Richtungsweisend für St. Pölten
Text
Johannes Reichl
Ausgabe
Historikerin Martina Rödl vom Landesarchiv NÖ hat die wichtige Rolle Julius Fischers für die St. Pöltner Stadtpolitik herausgearbeitet. Für MFG hat sie einen Kurzabriss über Fischers Vita verfasst.
Julius Fischer wurde 1882 in Libochovic (CSR) geboren und studierte Jus an der Universität Wien. Im Mai 1913 ließ er sich als „Advokat“ in St. Pölten nieder. Aus dem im historischen Meldearchiv aufbewahrten Meldezettel können wir auch ein wenig Privates über ihn erfahren: Er heiratete am 4.8.1914 Hilde Stern, mit der er zunächst eine Wohnung in der Parkpromenade bezog. 1927 beauftragte er den Architekten Rudolf Wondracek mit dem Bau eines modernen Einfamilienhauses in der Heidenheimerstraße. Julius Fischer war nicht nur Mitglied der IKG St. Pölten; er war v. a. in der Stadtpolitik sehr aktiv. Zwischen 1919 und 1927 bekleidete er die Funktion des Fraktionssprechers der St. Pöltner Sozialdemokratischen Arbeiterpartei sowie die des Finanzstadtrates. In diese Zeit fällt auch die Herausgabe des „Arbeitsprogramms für Kommunalentwicklung“, für das Fischer federführend tätig war. Dieses Programm beinhaltete einen „Leitfaden“, welche Maßnahmen ergriffen werden müssten, um St. Pölten zu modernisieren. Nach 1927 dürfte er sich ausschließlich auf seine Arbeit als Rechtsanwalt konzentriert haben. Immer wieder wird er als Verteidiger von sozialdemokratischen Parteigenossen herangezogen. So z. B. 1931, als er die Verteidigung der angeklagten Betriebsräte der Steingutfabrik Wilhelmsburg übernahm. Im Februar 1934 wurde er Pflichtverteidiger von Viktor Rauchenberger, dem gemeinsam mit Johann Hois der Prozess vor dem Standgericht St. Pölten gemacht wurde. Im Zuge der Februarunruhen wurde auch Fischer am 18.4.1934 verhaftet und ins Anhaltelager nach Wöllersdorf verbracht. In den Akten, die zur Rechtfertigung seiner Anhaltung dienten, wird Fischer von der Sicherheitsdirektion für NÖ als „einflussreicher“ Stadtrat bezeichnet. Gegen die Verhaftung Fischers wurde international interveniert. Letzlich kam es am 6.8.1934 zur Enthaftung. Durch die politischen Umwälzungen im März 1938 änderte sich alles für Julius Fischer. Es kam zur Entziehung der Berufsausübungsberechtigung und am 10.11.1938 zu einer neuerlichen Verhaftung. Fischer sollte so zum Verkauf seines Hauses gezwungen werden, was schlussendlich auch gelang. Der Kaufvertrag mit der Stadt St. Pölten wurde am nächsten Tag unterzeichnet, Fischer kam frei. Das Ehepaar übersiedelte nun in eine Wohnung in der Josefstraße, bevor es sich im Mai 1939 nach Paris abmeldete. Von dort ging es weiter in die USA, nach New York, wo Fischer am 5.9.1943 verstarb.