Kärntner Slowene mit St. Pölten Herz
Text
Johannes Reichl
Ausgabe
Wie schlägt sich wahrer Lokalpatriotismus nieder? Zum Beispiel in Form eines St. Pölten Herzens als Profilbild. Ein solches ziert den WhatsApp-Account von Dominik Mesner, seines Zeichens Obmann der Plattform St. Pölten.
Aus seiner Zuneigung macht Mesner auch im Zuge unseres Gesprächs kein Hehl: „Ich liebe diese Stadt einfach!“, bekennt er freimütig, und wer ihn kennt, weiß, dass das keine leere Floskel ist. Der Spruch ruft übrigens Erinnerungen wach – da war doch was? Tatsächlich zog damit ein gewisser Matthias Stadler 2005 in den Wahlkampf und ließ damit die Stadt zuplakatieren. Im Falle Mesners ist die Stadt-Liebe freilich insofern besonders, weil sie ihm nicht – wie in des Bürgermeisters Fall – quasi in die indigene Wiege gelegt wurde, sondern er sie als waschechter Kärntner Slowene aus Bleiburg erst im Zuge seiner St. Pöltner Sozialisation entwickelte. Die setzte nachhaltig ein, als der studierte Vermessungstechniker mit 27 Lenzen – nachdem er zuvor als Jugendlicher der Kärntner Enge nach Graz, später nach Wien entflohen war – ein Jobangebot bei Österreichs Vermessungs-Branchenprimus Schubert in St. Pölten annahm. Einmal in der Stadt angekommen, schlug der kommunikationsfreudige Kärntner rasch Wurzeln. Nicht nur, dass er hier seine Ulli kennen und lieben lernte, avancierte er bereits 2009 zum geschäftsführenden Teilhaber des Vermessungsbüros. „Dadurch kenne ich rund 150 Bürgermeister per du, was insofern spannend ist, weil alle – egal wie groß oder klein die jeweilige Kommune ist – mit teils ähnlichen Herausforderungen zu kämpfen haben!“ Ein Blick in den Maschinenraum der Lokalpolitik, der ihm vor allem auch im Hinblick auf seine ehrenamtliche Tätigkeit für die Plattform St. Pölten hilfreich ist: 2019 beerbte er Jo Wildburger als deren Obmann, womit im Verein – Mesner bildet mit seinen Stellvertretern Daniela Kittel und Markus Mayer ein junges Führungs-Triumvirat – der „berühmte“ Generationenwechsel vollzogen wurde, und Wildburger sich in Folge ganz der Arbeit an der Aktualisierung des Masterplans 25/50 widmen konnte. Jenes Masterplans, der bis zu einem gewissen Grad auch so etwas wie die Arbeitsgrundlage der Plattform darstellt. Und während das gut 200 Seiten starke Konvolut in teils lichte, intellektuelle Sphären entschwebt, sind Mesner und sein Team soetwas wie die Bodentruppe, welche die Theorie in Praxis umsetzen soll.
It’s the economy stupid
Die Plattform selbst hat sich dabei in den letzten Jahren gehörig verändert. Ging der Verein ursprünglich aus dem City-Club hervor, in dem sich bis in die 90er vorwiegend Innenstadtkaufleute versammelt hatten, so hat man den Radius mittlerweile aufs ganze Stadtgebiet ausgedehnt „wobei große Betriebe ebenso dabei sind wie Kleinunternehmer und Einzelpersonen! Ja selbst Nicht-Mitglieder können sich mit guten Ideen einbringen“, erläutert Mesner seinen offenen Zugang. Zwar sei man „in der Grundausrichtung ein Wirtschaftsverein“, zugleich aber eben „nicht nur.“ Unter dem Aspekt, dass man sich allem verschrieben hat „das den Standort St. Pölten insgesamt fördert, und damit eben auch die Wirtschaft“, bringt sich die Plattform daher in praktisch fast alle gesellschaftlichen Bereiche der Stadt ein. „Ich weiß schon, es klingt abgedroschen – aber es stimmt halt: Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut.“
Big Gambler
Nachdem die Plattform von ihrer Genese her sehr eng mit dem städtischen Masterplan verwoben ist und zudem mit dem offiziellen St. Pölten über die Stadtmarketing GmbH, an welcher der Verein 40 % hält, per Private-Public-Partnerschip direkt im Boot sitzt, stellt man natürlich auch einen potenten politischen Gambler dar. Nicht allen ist das immer geheuer, weil sie dadurch die Wirtschaftsinteressen gegenüber anderen überproportional vertreten sehen, und auch Mesner kennt jene „die meinen, ich hätte Ambitionen der nächste Bürgermeister zu werden“, lacht er. „Aber ich kann alle beruhigen. Ich hege keine politischen Ambitionen.“ Dafür wäre er wohl auch – und das ist als Kompliment gemeint – ein zu „grader Michl“. Einerseits schätzt der Obmann vereinsintern den offenen Diskurs „weil positive Kritik immer enorm wichtig ist, wenn man etwas weiterbringen möchte für die Stadt!“ Andererseits kann er mit jenen, die in seinen Augen „nur zerstörerische Kritik üben, gar nichts anfangen.“ Und ganz allergisch reagiert er, wenn jemand bei den Come-Togethers der Plattform oder diversen Partizipationsmodulen der Stadt zwar durch Abwesenheit glänzt „dann aber im Nachhinein alles gescheiter weiß und sowieso besser gemacht hätte. Dann soll die Person bitte den Mut haben, das offen in die Diskussion einzubringen.“
Mut, an dem es dem Obmann selbst nicht wirklich mangelt. Sieht Mesner nämlich seine Mission für die Plattform und damit die Stadt gefährdet, kann es schon einmal vorkommen, dass er medial Watschen verteilt – egal wer das Gegenüber ist. Als die ÖVP etwa im Wahlkampf „St. Beton“ plakatierte, ließ er via NÖN ausrichten „So etwas führt unweigerlich zu Irritationen, wenn eine angebliche Wirtschaftspartei solche Meinungen vertritt und nicht nur verbreitet.“ Prinzipiell, was freilich zur Grund-DNA gestandener Lobbyisten gehört, hat er aber ein gutes Einvernehmen mit der Politik. „Es gibt in allen Parteien fähige Leute. Aktuell ist ja ein bisschen ein Wandel zu spüren, weil die SPÖ zum ersten Mal, wie mir scheint, in Form der Grünen und NEOS so etwas wie wirkliche Opposition kennenlernt – das tut der Stadt gar nicht schlecht. Die ÖVP hingegen nutzt, wie ich finde, noch nicht wirklich ihr Potenzial völlig aus, was sich etwa darin zeigt, dass sie aus Opportunismus die linkste Politik der Stadt betreibt.“
Verkehrte St. Pöltner Welt? Tatsächlich wird ja umgekehrt der rote Bürgermeister gern als verkappter Schwarzer hingestellt, weil er aus seiner Affinität zur Wirtschaft kein Hehl macht „was für das Gedeihen St. Pöltens aber immens wichtig ist!“, wie Mesner überzeugt ist. Dass der Plattform-Obmann nach dem Motto „Wünsch dir was“ quasi einfach nur an die Mächtigen der Stadt herantreten muss à la „Bürgermeister, des brauch ma“ spielt es nicht. „Natürlich bin ich in stetem Austausch mit der Verwaltung, Beamten, Politikern, versuche zu vermitteln, Sachen zu ermöglichen, unsere Anliegen zu deponieren – aber da bin ich selbst nur Bittsteller.“ Auch seine Freundschaft zum Bürgermeister ändert daran nichts „der ist bei unseren privaten Treffen eher froh, wenn er bei einem guten Glas Wein mal nicht über Politik & Co. reden muss“, lacht er.
Netzwerker
Dass die Plattform umgekehrt Gefahr läuft, bisweilen von der Politik vereinnahmt zu werden, glaubt Mesner nicht. „Es ist nicht so, dass die Politik zu mir sagt: ‚Geh Mesner, kannst du das lancieren, weil da hamma ein Anliegen.‘ Das ist tatsächlich noch nie passiert“, scheint er fast selbst ein wenig verwundert. Eher laufe die innerstädtische Vernetzung über andere Kanäle, „wenn ich etwa an die Bewerbung zur Europäischen Kulturhauptstadt 2024 denke, als Michi Duscher [damals Leiter der Bewerbungsgesellschaft, Anm.] auf uns zugekommen ist mit der Bitte, das Projekt zu unterstützen. Da helfen wir natürlich gerne, weil das ja immens wichtig und positiv für die Stadt ist.“ Es geht also eher um klassisches Lobbying, wobei Mesner diesbezüglich fast ein bisschen neidisch auf die Kulturszene blickt. „Die sind teils schon einen Schritt weiter als wir in der Wirtschaft, wenn ich an das tolle Commitment mit dem Land Niederösterreich denke. All die Duschers, Redls, Pulles & Co. machen das super“, schwärmt er. Dass St. Pölten im Kulturhauptstadtrennen gegenüber Bad Ischl letztlich den Kürzeren zog, nimmt er nicht weiter tragisch „denn allein die Bewerbung war ein unglaublicher Booster für die Stadt – das hat vieles angestoßen, wenn ich nur an die Definition einer eigenen Hauptstadtregion denke. Das sind Sachen, die bleiben!“ Ebenso wie der Umstand „was ja fast absurd ist, aber viel über die Vergangenheit aussagt“, dass St. Pölten im Vorjahr zum ersten Mal überhaupt als eigene Region Eingang in die Tourismusstrategie des Landes fand.
Positives Wachstum
Die aktuelle Dynamik der Stadt empfindet Mesner dabei als Glücksfall und große Chance. Ein Schlüsselerlebnis hatte er diesbezüglich im Zuge einer städtischen Partizipationsveranstaltung, an der auch der Stadtplaner von Salzburg teilnahm. „Er verwies darauf, dass Salzburg – flächenmäßig in etwa so groß wie St. Pölten – planerisch sozusagen am Ende ist, weil schlicht kein Platz mehr vorhanden ist. ‚Ihr in St. Pölten hingegen seid erst am Anfang der Entwicklung!‘, waren seine Worte. Und das ist positiv, weil wir eben noch die Möglichkeiten haben, selbst zu gestalten und einzugreifen – das muss man den Menschen begreiflich machen.“
Mesner hat dabei wohl vor allem jene Skeptiker im Blick, denen die aktuellen Entwicklungen zu rasch gehen. „Die muss man natürlich anhören, ihre Ängste ernst nehmen, zugleich muss man aber auch transparent aufklären.“ Denn, so ist Mesner überzeugt, die nackten Zahlen geben das Bild eines angeblichen Hyperwachstums schlicht nicht her. „St. Pölten wächst jährlich einwohnermäßig um ca. 600 – 700 Personen, das ist unter 1% der Gesamtbevölkerung, also sehr moderat.“ Was freilich in schnellerem Maße augenscheinlich steigt, ist der – teils spekulative – Wohnbau, der noch dazu nicht immer in, formulieren wir es einmal nett, ästhetisch überzeugender Weise. „Weshalb ja auch der lang geforderte Gestaltungsbeirat installiert wurde“, stellt Mesner fest. Diesbezüglich hätten sich aber zwei kontraproduktive Phänomene herauskristallisiert, die es in den Augen des Plattform-Obmanns rasch auszubügeln gilt. Zum einen würden just jene plötzlich gegen den Beirat quertreiben, die zuvor lauthals einen solchen gefordert hatten. „Da ist schon ein klassisches Florianiprinzip zu orten, so in der Facon: ‚Bitte, so kann man das dort nicht bauen!‘ Wenn dann aber Vorgaben in Sachen Fassade, Verbauung & Co. bei den eigenen Immobilien gemacht werden, ist man plötzlich gar nicht mehr so begeistert. Das ist teils schon sehr heuchlerisch, auch wenn man etwa groß öffentlich für den Erhalt von Grünflächen eintritt, zugleich aber die Option, seinen Garten bis auf den letzten Zentimeter verbauen zu können, keinesfalls aufgeben möchte.“ Zum anderen hält Mesner auch die Grundsystematik und den Workflow des Gestaltungsbeirates noch für unausgegoren. „Zunächst muss er viel öfter tagen, weil sonst in den Verfahren Verzögerungen entstehen, welche für die Bauwerber mit Kosten verbunden sind, was klarerweise für Ärger sorgt. Außerdem muss man begreifen, dass der Gestaltungseirat – wie schon der Name sagt – ein beratendes Gremium ist. Er macht also Empfehlungen, was gut ist – aber es kann nicht sein, dass die Verwaltung alles 1:1 übernimmt, der Gestaltungsbeirat also zu einem Entscheidungsgremium hochgehoben wird. Entscheiden muss bitte schon die Behörde, die darf sich da nicht hinter dem Beirat verstecken. Ebenso wie die Politik wiederum den Beamten den Rücken stärken muss.“ Das aktuell mitunter beobachtbare Schwarze Peter-Spiel sei jedenfalls unwürdig „und es kann nicht sein, dass die Politik – wie etwa im Fall der Sturm-19-Platz-Diskussion – die Beamten vorschickt und diese im wahrsten Sinne des Wortes prügeln lässt. Da muss schon die Politik Verantwortung übernehmen“, kurzum auch zu vielleicht umstrittenen Entscheidungen stehen. Tut sie das nicht, könnte das im Fall des Gestaltungsbeirates auf Sicht auch rechtliche Folgen nach sich ziehen, wie Mesner befürchtet „denn wenn der Gestaltungsbeirat bzw. die Behörde, die der Empfehlung folgt, zum Beispiel eine gesetzlich erlaubte Bauhöhe untersagt, dann führt das nicht nur zu Verunsicherung und Unverständnis beim Baunehmer, sondern möglicherweise auch zu einem juristischen Nachspiel.“
Klagemauer aus Leidenschaft
Gerade dieses Spannungsfeld zwischen Politik-Behörde-Bürger, in Mesners Fall konkret natürlich vor allem „seiner“ Plattform-Mitglieder, ist der ureigenste Battleground des Obmanns, auf dem sich seine Vereinstätigkeit primär abspielt. „Das ist die eigentliche Knochenarbeit, die wir als Vorstand ehrenamtlich und mit viel Leidenschaft tagtäglich machen: Es geht darum, die Leute zusammenzubringen, zu vermitteln, bisweilen in die Rolle des Mediators zu schlüpfen oder auch mal nur als Klagemauer herzuhalten“, lacht er. „Aber das mache ich gerne. Ich möchte einfach, wo möglich, schnell und unbürokratisch Lösungen finden.“ Das gelingt zwar nicht immer, oft könne man aber durch einen direkten Draht oder durch das Ausräumen von Missverständnissen einiges bewirken, zumindest mehr Verständnis für den jeweils anderen Standpunkt erreichen. Mesner gibt zwei banale Alltagsbeispiele. „Einmal ging es etwa um die Taktung der Pflasterung in der Innenstadt, die für das Geschäft eines Mitgliedes aufgrund dessen Standortes eine besonders lange Beeinträchtigung bedeutet hätte – das konnten wir im direkten Gespräch mit der Bauabteilung innerhalb von 24 Stunden lösen, der Zeitplan wurde geändert.“ Umgekehrt stoße man bisweilen auch auf Ängste „wenn sich etwa ein Mitglied durch neue Konkurrenz bedroht fühlt. Da heißt es dann schnell ‚Das muss die Stadt verhindern‘, obwohl die Kommune das rechtlich meistens gar nicht kann. Da geht es dann eher um Aufklärungsarbeit, vielleicht auch um das Bewusstmachen von Potenzialen, denn gerade in St. Pölten hat sich die letzten Jahre gezeigt, dass mehr Angebot zumeist auch mehr Nachfrage nach sich zieht.
Work in progress
Es gibt für den Obmann der Plattform in diesem Sinne also immer etwas zu tun, wobei Mesner in seiner wunderbar geerdeten Art noch einige Baustellen sieht „wo wir als Plattform noch unsere Hausaufgaben machen müssen.“ So möchte er in Zukunft etwa „verstärkt auf jene zugehen, die sich angesichts der Entwicklungen vielleicht etwas abgehängt fühlen oder den Eindruck haben, dass sie nicht mehr so sehr gehört werden. Das betrifft durchaus auch ehemalige Granden der Stadt, alteingesessene Familien, die ja eine große Erfahrung und wertvolle Expertise einbringen können – die möchten wir wieder stärker abholen.“
Ein anderer Bereich, quasi am gegenüberliegenden Ende der Alterspyramide, betrifft „die Jungunternehmer, die Start-up-Gründer. Da hat St. Pölten unglaubliches Potenzial. Ich sehe es durchaus auch als unsere Aufgabe, dieses zu heben.“ Mesner denkt diesbezüglich etwa an Module wie einen eigenen Stadtgründerfonds, außerdem wünscht er sich, „dass die Wirtschaft noch stärker mit der Fachhochschule zusammenarbeitet – auch da sehe ich noch viel Luft nach oben.“ St. Pölten weise jedenfalls hohen Innovationsgeist auf „allein wenn ich etwa an so geniale Sachen denke wie das Start-up von Daniel Gruber in der Svoboda-Halle, wo man Pläne im großen Maßtstab 3D projizieren kann und so eine Vorstellung vom neuen Eigenheim bekommt, wo was hinpassen würde.“ Derlei Firmen bräuchten in ihrer Anfangsphase oft Geld. Geld, das gestandene St. Pöltner Unternehmer umgekehrt gerne sinnvoll investieren würden. „Diese Menschen müssen wir zusammenbringen. Das ist eine Win-win-Situation für alle – vor allem auch für die Stadt insgesamt!“
Das Klima dafür werde aber jedenfalls offener. „Ich kann mich noch gut erinnern, als Matthias Nolz den ersten Coworking-Space umsetzte und viele hinter vorgehaltener Hand fragten ‚Was ist das für ein Spinner?‘ Heute, da ihm der Erfolg recht gibt, treten dieselben Leute von damals an mich heran und fragen ‚Du, Dominik, wie funktioniert das eigentlich. Ich hätte da vielleicht auch eine Immobilie, die man so nutzen könnte‘“, schmunzelt Mesner. Kurzum – es geht etwas weiter. Die Stadt entwickelt sich gut, nicht zuletzt dank leidenschaftlicher Fighter wie Dominik Mesner, die St. Pölten im Herzen tragen – oder sogar als Profilbild am WhatsApp-Account.