MFG - "Ich wollte Mann und Kinder"


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St. Pöltens gute Seite

"Ich wollte Mann und Kinder"

Text Michael Müllner
Ausgabe 12/2005

Zu Gast im Frauenorden, am Tisch mit vier Damen im fortgeschrittenen Alter, allesamt ausgestattet mit einer interessanten Aura. Fragen und Antworten – auch für jene, die sonst gegenüber religiösen Themen resistent sind.

„Warum sind Sie in einen Frauenorden eingetreten“, stellen wir die Eingangsfrage. Vier unterschiedliche Geschichten, die aber alle etwas gemeinsam haben: Eigener Antrieb, ein schwieriger und langer Entscheidungsprozess, sowie große Zufriedenheit. Doch der Reihe nach. Sr. Ingeborg Kapaun CJ ist der vorletzte Eintritt zur St. Pöltner Gemeinschaft. „Und das ist auch schon rund 30 Jahre her.“ Sr. Ingeborg war lange Zeit Provinzialoberin in St. Pölten, sozusagen die „Chefin“. Als Kind fühlte sie sich in der Klosterschule, die sie besuchte, wohl, begann jedoch eine weltliche Karriere als Lehrerin und landete irgendwann an der Schule der Englischen Fräulein – wo sie großteils mit Schwestern zusammenarbeitete. Irgendwann, schon über 30 Jahre alt, kam der Gedanke einzutreten. „So habe ich dann schüchtern gefragt, immerhin war ich ja schon etwas älter.“ Wie diese Überlegung zustande kam? „Die Idee kam nicht aus der Gemeinschaft, sondern aus meiner persönlichen Beziehung zu Gott. Vor meinem Eintritt hatte ich irgendwie ein schlechtes Gewissen. Irgendwann erkannte ich für mich ‚Er ist die Liebe’ und darauf gab es für mich nur eine Reaktion: den Eintritt in ein Frauenkloster. Das war meine Antwort, aber natürlich kann man auch eine ebenso tiefe Gottesbeziehung haben und diese völlig anders ausleben, beispielsweise als Mutter einer Familie.“ Sr. Raphaela Leurer CJ kommt aus „einer religiösen und sozial eingestellten Familie“. Aufgewachsen vis-a-vis einer Kirche, die sie von früher Kindheit an als ihre Heimat wahrnahm, erinnert sie sich heute an ein Erlebnis im Alter von 10 Jahren: „Ein Priester aus den Philippinen war zu Gast. Er faszinierte die Menschen in der Gemeinde für das Evangelium. Aber nicht einfach mit einer Predigt, sondern mit Gesang und Tanz – einfach mit große Lebensfreude.“ Viel später wird ihr klar, dass dies wohl der Auslöser für den eigenen Wunsch war, aktiv zu werden und Menschen mitzureißen. Nach unerfüllten Jahren in verschiedenen Berufen trat sie dem Institut bei und war lange Zeit Lehrerin und Direktorin in Krems. „Heute schließt sich in gewisser Weise der Kreis, ich kümmere mich nicht mehr um Kinder und Jugendliche, sondern um alte Menschen im Rahmen der Heimseelsorge“. Sr. Eleonore Hintermeier CJ wuchs in der Nachkriegszeit auf. Der sehr gläubige Vater traf auf eine nicht sonderlich religiöse Familie, die Tochter fing mit rund 16 Jahren in der Katholischen Jugend „Feuer für Christus“. Damals stand jedes Jahr unter einem Motto, beispielsweise „Jesu Christ, Hoffnung der Welt“. „Es gab riesige Veranstaltungen. 60.000 Jugendliche, die mit Fackeln über den Ring ziehen – das hat mich begeistert!“ Begeisterung, die sie zuerst im Rahmen des 500-Personen-Betriebes, wo sie in Wien arbeitete, weitergeben wollte. Erst später kam sie ins Institut: „Es war Kardinal König, der meinte, wir sollten uns mit Frauenorden beschäftigen. So kam ich überhaupt erst auf die Idee, einem Orden beizutreten. Eigentlich wollte ich ja einen Mann und Kinder.“ Zeit für die Frage, wie man denn mit der Entscheidung umgeht, genau darauf verzichten zu müssen. Auf Ehe, auf Kinder. „Die Frage nach Sexualität ist natürlich eine sehr wichtige. Man muss sich gründlich überlegen, man verzichtet bewusst auf die Zärtlichkeit, die eine Beziehung mit sich bringt. Aber in der Überzeugung, dass diese Gefühle nicht verloren sind, sondern lediglich aufgeschoben auf die Ewigkeit.“ Heute ist Sr. Agathe Rabl CJ die Oberin des Instituts in der Linzerstraße, ihr Weg in den Orden war jedoch keine ausgemachte Sache. Sie stammt aus einer 17-köpfigen, „sehr religiösen Familie aus den Bergen“. Bis heute erinnert sie sich genau an jenes Kindheitserlebnis, das ihr geistliches Leben einläutete: „Ich spürte, Gott will, dass ich ihm gehöre. Es war ein ganz intensives Empfinden. Mein Bruder war dabei, er bemerkte sofort eine ‚Veränderung’ an mir. Als er mich fragte, was denn los sei, konnte ich ihm damals aber noch nichts darauf antworten.“ Sie kam als Kind an eine Schule der Englischen Fräulein und hatte anfangs schwere Bedenken „gegenüber dem ‚Damenstift’“. Dem Eintritt in den Orden ging ein langer und heftiger „Streit mit Gott voraus. Ich setzte mich intensiv damit auseinander, versteckte mich im Chor und habe mir gedacht, ich muss der Idee in einen Orden einzutreten irgendwie wieder entkommen. Immerhin wollte ich ja auch eine Familie gründen!“ Nach der Schule schmiedete sie folgenden Plan: „Ich bleibe ein Jahr als Angestellte an der Schule, schau mir den Betrieb an, danach werde ich St. Pölten sicher gerne verlassen. Immerhin wollte ich mir die Sippschaft schon selber aussuchen.“ Nach dem Jahr war dann alles anders. Mit 17 Jahren suchte sie um Aufnahme in jenen Orden an, dem sie heute sogar vorsteht.