grenzenlos g‘scheit
Text
Beate Steiner
Ausgabe
G‘scheit sind’s, die St. Pöltnerinnen und St. Pöltner. So richtig allwissend. Wie alle andern auch – die G’scheitheit ist ja heutzutag‘ dank Meta, Google und Co. grenzenlos und war noch nie so sichtbar. Das zeigt sich rund um die Uhr in den bevorzugten Netzwerken. Zum Beispiel: In welchem Abstand werden Jungbäume eingepflanzt? Das sollten die Stadtgärtner besser im Facebook nachlesen. Dann würden sie die Pflanzerl nicht nach Fachwissen, sondern nach der Expertise der heimischen Netzwerk-User verteilen – und die wissen zweifelsohne, wie das geht. Die G‘scheiterl zweifeln selbstverständlich auch nicht an ihrer medizinischen Kenntnis. Sie können auf alle Corona-Fragen eine Antwort geben, dank des flotten YouTube-Videos eines Viren-Gurus oder des neuesten populärwissenschaftlichen Online-Artikels im simpel gestrickten Medium, geboostert vom fetzigen Sager eines populistischen Politikers – was braucht’s da für den Durchblick noch ein langwieriges Medizinstudium? Und natürlich auch kein historisches Wissen, um die politische Weltlage zu analysieren. Angesichts des Krieges in der Ukraine mutierten die selbst ernannten Virologen in ihrem intellektuell isolierten Kosmos nämlich schnell zu Politologen und Historikern. Einigen ist das besonders leicht gefallen, wähnten sie sich doch schon während der Covid-19-Einschränkungen im Krieg. Diese Allwissenden müssten den Unterschied zwischen Diktatur und gesundheitspolitischen Maßnahmen jetzt erkennen – angesichts der martialischen Bilder von Kriegshetzern und leidenden Menschen im brennenden Kiew.