Es gibt Misswirtschaft im Haus!
Text
Beate Steiner
Ausgabe
Interview BETRIEBSRAT WOLFGANG SCHREFL: "Es gibt Misswirtschaft im Haus!"
„MFG“ durfte keine offiziellen Interviews mit leitenden Mitarbeitern des Hauses führen, trotz wochenlangen Bemühens – das hat uns doch etwas schockiert und wirkt befremdlich in einem demokratischen Land.
Mich überrascht das überhaupt nicht. Es gibt von Politik und Landeskliniken-Holding de facto einen Maulkorb für die Mitarbeiter. Sie können auch sicher sein, dass sehr kompetente, oft auch leitende Mitarbeiter, bestimmt Angst haben, dass sie sich bei einem Interview ‚versprechen’ – und das kann leider rasch den Job kosten.
Das klingt doch unglaublich.
Ja, wir sind leider sehr politisiert. Das liegt aber nicht an diesem Haus oder an NÖ, auch in anderen Bundesländern ist es so. Die Länder haben de facto ein Monopol, weil sie in allen Spitälern das Sagen haben. Früher gab es einen Streit und dann ging ein Arzt halt von St. Pölten nach Melk – heute muss er das Bundesland wechseln.
Was bedeutet das für die Arbeit als Betriebsrat?
Wir verstehen unseren Job zwar politisch, aber keineswegs parteipolitisch. Auch wenn ich politisch eine Ideologie und ein Parteibuch habe, bei meiner Arbeit schaue ich nicht auf die Parteizugehörigkeit, ich schaue auf Kollegen. Wir wollen dem Mitarbeiter helfen – und helfen damit in Wahrheit genauso der Firma, also dem ganzen Haus. Aber halt nicht einer Partei.
Wir hatten mit vielen Kolleginnen und Kollegen lange Gespräche, viele sind unglücklich, kein einziger wollte namentlich genannt werden. Oft war auch Angst spürbar, dass eine zu konkrete Darstellung der Erzählungen dazu führen könnte, dass ganze Abteilungen Sanktionen zu spüren bekommen. Was ist da los?
Es gibt eine Missorganisation im Haus. Da sitzen zu viele Leute an Schalthebeln. An sich gut gemeinte Ideen verlieren am Weg von oben nach unten sehr an Qualität. Dazu kommen bei jeder Ebene persönliche Befindlichkeiten, die verwaschen das ursprüngliche Ziel. Von der hohen Politik kommt ganz klar ein Sparauftrag. Es ist aber ein unbestreitbares Faktum, dass wir zu wenig Personal haben. Das beginnt bei den Ärzten und endet bei den einfachen Arbeitern. Die Leute brennen rundherum aus. Die Medizin bleibt nicht stehen, es gibt einen demographischen Wandel, die Leute kommen heute öfter ins Spital, es wird ihnen öfter geholfen. Die Leiden werden komplizierter. Wenn Sie heute mit einem Herzproblem eingeliefert werden, dann müssen die Kollegen oft auch ihren Blutzucker behandeln. Damit steigt zwangsläufig der Pflegeaufwand, aber nicht der Personalstand in Relation zu der Anzahl an Leistungen, die erbracht werden. Ich würde sagen, wir haben derzeit eine prekäre personelle Situation. Den Verantwortlichen sag ich das auch ganz offen ins Gesicht, das ist ja kein Geheimnis. Die sind jetzt seit zehn Jahren am Ruder, haben aber nur um den heißen Brei herumgeredet und zu wenig umgesetzt.
Welche Rolle spielt die Strukturentwicklung der Kliniken in Niederösterreich dabei?
Spezialisierung liegt im Trend, in St. Pölten gibt es Top-Fachabteilungen. Daher schicken kleinere Spitäler heikle oder komplizierte Fälle nach St. Pölten, bei uns steigt dadurch die Belastung. Das ärgert mich oft, wenn man uns dann mit kleinen Häusern vergleicht und sich wundert, warum Dinge bei uns anders laufen müssen. Grundsätzlich gibt es die Zielsetzung, dass in den einzelnen Häusern medizinische Schwerpunkte entwickelt werden – das macht ja auch Sinn, aber zugleich hat man das Problem, dass kein Haus freiwillig Abteilungen hergeben will. Für St. Pölten scheint nun klar, dass wir uns zu einer Universitätsklinik entwickeln sollen – das ist sehr positiv, bringt aber natürlich zusätzlich Aufgaben, vor allem im Bereich der Forschung.
Zurück zur personellen Situation – wie kann man diese verbessern?
Die Politik hat sich mit dem Dienstpostenplan selbst ein Korsett auferlegt und leidet darunter. Da wird dann, wo es halt noch geht, intern herumjongliert. Aber im Wesentlichen traut sich keiner den Plan zu verändern und die Personalzahl zu erhöhen. Was nutzt es uns, wenn wir in Niederösterreich die schönsten Spitäler mit den modernsten Geräten haben, aber das Personal unglücklich ist? Ein großes Problem ist auch durch das Einziehen einer mittleren Führungsebene entstanden, das ist echtes Negativmanagement. Da wurden zusätzliche Bereichsleiter geschaffen, denen es leider oft an Führungskompetenz fehlt. Als Betriebsrat vermitteln wir da sehr oft, weil einfach die Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitern zu wünschen übrig lässt.
Mehrere Mitarbeiter haben das offizielle Leitbild angesprochen und gemeint, dass es keineswegs der Realität entspricht.
Das Leitbild wäre ja sehr gut gemeint, aber es ist halt nur ein Blatt im Wind, es wird null gelebt – zumindest gegenüber den Mitarbeitern. Wenn nur die Hälfte davon realisiert wäre, dann wäre ich überglücklich. Für die Kollegen sieht die Welt aber so aus: Du arbeitest immer mehr, dein Chef zeigt für deine Leistung keine Wertschätzung und dann wirst du noch mit organisatorischen Blödheiten zugeschüttet – na klar bist du dann unzufrieden im Job.
Der steigende Dokumentationsaufwand, der mitunter von den eigentlichen Aufgaben abhält, war oft ein Thema in unseren Gesprächen.
Dokumentation ist ja grundsätzlich nichts Schlechtes, da gibt es ja auch zu Recht gesetzliche Vorgaben, die umgesetzt gehören um die Qualität zu sichern. Aber ich gebe Ihnen ein Beispiel. Die Pflegepersonalregelung, kurz PPR, ist ein an sich sehr gutes Instrument um zu messen, wie viel Pflegeaufwand in einer Abteilung anfällt und wie viel Personal man dafür braucht. Das Instrument kann aber auch zu schlechten Ergebnissen führen, wenn man es falsch anwendet und nicht alle Arbeiten des Pflegepersonals korrekt erfasst. Wenn ein Patient nach einer OP fünf Mal erbricht und ich ihm fünf Mal das Bett mache, dann kostet das fünf Mal Zeit. Aber derzeit wird diese „Leistung“ nur ein Mal im System gezählt – und schon hat man in der Statistik einen niedrigeren Personalaufwand als eigentlich nötig wäre. Ich brauche nicht betonen, dass alles, was zu Lasten der Mitarbeiter geht, in Folge natürlich auch negativ für die Patienten ist.
In der Patientenstatistik weist St. Pölten aber mit 97 Prozent eine sehr hohe Zufriedenheit aus.
Über diese Statistiken staune ich auch immer. Aber man muss ja nicht studiert haben, um zu wissen, wie das geht. Mit fünf Prozent Rücklauf mach ich mir auch die beste Statistik, wenn ich zum Beispiel nur die Super-VIPs befrage – na klar sind die zufrieden. Ich bin aber ein echter St. Pöltner, ich bin draußen unterwegs und rede mit den Leuten. Da regen sich schon wirklich viele Patienten sehr auf. Aber als Betriebsrat will ich der Führung nichts Schlechtes! Wir kommen ja alle aus der Praxis und wenn wir dann konkrete Verbesserungsvorschläge vorbringen, sehen wir uns leider sehr oft mit Überheblichkeit konfrontiert.
Wie problematisch ist die Situation in den Ambulanzen – darüber diskutiert ja ganz Österreich?
Diese Diskussion gibt es natürlich auch bei uns. Aber wohin sollen denn die Menschen gehen, wenn sie ein Problem haben? Da müsste sich im niedergelassenen Ärztebereich vieles ändern, ich denke nur an das wochenlange Warten bis man mal einen Termin bei einem Facharzt bekommt. Die Grundidee ist ja gut, dass man die Ambulanzen entlastet, aber in dieser Frage spielt wohl auch die Ärztekammer als Lobby eine Rolle. Man sieht, wie komplex die ganze Situation ist, nicht zuletzt weil das System aus verschiedenen Töpfen finanziert wird. Und man kann sagen, dass viele Probleme schon in der Praxis beim Hausarzt beginnen.
Spitalsärzte klagen über unerträgliche Arbeitszeiten, jeder warnt vor einem drohenden Ärztemangel.
Der Personalmangel betrifft bei uns wie gesagt alle Bereiche, natürlich auch die Ärzte. Die Bürokratie erschwert den Job, viele auch sehr gute Ärzte haben die Schnauze voll. Bei den Arbeitszeiten muss sich sicher was ändern, davon sind wir als Betriebsräte auch überzeugt, dass es im Pflegebereich deutlich bessere Regelungen gibt als bei den Ärzten. Aber es gibt auch deutliche Unterschiede in den Abteilungen. Ich bin überzeugt, dass wir mit der Herz- und Neurochirurgie zwei echte Aushängeschilder haben.
Deutlich benachteiligt fühlen sich im System allerdings gerade die jungen Ärzte.
Die Befristung von Dienstverträgen ist ein großes Problem. Da stellt man sich hin und sagt, man will den jungen Leuten helfen, und dann gibt man ihnen Verträge, die auf fünf Jahre befristet sind. Die kriegen ja nicht mal einen Kredit für eine Wohnung! An sich ist das höhere Einstiegsgehalt mit einer flacheren Lohnkurve ja gut, aber diese Befristungen sind falsch. Und noch etwas regt mich furchtbar auf. Wenn jemand nach der Ausbildung das erste Jahr arbeitet, erhält er nur 90 Prozent des Bezugs – das Argument ist, dass er ja noch keine Berufserfahrung hat und darum nur 90 Prozent der Leistung bringt. Das ist aber ungerechter Blödsinn, auch von diesen Leuten wird von Anfang an 100 Prozent der Leistung verlangt. Und zu den Turnusärzten: Die haben jetzt 200 Euro draufbekommen, während bei den Oberärzten das Plus 900 Euro ausgemacht hat. Also wirklich viel wurde da nicht angepasst. Man muss auch sagen, dass junge Sekundarärzte keinen leichten Job haben, viele haben Angst vor Fehlern, machen deshalb oft unnötige Untersuchungen.
Häufigste Kritik der Patienten sind die langen Wartezeiten beim Erstaufnahmezentrum. Es dauert oft Stunden, bis es Ergebnisse gibt und die Kranken intern an die richtige Abteilung weitergeleitet werden.
Ja, da ist einfach zu oft kein Oberarzt anwesend. Die jungen Ärzte kriegen eine auf den Deckel, wenn sie den Oberarzt „unnötig“ anrufen, weil der selber gerade beschäftigt ist. Aber natürlich haben die Jungen noch nicht die nötige Erfahrung, dann werden oft diese zusätzlichen Untersuchungen gemacht und das alles dauert eben seine Zeit. Gerade dieses Problem ist seit Jahren bekannt und bis dato noch immer nicht gelöst.
Mich überrascht das überhaupt nicht. Es gibt von Politik und Landeskliniken-Holding de facto einen Maulkorb für die Mitarbeiter. Sie können auch sicher sein, dass sehr kompetente, oft auch leitende Mitarbeiter, bestimmt Angst haben, dass sie sich bei einem Interview ‚versprechen’ – und das kann leider rasch den Job kosten.
Das klingt doch unglaublich.
Ja, wir sind leider sehr politisiert. Das liegt aber nicht an diesem Haus oder an NÖ, auch in anderen Bundesländern ist es so. Die Länder haben de facto ein Monopol, weil sie in allen Spitälern das Sagen haben. Früher gab es einen Streit und dann ging ein Arzt halt von St. Pölten nach Melk – heute muss er das Bundesland wechseln.
Was bedeutet das für die Arbeit als Betriebsrat?
Wir verstehen unseren Job zwar politisch, aber keineswegs parteipolitisch. Auch wenn ich politisch eine Ideologie und ein Parteibuch habe, bei meiner Arbeit schaue ich nicht auf die Parteizugehörigkeit, ich schaue auf Kollegen. Wir wollen dem Mitarbeiter helfen – und helfen damit in Wahrheit genauso der Firma, also dem ganzen Haus. Aber halt nicht einer Partei.
Wir hatten mit vielen Kolleginnen und Kollegen lange Gespräche, viele sind unglücklich, kein einziger wollte namentlich genannt werden. Oft war auch Angst spürbar, dass eine zu konkrete Darstellung der Erzählungen dazu führen könnte, dass ganze Abteilungen Sanktionen zu spüren bekommen. Was ist da los?
Es gibt eine Missorganisation im Haus. Da sitzen zu viele Leute an Schalthebeln. An sich gut gemeinte Ideen verlieren am Weg von oben nach unten sehr an Qualität. Dazu kommen bei jeder Ebene persönliche Befindlichkeiten, die verwaschen das ursprüngliche Ziel. Von der hohen Politik kommt ganz klar ein Sparauftrag. Es ist aber ein unbestreitbares Faktum, dass wir zu wenig Personal haben. Das beginnt bei den Ärzten und endet bei den einfachen Arbeitern. Die Leute brennen rundherum aus. Die Medizin bleibt nicht stehen, es gibt einen demographischen Wandel, die Leute kommen heute öfter ins Spital, es wird ihnen öfter geholfen. Die Leiden werden komplizierter. Wenn Sie heute mit einem Herzproblem eingeliefert werden, dann müssen die Kollegen oft auch ihren Blutzucker behandeln. Damit steigt zwangsläufig der Pflegeaufwand, aber nicht der Personalstand in Relation zu der Anzahl an Leistungen, die erbracht werden. Ich würde sagen, wir haben derzeit eine prekäre personelle Situation. Den Verantwortlichen sag ich das auch ganz offen ins Gesicht, das ist ja kein Geheimnis. Die sind jetzt seit zehn Jahren am Ruder, haben aber nur um den heißen Brei herumgeredet und zu wenig umgesetzt.
Welche Rolle spielt die Strukturentwicklung der Kliniken in Niederösterreich dabei?
Spezialisierung liegt im Trend, in St. Pölten gibt es Top-Fachabteilungen. Daher schicken kleinere Spitäler heikle oder komplizierte Fälle nach St. Pölten, bei uns steigt dadurch die Belastung. Das ärgert mich oft, wenn man uns dann mit kleinen Häusern vergleicht und sich wundert, warum Dinge bei uns anders laufen müssen. Grundsätzlich gibt es die Zielsetzung, dass in den einzelnen Häusern medizinische Schwerpunkte entwickelt werden – das macht ja auch Sinn, aber zugleich hat man das Problem, dass kein Haus freiwillig Abteilungen hergeben will. Für St. Pölten scheint nun klar, dass wir uns zu einer Universitätsklinik entwickeln sollen – das ist sehr positiv, bringt aber natürlich zusätzlich Aufgaben, vor allem im Bereich der Forschung.
Zurück zur personellen Situation – wie kann man diese verbessern?
Die Politik hat sich mit dem Dienstpostenplan selbst ein Korsett auferlegt und leidet darunter. Da wird dann, wo es halt noch geht, intern herumjongliert. Aber im Wesentlichen traut sich keiner den Plan zu verändern und die Personalzahl zu erhöhen. Was nutzt es uns, wenn wir in Niederösterreich die schönsten Spitäler mit den modernsten Geräten haben, aber das Personal unglücklich ist? Ein großes Problem ist auch durch das Einziehen einer mittleren Führungsebene entstanden, das ist echtes Negativmanagement. Da wurden zusätzliche Bereichsleiter geschaffen, denen es leider oft an Führungskompetenz fehlt. Als Betriebsrat vermitteln wir da sehr oft, weil einfach die Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitern zu wünschen übrig lässt.
Mehrere Mitarbeiter haben das offizielle Leitbild angesprochen und gemeint, dass es keineswegs der Realität entspricht.
Das Leitbild wäre ja sehr gut gemeint, aber es ist halt nur ein Blatt im Wind, es wird null gelebt – zumindest gegenüber den Mitarbeitern. Wenn nur die Hälfte davon realisiert wäre, dann wäre ich überglücklich. Für die Kollegen sieht die Welt aber so aus: Du arbeitest immer mehr, dein Chef zeigt für deine Leistung keine Wertschätzung und dann wirst du noch mit organisatorischen Blödheiten zugeschüttet – na klar bist du dann unzufrieden im Job.
Der steigende Dokumentationsaufwand, der mitunter von den eigentlichen Aufgaben abhält, war oft ein Thema in unseren Gesprächen.
Dokumentation ist ja grundsätzlich nichts Schlechtes, da gibt es ja auch zu Recht gesetzliche Vorgaben, die umgesetzt gehören um die Qualität zu sichern. Aber ich gebe Ihnen ein Beispiel. Die Pflegepersonalregelung, kurz PPR, ist ein an sich sehr gutes Instrument um zu messen, wie viel Pflegeaufwand in einer Abteilung anfällt und wie viel Personal man dafür braucht. Das Instrument kann aber auch zu schlechten Ergebnissen führen, wenn man es falsch anwendet und nicht alle Arbeiten des Pflegepersonals korrekt erfasst. Wenn ein Patient nach einer OP fünf Mal erbricht und ich ihm fünf Mal das Bett mache, dann kostet das fünf Mal Zeit. Aber derzeit wird diese „Leistung“ nur ein Mal im System gezählt – und schon hat man in der Statistik einen niedrigeren Personalaufwand als eigentlich nötig wäre. Ich brauche nicht betonen, dass alles, was zu Lasten der Mitarbeiter geht, in Folge natürlich auch negativ für die Patienten ist.
In der Patientenstatistik weist St. Pölten aber mit 97 Prozent eine sehr hohe Zufriedenheit aus.
Über diese Statistiken staune ich auch immer. Aber man muss ja nicht studiert haben, um zu wissen, wie das geht. Mit fünf Prozent Rücklauf mach ich mir auch die beste Statistik, wenn ich zum Beispiel nur die Super-VIPs befrage – na klar sind die zufrieden. Ich bin aber ein echter St. Pöltner, ich bin draußen unterwegs und rede mit den Leuten. Da regen sich schon wirklich viele Patienten sehr auf. Aber als Betriebsrat will ich der Führung nichts Schlechtes! Wir kommen ja alle aus der Praxis und wenn wir dann konkrete Verbesserungsvorschläge vorbringen, sehen wir uns leider sehr oft mit Überheblichkeit konfrontiert.
Wie problematisch ist die Situation in den Ambulanzen – darüber diskutiert ja ganz Österreich?
Diese Diskussion gibt es natürlich auch bei uns. Aber wohin sollen denn die Menschen gehen, wenn sie ein Problem haben? Da müsste sich im niedergelassenen Ärztebereich vieles ändern, ich denke nur an das wochenlange Warten bis man mal einen Termin bei einem Facharzt bekommt. Die Grundidee ist ja gut, dass man die Ambulanzen entlastet, aber in dieser Frage spielt wohl auch die Ärztekammer als Lobby eine Rolle. Man sieht, wie komplex die ganze Situation ist, nicht zuletzt weil das System aus verschiedenen Töpfen finanziert wird. Und man kann sagen, dass viele Probleme schon in der Praxis beim Hausarzt beginnen.
Spitalsärzte klagen über unerträgliche Arbeitszeiten, jeder warnt vor einem drohenden Ärztemangel.
Der Personalmangel betrifft bei uns wie gesagt alle Bereiche, natürlich auch die Ärzte. Die Bürokratie erschwert den Job, viele auch sehr gute Ärzte haben die Schnauze voll. Bei den Arbeitszeiten muss sich sicher was ändern, davon sind wir als Betriebsräte auch überzeugt, dass es im Pflegebereich deutlich bessere Regelungen gibt als bei den Ärzten. Aber es gibt auch deutliche Unterschiede in den Abteilungen. Ich bin überzeugt, dass wir mit der Herz- und Neurochirurgie zwei echte Aushängeschilder haben.
Deutlich benachteiligt fühlen sich im System allerdings gerade die jungen Ärzte.
Die Befristung von Dienstverträgen ist ein großes Problem. Da stellt man sich hin und sagt, man will den jungen Leuten helfen, und dann gibt man ihnen Verträge, die auf fünf Jahre befristet sind. Die kriegen ja nicht mal einen Kredit für eine Wohnung! An sich ist das höhere Einstiegsgehalt mit einer flacheren Lohnkurve ja gut, aber diese Befristungen sind falsch. Und noch etwas regt mich furchtbar auf. Wenn jemand nach der Ausbildung das erste Jahr arbeitet, erhält er nur 90 Prozent des Bezugs – das Argument ist, dass er ja noch keine Berufserfahrung hat und darum nur 90 Prozent der Leistung bringt. Das ist aber ungerechter Blödsinn, auch von diesen Leuten wird von Anfang an 100 Prozent der Leistung verlangt. Und zu den Turnusärzten: Die haben jetzt 200 Euro draufbekommen, während bei den Oberärzten das Plus 900 Euro ausgemacht hat. Also wirklich viel wurde da nicht angepasst. Man muss auch sagen, dass junge Sekundarärzte keinen leichten Job haben, viele haben Angst vor Fehlern, machen deshalb oft unnötige Untersuchungen.
Häufigste Kritik der Patienten sind die langen Wartezeiten beim Erstaufnahmezentrum. Es dauert oft Stunden, bis es Ergebnisse gibt und die Kranken intern an die richtige Abteilung weitergeleitet werden.
Ja, da ist einfach zu oft kein Oberarzt anwesend. Die jungen Ärzte kriegen eine auf den Deckel, wenn sie den Oberarzt „unnötig“ anrufen, weil der selber gerade beschäftigt ist. Aber natürlich haben die Jungen noch nicht die nötige Erfahrung, dann werden oft diese zusätzlichen Untersuchungen gemacht und das alles dauert eben seine Zeit. Gerade dieses Problem ist seit Jahren bekannt und bis dato noch immer nicht gelöst.