Amtsmissbrauch und Untreue?
Text
Michael Müllner
Ausgabe
Während im Zivilprozess zwischen St. Pölten und Raiffeisen kein Ende in Sicht scheint, unterstellt die ÖVP Bürgermeister Stadler Amtsmissbrauch und Untreue. Dieser kontert mit dem Vorwurf, die ÖVP vertrete nicht mehr die Interessen der Stadt.
Toni Wagner und Peter Krammer sind treue Gäste von Martin Ogris. Lädt der Richter am Handelsgericht Wien die Vertreter von Stadt St. Pölten und Raiffeisen Landesbank NÖ-Wien zur Verhandlung, dann sitzen die beiden Vertreter der oppositionellen ÖVP auf den Zuhörerplätzen neben Vertretern des Magistrats und der Medien.
Als Gemeinderatsmandatare haben sie keine leichte Rolle. Sie sollten die Position der Stadt als klagender Partei nicht schädigen – sonst hängt ihnen das Rathaus sofort die Rolle der Nestbeschmutzer um, die im Auftrag von Raiffeisen agieren. Zugleich sind sie aber auch als Oppositionspartei in der Lage, die Geschehnisse vor Gericht – zumal unter Wahrheitspflicht ausgesagt – anders zu interpretieren als gewöhnliche Zuhörer. Auch ohne parteipolitische Brille kann in der Zusammenschau mit internen Informationen aus Finanzausschuss und Gemeinderat die St. Pöltner Schuldenbewirtschaftung interpretiert werden.
Und an unterschiedlichen Interpretationen ist dieses Thema wahrlich reich. Da wäre etwa die Frage, ob denn nicht Bürgermeister Matthias Stadler (SPÖ) das eingeklagte Geschäft – wie viele andere auch – gar nicht hätte schließen dürfen. Und das geht laut ÖVP-Klubobmann Krammer so: „Unter Bürgermeister Willi Gruber war die St. Pöltner Schuldenbewirtschaftung noch okay, damals gab es eine Vereinbarung, dass kein Geschäft ein größeres Risiko als 50.000 Euro in sich bergen dürfe. Ich frage mich, was Stadler 2005 dazu bewogen hat, als erstmals auch Verluste eintraten, hier weiter zu spekulieren. Diese Taktik, einen realisierten Verlust mit einer Upfrontzahlung aus einem neuen Spekulationsgeschäft vor dem Gemeinderat zu verstecken, die kam erst mit Stadler auf. Die Risikolimits, die der Gemeinderat auferlegt hat, die hat er nicht eingehalten.“
Und Krammer geht noch einen Schritt weiter: „Dass wir heute überhaupt vor Gericht darüber streiten müssen, ob wir das Geschäft noch einklagen dürfen, das ist die Schuld von Stadler. Die Gefahr einer Verjährung besteht nur, weil es sein politischer Wille war, nicht vor der Gemeinderatswahl 2011 eine Klage einbringen zu müssen und sich somit auch der öffentlichen Diskussion zu stellen. Ich frage mich, ob das nicht Amtsmissbrauch und Untreue ist?“
Im Nachhinein ist man natürlich immer klüger. So lässt sich mit dem Wissen von heute natürlich ein früherer Ausstieg aus dem umstrittenen Geschäft leicht rechtfertigen. So eine frühzeitige Schließung des Geschäfts soll etwa im Jänner 2008 um „bescheidene“ 4,6 Millionen möglich gewesen sein – laut Krammer. Heute kursieren vor Gericht – freilich theoretische – Schließungskosten von 80 Millionen. Doch auch die Bank bekommt von Krammer ihr Fett weg: „Natürlich hätte die RLB unserer Meinung nach das innere Verhältnis des Geschäftspartners prüfen müssen – und hätte dabei festgestellt, dass der Bürgermeister gar nicht geschäftsfähig war, weil laut NÖ Gemeindeordnung bzw. Stadtrechtsorganisationsgesetz (STROG) dafür ein eigener Gemeinderatsbeschluss notwendig gewesen wäre und der Grundsatzbeschluss des Gemeinderats von 2006 immer ein Risikolimit vorsah.“
Eben dieses Limit habe das klagsgegenständliche Geschäft (SWAP RLBNW 707843) von Anfang an überschritten. Als dann ein neues Wertpapiergesetz die Bank zum Jahreswechsel 2007/2008 zwang von allen Kunden ein „Anlegerprofil“ unterfertigen zu lassen, so wäre hier laut Krammer der letzte Ausstieg möglich gewesen. „Die RLB hat verlangt, dass Stadler bereit sei ein ‚unbegrenztes Verlustrisiko’ zu tragen. Andernfalls hätten sie gedroht das Geschäft zu schließen. Genau darauf hätte es Stadler ankommen lassen müssen! Immerhin verpflichtet uns § 60 des NÖ STROG eindeutig: ‚Das Vermögen der Stadt ist möglichst ohne Verminderung der Substanz zu erhalten. Es ist nach wirtschaftlichen Grundsätzen zu verwalten.’ Hätte sich Stadler daran gehalten, hätte er das Anlegerprofil niemals unterschreiben dürfen. Auch hier frage ich mich: Was ist das denn bitte, wenn nicht Amtsmissbrauch und Untreue?“
Das Rathaus reagiert auf diese Vorwürfe scharf: „Sämtliche Unterlagen und Zeugenaussagen belegen, dass Bürgermeister Stadler immer im besten Interesse der Stadt gehandelt hat. Der Vowurf der Untreue oder des Amtsmissbrauchs ist absurd und billiger Polit-Aktionismus der ÖVP. Abgesehen davon ist es ein starkes Stück eines Stadtrats den Bürgermeister mit locker dahingesagten Vorwürfen in der Öffentlichkeit zu diskreditieren. Das sind höchstpersönliche Anschuldigungen, die Stadtrat Krammer zu verantworten hat.“ Laut Stadler hätte die Bank das Geschäft tatsächlich nicht schließen dürfen – der wahre Charakter des Geschäfts sei zu riskant gewesen, den hätte die Bank aber erst im Gerichtsverfahren offengelegt, auch darum sei das Geschäft nichtig.
Im politischen Infight dreht Stadler den Spieß um, die Diskussion rund um die Bestellung des Stadt-Beraters Günter Matuschka interpretiert der Bürgermeister so: „Jetzt ist wenigstens öffentlich, dass die ÖVP-St. Pölten die Interessen der Raiffeisen-Landesbank und nicht die Interessen der Landeshauptstadt vertritt.“ Die Bestellung von Matuschka „wurde im Gemeinderat mitbeschlossen. Es ist geradezu jämmerlich, wenn ein ÖVP-Stadtrat nicht weiß, bei welchen Beschlüssen er dabei war“, ärgert sich Stadler.
Weder bei der Wiener Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft noch bei der St. Pöltner Staatsanwaltschaft sind Anzeigen eingegangen, somit wurden auch keine Verfahren eröffnet. Bleibt es beim Theaterdonner auf der St. Pöltner Politbühne? RISIKO? NEIN, DANKE!
Aus Schaden wird man bekanntlich klug. Zumindest wäre dies wohl die Mindestanforderung der Bürger an ihre Politik – auch wenn es um schiefgegangene Finanzierungen in Stadt- und Länderbudgets geht.
Im NÖ Landtag wird dieser Tage an einem Gesetz zur „risikoaversen Finanzgebarung“ gearbeitet, auch auf der Ebene der Gemeinden und Städte mit eigenem Statut (wie St. Pölten) sollen gesetzliche Änderungen diese neue Philosophie in der „Schuldenbewirtschaftung“ sicherstellen.
Konkret sieht die geplante Änderung des NÖ Stadtrechtsorganisationsgesetzes (NÖ STROG) vor, dass Fremdwährungsfinanzierungen nunmehr generell verboten sind.
Auch bei den langfristigen Veranlagungen über mindestens zehn Jahre gibt es Änderungen: So dürfen diese nur mehr dann in Fremdwährungen abgeschlossen werden, wenn nicht mehr als 20 Prozent des Gesamtnominales davon in Fremdwährungen vorgenommen werden (bis dato sind es 30 Prozent).
Auch die Berichtspflichten der Gemeinden (und ihrer ausgelagerten Unternehmungen) werden durch die neuen Gesetze ausgedehnt und erweitert.
Beschlossen wurde die Gesetzesänderung in der Sitzung am 20. Februar zwar noch nicht, es kann sich aber nur mehr um eine Frage von Wochen handeln, hört man aus dem Landhaus. Angeblich sollen sogar weitere Verschärfungen überlegt werden. Anlässe gäbe es ja derer genug. Neben dem Monster-Prozess von St. Pölten (gegen die Raiffeisen Landesbank NÖ-Wien wegen eines SWAP-Geschäftes) steht Wiener Neustadt seit Jahren als budgetpolitischer Problemfall in den Medien. Und das „Multi-Desaster“ rund um Schwechats „Multiversum“ und einen vernichtenden Rechnungshofbericht wird wohl auch in diesem Jahr noch für weitere Negativschlagzeilen sorgen.
Kein Wunder, dass da jeder Schritt in Richtung Transparenz und Risikoreduzierung der Bürgerseele gut tut.
Als Gemeinderatsmandatare haben sie keine leichte Rolle. Sie sollten die Position der Stadt als klagender Partei nicht schädigen – sonst hängt ihnen das Rathaus sofort die Rolle der Nestbeschmutzer um, die im Auftrag von Raiffeisen agieren. Zugleich sind sie aber auch als Oppositionspartei in der Lage, die Geschehnisse vor Gericht – zumal unter Wahrheitspflicht ausgesagt – anders zu interpretieren als gewöhnliche Zuhörer. Auch ohne parteipolitische Brille kann in der Zusammenschau mit internen Informationen aus Finanzausschuss und Gemeinderat die St. Pöltner Schuldenbewirtschaftung interpretiert werden.
Und an unterschiedlichen Interpretationen ist dieses Thema wahrlich reich. Da wäre etwa die Frage, ob denn nicht Bürgermeister Matthias Stadler (SPÖ) das eingeklagte Geschäft – wie viele andere auch – gar nicht hätte schließen dürfen. Und das geht laut ÖVP-Klubobmann Krammer so: „Unter Bürgermeister Willi Gruber war die St. Pöltner Schuldenbewirtschaftung noch okay, damals gab es eine Vereinbarung, dass kein Geschäft ein größeres Risiko als 50.000 Euro in sich bergen dürfe. Ich frage mich, was Stadler 2005 dazu bewogen hat, als erstmals auch Verluste eintraten, hier weiter zu spekulieren. Diese Taktik, einen realisierten Verlust mit einer Upfrontzahlung aus einem neuen Spekulationsgeschäft vor dem Gemeinderat zu verstecken, die kam erst mit Stadler auf. Die Risikolimits, die der Gemeinderat auferlegt hat, die hat er nicht eingehalten.“
Und Krammer geht noch einen Schritt weiter: „Dass wir heute überhaupt vor Gericht darüber streiten müssen, ob wir das Geschäft noch einklagen dürfen, das ist die Schuld von Stadler. Die Gefahr einer Verjährung besteht nur, weil es sein politischer Wille war, nicht vor der Gemeinderatswahl 2011 eine Klage einbringen zu müssen und sich somit auch der öffentlichen Diskussion zu stellen. Ich frage mich, ob das nicht Amtsmissbrauch und Untreue ist?“
Im Nachhinein ist man natürlich immer klüger. So lässt sich mit dem Wissen von heute natürlich ein früherer Ausstieg aus dem umstrittenen Geschäft leicht rechtfertigen. So eine frühzeitige Schließung des Geschäfts soll etwa im Jänner 2008 um „bescheidene“ 4,6 Millionen möglich gewesen sein – laut Krammer. Heute kursieren vor Gericht – freilich theoretische – Schließungskosten von 80 Millionen. Doch auch die Bank bekommt von Krammer ihr Fett weg: „Natürlich hätte die RLB unserer Meinung nach das innere Verhältnis des Geschäftspartners prüfen müssen – und hätte dabei festgestellt, dass der Bürgermeister gar nicht geschäftsfähig war, weil laut NÖ Gemeindeordnung bzw. Stadtrechtsorganisationsgesetz (STROG) dafür ein eigener Gemeinderatsbeschluss notwendig gewesen wäre und der Grundsatzbeschluss des Gemeinderats von 2006 immer ein Risikolimit vorsah.“
Eben dieses Limit habe das klagsgegenständliche Geschäft (SWAP RLBNW 707843) von Anfang an überschritten. Als dann ein neues Wertpapiergesetz die Bank zum Jahreswechsel 2007/2008 zwang von allen Kunden ein „Anlegerprofil“ unterfertigen zu lassen, so wäre hier laut Krammer der letzte Ausstieg möglich gewesen. „Die RLB hat verlangt, dass Stadler bereit sei ein ‚unbegrenztes Verlustrisiko’ zu tragen. Andernfalls hätten sie gedroht das Geschäft zu schließen. Genau darauf hätte es Stadler ankommen lassen müssen! Immerhin verpflichtet uns § 60 des NÖ STROG eindeutig: ‚Das Vermögen der Stadt ist möglichst ohne Verminderung der Substanz zu erhalten. Es ist nach wirtschaftlichen Grundsätzen zu verwalten.’ Hätte sich Stadler daran gehalten, hätte er das Anlegerprofil niemals unterschreiben dürfen. Auch hier frage ich mich: Was ist das denn bitte, wenn nicht Amtsmissbrauch und Untreue?“
Das Rathaus reagiert auf diese Vorwürfe scharf: „Sämtliche Unterlagen und Zeugenaussagen belegen, dass Bürgermeister Stadler immer im besten Interesse der Stadt gehandelt hat. Der Vowurf der Untreue oder des Amtsmissbrauchs ist absurd und billiger Polit-Aktionismus der ÖVP. Abgesehen davon ist es ein starkes Stück eines Stadtrats den Bürgermeister mit locker dahingesagten Vorwürfen in der Öffentlichkeit zu diskreditieren. Das sind höchstpersönliche Anschuldigungen, die Stadtrat Krammer zu verantworten hat.“ Laut Stadler hätte die Bank das Geschäft tatsächlich nicht schließen dürfen – der wahre Charakter des Geschäfts sei zu riskant gewesen, den hätte die Bank aber erst im Gerichtsverfahren offengelegt, auch darum sei das Geschäft nichtig.
Im politischen Infight dreht Stadler den Spieß um, die Diskussion rund um die Bestellung des Stadt-Beraters Günter Matuschka interpretiert der Bürgermeister so: „Jetzt ist wenigstens öffentlich, dass die ÖVP-St. Pölten die Interessen der Raiffeisen-Landesbank und nicht die Interessen der Landeshauptstadt vertritt.“ Die Bestellung von Matuschka „wurde im Gemeinderat mitbeschlossen. Es ist geradezu jämmerlich, wenn ein ÖVP-Stadtrat nicht weiß, bei welchen Beschlüssen er dabei war“, ärgert sich Stadler.
Weder bei der Wiener Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft noch bei der St. Pöltner Staatsanwaltschaft sind Anzeigen eingegangen, somit wurden auch keine Verfahren eröffnet. Bleibt es beim Theaterdonner auf der St. Pöltner Politbühne? RISIKO? NEIN, DANKE!
Aus Schaden wird man bekanntlich klug. Zumindest wäre dies wohl die Mindestanforderung der Bürger an ihre Politik – auch wenn es um schiefgegangene Finanzierungen in Stadt- und Länderbudgets geht.
Im NÖ Landtag wird dieser Tage an einem Gesetz zur „risikoaversen Finanzgebarung“ gearbeitet, auch auf der Ebene der Gemeinden und Städte mit eigenem Statut (wie St. Pölten) sollen gesetzliche Änderungen diese neue Philosophie in der „Schuldenbewirtschaftung“ sicherstellen.
Konkret sieht die geplante Änderung des NÖ Stadtrechtsorganisationsgesetzes (NÖ STROG) vor, dass Fremdwährungsfinanzierungen nunmehr generell verboten sind.
Auch bei den langfristigen Veranlagungen über mindestens zehn Jahre gibt es Änderungen: So dürfen diese nur mehr dann in Fremdwährungen abgeschlossen werden, wenn nicht mehr als 20 Prozent des Gesamtnominales davon in Fremdwährungen vorgenommen werden (bis dato sind es 30 Prozent).
Auch die Berichtspflichten der Gemeinden (und ihrer ausgelagerten Unternehmungen) werden durch die neuen Gesetze ausgedehnt und erweitert.
Beschlossen wurde die Gesetzesänderung in der Sitzung am 20. Februar zwar noch nicht, es kann sich aber nur mehr um eine Frage von Wochen handeln, hört man aus dem Landhaus. Angeblich sollen sogar weitere Verschärfungen überlegt werden. Anlässe gäbe es ja derer genug. Neben dem Monster-Prozess von St. Pölten (gegen die Raiffeisen Landesbank NÖ-Wien wegen eines SWAP-Geschäftes) steht Wiener Neustadt seit Jahren als budgetpolitischer Problemfall in den Medien. Und das „Multi-Desaster“ rund um Schwechats „Multiversum“ und einen vernichtenden Rechnungshofbericht wird wohl auch in diesem Jahr noch für weitere Negativschlagzeilen sorgen.
Kein Wunder, dass da jeder Schritt in Richtung Transparenz und Risikoreduzierung der Bürgerseele gut tut.