Eigenheims ganz zu schweigen.” Die Gemeinde in die Pflicht nehmen also?
Martin Sadler, Chef der Immobilien St.Pölten GmbH, erklärt das Ausschöpfen des gesetzlichen Rahmens bei Gemeindewohnungen so: „Die sechs Monatsmieten Kaution sind notwendig, um den Schaden vom Vermieter abzuwenden, da der richterliche Räumungsprozess sehr lange dauert.” Zudem erhalte die von der Stadt ausgelagerte Gesellschaft keine Förderungen der Gemeinde und bewege sich damit am freien Markt. Der Vergleich mit dem Wiener Gemeindebau, der vor allem finanziell schwächeren Bürgern zur Verfügung steht, scheint also fehl am Platz.
Vizebürgermeister Adl sieht prinzipiell Handlungsbedarf: „Wenn es um den sozialen Wohnbau geht, steht auch St. Pölten vor großen Herausforderungen. Nachdem die Gemeindebauten mit der Zeit saniert werden mussten und dafür keine Rücklagen gebildet worden waren – ein Versäumnis der SPÖ-Gemeindeführung – hat St. Pölten hier teilweise sehr hohe Mieten.”
Prinzipiell erwähnenswert ist, dass die Stadt durch die Auslagerung ihrer Wohnungen in eine GmbH „klassische Gemeindewohnungen“ im herkömmlichen Sinne gar nicht mehr anbietet – wie man auch im Rathaus bestätigt: „Die Immobilien St. Pölten GmbH ist eine ausgelagerte Gesellschaft der Stadt. Das heißt, die dort verwalteten Wohnungen sind keine ‚Gemeindewohnungen‘ wie in Wien.“ Zwar betont man, dass „die Stadt als Eigentümer genau darauf achtet, dass die Preise moderat bleiben“, zugleich bestätigt man aber „dass der privatwirtschaftliche Auftrag im Gesellschaftsvertrag steht, der durch den Gemeinderat beschlossen wurde.“
Wie bringt man aber „privatwirtschaftlich“ und „sozial“ dann aber unter einen Hut, sollen Gemeindewohnungen doch von der sozialen Grundidee den Ärmsten der Armen ein ordentliches Dach über den Kopf bieten? „Die soziale Komponente kommt zum Tragen, dass man bei der Immobilien GmbH Wohnungen der Kategorie B, C oder D deutlich billiger bekommt, wenn man sie selbst herrichtet.“

Wohnbauförderung

Eine weitere Debatte rund um das Thema Wohnen, ist die Wiedereinführung der Zweckbindung von Wohnbauförderungen – 2008 überraschend abgeschafft. Seitdem hagelt es Kritik, dass die lukrierten Gelder hauptsächlich zum Stopfen von Budgetlöchern in den einzelnen Bundesländern verwendet würden. Die aktuelle Debatte geht in Richtung Wiedereinführung, aus den Ländern kommen aber Bedenken, eben weil die Zweckwidmung dieser Gelder Löcher ins Budget reißen würde.
Bei der Alpenland, Niederösterreichs größtem Bauträger, sieht man die Debatte unaufgeregt: „Wir glauben, dass in Niederösterreich wenig Anlass besteht, über die Zweckbindung und die Höhe der Wohnbauförderung zu klagen und zu diskutieren. Der Landeshauptmannstellvertreter und Wohnbaureferent Sobotka gibt sämtliche vom Bund jährlich zugeteilten Wohnbaufördermittel in vollem Umfang an die Landes-Wohnbauförderung weiter”, so Alpenland-Obmann Norbert Steiner. Etwa 300 Millionen Euro jährlich seien das im Moment, so Steiner weiter.
Um diese zweckgerichtete Verwendung weiter zu garantieren, ist allerdings eine entsprechende gesetzliche Regelung notwendig, wie Bürgermeister Stadler überzeugt ist: „Wir benötigen dringend die Zweckwidmung der Wohnbaugelder. Dieser Finanztopf kann nach derzeitiger Rechtslage auch für andere Projekte genutzt werden. Dort wo ‚Wohnbaugeld’ draufsteht, müssen auch Wohnungen drinnen sein.”
Buschenreiter wiederum sieht das Hauptproblem gar nicht so sehr in der Zweckbindung der Förderung, sondern in den fehlenden gesetzlichen Vorgaben für den energetischen Zustand eines Bauobjektes. Damit sind bei bei einer schlechten Wärmedämmung hohe Heizkosten vorprogrammiert – kurzum, auf Sicht kommts teurer. Auf die Sanierung, speziell von Gemeindewohnungen angesprochen, erläutert Martin Sadler: „Oft stellen denkmalgeschützte Gebäude im Hinblick auf eine grundlegende Sanierung ein Problem dar.” Viele Gemeindebaubewohner bestätigen diesen Eindruck und beklagen sich über die hohen Heizkosten.
Frohlockend in die Zukunft?
Was die Wohn-Kapazitäten St. Pöltens betrifft, ist der Grundtenor durch die Bank optimistisch. So betont etwa Innungsmeister Edlauer: „Wir haben in St. Pölten große Vorteile gegenüber anderen Städten und verfügen noch über ausreichend Reserven an Grundstücken.”
Zudem verweist er auf zahlreiche noch unausgebaute Dachböden, viele davon in der Altstadt. Ein Manko ortet er aktuell lediglich im schwachen Angebot für Wohngemeinschaften, das allerdings durch ein ausreichendes Angebot an Studentenwohnheimen wett gemacht wird.
Bemüht optimistisch ist das Bild also, mit dem St. Pölten in die Zukunft geht. Bürgermeister Stadler legt nach: „Grundsätzlich herrscht in St. Pölten keine Wohnungsnot, in bestimmten Bereichen, wie etwa für junge und ärmere Menschen, wären zusätzliche Angebote aber durchaus wünschenswert. Deshalb habe ich am achten Mai Landeshauptmann Stellvertreter Mag. Wolfgang Sobotka ein Musterprojekt für Junges Wohnen in St. Pölten vorgeschlagen und angeboten seitens der Stadt das erforderliche Grundstück im Baurecht zur Verfügung zu stellen. Sobotka hat mir darufhin spontan eine Sonderförderung für dieses Projekt zugesagt.“
Dass umgekehrt die ÖVP St. Pölten dieses Projekt als ihren Erfolg reklamiert, weil sie zuvor das Thema „Junges Wohnen“ forciert und die Stadt sozusagen diesbezüglich „wachgerüttelt“ habe, führt uns nur zum Ausgang der Geschichte zurück: Das Thema „Wohnen“ wird bis zur Nationalratswahl ein heißes Eisen bleiben – hoffentlich auch darüber hinaus. Denn die politische Herausforderung wird in den nächsten Jahren bestehen bleiben, die Kosten nicht aus dem Ruder laufen zu lassen.
St. Pölten hat zudem aufgrund seiner guten Rahmenbedingungen die einmalige Chance, das Angebotsspektrum von exklusiv bis billig, von jung bis alt weiter auszubauen und so seinen Ruf als lebenswerte Wohnstadt zu festigen!