Krieg und Dankbarkeit
Text
Michael Müllner
Ausgabe
Zwei Corona-Jahre lehrten uns, was Menschen alles aushalten. Anders: Was andere aushalten müssen, hat meinen Blick darauf geschärft, wie glücklich ich bin, zufrieden und dankbar. Natürlich wird es langsam zach. Ja, auch ich hätte gerne darauf verzichtet, dass die Pandemie um eine Wintersaison verlängert hat. Doch was sind schon Masken und Schutzimpfung, im Vergleich zu den wirklichen Problemen dieser Welt?
Krieg. Verabschieden wir uns von Frau und Kind, die in ein fremdes Land und eine ungewisse Zukunft flüchten. Nehmen wir eine Waffe in die unbeholfenen Hände und fragen uns: Werde ich damit zum Mörder? Oder bringt mich vorher schon wer um? Das alles geschieht nicht weit weg von hier, mit dem Auto sind es keine zehn Stunden bis Lviv. Wir sehen es am Handy, wenn zwischen den lustigen Videos der Freunde, die endlich wieder „gescheit“ Fortgehen können, die Clips jener Menschen auftauchen, die in U-Bahn-Stationen übernachten. Werden sie von Raketen zerbombt oder bekommen sie eine „Chance“, ihre Heimat mit bloßen Händen zu verteidigen? Auf beiden Seiten nur Opfer des Wahnsinns. In den Jahren der Pest fühlten wir uns der Natur ausgeliefert. Wie kann es sein, dass wir nun diesem völlig durchgeknallten, irrationalen, von Menschenhand gemachtem Irrsinn ausgeliefert sind? Doch uns Menschen bleibt Hoffnung und Optimismus. Wir sehen Solidarität – untereinander und in der großen Politik. Welch Gegensatz zum manischen Egoismus, der zuletzt auch hierzulande um sich griff. So sieht Diktatur aus. So kämpft man um Freiheit. Wir haben Glück. Wir sollten dankbar sein.