"Ich konnte nicht anders..."
Text
Andreas Reichebner
Ausgabe
… ich musste einfach helfen“ – so einfach beschreibt Anton Schmid seine humanistische Tat, die er während des Zweiten Weltkrieges vollbrachte. Sein „weiches“ Herz, wie er selbst von sich sagte, gebot es ihm, über dreihundert Juden, die kurz vor ihrer Vernichtung standen, zu retten. Dafür wurde er hingerichtet. Der St. Pöltner Autor Manfred Wieninger dokumentiert in seinem neuesten Buch „Die Banalität des Guten“ die Geschichte des kleinen großen Feldwebels aus Wien.
Einem größeren Publikum als Verfasser von Kriminalromanen (im Februar erscheint ein neuer!), in denen Marek Miert im fiktiven niederösterreichischen Provinznest Harland als „Diskont-Privatdetektiv“ seinen Dienst absitzt, bekannt geworden, treibt es Manfred Wieninger immer wieder auch zu historischen Themen, vor allem den Widerstand und die Verfolgung während des Holocaust betreffend. Oder besser, er stößt als fragender und sensibler Mensch immer wieder auf „Sachen, die bis dato nicht oder weniger bekannt waren“.
In einer Gewerkschaftszeitung wurde Wieninger vor mehr als zehn Jahren auf einen dreizeiligen Artikel mit Foto über Feldwebel Anton Schmid aufmerksam. „Ich war berührt und wollte mehr wissen“, so der St. Pöltner Autor, „eigentlich habe ich an einen Artikel gedacht.“ Geworden ist es ein ausführlicher Dokumentarroman.
Das war früher auch schon so. Als Zwölfjähriger durchkämmte er per Fahrrad so ziemlich alle Gassen und Straßen seiner Heimatstadt. Fazit: Jahre später erschien ein Lexikon mit dem Titel „St. Pöltner Straßennamen erzählen“.
„Beim Schneeglöckerl brocken in der Viehofner Au bin ich vor Jahren auf Betonsteher und Stacheldraht gestoßen“, erinnert sich Wieninger. Während sich der gelernte Österreicher vermutlich über die Hindernisse bei der freizeitlichen Blumenpflückaktion geärgert hätte, stellte der geschichtlich interessierte Autor Fragen und hob so die Existenz der beiden Zwangsarbeiterlager im St. Pöltner Stadtteil Viehofen aus, dokumentierte sie und machte ein dunkles Kapitel der Stadtgeschichte sichtbar.
Als er vor Jahren auf einen Gedenkstein für die 223 Märtyrer stieß, stellte er sich nur eine Frage: „Wer sind die?“ Die Antwort ließ den zeitgeschichtlichen Roman „223 oder Das Faustpfand“ über das Massaker von Hofamt Priel, wo die Waffen-SS ungarisch-jüdische Zwangsarbeiter ermordete, entstehen. „Albträume hab ich gehabt, das Geschehen immer wieder in Gedanken miterlebt“, erzählt Wieninger und weiß, „dass ich nicht anders kann, ich muss darüber schreiben.“ Die „intentio auctoris“, die Absicht des Autors spielt dabei für ihn aber nicht die große Rolle. „Mir wäre lieber, diese Bücher wären schon geschrieben.“
Ist es Hartnäckigkeit oder eine besondere Form von Instinkt, Wieninger findet immer etwas Neues. So schickte er sich an, mehr über diesen couragierten Anton Schmid zu erfahren. „Ich habe nicht gewusst, wohin ich mich wenden sollte.“ Er kontaktierte schließlich das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes und Nazijäger Simon Wiesenthal. Von letzterem erhielt er ein Dossier über den Wiener Feldwebel, der 1967 als erster Angehöriger der deutschen Wehrmacht von der israelischen Holocaust-Erinnerungs- und Forschungsstätte Yad Vashem als „Gerechter unter den Völkern“ ausgezeichnet wurde. Beim Dokumentationsarchiv traf er auf Dr. Siegwald Ganglmair, der gerade über Schmid forschte. „Wir haben uns auf ein Packl g‘haut.“ Es folgten Jahre in verstaubten Archiven, eine beschwerliche Reise nach Wilna, dem Ort der heldenhaften Taten von Schmid, und die Zusammenarbeit mit Dalija Epstein, einer litauischen Historikerin – ihr ist auch sein Buch gewidmet.
In einer Gewerkschaftszeitung wurde Wieninger vor mehr als zehn Jahren auf einen dreizeiligen Artikel mit Foto über Feldwebel Anton Schmid aufmerksam. „Ich war berührt und wollte mehr wissen“, so der St. Pöltner Autor, „eigentlich habe ich an einen Artikel gedacht.“ Geworden ist es ein ausführlicher Dokumentarroman.
Das war früher auch schon so. Als Zwölfjähriger durchkämmte er per Fahrrad so ziemlich alle Gassen und Straßen seiner Heimatstadt. Fazit: Jahre später erschien ein Lexikon mit dem Titel „St. Pöltner Straßennamen erzählen“.
„Beim Schneeglöckerl brocken in der Viehofner Au bin ich vor Jahren auf Betonsteher und Stacheldraht gestoßen“, erinnert sich Wieninger. Während sich der gelernte Österreicher vermutlich über die Hindernisse bei der freizeitlichen Blumenpflückaktion geärgert hätte, stellte der geschichtlich interessierte Autor Fragen und hob so die Existenz der beiden Zwangsarbeiterlager im St. Pöltner Stadtteil Viehofen aus, dokumentierte sie und machte ein dunkles Kapitel der Stadtgeschichte sichtbar.
Als er vor Jahren auf einen Gedenkstein für die 223 Märtyrer stieß, stellte er sich nur eine Frage: „Wer sind die?“ Die Antwort ließ den zeitgeschichtlichen Roman „223 oder Das Faustpfand“ über das Massaker von Hofamt Priel, wo die Waffen-SS ungarisch-jüdische Zwangsarbeiter ermordete, entstehen. „Albträume hab ich gehabt, das Geschehen immer wieder in Gedanken miterlebt“, erzählt Wieninger und weiß, „dass ich nicht anders kann, ich muss darüber schreiben.“ Die „intentio auctoris“, die Absicht des Autors spielt dabei für ihn aber nicht die große Rolle. „Mir wäre lieber, diese Bücher wären schon geschrieben.“
Ist es Hartnäckigkeit oder eine besondere Form von Instinkt, Wieninger findet immer etwas Neues. So schickte er sich an, mehr über diesen couragierten Anton Schmid zu erfahren. „Ich habe nicht gewusst, wohin ich mich wenden sollte.“ Er kontaktierte schließlich das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes und Nazijäger Simon Wiesenthal. Von letzterem erhielt er ein Dossier über den Wiener Feldwebel, der 1967 als erster Angehöriger der deutschen Wehrmacht von der israelischen Holocaust-Erinnerungs- und Forschungsstätte Yad Vashem als „Gerechter unter den Völkern“ ausgezeichnet wurde. Beim Dokumentationsarchiv traf er auf Dr. Siegwald Ganglmair, der gerade über Schmid forschte. „Wir haben uns auf ein Packl g‘haut.“ Es folgten Jahre in verstaubten Archiven, eine beschwerliche Reise nach Wilna, dem Ort der heldenhaften Taten von Schmid, und die Zusammenarbeit mit Dalija Epstein, einer litauischen Historikerin – ihr ist auch sein Buch gewidmet.
Auf den Spuren des Feldwebels
„Wir haben das Wehrmachtsgefängnis gefunden, wo Schmid inhaftiert war, die Ziegelmauer mit den Einschlägen der Schüsse bei den Hinrichtungen“, blickt Wieninger zurück. „Sogar einen Zeitzeugen, der diese Hinrichtungen miterlebt hat, haben wir ausfindig gemacht.“ Nur die Versprengten-Sammelstelle der Wehrmacht, die Schmid leitete, war nicht mehr zu finden. „Dort befindet sich jetzt ein öffentliches Pissoir in Stalin-Manier.“
Der St. Pöltner Autor hatte das Glück den Nachlass von Schmid durchforsten zu dürfen. „Es waren viele Briefe und Fotos vorhanden. Faszinierend, denn normalerweise ist bei so einem Fall maximal der letzte Brief an die Lieben vorhanden. Zum Schluss, in Haft, versuchte Schmid seiner Familie sein Verhalten zu erklären, das ist einzigartig. So einen Nachlass kann man nicht unpubliziert lassen“, ereifert sich Wieninger, der im Laufe seiner Recherchen in Gerhard Kanitzer einen Zeitzeugen fand, der viel über den Menschen Schmid zu sagen hatte. „Die Interviews mit Kanitzer waren sehr berührend. Er hat von Schmid immer nur als guten Menschen gesprochen.“
Sein „gutes“ Herz ließ ihn auch jene mutigen Rettungs-Aktionen wagen, die ihm letztlich das Leben kosteten. Im Heeres-LKW ließ er jüdische Arbeiterinnen und Arbeiter, die in der von ihm aufgebauten Polsterei beschäftigt waren, samt ihren Familien von Wilna nach Lida im heutigen Weißrussland bringen. „Dabei ist Schmid durch die Flüchtlinge Hermann und Anita Adler auch in Kontakt mit der jüdischen Widerstandsorganisation des Ghettos in Wilna gekommen. Er hat als Wehrmachtssoldat mit dieser Gruppe zusammengearbeitet! Er war ein g‘rader Michl, hat einfach helfen müssen“, skizziert der „Bauchautor“, wie er sich selbst bezeichnet, die Figur Schmid. In der Haft, in die er im Jänner 1942 kommt, erlitt Schmid mehrere Nervenzusammenbrüche, wollte sich umbringen, „aber wegen seiner Familie tat er es nicht. Das kommt ganz dramatisch aus seinen Briefen hervor.“ Schmid wird am 13. April 1942 von einem Erschießungspeloton hingerichtet. „Von rund 18 Millionen Wehrmachtssoldaten war er vermutlich der Einzige, der von der hitlerdeutschen Militärjustiz zum Tode verurteilt und hingerichtet worden ist, weil er Juden zu retten versuchte“, so der Autor, der in Form des Dokumentarromans mit erzählerischen Passagen die Geschichte des kleinen großen Feldwebels erzählt. Die Geschichte von Anton Schmid und dem von ihm geretteten Ehepaar Hermann und Anita Adler – denn schlussendlich entkamen nur diese beiden der Vernichtung. Oder, wie der Autor Wieninger sagt: „Es ist ein Buch über die Freiheit des menschlichen Willens.“
„Wir haben das Wehrmachtsgefängnis gefunden, wo Schmid inhaftiert war, die Ziegelmauer mit den Einschlägen der Schüsse bei den Hinrichtungen“, blickt Wieninger zurück. „Sogar einen Zeitzeugen, der diese Hinrichtungen miterlebt hat, haben wir ausfindig gemacht.“ Nur die Versprengten-Sammelstelle der Wehrmacht, die Schmid leitete, war nicht mehr zu finden. „Dort befindet sich jetzt ein öffentliches Pissoir in Stalin-Manier.“
Der St. Pöltner Autor hatte das Glück den Nachlass von Schmid durchforsten zu dürfen. „Es waren viele Briefe und Fotos vorhanden. Faszinierend, denn normalerweise ist bei so einem Fall maximal der letzte Brief an die Lieben vorhanden. Zum Schluss, in Haft, versuchte Schmid seiner Familie sein Verhalten zu erklären, das ist einzigartig. So einen Nachlass kann man nicht unpubliziert lassen“, ereifert sich Wieninger, der im Laufe seiner Recherchen in Gerhard Kanitzer einen Zeitzeugen fand, der viel über den Menschen Schmid zu sagen hatte. „Die Interviews mit Kanitzer waren sehr berührend. Er hat von Schmid immer nur als guten Menschen gesprochen.“
Sein „gutes“ Herz ließ ihn auch jene mutigen Rettungs-Aktionen wagen, die ihm letztlich das Leben kosteten. Im Heeres-LKW ließ er jüdische Arbeiterinnen und Arbeiter, die in der von ihm aufgebauten Polsterei beschäftigt waren, samt ihren Familien von Wilna nach Lida im heutigen Weißrussland bringen. „Dabei ist Schmid durch die Flüchtlinge Hermann und Anita Adler auch in Kontakt mit der jüdischen Widerstandsorganisation des Ghettos in Wilna gekommen. Er hat als Wehrmachtssoldat mit dieser Gruppe zusammengearbeitet! Er war ein g‘rader Michl, hat einfach helfen müssen“, skizziert der „Bauchautor“, wie er sich selbst bezeichnet, die Figur Schmid. In der Haft, in die er im Jänner 1942 kommt, erlitt Schmid mehrere Nervenzusammenbrüche, wollte sich umbringen, „aber wegen seiner Familie tat er es nicht. Das kommt ganz dramatisch aus seinen Briefen hervor.“ Schmid wird am 13. April 1942 von einem Erschießungspeloton hingerichtet. „Von rund 18 Millionen Wehrmachtssoldaten war er vermutlich der Einzige, der von der hitlerdeutschen Militärjustiz zum Tode verurteilt und hingerichtet worden ist, weil er Juden zu retten versuchte“, so der Autor, der in Form des Dokumentarromans mit erzählerischen Passagen die Geschichte des kleinen großen Feldwebels erzählt. Die Geschichte von Anton Schmid und dem von ihm geretteten Ehepaar Hermann und Anita Adler – denn schlussendlich entkamen nur diese beiden der Vernichtung. Oder, wie der Autor Wieninger sagt: „Es ist ein Buch über die Freiheit des menschlichen Willens.“