MFG - Eine anarchische Freude
Eine anarchische Freude


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Eine anarchische Freude

Text Andreas Reichebner
Ausgabe 02/2018

Kinder wuseln durch das Haus, erobern die Bühne, schlagen Räder, stolpern vergnügt. Danach erscheinen Erwachsene und erfüllen sich Träume, wie den, einfach ein bisserl übermütig zu sein. Es ist Mittwoch und in der Bühne im Hof herrscht wieder kreative Anarchie – die Werkstatt für Kinder und Erwachsene.

Was machst du da?“ Ein kleiner Junge steht neugierig im Büro der künstlerischen Leiterin der Bühne im Hof, Daniela Wandl. „Ich überlege mir das Programm …“, und ehe die Antwort fertig gesprochen wird, ist der Knirps schon mit einem „Aha“ auf dem Weg zur großen Bühne, denn zum Schluss jeder Workshop-Einheit wird ganz frei von der Leber weg Show gemacht. Da purzeln die jungen Kreativen über die Bretter, die nicht nur den Profis die Welt bedeuten, erzählen spontan Witze, fallen clownesk über in den Weg gestellte Beine und üben sich in anarchistischem Humor. Zwei Jungs wünschen sich eine verdunkelte Bühne und zwei kleine Mädchen entwickeln aus dem gegenseitigen Mikrofon-Hinhalten mit der saloppen Kurzaufforderung zum Hineinreden, „Du“, „Nein, du!“, „Du“, „Nein, du!“ gleich mal eine Slapstick-Nummer, die das Komiker-Duo Stan Laurel und Oliver Hardy kaum besser hingebracht hätte. „Der dramaturgische Überblick, zum Schluss zu kommen, fehlt halt noch“, plaudert Workshop-Leiter Stefan Grassl alias Benny Barfuß von der schrägen und aberwitzigen Theatergruppe Irrwisch, aus der Schule. Er ist es, der jene dadaistische und unverfälschte Lust am Spielen und Präsentieren in eine geordnete Bahn führt. Ein bestimmtes, „So, jetzt sagts eure Namen ins Mikrofon!“ verfehlt nicht die Wirkung, die beiden stellen sich vor und verbeugen sich. Es wird geklatscht, denn mittlerweile sind auch die Eltern anwesend und erfreuen sich sichtlich stolz und teils überrascht, ob des Agierens ihrer Lieblinge, an der improvisierten Vorstellung. „Ihr müsst euch den Applaus abholen“, sagt Grassl.
Witzige und verrückte Art der Kunstvermittlung
2016 verwirklichte die damals frisch gebackene Bühne-Chefin Daniela Wandl ihre Vision dieser besonderen Art der Kulturvermittlung. „Die Idee war, etwas auszuprobieren, dass die Kinder im Haus sind, ohne großen Plan, Spaß haben“, so Daniela Wandl über die offene Intention der „Akrobatik-Clown-Geschichten-Impro-Spaß-Werkstatt“, bei der auch Tochter Emma von Beginn an dabei war.
 „Witzige Sachen machen, jonglieren, auf Stelzen gehen … Ich habe von Anfang an gesagt, es muss nicht zwangsläufig ein Resultat geben, die Kinder müssen nichts vorweisen können oder am Schluss unbedingt eine Show machen.“ Diesen chaotisch anmutenden Humor mag Wandl auch bei den eigenwillig originellen Irrwischen: „Mir hat dieser Schmäh, der auf nichts Rücksicht nimmt, Chaos gepaart mit Kreativität, immer schon gefallen“, erzählt Wandl weiter, und so fand sie in Irrwisch Grassl den kongenialen Partner für dieses Projekt. Der hatte sich zwar nach Jahren seiner spiel- und theatralisch-pädagogischen Projekte im Schul- und Lehrerfortbildungs-Segment eine Auszeit gegönnt, aber auf ihre Anfrage sofort zugesagt. „Hier haben wir tolle Bedingungen, ein wunderbares Theater mit ganzer Technik, eine Probebühne und zum Schluss eine Aufführung, das macht Spaß“, ist Grassl begeistert, „das ist eine Supergeschichte von der Daniela und dem Haus.“ Schließlich wird dadurch auf spielerische Art und Weise die Hemmschwelle zum Erobern des für viele unbekannten Theater- und Kunstraumes überschritten und viel zur Lebensschulung beigetragen. „Ich beobachte mit Freude die Selbstverständlichkeit, mit der sich die Kinder im Haus bewegen, wie sie zuerst wahnsinnig schüchtern, immer selbstbewusster werden und ganz coole Sachen machen, und viele haben dann die Bühne fest in Griff“, ist Wandl enthusiasmiert, genauso wie ihr Team, wenn sich Kinder und Eltern euphorisch bedanken. Sie liebt die Mittwoche, wenn es überall von Kindern nur so wuselt. Eines der schönsten Komplimente hat sie von einer Mutter in einem Brief bekommen. „Danke, dass ihr meine Kinder ein Stück wachsen habt lassen“ stand da.
Ein anderer künstlerischer Anspruch
„Wir haben natürlich auch einen gewissen Anspruch, wir sind ein Theater, es geht darum was Künstlerisches hinzukriegen, aber auf eine andere Art und Weise, über das Spielerische und über verschiedenste Denkansätze, alles was Kunst und Kultur bedeuten kann. Stefan fordert die Kinder auch heraus, entwickelt tolle Sachen mit ihnen.“ Das Credo der Werkstatt-Idee lautet immer, „Weg vom Müssen und Leisten, hin zum Wollen und Genießen“ und „ein bisserl planlos sein.“
Dabei erlebt Grassl auch allerhand Lustiges und Anarchisches, „aber ich habe gelernt mit speziellen Situationen umzugehen. Wenn jemand zu viel Aufmerksamkeit auf sich zieht, dann muss ich das kanalisieren, denn die anderen sind auch da.“
Und so entdeckt da plötzlich das ernsthafte Mädchen ihr Talent für clowneske Akrobatik, der siebenjährige Julius seine Liebe zu Riesensprüngen von der Bühne oder der junge Janek sein bislang in ihm schlummerndes Selbstbewusstsein. Isabella ist nach dem Schnuppern beim Kurs dabei, denn sie hat Spaß und das zeigt sie, indem sie Stefan bei ihren Süßigkeiten mitnaschen lässt. Denn der wartet gerade nach der Session mit den Kindern auf das Eintreffen der Erwachsenen, denn nicht nur Kinder dürfen ihre Freude am anarchischen Spiel in der Bühne im Hof ausleben. So findet die 78-jährige St. Pöltnerin Gisela einen Freiraum vor, in dem sie „ein bisserl übermütig“ sein kann und die 52-jährige Waltraud aus Purgstall eine Zeit, in der sie sich besser kennen lernt. Und vielleicht sehen sich alle diese freien, kreativen Geister am Schluss bei der gemeinsamen, von Stefan dramaturgisch begleiteten Schluss-Show, gemeinsam auf der Bühne. In einer dieser Shows, die den 47-jährigen Uwe, der diese einmal „mit einem Riesengrinser“ verlassen hat, dazu veranlasste, ebenfalls in das chaotische und schöpferische Werkstatt-Geschehen in der Bühne im Hof einzutauchen.
„Die Kinder lernen stolpern und wieder aufstehen, und das auf der großen Bühne.“ STEFAN GRASSL
INFO
Für eine Kids-Werkstatt für junge Menschen und Neuanfänger (ab 6 Jahren) am Mittwoch von 14-15 Uhr gibt es noch ein paar Plätze; auch über Erwachsene, die spielerisch Grenzen überschreiten wollen, freut man sich.
kulturvermittlung@buehneimhof.at