Nach dem Geständnis ist vor dem Geständnis?
Text
Michael Müllner
Ausgabe
Ein Mann gesteht, seine Nichte sexuell missbraucht zu haben. Dennoch melden Polizei und Staatsanwaltschaft nicht der Jugendhilfe, dass seine zweijährige Tochter möglicherweise auch in Gefahr ist.
Im Mai verurteilte das Landesgericht St. Pölten einen Mann zu 14 Jahren Freiheitsstrafe und wies ihn in eine Anstalt für geistige abnorme Rechtsbrecher ein. Er hatte mehrere Kleinkinder sexuell missbraucht. Den Fall ins Rollen brachte sein erstes Opfer, seine Nichte. Diese wurde als Kleinkind im Alter zwischen vier und sechs Jahren von ihrem Onkel sexuell missbraucht. Mit 22 Jahren erfuhr sie, dass ihr Onkel nunmehr selber Vater einer kleinen Tochter sei. Damit diese nicht auch von ihm missbraucht werde, erstattet sie am 24. August 2011 bei der Staatsanwaltschaft St. Pölten Anzeige, wie das Nachrichtenmagazin „profil“ (25/2013) aufdeckte.
Im Oktober 2011 wurde die junge Frau einvernommen, kurz danach konfrontierten die Ermittlungsbehörden den Beschuldigten mit den Vorwürfen. Meist ist der Nachweis bei derartigen Vorwürfen schwierig, oft steht Aussage gegen Aussage. Doch überraschenderweise gestand der Beschuldigte, seine Nichte damals sexuell missbraucht zu haben – sogar einen weiteren Missbrauchsfall gab er aus freien Stücken zu. Eigentlich regelte ein Erlass des Justizministeriums, dass Behörden in solchen Fällen die Jugendwohlfahrt zu verständigen haben – zu welchem Zeitpunkt genau, ist jedoch nicht festgelegt.
Die St. Pöltner Staatsanwaltschaft meldete nach dem Geständnis den Sachverhalt nicht an die zuständige Jugendhilfe. Der Mann missbrauchte fast neun weitere Monate lang seine damals zweijährige Tochter. Bewiesen wurde dies, als im Verlauf der Ermittlungen ein weiteres Opfer den Mann wegen Missbrauchs anzeigte – und über diesen daraufhin die U-Haft verhängt wurde. Bei einer Wohnungsdurchsuchung stellte die Polizei Aufnahmen sicher. Diese zeigten ihn beim sexuellen Missbrauch der Tochter. Die Bilder wurden zwischen Oktober 2011 und Juni 2012 gemacht – nach dem Geständnis und nachdem keine Warnung an die Jugendhilfe erging.
St. Pöltens leitende Staatsanwältin Michaela Obenaus verweist darauf, dass das Ermittlungsverfahren mit dem Geständnis des Beschuldigten noch nicht abgeschlossen war. Zur Frage, wieso nach dem Geständnis des Mannes nicht erkannt wurde, dass auch seine Tochter als naheliegendes Opfer bedroht sei, wollte sie nicht näher Stellung nehmen. Auch im Justizministerium wollte man den Fall inhaltlich nicht kommentieren, da dieser (noch) nicht bekannt sei. Damals wie heute galt jedoch: „Gerichte und Staatsanwaltschaften haben den Jugendwohlfahrtsträgern alle ihnen bekannt gewordenen Tatsachen mitzuteilen, die zur Vollziehung der Jugendwohlfahrt erforderlich sind; dies betrifft insbesondere Fälle, bei denen die/der Beschuldigte jugendlich oder das Opfer minderjährig ist.“ Ein exakter Zeitpunkt für die Verständigung ist im Erlass aber nicht geregelt.
Gerhard Karner, der Leiter der Jugendhilfe am Magistrat St. Pölten, bedauert den Fall: „Natürlich hätten wir gerne sofort nach dem Geständnis des Mannes einen Hinweis erhalten. Ich will aber auch betonen, dass in 99% der Fälle die Zusammenarbeit zwischen den Behörden sehr gut klappt. Generell rücken unsere Sozialarbeiter binnen Stunden aus, sobald wir einen Hinweis erhalten. Wir scheuen auch grundsätzlich keine Anzeigen bei Verdachtsfällen – zum Wohle des Kindes.“
Am 18. Juni brachte Albert Steinhauser, der Justizsprecher der Grünen, eine Anfrage an Justizministerin Beatrix Karl ein. Bis 18. August hat das Ministerium nun Zeit den Fall inhaltlich zu prüfen – und zu beantworten, weshalb eine Meldung an die Jugendhilfe unterblieben ist und welche Konsequenzen daraus zu ziehen sein werden.
Im Oktober 2011 wurde die junge Frau einvernommen, kurz danach konfrontierten die Ermittlungsbehörden den Beschuldigten mit den Vorwürfen. Meist ist der Nachweis bei derartigen Vorwürfen schwierig, oft steht Aussage gegen Aussage. Doch überraschenderweise gestand der Beschuldigte, seine Nichte damals sexuell missbraucht zu haben – sogar einen weiteren Missbrauchsfall gab er aus freien Stücken zu. Eigentlich regelte ein Erlass des Justizministeriums, dass Behörden in solchen Fällen die Jugendwohlfahrt zu verständigen haben – zu welchem Zeitpunkt genau, ist jedoch nicht festgelegt.
Die St. Pöltner Staatsanwaltschaft meldete nach dem Geständnis den Sachverhalt nicht an die zuständige Jugendhilfe. Der Mann missbrauchte fast neun weitere Monate lang seine damals zweijährige Tochter. Bewiesen wurde dies, als im Verlauf der Ermittlungen ein weiteres Opfer den Mann wegen Missbrauchs anzeigte – und über diesen daraufhin die U-Haft verhängt wurde. Bei einer Wohnungsdurchsuchung stellte die Polizei Aufnahmen sicher. Diese zeigten ihn beim sexuellen Missbrauch der Tochter. Die Bilder wurden zwischen Oktober 2011 und Juni 2012 gemacht – nach dem Geständnis und nachdem keine Warnung an die Jugendhilfe erging.
St. Pöltens leitende Staatsanwältin Michaela Obenaus verweist darauf, dass das Ermittlungsverfahren mit dem Geständnis des Beschuldigten noch nicht abgeschlossen war. Zur Frage, wieso nach dem Geständnis des Mannes nicht erkannt wurde, dass auch seine Tochter als naheliegendes Opfer bedroht sei, wollte sie nicht näher Stellung nehmen. Auch im Justizministerium wollte man den Fall inhaltlich nicht kommentieren, da dieser (noch) nicht bekannt sei. Damals wie heute galt jedoch: „Gerichte und Staatsanwaltschaften haben den Jugendwohlfahrtsträgern alle ihnen bekannt gewordenen Tatsachen mitzuteilen, die zur Vollziehung der Jugendwohlfahrt erforderlich sind; dies betrifft insbesondere Fälle, bei denen die/der Beschuldigte jugendlich oder das Opfer minderjährig ist.“ Ein exakter Zeitpunkt für die Verständigung ist im Erlass aber nicht geregelt.
Gerhard Karner, der Leiter der Jugendhilfe am Magistrat St. Pölten, bedauert den Fall: „Natürlich hätten wir gerne sofort nach dem Geständnis des Mannes einen Hinweis erhalten. Ich will aber auch betonen, dass in 99% der Fälle die Zusammenarbeit zwischen den Behörden sehr gut klappt. Generell rücken unsere Sozialarbeiter binnen Stunden aus, sobald wir einen Hinweis erhalten. Wir scheuen auch grundsätzlich keine Anzeigen bei Verdachtsfällen – zum Wohle des Kindes.“
Am 18. Juni brachte Albert Steinhauser, der Justizsprecher der Grünen, eine Anfrage an Justizministerin Beatrix Karl ein. Bis 18. August hat das Ministerium nun Zeit den Fall inhaltlich zu prüfen – und zu beantworten, weshalb eine Meldung an die Jugendhilfe unterblieben ist und welche Konsequenzen daraus zu ziehen sein werden.