MFG - Verteuerung von Grundnahrungsmitteln
Verteuerung von Grundnahrungsmitteln


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St. Pöltens gute Seite

Verteuerung von Grundnahrungsmitteln

Text Johannes Reichl
Ausgabe 02/2015

Das Motto „Ticketsteuer macht Tickets teuer“, unter dem österreichische Veranstalter Ende Jänner in Wien zur Pressekonferenz luden, bringt‘s auf den Punkt: Die im Raum stehende Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Tickets, Bücher & Co. um 10% würde wohl eine Preiserhöhung in selbem Maße nach sich ziehen.

Wenig verwunderlich, dass auch heimische Betriebe des Finanzministers Ansinnen kategorisch ablehnen. Seitens der Bühne im Hof etwa heißt es: „Wir sprechen uns klar gegen diese Erhöhung aus, weil sie voll zu Lasten des Kulturkonsumenten geht. Eine Erhöhung kann weder vom Theater noch vom Künstler getragen werden!“
Auch David Schröding, der in seinem Lokal EGON immer wieder Veranstaltungen durchführt, meint trocken, „dass das keine schlaue Idee ist, da unterm Strich die Unternehmer und die Konsumenten darunter leiden werden.“ Als Unternehmer werde man die Preise anheben müssen, um die Spanne zu erhalten, „dies führt aber wahrscheinlich zu weniger Umsatz, da es sich die Konsumenten nicht mehr leisten können. Ein Teufelskreis, der keinem etwas bringt!“
René Voak vom VAZ St. Pölten, durch das alljährlich über 550.000 Besucher marschieren, geht sogar davon aus, dass die Erhöhung kontraproduktiv wirken wird. „Höhere Steuern auf Tickets bringen nämlich nicht Mehreinnahmen für den Staat, wie sich das manche so schön ausmalen, sondern werden auf Sicht eine Abwärtsspirale in Gang setzen, an deren Ende sogar weniger Steuereinnahmen stehen!“ Diese Dynamik umreißt der Kulturmanager so: „Höhere Steuern – höhere Preise – weniger Nachfrage – weniger Einnahmen und weniger finanzieller Spielraum – weniger Umsetzungsmöglichkeiten – Ausdünnung des Angebots – noch weniger Nachfrage – weniger Arbeitsplätze – weniger Betriebe – weniger Steuereinnahmen.“
Kritik, der zufolge die Veranstalter mit der Weitergabe der Erhöhung an die Endkunden ja sowieso aus dem Schneider sind, kontert Voak: „Schon jetzt sind im Ticket 10% Mehrwertsteuer enthalten, es gilt AKM zu zahlen, Künstlergagen, oftmals Eintrittskarten-Beteiligungen, in manchen Kommunen, wie leider auch in St. Pölten, Lustbarkeitsabgabe. Das, was überbleibt – so etwas überbleibt – soll dann die Löhne und Gehälter, Betriebs- und Infrastrukturkosten, Steuern & Co. abdecken und vor allem den Spielraum für neue Engagements geben!“ Eine Rechnung, die sich im Falle einer Steuererhöhung und eines etwaigen Nachfrageeinbruchs für viele Veranstalter nicht mehr ausgehen wird. „Das werden einige nicht überleben!“
Einen weiteren Aspekt bringt NÖKU-Boss Paul Gessl, dem zahlreiche Landes-Kulturbetriebe wie u.a. Festspielhaus, Landestheater, Kunsthalle Krems etc. unterstehen, ein: „Unsere Kulturbetriebe sprechen ja kein elitäres Publikum an, sondern wir verstehen uns als Bildungseinrichtungen, die für alle offenstehen und leistbar sein sollen. Da eine Erhöhung der Mehrwertsteuer aber nicht aus dem Betrieb finanziert werden kann, werden wir die Erhöhung an die Kunden weitergeben müssen – es werden also neue Barrieren geschaffen.“ Gessl geht es dabei vor allem auch um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die durch eine Steuererhöhung torpediert wird. „Mit gutem Grund werden die Mehrwertsteuersätze bei Grundnahrungsmitteln nicht erhöht. De facto sind auch Kunst, Bildung und Kultur Nahrung fürs Leben – und müssen in diesem Sinne auch so wie Grundnahrungsmittel behandelt werden!“
Aus für Kulturgut?
Gessl greift damit einen Gedanken auf, der in der Diskussion immer wieder mitschwingt. Wie gehen die Pläne mit der österreichischen Selbstdefinition als „Kulturnation“ zusammen, ein Aspekt, gegen den schon Wiens Kulturstadtrat Mailath-Pokorny im online-Kurier vom Leder zog: „Das ist eine ungeheure Schnapsidee. Man kann doch nicht in der Kulturnation Österreich den einzigen internationalen Vorteil, den wir haben, so behindern. [...] Das Papier mit dieser Idee ist sofort zu zerreißen.“
Ähnlich sehen die Buchhändler die Causa, soll doch auch bei Büchern der Mehrwertsteuersatz auf 20% erhöht werden, obwohl Österreich mit aktuell 10% schon jetzt in diesem Segment zu den Hochsteuerländern zählt. „Eine Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes auf Bücher käme einem frontalen Angriff auf ein Kulturgut gleich, das in Zeiten zunehmender Digitalisierung und Informationsüberflutung ohnehin schon schwer zu kämpfen hat“, so Geschäftsführer Helmut Fahrngruber von Thalia St. Pölten.
Eine Sicht, die auch Wolfgang Hintermaier von der Buchhandlung Schubert teilt. Zudem befürchtet er, „dass ein weiteres Auseinaderklaffen der Steuersätze für Bücher in Österreich und Deutschland (7%) wohl wieder die Stimmen nach Aufhebung der Ladenpreisbindung laut werden lässt. Wie eine solche Lösung in anderen Ländern, wie zuletzt etwa in der Schweiz, ausgegangen ist, braucht niemand zu wundern: Große Ketten trieben mit Preisdumping kleine Mitbewerber in den Ruin, um nach sehr kurzer Zeit den Markt alleine zu beherrschen. Die nachfolgende, selbst für die Schweiz eklatante Teuerung traf die Leser voll!“
Zudem würde die Erhöhung, wie Hintermaier überzeugt ist, auch die bereits jetzt kämpfende Verlagsstruktur weiter ausdünnen – einmal mehr auf Kosten der kleinen und somit der Vielfalt. Das könne nicht das Ansinnen der Regierung sein. „In der Kulturnation Österreich muss das Buch bleiben, was es ist: Ein Gut mit gesellschaftlichem Wert, das von einer vielfältigen Autoren- und Verlagslandschaft zeugt und nicht ein x-beliebiges Konsumgut!
Im Kino gehen die Lichter aus
Auch Kinobetreiber machen gegen den Plan einer Steuererhöhung mobil – die Situation beurteilen sie wie Kollegen aus den anderen Branchen. „Die geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer bei Tickets und damit für Kinovorstellungen würde direkt zu einer Erhöhung der Eintrittspreise bei allen kulturellen Veranstaltungen führen, da diese enorme Kostenbelastung kein Betrieb tragen könnte“, hält Mario Hueber vom Hollywood Megaplex fest und fügt hinzu, „dass die finanzielle Belastung der Betriebe in den letzten Jahren auch ohne diese geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer kontinuierlich gestiegen ist und weiterhin steigt.“
Vor noch viel dramatischeren Folgen warnt Alexander Syllaba vom Cinema Paradiso. „Eine verstärkte Abwanderung des Kino-Publikums ins Netz wird eintreten bzw. eine Verschiebung zu internationalen Firmen wie Amazon. Diese Unternehmen versteuern nicht in Österreich, sondern zu Minimalsteuersätzen von 3% bis 5% z. B. in Luxemburg. In Folge werden weitere Kinos, Theater, Kulturinitiativen, Buchhändler, Verlage und Vereine ihre Tätigkeit einstellen.“ Syllaba appelliert daher, sich am großen Nachbarn zu orientieren. „Deutschland wird von vielen, auch Politikern in Österreich, als der ‚Sparweltmeister‘ angesehen. Interessant ist, dass in Deutschland bei Kultur-Tickets, nicht nur Kinotickets, der Mehrwertssteuersatz bei 7% liegt!“
Wie die Sache auch immer ausgeht, eines ist schon jetzt Faktum: Zahlreiche Politiker haben im letzten Wahlkampf mit Verve den Schlachtruf „mit uns keine neuen Steuern“ strapaziert. Dass selbige den Bürgern nun allen Ernstes suggerieren möchten, dass es sich bei der geplanten Mehrwertsteuererhöhung gar nicht um eine solche handelt, sondern bloß um das Streichen von Ausnahmen, ist fast schon als dreist zu bezeichnen. Damit mutierte die Steuerreform per se zum großen Bluff: Was der Staat aus der einen Jackentasche weniger herausholt, nimmt er sich sowieso aus der anderen wieder heraus. Und die Gefahr, dass am Ende des Tages aufgrund eines durch die Steuererhöhung ausgelösten Schrumpfungsprozesses sogar weniger im Staatssäckel überbleibt, ist nicht von der Hand zu weisen. Richard Hörmann, auch in St. Pölten immer wieder als Veranstalter aktiv, kennt die negativen Fallbeispiele aus dem Ausland aus persönlicher Erfahrung: „Ich kann nicht wirklich glauben, dass es kulturpolitisch gewünscht ist, sich plötzlich an Länder wie Ungarn oder Kroatien anzugleichen, die mit ihrem wahnwitzigen Steuersatz von bis zu 27% auf einen Schlag alle internationalen Shows abgewürgt haben. Mit der Folge, dass die großen Hallen in Budapest und Zagreb leer stehen und nunmehr vom Staat oder anderen Institutionen gestützt werden müssen oder einfach pleitegehen. Selbst Kroatien, das zuletzt einen Mehrwertsteuersatz von 25% auf Tickets einhob, hat erkannt, dass sie sich damit in eine Sackgasse begeben haben und mussten diesen – letztendlich auch auf Druck der vielen kleinen Kulturbetriebe – wieder auf 13% senken!“ Um sich diesen Fauxpas mit weitreichenden, zum Teil wohl irreversiblen Folgen von vornherein zu ersparen, appelliert Hörmann in Richtung Politik: „Bitte lieber gleich lassen!“
ÖSTERREICH IM VERGLEICH
Die Europäische Kommission hat die aktuell geltenden Mehrwertsteuersätze beleuchtet. Mit dem Normalsteuersatz von 20% liegt Österreich im guten Mittelfeld, vier Staaten haben einen niedrigeren, 18 einen höheren, fünf weitere den selben wie Österreich.
Bezüglich des reduzierten Steuersatzes auf Bücher mit 10% liegt Österreich bereits jetzt über dem Durschnitt. 20 Staaten haben einen noch geringeren Mehrwertsteuersatz auf Bücher, drei weitere ebenfalls 10%, nur Dänemark einen höheren. Mit 20% hätte Österreich dann den zweithöchsten Mehrwertsteuersatz auf Bücher in der EU.
Bei Tickets liegt Österreich aktuell mit 10% im Mittelfeld, wobei die Steuern differenzierter gehandhabt werden. In manchen Staaten sind öffentliche Institutionen befreit, in anderen genießen Theater geringere Steuersätze, in wieder anderen Kinos. Acht Staaten haben prinzipiell höhere Mehrwertsteuersätze auf Tickets, in diesen Kreis würde Österreich mit einer Erhöhung auf 20% aufrücken. 15 Staaten hingegen haben schon jetzt prinzipiell niedrigere als die in Österreich gültigen 10%.