Frei handeln
Text
Johannes Reichl
Ausgabe
Sie passt ganz gut in die aktuelle Aufgeregtheitskultur, die Debatte rund um die Freihandelsabkommen CETA, TTIP und TiSA. Im allgemeinen, meist hochemotionalisierten Geplärre bleiben Nuancen und Argumentationslinien hüben wie drüben vielfach auf der Strecke. Wir versuchten trotzdem, verschiedene Positionen nachzuvollziehen und sprachen mit Traisens Bürgermeister Herbert Thumpser, der ein Volksbegehren gegen CETA, TTIP und TiSA initiiert hat, dem Präsidenten der Industriellenvereinigung Niederösterreich Thomas Salzer, der vor einer Abschottung der heimischen Wirtschaft warnt, sowie dem St. Pöltner Wirtschaftsprofessor Karl Bachinger, der sich eine differenzierte Auseinandersetzung wünscht.
Der lange Gang im SPÖ-Landtagsklub wirkt einigermaßen verwaist, als ich an diesem nasskalten Novemberabend in die heiligen Hallen des Hauses 1 des Regierungsviertels eintrete. Aus einem einsamen Büro fällt Licht, begleitet vom Stakkato auf einer Tastatur tippender Finger, ansonst empfängt mich gähnende Leere. Dabei herrschte hier vor gut einer Stunde noch geschäftiges Treiben, hat der SP-Klub doch über seine Linie in der nächsten Landtagssitzung diskutiert. Nun sitzt mir, quasi als last man standing, Traisens Bürgermeister Herbert Thumpser in einem Lederfauteuil gegenüber und zündet sich kopfschüttelnd eine Zigarette an. „Es ging um die Kürzungspläne der ÖVP bezüglich der Mindestsicherung – da gehen wir bestimmt nicht mit!“
Die schrecklichen 3
Unser Treffen hat freilich ein anderes Thema zum Inhalt, das nicht minder umstritten ist: Das Freihandelsabkommen CETA, ebenso wie die im Raum stehenden TTIP und TiSA, gegen die der Traisentaler Bürgermeister mit der Initiierung eines Volksbegehrens, das von 23. bis 30. Jänner läuft, mobil macht. Dass er dabei von der Parteispitze keine Unterstützung erhält, nimmt er gelassen hin, wenngleich dann doch eine gewisse Enttäuschung über den Schwenk von Bundeskanzler Kern herauszuhören ist. „Es tut mir leid, dass er letztlich doch ja zu CETA gesagt hat, zumal er in einigen Belangen sehr klare und richtige Worte gefunden hat – dann ist er aber zurückgerudert.“ Andererseits hält er dem Parteichef zugute, dass er mit den Aktivisten zumindest telefoniert habe. Und die Initiative sei ja keine der SPÖ, auch wenn sie mehrheitlich von sozialdemokratischen Bürgermeistern aus der Region – neben dem Traisner Thumpser etwa auch Weinburgs Peter Kalteis oder Ober-Grafendorfs Rainer Handlfinger – ins Leben gerufen worden ist. Damals informierte man die Parteiführung auch nur per Telefonat, dass man ein Volksbegehren gegen TTIP, CETA und TiSA aus der Taufe hebt. Mit eine Initialzündung dafür war eine Pressekonferenz des Präsidentschaftskandidaten Norbert Hofer zum Thema, ebenso Aussagen des FP-Obmanns HC Strache. „Da dachte ich mir, weil auch viele unserer Funktionäre das Thema sehr kritisch sehen, dass wir selbst das Heft in die Hand nehmen, selbst agieren müssen und nicht nur reagieren dürfen.“ Zudem wollte Thumpser – und dies ist ein interessanter Aspekt, weil viele Gegner der Handelsabkommen rasch ins populistische Eck gestellt werden – „die Diskussion, um es einmal vorsichtig zu formulieren, nicht diversen eigenartigen Vögeln mit teils ebensolchen Ansichten überlassen. Da sollte nicht nur das populistische FP-Chlor-Hendl herumgeistern, weil da muss man bitte schon die Kirche im Dorf lassen: Die Kommunen etwa müssen bisweilen auch das Trinkwasser wegen der Keime chlorieren. Mir geht es wirklich um die Sache!“
Unser Treffen hat freilich ein anderes Thema zum Inhalt, das nicht minder umstritten ist: Das Freihandelsabkommen CETA, ebenso wie die im Raum stehenden TTIP und TiSA, gegen die der Traisentaler Bürgermeister mit der Initiierung eines Volksbegehrens, das von 23. bis 30. Jänner läuft, mobil macht. Dass er dabei von der Parteispitze keine Unterstützung erhält, nimmt er gelassen hin, wenngleich dann doch eine gewisse Enttäuschung über den Schwenk von Bundeskanzler Kern herauszuhören ist. „Es tut mir leid, dass er letztlich doch ja zu CETA gesagt hat, zumal er in einigen Belangen sehr klare und richtige Worte gefunden hat – dann ist er aber zurückgerudert.“ Andererseits hält er dem Parteichef zugute, dass er mit den Aktivisten zumindest telefoniert habe. Und die Initiative sei ja keine der SPÖ, auch wenn sie mehrheitlich von sozialdemokratischen Bürgermeistern aus der Region – neben dem Traisner Thumpser etwa auch Weinburgs Peter Kalteis oder Ober-Grafendorfs Rainer Handlfinger – ins Leben gerufen worden ist. Damals informierte man die Parteiführung auch nur per Telefonat, dass man ein Volksbegehren gegen TTIP, CETA und TiSA aus der Taufe hebt. Mit eine Initialzündung dafür war eine Pressekonferenz des Präsidentschaftskandidaten Norbert Hofer zum Thema, ebenso Aussagen des FP-Obmanns HC Strache. „Da dachte ich mir, weil auch viele unserer Funktionäre das Thema sehr kritisch sehen, dass wir selbst das Heft in die Hand nehmen, selbst agieren müssen und nicht nur reagieren dürfen.“ Zudem wollte Thumpser – und dies ist ein interessanter Aspekt, weil viele Gegner der Handelsabkommen rasch ins populistische Eck gestellt werden – „die Diskussion, um es einmal vorsichtig zu formulieren, nicht diversen eigenartigen Vögeln mit teils ebensolchen Ansichten überlassen. Da sollte nicht nur das populistische FP-Chlor-Hendl herumgeistern, weil da muss man bitte schon die Kirche im Dorf lassen: Die Kommunen etwa müssen bisweilen auch das Trinkwasser wegen der Keime chlorieren. Mir geht es wirklich um die Sache!“
Die Frage nach den Bedingungen
In der ist Thumpser im Hinblick auf CETA, TTIP und TiSA, die er als „die schrecklichen 3“ bezeichnet, aber zutiefst skeptisch, wenngleich er beileibe kein Fundi ist. Es gäbe durchaus Teile der Handelsabkommen, die er nachvollziehen kann. „Den Abbau von Zöllen kann ich mir durchaus vorstellen, wenn man deren Verlust – da geht es angeblich bei CETA um etwa 400 Millionen Euro im Jahr - argumentieren kann und sagt, das macht Sinn. Ebenso ist die Frage von Zulassungsverfahren, die nach selben Kriterien ablaufen, sicher für die Writschaft ein wichtiger Aspekt.“ Er wisse durchaus um die Anliegen und Begehrlichkeiten von international tätigen Unternehmen wie VOEST oder Georg Fischer, die in seiner Gemeinde wichtige Arbeitgeber darstellen. „Ich wäre ja dumm, wenn ich gegen Handel an sich wäre. Österreich lebt davon, und durch Abschottung würden unsere Betriebe Kunden verlieren, damit aber auch Arbeitsplätze. Die grundsätzliche Frage ist aber, unter welchen Bedingungen und auf welchen Grundlagen die Betriebe arbeiten sollen und der Handel abläuft.“
Und da bereiten Thumpser verschiedene Aspekte der aktuell diskutierten Handelsabkommen Sorgen – allen voran sieht er eine Vorschubleistung für eine radikale Liberalisierung der Daseinsvorsorge, also etwa bei Wasser, Müll, medizinischer Versorgung, Bildung u.ä., heraufdämmern, die quasi am Opfertisch der freien Marktwirtschaft geschlachtet werden sollen. Dass diese in CETA aber gar nicht explizit angeführt bzw. sogar ausgenommen sind, lässt Thumpser so nicht gelten bzw. trägt es nicht zu seiner Beruhigung bei. „Die Sache ist komplexer. Der allgemeine Privatisierungsdruck wird mit diesen Verträgen einfach viel stärker! Nehmen wir unsere Kommune als Beispiel. Wir haben uns vor wenigen Jahren intensiv mit der Frage auseinandergesetzt, ob wir die Abfallbewirtschaftung in den Händen der Gemeinde belassen oder sie auslagern sollen. Wir haben damals 15 Modelle durchgerechnet mit dem Ergebnis, dass wir als Kommune die Müllentsorgung in einer Gesamtrechnung am günstigsten abwickeln können – mit unseren Leuten und der Garantie, dass die daraus entstehende Wertschöpfung in der Kommune verbleibt. Durch die neuen Handelsabkommen steigt aber der Privatisierungsdruck enorm, und ich möchte in einigen Jahren nicht in die Verlegenheit kommen, dass dann argumentiert wird, wenn es finanziell enger wird: ‚Na, ihr habt ja die Müllabfuhr, die müssts ihr halt privatisieren.‘ Damit würden wir aber auch die Hoheit über die Gebühren verlieren, ein Anstieg wäre die Folge, ebenso wie Wertschöpfungsverluste damit einhergingen.“
Ein weiterer Dorn im Auge sind Thumpser die in Diskussion stehenden Schiedsgerichte, die im Falle von CETA fürs erste noch nicht in Kraft treten. „Ganz ehrlich, wir haben auf europäischer und nationaler Ebene funktionierende und bewährte Rechtssysteme, ich verstehe einfach nicht, warum ein Konzern dann irgendein Schiedsgericht braucht und damit eine Parallelgerichtsbarkeit außerhalb des Einflussbereiches der Staaten geschaffen wird. Das bedeutet eindeutig einen nationalen Souveränitätsverlust.“
Thumpser befürchtet, dass damit in Zukunft die Interessen einiger weniger gegenüber jenen vieler durchgesetzt werden könnten – und dies beträfe zahlreiche Aspekte der Handelsabkommen, die einer Nivellierung der Standards nach unten Vorschub leisteten und vor allem die Kleinen in die Bredouille brächten. „Es gibt einfach sehr unterschiedliche Strukturen zwischen den Partnern. Nehmen wir als Beispiel die Landwirtschaft. Die durchschnittliche Größe der Betriebe in Kanada etwa beträgt 300 Hektar, bei uns hingegen sind es nur 20! Aufgrund der unterschiedlichen Produktionsweisen und damit über den Preis geraten die kleineren logischerweise unter Druck, und das kann man ebenso auf Klein- und Mittelbetriebe umlegen. Da muss man also sehr sehr vorsichtig sein und genau wissen, was man möchte und welche Bedingungen man für wen schafft.“
Noch ein Aspekt stößt Thumpser sauer auf, der nicht gerade unter die Kategorie vertrauensbildende Maßnahmen fällt. „Die Verhandlungen sind völlig intransparent abgelaufen! Eine deutsche Übersetzung des 1.600 Seiten umfassenden CETA-Konvoluts gibt es erst seit Mitte des Jahres! Und bei aller Liebe zu Herrn Kapsch [Georg Kapsch, Präsident der Industriellenvereinigung, Anm.], der meinte, man könne ja die englische Version lesen – ich verstehe ja nicht mal die deutsche richtig, und dabei halte ich mich des sinnerfassenden Lesens für durchaus fähig. Aber da laufen Sätze über neun Zeilen in 11-Punkt Schriftgröße in komplexestem Juristendeutsch. Diesbezüglich muss man sich auf die Interpretation von Wirtschaftswissenschaftlern verlassen.“ Und die können seine Zweifel offensichtlich nicht zerstreuen bzw. bestärken sie ihn in seiner Ablehnung, auch weil vieles offen bleibe. „Es ist bezeichnend, dass eine parlamentarische Enquete erst auf Druck von außen zustande gekommen ist. Und im Zuge der Befragung haben Wettbewerbskommissarin Cecilia Malmström und die jeweiligen Experten im Grunde genommen keine einzige Antwort auf die Fragen diverser Gruppen wie Greenpeace, ATTAC etc. gegeben. Das lässt schon tief blicken!“
In der ist Thumpser im Hinblick auf CETA, TTIP und TiSA, die er als „die schrecklichen 3“ bezeichnet, aber zutiefst skeptisch, wenngleich er beileibe kein Fundi ist. Es gäbe durchaus Teile der Handelsabkommen, die er nachvollziehen kann. „Den Abbau von Zöllen kann ich mir durchaus vorstellen, wenn man deren Verlust – da geht es angeblich bei CETA um etwa 400 Millionen Euro im Jahr - argumentieren kann und sagt, das macht Sinn. Ebenso ist die Frage von Zulassungsverfahren, die nach selben Kriterien ablaufen, sicher für die Writschaft ein wichtiger Aspekt.“ Er wisse durchaus um die Anliegen und Begehrlichkeiten von international tätigen Unternehmen wie VOEST oder Georg Fischer, die in seiner Gemeinde wichtige Arbeitgeber darstellen. „Ich wäre ja dumm, wenn ich gegen Handel an sich wäre. Österreich lebt davon, und durch Abschottung würden unsere Betriebe Kunden verlieren, damit aber auch Arbeitsplätze. Die grundsätzliche Frage ist aber, unter welchen Bedingungen und auf welchen Grundlagen die Betriebe arbeiten sollen und der Handel abläuft.“
Und da bereiten Thumpser verschiedene Aspekte der aktuell diskutierten Handelsabkommen Sorgen – allen voran sieht er eine Vorschubleistung für eine radikale Liberalisierung der Daseinsvorsorge, also etwa bei Wasser, Müll, medizinischer Versorgung, Bildung u.ä., heraufdämmern, die quasi am Opfertisch der freien Marktwirtschaft geschlachtet werden sollen. Dass diese in CETA aber gar nicht explizit angeführt bzw. sogar ausgenommen sind, lässt Thumpser so nicht gelten bzw. trägt es nicht zu seiner Beruhigung bei. „Die Sache ist komplexer. Der allgemeine Privatisierungsdruck wird mit diesen Verträgen einfach viel stärker! Nehmen wir unsere Kommune als Beispiel. Wir haben uns vor wenigen Jahren intensiv mit der Frage auseinandergesetzt, ob wir die Abfallbewirtschaftung in den Händen der Gemeinde belassen oder sie auslagern sollen. Wir haben damals 15 Modelle durchgerechnet mit dem Ergebnis, dass wir als Kommune die Müllentsorgung in einer Gesamtrechnung am günstigsten abwickeln können – mit unseren Leuten und der Garantie, dass die daraus entstehende Wertschöpfung in der Kommune verbleibt. Durch die neuen Handelsabkommen steigt aber der Privatisierungsdruck enorm, und ich möchte in einigen Jahren nicht in die Verlegenheit kommen, dass dann argumentiert wird, wenn es finanziell enger wird: ‚Na, ihr habt ja die Müllabfuhr, die müssts ihr halt privatisieren.‘ Damit würden wir aber auch die Hoheit über die Gebühren verlieren, ein Anstieg wäre die Folge, ebenso wie Wertschöpfungsverluste damit einhergingen.“
Ein weiterer Dorn im Auge sind Thumpser die in Diskussion stehenden Schiedsgerichte, die im Falle von CETA fürs erste noch nicht in Kraft treten. „Ganz ehrlich, wir haben auf europäischer und nationaler Ebene funktionierende und bewährte Rechtssysteme, ich verstehe einfach nicht, warum ein Konzern dann irgendein Schiedsgericht braucht und damit eine Parallelgerichtsbarkeit außerhalb des Einflussbereiches der Staaten geschaffen wird. Das bedeutet eindeutig einen nationalen Souveränitätsverlust.“
Thumpser befürchtet, dass damit in Zukunft die Interessen einiger weniger gegenüber jenen vieler durchgesetzt werden könnten – und dies beträfe zahlreiche Aspekte der Handelsabkommen, die einer Nivellierung der Standards nach unten Vorschub leisteten und vor allem die Kleinen in die Bredouille brächten. „Es gibt einfach sehr unterschiedliche Strukturen zwischen den Partnern. Nehmen wir als Beispiel die Landwirtschaft. Die durchschnittliche Größe der Betriebe in Kanada etwa beträgt 300 Hektar, bei uns hingegen sind es nur 20! Aufgrund der unterschiedlichen Produktionsweisen und damit über den Preis geraten die kleineren logischerweise unter Druck, und das kann man ebenso auf Klein- und Mittelbetriebe umlegen. Da muss man also sehr sehr vorsichtig sein und genau wissen, was man möchte und welche Bedingungen man für wen schafft.“
Noch ein Aspekt stößt Thumpser sauer auf, der nicht gerade unter die Kategorie vertrauensbildende Maßnahmen fällt. „Die Verhandlungen sind völlig intransparent abgelaufen! Eine deutsche Übersetzung des 1.600 Seiten umfassenden CETA-Konvoluts gibt es erst seit Mitte des Jahres! Und bei aller Liebe zu Herrn Kapsch [Georg Kapsch, Präsident der Industriellenvereinigung, Anm.], der meinte, man könne ja die englische Version lesen – ich verstehe ja nicht mal die deutsche richtig, und dabei halte ich mich des sinnerfassenden Lesens für durchaus fähig. Aber da laufen Sätze über neun Zeilen in 11-Punkt Schriftgröße in komplexestem Juristendeutsch. Diesbezüglich muss man sich auf die Interpretation von Wirtschaftswissenschaftlern verlassen.“ Und die können seine Zweifel offensichtlich nicht zerstreuen bzw. bestärken sie ihn in seiner Ablehnung, auch weil vieles offen bleibe. „Es ist bezeichnend, dass eine parlamentarische Enquete erst auf Druck von außen zustande gekommen ist. Und im Zuge der Befragung haben Wettbewerbskommissarin Cecilia Malmström und die jeweiligen Experten im Grunde genommen keine einzige Antwort auf die Fragen diverser Gruppen wie Greenpeace, ATTAC etc. gegeben. Das lässt schon tief blicken!“
Mit den Leuten reden
Genau diese Art der Abgehobenheit und Intransparenz schüre die grassierende Politikverdrossenheit und das Misstrauen in die Eliten, wie Thumpser überzeugt ist. Wobei seine Kritik nicht nur Richtung Brüssel geht, sondern durchaus auch an die heimische Politik adressiert ist. „Wir müssen mit den Leuten wieder mehr reden, und zwar in einer Sprache, die sie verstehen. Das mag bei hochkomplexen Zusammenhängen nicht immer leicht sein, aber möglich und notwendig ist es unbedingt!“ Passiere das nicht, würden die Rechtspopulisten mit ihrer allzueinfachen Welterklärung und ihren Halbwahrheiten weiter leichtes Spiel haben, ohne jedwede wirkliche Leistung.
In dieser Hinsicht versteht Thumpser auch sein Volksbegehren als eine Art Ernstnehmen der Bevölkerung, als Versuch, den Kritikern eine Stimme zu geben. „Es war schon unglaublich, wie rasch wir die Unterstützungserklärungen beisammen hatten. Mein Ziel waren 15.000 Personen, innerhalb von zwei Wochen waren es 40.000, und das fast ganz ohne klassische Werbung – vieles ist über die sozialen Netzwerke gelaufen.“ Dementsprechend optimistisch blickt Thumpser auch auf das Volksbegehren im Jänner und rechnet mit „zumindest 100.000 Unterstützern. Für uns ist wichtig, dass wir dann Stellung in den Ausschüssen nehmen können und angehört werden müssen.“ Den Zug – auch das zwischen Kanada und EU bereits abgesegnete CETA, das aber noch u. a. von den nationalen Parlamenten ratifiziert werden muss – hält Thumpser jedenfalls noch nicht für abgefahren. „Der Widerstand ist in ganz Europa groß – auch in Bayern wurden schon 80.000 Unterschriften für die Initiierung eines Volksbegehrens gesammelt, und der deutsche Bundesverfassungsgerichtshof hat eingefordert, dass es bei einer vorläufigen Anwendung von CETA auch eine einseitige Ausstiegsklausel geben muss – wie das die deutsche Bundesregierung umsetzen möchte, wird spannend.“
Wobei es Thumpser im Kern wohl gar nicht um das komplette Kippen der Abkommen geht, sehr wohl aber um eine substanzielle Anpassung, welche quasi die in den Augen der Kritiker vorhandenen Giftzähne zieht. „Für mich wäre wichtig, dass man CETA in vielen Bereichen neuverhandelt!“
Genau diese Art der Abgehobenheit und Intransparenz schüre die grassierende Politikverdrossenheit und das Misstrauen in die Eliten, wie Thumpser überzeugt ist. Wobei seine Kritik nicht nur Richtung Brüssel geht, sondern durchaus auch an die heimische Politik adressiert ist. „Wir müssen mit den Leuten wieder mehr reden, und zwar in einer Sprache, die sie verstehen. Das mag bei hochkomplexen Zusammenhängen nicht immer leicht sein, aber möglich und notwendig ist es unbedingt!“ Passiere das nicht, würden die Rechtspopulisten mit ihrer allzueinfachen Welterklärung und ihren Halbwahrheiten weiter leichtes Spiel haben, ohne jedwede wirkliche Leistung.
In dieser Hinsicht versteht Thumpser auch sein Volksbegehren als eine Art Ernstnehmen der Bevölkerung, als Versuch, den Kritikern eine Stimme zu geben. „Es war schon unglaublich, wie rasch wir die Unterstützungserklärungen beisammen hatten. Mein Ziel waren 15.000 Personen, innerhalb von zwei Wochen waren es 40.000, und das fast ganz ohne klassische Werbung – vieles ist über die sozialen Netzwerke gelaufen.“ Dementsprechend optimistisch blickt Thumpser auch auf das Volksbegehren im Jänner und rechnet mit „zumindest 100.000 Unterstützern. Für uns ist wichtig, dass wir dann Stellung in den Ausschüssen nehmen können und angehört werden müssen.“ Den Zug – auch das zwischen Kanada und EU bereits abgesegnete CETA, das aber noch u. a. von den nationalen Parlamenten ratifiziert werden muss – hält Thumpser jedenfalls noch nicht für abgefahren. „Der Widerstand ist in ganz Europa groß – auch in Bayern wurden schon 80.000 Unterschriften für die Initiierung eines Volksbegehrens gesammelt, und der deutsche Bundesverfassungsgerichtshof hat eingefordert, dass es bei einer vorläufigen Anwendung von CETA auch eine einseitige Ausstiegsklausel geben muss – wie das die deutsche Bundesregierung umsetzen möchte, wird spannend.“
Wobei es Thumpser im Kern wohl gar nicht um das komplette Kippen der Abkommen geht, sehr wohl aber um eine substanzielle Anpassung, welche quasi die in den Augen der Kritiker vorhandenen Giftzähne zieht. „Für mich wäre wichtig, dass man CETA in vielen Bereichen neuverhandelt!“
Durch Abschottung hat man noch nichts entwickelt!
Nur etwa 300 m Luftlinie weiter, am anderen Traisenufer, treffe ich am Gelände der Salzer-Fabrik Thomas Salzer – seines Zeichens nicht nur Geschäftsführer der hier situierten Unternehmungen Salzer Papier, Salzer Formtech und Salzer Industrie Service, sondern auch Präsident der Niederösterreichischen Industriellenvereinigung sowie Obmann der Sparte Industrie der NÖ Wirtschaftskammer. Während ich es mir im mit manch historischem Möbelstück eingerichteten Büro gemütlich mache, stechen mir zwei prächtige Bildbände ins Auge: einer über Bob Dylan, ein anderer über John Lennon, beide – so mutmaße ich – wohl auf Papier aus St. Pölten gedruckt. Im Foyer findet sich eine ganze Bibliothek solcher „Salzer“-Bücher, die aber doch nur einen Bruchteil darstellen, denn jedes dritte Hardcover-Buch in Europa ist mit holzfreien Papieren von Salzer ausgestattet.
Schon seit dem Jahr 1579 wird am Standort in Stattersdorf Papier hergestellt, seit 1798 von der Familie Salzer – damals übernahm Kaspar Salzer die Geschicke der Fabrik, wie mir Nachfahre Thomas in einer dicken Chronik zeigt. Tausende von Arbeitern gingen hier seither ihrem Broterwerb nach, viele von ihnen – insbesondere jene von heute – waren und sind (auch) vom florierenden Handel mit dem Ausland abhängig. Und auch wenn die Kunden von Salzer aktuell noch wenig in Kanada oder in den USA zu finden sind – was sich mit den neuen Möglichkeiten durch CETA & TTIP ändern könnte – ist Thomas Salzer ganz eindeutig für die Freihandelsabkommen und stößt sich am Populismus der öffentlichen Debatte sowie einer zunehmenden Dämonisierung von Freihandel an sich. „Ich glaube, viele wissen gar nicht, was Freihandel überhaupt ist und was er für uns bedeutet. Gerade der Freihandel ist es nämlich, der unseren Wohlstand in Österreich überhaupt erst begründet“, schüttelt er den Kopf. In einer heute arbeitsteiligen Welt gelte es, Produkte so herzustellen, dass sie für die Bevölkerung leistbar bleiben. „Ohne diese Arbeitsteilung könnten wir uns viele Güter gar nicht mehr leisten bzw. wären sie um ein Vielfaches teurer – dann würde z.B. der VW Golf nicht mehr 22.540 Euro, sondern knapp 80.000 Euro kosten, und der Fernseher das Dreifache.“ Jedwede Idee von Abschottung und so zu tun, als würden damit irgendwelche Probleme gelöst, hält Salzer daher im besten Fall für Naivität oder, so politisch bewusst geschürt, für schnöden Populismus. „Durch Abschottung ist noch genau gar nichts entwickelt. Im Gegenteil! Es wird damit Wohlstand vernichtet!“
Nur etwa 300 m Luftlinie weiter, am anderen Traisenufer, treffe ich am Gelände der Salzer-Fabrik Thomas Salzer – seines Zeichens nicht nur Geschäftsführer der hier situierten Unternehmungen Salzer Papier, Salzer Formtech und Salzer Industrie Service, sondern auch Präsident der Niederösterreichischen Industriellenvereinigung sowie Obmann der Sparte Industrie der NÖ Wirtschaftskammer. Während ich es mir im mit manch historischem Möbelstück eingerichteten Büro gemütlich mache, stechen mir zwei prächtige Bildbände ins Auge: einer über Bob Dylan, ein anderer über John Lennon, beide – so mutmaße ich – wohl auf Papier aus St. Pölten gedruckt. Im Foyer findet sich eine ganze Bibliothek solcher „Salzer“-Bücher, die aber doch nur einen Bruchteil darstellen, denn jedes dritte Hardcover-Buch in Europa ist mit holzfreien Papieren von Salzer ausgestattet.
Schon seit dem Jahr 1579 wird am Standort in Stattersdorf Papier hergestellt, seit 1798 von der Familie Salzer – damals übernahm Kaspar Salzer die Geschicke der Fabrik, wie mir Nachfahre Thomas in einer dicken Chronik zeigt. Tausende von Arbeitern gingen hier seither ihrem Broterwerb nach, viele von ihnen – insbesondere jene von heute – waren und sind (auch) vom florierenden Handel mit dem Ausland abhängig. Und auch wenn die Kunden von Salzer aktuell noch wenig in Kanada oder in den USA zu finden sind – was sich mit den neuen Möglichkeiten durch CETA & TTIP ändern könnte – ist Thomas Salzer ganz eindeutig für die Freihandelsabkommen und stößt sich am Populismus der öffentlichen Debatte sowie einer zunehmenden Dämonisierung von Freihandel an sich. „Ich glaube, viele wissen gar nicht, was Freihandel überhaupt ist und was er für uns bedeutet. Gerade der Freihandel ist es nämlich, der unseren Wohlstand in Österreich überhaupt erst begründet“, schüttelt er den Kopf. In einer heute arbeitsteiligen Welt gelte es, Produkte so herzustellen, dass sie für die Bevölkerung leistbar bleiben. „Ohne diese Arbeitsteilung könnten wir uns viele Güter gar nicht mehr leisten bzw. wären sie um ein Vielfaches teurer – dann würde z.B. der VW Golf nicht mehr 22.540 Euro, sondern knapp 80.000 Euro kosten, und der Fernseher das Dreifache.“ Jedwede Idee von Abschottung und so zu tun, als würden damit irgendwelche Probleme gelöst, hält Salzer daher im besten Fall für Naivität oder, so politisch bewusst geschürt, für schnöden Populismus. „Durch Abschottung ist noch genau gar nichts entwickelt. Im Gegenteil! Es wird damit Wohlstand vernichtet!“
Scheitern wäre fatal
Und so dreht er in Bezug auf die aktuelle Diskussion um CETA & TTIP den Spieß einfach um. „Das Interessante ist ja, dass in der öffentlichen Diskussion überhaupt nicht über die Vorteile gesprochen wird, sondern nur über etwaige Gefahren. Dabei muss man sich schon auch einmal die Frage stellen, was eigentlich passiert, wenn diese Vereinbarungen nicht zustande kommen?“ Für Österreich, so ist Salzer überzeugt, wären die Auswirkungen fatal. „Wir sind ein Exportland. Allein in Niederösterreich macht das Volumen mit beiden Ländern rund eine Milliarde Euro aus. Wenn wir nicht dabei sind, heißt das, dass unsere Unternehmen auf diesen Märkten nicht so leicht Fuß fassen und ihre Waren verkaufen können. Das bedeutet in weiterer Folge aber weniger Arbeitsplätze, zumal jedem bewusst sein muss, dass der europäische Binnenmarkt aktuell keinen Wachstumsmarkt darstellt. Daher ist das Erschließen neuer Märkte und der leichte Zugang zu diesen doppelt wichtig!“
Außerdem gibt Salzer zu bedenken, dass nicht – wie die Kritiker befürchten – die Handelsabkommen zu einem Nivellieren der europäischen Standards nach unten führen werden, sondern dies gerade umgekehrt durch das Nichtzustandekommen passieren könnte. „Wenn diese Freihandelszone nicht zustande kommt, dann werden sich die Partner in Übersee eben in andere Richtung orientieren und andere Allianzen schmieden. Dann wird Europa außen vor sein. Die Standards werden dann andere definieren, nach denen sich unsere Unternehmen richten müssen. Da ist es doch besser, wir reden selbst mit, bestimmen selbst die Standards, die von unseren hohen Ansprüchen im Hinblick auf Umwelt, Gesundheit, Arbeitnehmerschutz etc. getragen sind!“
Die Vorteile, die sich Salzer konkret von CETA und TTIP erhofft, fasst er in vier Punkten zusammen. „Erstens wird der Handel zwischen den Beteiligten einfacher und billiger. Zweitens läuft er für alle Beteiligten nach klaren und gleichen Regeln ab. Drittens fallen Zölle weg, die sonst einen automatischen Kostennachteil bedeutet haben, und viertens ist gewährleistet, dass es zu keiner Benachteiligung unserer Unternehmen kommt!“
Und so dreht er in Bezug auf die aktuelle Diskussion um CETA & TTIP den Spieß einfach um. „Das Interessante ist ja, dass in der öffentlichen Diskussion überhaupt nicht über die Vorteile gesprochen wird, sondern nur über etwaige Gefahren. Dabei muss man sich schon auch einmal die Frage stellen, was eigentlich passiert, wenn diese Vereinbarungen nicht zustande kommen?“ Für Österreich, so ist Salzer überzeugt, wären die Auswirkungen fatal. „Wir sind ein Exportland. Allein in Niederösterreich macht das Volumen mit beiden Ländern rund eine Milliarde Euro aus. Wenn wir nicht dabei sind, heißt das, dass unsere Unternehmen auf diesen Märkten nicht so leicht Fuß fassen und ihre Waren verkaufen können. Das bedeutet in weiterer Folge aber weniger Arbeitsplätze, zumal jedem bewusst sein muss, dass der europäische Binnenmarkt aktuell keinen Wachstumsmarkt darstellt. Daher ist das Erschließen neuer Märkte und der leichte Zugang zu diesen doppelt wichtig!“
Außerdem gibt Salzer zu bedenken, dass nicht – wie die Kritiker befürchten – die Handelsabkommen zu einem Nivellieren der europäischen Standards nach unten führen werden, sondern dies gerade umgekehrt durch das Nichtzustandekommen passieren könnte. „Wenn diese Freihandelszone nicht zustande kommt, dann werden sich die Partner in Übersee eben in andere Richtung orientieren und andere Allianzen schmieden. Dann wird Europa außen vor sein. Die Standards werden dann andere definieren, nach denen sich unsere Unternehmen richten müssen. Da ist es doch besser, wir reden selbst mit, bestimmen selbst die Standards, die von unseren hohen Ansprüchen im Hinblick auf Umwelt, Gesundheit, Arbeitnehmerschutz etc. getragen sind!“
Die Vorteile, die sich Salzer konkret von CETA und TTIP erhofft, fasst er in vier Punkten zusammen. „Erstens wird der Handel zwischen den Beteiligten einfacher und billiger. Zweitens läuft er für alle Beteiligten nach klaren und gleichen Regeln ab. Drittens fallen Zölle weg, die sonst einen automatischen Kostennachteil bedeutet haben, und viertens ist gewährleistet, dass es zu keiner Benachteiligung unserer Unternehmen kommt!“
Populismus und Halbwahrheiten
Die von den Gegnern angeführten Kritikpunkte hält er hingegen für vielfach falsch dargestellt bzw. würde mit Halbwahrheiten operiert. „Nehmen wir die Daseinsvorsorge. Im CETA-Abkommen ist diese explizit ausgenommen bzw. sogar bewusst geschützt – es wird aber das glatte Gegenteil behauptet“, schüttelt er den Kopf. Auch Themen wie das berühmte Chlorhuhn ärgern Salzer. „Zunächst müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass Europa und Kanada bzw. die USA zum Teil unterschiedliche Verfahren haben, die aber in all diesen Ländern auf prinzipiell hohen Gesundheits- und Hygienestandards basieren. Die Lebensmittelbehörde in den USA, die FDA, ist etwa in vielem sogar strenger als die EU. Dort werden Hühner eben im Chlorbad desinfiziert, um Salmonellen und Keime zu töten, während es hierfür bei uns andere Verfahren gibt. Mich erinnert diese Diskussion frappant an jene im Vorfeld des EU-Beitritts, als plötzlich Horrorszenarien von Blutschokolade, Schildlaus Joghurt und ähnliches die Runde machten und Panik verbreitet wurde. Der Beitritt zur EU und dem großen, auf Freihandel beruhenden Binnenmarkt, hat aber unseren Wohlstand eindeutig gehoben. Die Lebensmittelvielfalt und auch die Qualität sind gestiegen!“
Auch die Furcht vor Schiedsgerichten fällt für Salzer in die Kategorie Panikmache. „Faktum ist, dass Schiedsgerichte in der Wirtschaftswelt etwas völlig Übliches sind und überhaupt nichts Neues darstellen. Auch Österreich hat in verschiedensten bilateralen Handelsverträgen den Einsatz solcher Schiedsgerichte vorgesehen, und Wien, was wohl die wenigsten wissen, ist einer der begehrtesten Standorte, wo solche Schiedsverfahren abgewickelt werden. Das ist auch ein Geschäftsmodell für die Stadt.“ Prinzipiell gehe es einfach darum, dass ein Investor bzw. Unternehmen, dessen Projekt bzw. Betrieb ja ohnedies vom jeweiligen Staat erst genehmigt werden muss, sich in Folge auf das Einhalten der Vereinbarungen verlassen können muss. „CETA und TTIP greifen das right to regulate der Staaten, also die nationale Gesetzgebung nicht an – und das ist absolut richtig. Auch die bestehenden Gesetze können nicht geändert werden, womit auch dem Aushebeln in Fragen der Daseinsvorsorge, bei Umwelt-, Sozial- oder Arbeitsmarktstandards ein Riegel vorgeschoben wird“, so Salzer. „Unternehmen müssen aber umgekehrt vor staatlicher Willkür geschützt sein und sich darauf verlassen können, dass die Staaten ihrerseits auf Basis der Verträge die Spielregeln einhalten.“ Warum das nicht über die nationale Gesetzgebung erfolgen kann, bzw. warum auch Salzer in Schiedsgerichten ein geeigneteres rechtliches Instrumentarium sieht, erklärt er so: „Schiedsgerichte sind schneller, und das ist in der Wirtschaft ein wichtiger Faktor. Zudem ergibt sich in diesen Belangen, weil es sich um hochkomplexe Spezialmaterien handelt, oft ein Kompetenzproblem der nationalen Gerichte. Alles in allem werden normale Verfahren damit kostenintensiver, egal für welche Seite. Wie man die Schiedsgerichte freilich organisiert, ist Verhandlungssache. Ein ständiger Internationaler Gerichtshof, der unabhängig und weisungsbefreit ist, besetzt mit Experten, die sozusagen immer in der Materie drin sind, könnte diesbezüglich sicher eine sinnvolle Lösung sein.“
Die von den Gegnern angeführten Kritikpunkte hält er hingegen für vielfach falsch dargestellt bzw. würde mit Halbwahrheiten operiert. „Nehmen wir die Daseinsvorsorge. Im CETA-Abkommen ist diese explizit ausgenommen bzw. sogar bewusst geschützt – es wird aber das glatte Gegenteil behauptet“, schüttelt er den Kopf. Auch Themen wie das berühmte Chlorhuhn ärgern Salzer. „Zunächst müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass Europa und Kanada bzw. die USA zum Teil unterschiedliche Verfahren haben, die aber in all diesen Ländern auf prinzipiell hohen Gesundheits- und Hygienestandards basieren. Die Lebensmittelbehörde in den USA, die FDA, ist etwa in vielem sogar strenger als die EU. Dort werden Hühner eben im Chlorbad desinfiziert, um Salmonellen und Keime zu töten, während es hierfür bei uns andere Verfahren gibt. Mich erinnert diese Diskussion frappant an jene im Vorfeld des EU-Beitritts, als plötzlich Horrorszenarien von Blutschokolade, Schildlaus Joghurt und ähnliches die Runde machten und Panik verbreitet wurde. Der Beitritt zur EU und dem großen, auf Freihandel beruhenden Binnenmarkt, hat aber unseren Wohlstand eindeutig gehoben. Die Lebensmittelvielfalt und auch die Qualität sind gestiegen!“
Auch die Furcht vor Schiedsgerichten fällt für Salzer in die Kategorie Panikmache. „Faktum ist, dass Schiedsgerichte in der Wirtschaftswelt etwas völlig Übliches sind und überhaupt nichts Neues darstellen. Auch Österreich hat in verschiedensten bilateralen Handelsverträgen den Einsatz solcher Schiedsgerichte vorgesehen, und Wien, was wohl die wenigsten wissen, ist einer der begehrtesten Standorte, wo solche Schiedsverfahren abgewickelt werden. Das ist auch ein Geschäftsmodell für die Stadt.“ Prinzipiell gehe es einfach darum, dass ein Investor bzw. Unternehmen, dessen Projekt bzw. Betrieb ja ohnedies vom jeweiligen Staat erst genehmigt werden muss, sich in Folge auf das Einhalten der Vereinbarungen verlassen können muss. „CETA und TTIP greifen das right to regulate der Staaten, also die nationale Gesetzgebung nicht an – und das ist absolut richtig. Auch die bestehenden Gesetze können nicht geändert werden, womit auch dem Aushebeln in Fragen der Daseinsvorsorge, bei Umwelt-, Sozial- oder Arbeitsmarktstandards ein Riegel vorgeschoben wird“, so Salzer. „Unternehmen müssen aber umgekehrt vor staatlicher Willkür geschützt sein und sich darauf verlassen können, dass die Staaten ihrerseits auf Basis der Verträge die Spielregeln einhalten.“ Warum das nicht über die nationale Gesetzgebung erfolgen kann, bzw. warum auch Salzer in Schiedsgerichten ein geeigneteres rechtliches Instrumentarium sieht, erklärt er so: „Schiedsgerichte sind schneller, und das ist in der Wirtschaft ein wichtiger Faktor. Zudem ergibt sich in diesen Belangen, weil es sich um hochkomplexe Spezialmaterien handelt, oft ein Kompetenzproblem der nationalen Gerichte. Alles in allem werden normale Verfahren damit kostenintensiver, egal für welche Seite. Wie man die Schiedsgerichte freilich organisiert, ist Verhandlungssache. Ein ständiger Internationaler Gerichtshof, der unabhängig und weisungsbefreit ist, besetzt mit Experten, die sozusagen immer in der Materie drin sind, könnte diesbezüglich sicher eine sinnvolle Lösung sein.“
Politik mit Weitsicht gefordert
Nicht sinnvoll sei hingegen der Opportunismus, der in der Politik zusehends um sich greife. So hat Salzer überhaupt kein Verständnis dafür, dass die Verträge – wofür die Kommission das Verhandlungsmandat inne hatte und die demnach nur von Kommission, Rat und EU-Parlament beschlossen hätten werden müssen – „aus rein opportunistischen Gründen plötzlich auch allen 28 nationalen Parlamenten zur Ratifizierung vorgelegt werden. Das halte ich für ein grobes Politikerversagen, ebenso wie dieses ständige Doppelspiel, in Brüssel Beschlüsse zu fassen, gegen die man zuhause dann plötzlich opponiert. Da ist schon eine gewisse Feigheit zu orten, die Europa bzw. die EU insgesamt unterminiert. Ich kann bei 28 Mitgliedstaaten nicht ununterbrochen das beschlossene System in Frage stellen oder über neue Spielregeln diskutieren.“
Politikversagen oder zumindest Kurzsichtigkeit ortet er auch – und damit schlägt er durchaus auch einen Bogen zum Freihandel – in der österreichischen Innenpolitik. „Unsere Politiker – was zu einem gewissen Teil ja nachvollziehbar und legitim ist – schielen immer nur bis zur nächsten Wahl. Es muss darüber hinaus aber auch einen langfristigen Blickwinkel geben. Die Politik muss Zukunftsszenarien entwerfen, muss durchdenken, wohin wir möchten und wie wir diese Ziele erreichen. Diesbezüglich können wir uns durchaus ein Stück von den USA abschneiden, die ihre Politik – auch die Außenpolitik – stets auch als Wirtschafts- und Handelspolitik betrieben haben.“ Allein aus diesem Blickwinkel heraus – nämlich der Frage der Konkurrenzfähigkeit der heimischen Wirtschaft – gibt es für Salzer keine Alternative zu Freihandel, und damit auch keine zu CETA oder TTIP. „Die Industrie in Österreich kann ohne diese Märkte nicht leben. Koppeln wir uns ab, vernichten wir Arbeitsplätze und damit unseren Wohlstand! Das muss jedem bewusst sein!“
Nicht sinnvoll sei hingegen der Opportunismus, der in der Politik zusehends um sich greife. So hat Salzer überhaupt kein Verständnis dafür, dass die Verträge – wofür die Kommission das Verhandlungsmandat inne hatte und die demnach nur von Kommission, Rat und EU-Parlament beschlossen hätten werden müssen – „aus rein opportunistischen Gründen plötzlich auch allen 28 nationalen Parlamenten zur Ratifizierung vorgelegt werden. Das halte ich für ein grobes Politikerversagen, ebenso wie dieses ständige Doppelspiel, in Brüssel Beschlüsse zu fassen, gegen die man zuhause dann plötzlich opponiert. Da ist schon eine gewisse Feigheit zu orten, die Europa bzw. die EU insgesamt unterminiert. Ich kann bei 28 Mitgliedstaaten nicht ununterbrochen das beschlossene System in Frage stellen oder über neue Spielregeln diskutieren.“
Politikversagen oder zumindest Kurzsichtigkeit ortet er auch – und damit schlägt er durchaus auch einen Bogen zum Freihandel – in der österreichischen Innenpolitik. „Unsere Politiker – was zu einem gewissen Teil ja nachvollziehbar und legitim ist – schielen immer nur bis zur nächsten Wahl. Es muss darüber hinaus aber auch einen langfristigen Blickwinkel geben. Die Politik muss Zukunftsszenarien entwerfen, muss durchdenken, wohin wir möchten und wie wir diese Ziele erreichen. Diesbezüglich können wir uns durchaus ein Stück von den USA abschneiden, die ihre Politik – auch die Außenpolitik – stets auch als Wirtschafts- und Handelspolitik betrieben haben.“ Allein aus diesem Blickwinkel heraus – nämlich der Frage der Konkurrenzfähigkeit der heimischen Wirtschaft – gibt es für Salzer keine Alternative zu Freihandel, und damit auch keine zu CETA oder TTIP. „Die Industrie in Österreich kann ohne diese Märkte nicht leben. Koppeln wir uns ab, vernichten wir Arbeitsplätze und damit unseren Wohlstand! Das muss jedem bewusst sein!“
Kicking away the ladder?
Drei Stunden später finde ich mich im Café Schubert wieder, mir gegenüber Karl Bachinger, seines Zeichens ao. Universitätsprofessor an der WU Wien am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte.
Schon am Telefon, als wir unseren Termin vereinbarten, zeigte sich Bachinger angesichts der Diskussionen rund um TTIP einigermaßen verwundert, „weil alle über etwas diskutieren, dessen Inhalt noch gar niemand wirklich kennt.“ Was freilich mit einer zugeknöpften Kommunikationspolitik der Verhandlungsteilnehmer seitens USA und EU-Kommission zu tun hat, die sich erst durch einige leaks und öffentlichen Druck zu mehr Transparenz bequemten. Bachinger versteht die diesbezügliche Kritik: „Da muss man als Bürger ja stutzig werden, wenn alles hinter verschlossenen Türen verhandelt wird.“ Auch die Eile beim CETA-Abschluss war ihm nicht nachvollziehbar. „Da wurde sieben Jahre lang verhandelt, dann wurde der Vertrag endlich vorgelegt, und plötzlich sollte diese hochkomplexe Materie innerhalb kürzester Zeit bis zu einem Stichtag beschlossen werden, weil das sonst eine Blamage für Europa sei – warum? Mir konnte auch niemand erklären, warum es eine Blamage für Österreich gewesen wäre, wenn man nicht unterschrieben hätte.“
Nicht minder „speziell“ und historisch wohl einmalig mutet Bachinger die Zusammensetzung der Gegner an. „Das ist ein bunter Haufen. Da finden wir die alte Linke, die gegen den Weltkapitalismus wettert – da kommen die Linken bisweilen sehr linkisch daher. Dazu gesellen sich Rechtspopulisten und –demagogen, welche die Globalisierung durch die alte Welt der ‚Vaterländer‘ ersetzen wollen. Und – auf den ersten Blick ganz exotisch – stimmen auch große Unternehmen wie etwa SPAR in diesen Chor ein, was bei näherem Blick dann aber so verwunderlich gar nicht ist – immerhin teilen sich REWE und SPAR, mit Ausnahme einiger kleinerer Gambler, den österreichischen Lebensmittelhandel auf. Da ist das Interesse an neuen Marktteilnehmern absolut endenwollend.“
Drei Stunden später finde ich mich im Café Schubert wieder, mir gegenüber Karl Bachinger, seines Zeichens ao. Universitätsprofessor an der WU Wien am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte.
Schon am Telefon, als wir unseren Termin vereinbarten, zeigte sich Bachinger angesichts der Diskussionen rund um TTIP einigermaßen verwundert, „weil alle über etwas diskutieren, dessen Inhalt noch gar niemand wirklich kennt.“ Was freilich mit einer zugeknöpften Kommunikationspolitik der Verhandlungsteilnehmer seitens USA und EU-Kommission zu tun hat, die sich erst durch einige leaks und öffentlichen Druck zu mehr Transparenz bequemten. Bachinger versteht die diesbezügliche Kritik: „Da muss man als Bürger ja stutzig werden, wenn alles hinter verschlossenen Türen verhandelt wird.“ Auch die Eile beim CETA-Abschluss war ihm nicht nachvollziehbar. „Da wurde sieben Jahre lang verhandelt, dann wurde der Vertrag endlich vorgelegt, und plötzlich sollte diese hochkomplexe Materie innerhalb kürzester Zeit bis zu einem Stichtag beschlossen werden, weil das sonst eine Blamage für Europa sei – warum? Mir konnte auch niemand erklären, warum es eine Blamage für Österreich gewesen wäre, wenn man nicht unterschrieben hätte.“
Nicht minder „speziell“ und historisch wohl einmalig mutet Bachinger die Zusammensetzung der Gegner an. „Das ist ein bunter Haufen. Da finden wir die alte Linke, die gegen den Weltkapitalismus wettert – da kommen die Linken bisweilen sehr linkisch daher. Dazu gesellen sich Rechtspopulisten und –demagogen, welche die Globalisierung durch die alte Welt der ‚Vaterländer‘ ersetzen wollen. Und – auf den ersten Blick ganz exotisch – stimmen auch große Unternehmen wie etwa SPAR in diesen Chor ein, was bei näherem Blick dann aber so verwunderlich gar nicht ist – immerhin teilen sich REWE und SPAR, mit Ausnahme einiger kleinerer Gambler, den österreichischen Lebensmittelhandel auf. Da ist das Interesse an neuen Marktteilnehmern absolut endenwollend.“
Die Sache mit dem Fluss
In der Sicht Bachingers sollten die Vor- und Nachteile des Freihandels abwägend beurteilt werden. Österreich als kleines, vom Außenhandel abhängiges Land kann einerseits vom verbesserten Zugang zu internationalen Märkten Nutzen ziehen, andererseits sei dem allzu euphorischen Mantra der Befürworter, demnach Freihandel, und damit jedes derartige Abkommen, per se den Wohlstand steigere, mit Skepsis zu begegnen.
Bachinger bringt diesbezüglich einen Vergleich, den er schon anlässlich eines MFG-Interviews 2009 in Sachen Wirtschafts- und Bankenkrise brachte: „Man muss sich den marktwirtschaftlichen Kapitalismus wie einen reißenden Fluss vorstellen, der ein unglaubliches energetisches Potenzial in sich birgt. Schafft man es, ihn regulierend in Bahnen zu lenken, etwa auch mittels Handelsverträgen, kann er beträchtliche gesellschaftliche benefits bewirken. Lässt man ihn aber ohne jegliche Eingriffe gewähren, kann er auch Verarmung, Zerstörungen und politische Verwerfungen auslösen.“
In der Sicht Bachingers sollten die Vor- und Nachteile des Freihandels abwägend beurteilt werden. Österreich als kleines, vom Außenhandel abhängiges Land kann einerseits vom verbesserten Zugang zu internationalen Märkten Nutzen ziehen, andererseits sei dem allzu euphorischen Mantra der Befürworter, demnach Freihandel, und damit jedes derartige Abkommen, per se den Wohlstand steigere, mit Skepsis zu begegnen.
Bachinger bringt diesbezüglich einen Vergleich, den er schon anlässlich eines MFG-Interviews 2009 in Sachen Wirtschafts- und Bankenkrise brachte: „Man muss sich den marktwirtschaftlichen Kapitalismus wie einen reißenden Fluss vorstellen, der ein unglaubliches energetisches Potenzial in sich birgt. Schafft man es, ihn regulierend in Bahnen zu lenken, etwa auch mittels Handelsverträgen, kann er beträchtliche gesellschaftliche benefits bewirken. Lässt man ihn aber ohne jegliche Eingriffe gewähren, kann er auch Verarmung, Zerstörungen und politische Verwerfungen auslösen.“
Exkurs: Eine kleine Geschichte des Freihandels
Diese Ambivalenz durchziehe die wissenschaftliche Debatte um die Auswirkungen des Freihandels von Anfang an. „Die Idee des Freihandels kommt im 18. Jahrhundert mit dem Wirtschaftsliberalismus auf. Dessen theoretischer Ahnvater Adam Smith sah in seinem Hauptwerk ‚Wealth of Nations‘ 1776 in der fortschreitenden Arbeitsteilung die Quelle für den wachsenden Volkswohlstand. Das hieß für ihn nicht nur innergesellschaftliche Arbeitsteilung, sondern auch Arbeitsteilung zwischen Ländern. Er illustriert dies an einem plakativen Beispiel: In seiner Heimat Schottland könnten durchaus ‚mit Hilfe von Gewächshäusern, Frühbeeten und heizbaren Treibmauern’ gute Weine hergestellt werden, allerdings um das Dreißigfache der Kosten, die u. a. bei französischen Bordeaux- und Burgunderweinen anfallen. Für Schotten ist es daher ökonomisch sinnvoll, das vorhandene Geld in den Ausbau der Fischerei und der Schafzucht zu investieren. Smiths Argument der absoluten Kostenvorteile wurde dann vierzig Jahre später durch David Ricardo weiter ausgebaut und verfeinert. Die Ricardianische Außenhandelstheorie bildet bis heute die Grundlage für das liberale Postulat nach Freihandel. Es ist wenig verwunderlich, dass diese Theorien allesamt von England ihren Ausgang nahmen, das als Mutterland der Industrialisierung in dieser Zeit allen anderen wirtschaftlich weit überlegen war.
Eine Art Gegenmodell zur ‚Smith-Schule‘ entwickelte zur Mitte des 19. Jahrhunderts der deutsche Nationalökonom Friedrich List. Er vertrat die Auffassung, dass der Freihandel nicht prinzipiell zu Wohlstandsgewinnen führt, sondern nur, wenn zwei gleichstarke Volkswirtschaften solchen betreiben. Erfolgt er hingegen zwischen einem hoch entwickelten und einem rückständigen Staat, so wird der schwächere auf der Strecke bleiben. Abschottung durch Zollmauern kann hingegen für ein nachholendes Land vorteilhaft sein. So bewirkte etwa die Kontinentalsperre während der Napoleonischen Kriege, dass in Deutschland die gewerbliche Produktion wieder aufblühte, weil sie vor der Übermacht der englischen Konkurrenz abgeschirmt war.“
Im Grunde sei Freihandel schon immer auch „als politische Ideologie“ verfolgt worden, insbesondere von den großen Industriestaaten. Dies zeige u.a. der aus Südkorea stammende und heute in Cambridge lehrende Wirtschaftswissenschaftler Ha-joon Chang. „Wenn ein noch wenig entwickeltes Land sich zu früh dem Freihandel öffnet, ist das so, als ob es sich selbst die Leiter für seinen wirtschaftlichen Aufstieg wegziehe. ‚Kicking Away the Ladder‘ lautet daher der Titel eines seiner lesenswerten Bücher. Und in einem anderen entlarvt er die politische Dimension der Freihandelsdoktrin: ‚Bad Samaritans. The Myth of Free Trade and the Secret History of Capitalism‘.“
Die traditionellen Kontroversen über Freihandel bilden heute aber nur mehr bedingt die aktuellen Problemlagen ab, „vor allem, weil Freihandel früher ausschließlich den freien Warenverkehr betraf. Heute hingegen geht es um weit mehr, wie es ja auch bereits im Namen von TTIP ganz explizit festgeschrieben ist: Transatlantic Trade And Investment Partnership. Es geht also vor allem um freien Kapitalverkehr, um den unbeschränkten Zugang zu Auslandsinvestitionen. Damit ergeben sich gegenüber früher ganz andere Diskursfelder, die in viele Lebensbereiche hineinwirken. Außerdem – auch das ist ein grundlegender Unterschied – standen früher Nationalstaaten in Konkurrenz zueinander, heute sind hingegen die großen internationalen Konzerne die wahren Akteure der Wirtschaft.“ Und um deren Gunst bzw. Kapital würden die Staaten buhlen. „Im Grunde genommen geht es in der globalisierten Wirtschaft darum, dass Länder versuchen, Rahmenbedingungen zu schaffen, um Konzerne bzw. Kapital ins Land zu locken, weil sie davon Wohlstandseffekte erhoffen. Das ist aber keine ausgemachte Sache, weil Konzerne ja nicht aus sozialen Motiven heraus agieren, sondern sich schlicht dort ansiedeln, wo sie für sich die besten Profitmöglichkeiten sehen.“ Auslandsinvestitionen wirkten also nicht a priori wohlstandsfördernd, relevant sei vielmehr die Frage, „ob sie nachhaltig die Wertschöpfung im Land steigern. Ist das der Fall, so ist Freihandel eine gute Sache. Wenn die Gewinne aber – wie wir es z.B. vielfach in Entwicklungsländern erleben – an den Mutterkonzern im Ausland zurückfließen, relativiert sich das schon wieder.“
Diese Ambivalenz durchziehe die wissenschaftliche Debatte um die Auswirkungen des Freihandels von Anfang an. „Die Idee des Freihandels kommt im 18. Jahrhundert mit dem Wirtschaftsliberalismus auf. Dessen theoretischer Ahnvater Adam Smith sah in seinem Hauptwerk ‚Wealth of Nations‘ 1776 in der fortschreitenden Arbeitsteilung die Quelle für den wachsenden Volkswohlstand. Das hieß für ihn nicht nur innergesellschaftliche Arbeitsteilung, sondern auch Arbeitsteilung zwischen Ländern. Er illustriert dies an einem plakativen Beispiel: In seiner Heimat Schottland könnten durchaus ‚mit Hilfe von Gewächshäusern, Frühbeeten und heizbaren Treibmauern’ gute Weine hergestellt werden, allerdings um das Dreißigfache der Kosten, die u. a. bei französischen Bordeaux- und Burgunderweinen anfallen. Für Schotten ist es daher ökonomisch sinnvoll, das vorhandene Geld in den Ausbau der Fischerei und der Schafzucht zu investieren. Smiths Argument der absoluten Kostenvorteile wurde dann vierzig Jahre später durch David Ricardo weiter ausgebaut und verfeinert. Die Ricardianische Außenhandelstheorie bildet bis heute die Grundlage für das liberale Postulat nach Freihandel. Es ist wenig verwunderlich, dass diese Theorien allesamt von England ihren Ausgang nahmen, das als Mutterland der Industrialisierung in dieser Zeit allen anderen wirtschaftlich weit überlegen war.
Eine Art Gegenmodell zur ‚Smith-Schule‘ entwickelte zur Mitte des 19. Jahrhunderts der deutsche Nationalökonom Friedrich List. Er vertrat die Auffassung, dass der Freihandel nicht prinzipiell zu Wohlstandsgewinnen führt, sondern nur, wenn zwei gleichstarke Volkswirtschaften solchen betreiben. Erfolgt er hingegen zwischen einem hoch entwickelten und einem rückständigen Staat, so wird der schwächere auf der Strecke bleiben. Abschottung durch Zollmauern kann hingegen für ein nachholendes Land vorteilhaft sein. So bewirkte etwa die Kontinentalsperre während der Napoleonischen Kriege, dass in Deutschland die gewerbliche Produktion wieder aufblühte, weil sie vor der Übermacht der englischen Konkurrenz abgeschirmt war.“
Im Grunde sei Freihandel schon immer auch „als politische Ideologie“ verfolgt worden, insbesondere von den großen Industriestaaten. Dies zeige u.a. der aus Südkorea stammende und heute in Cambridge lehrende Wirtschaftswissenschaftler Ha-joon Chang. „Wenn ein noch wenig entwickeltes Land sich zu früh dem Freihandel öffnet, ist das so, als ob es sich selbst die Leiter für seinen wirtschaftlichen Aufstieg wegziehe. ‚Kicking Away the Ladder‘ lautet daher der Titel eines seiner lesenswerten Bücher. Und in einem anderen entlarvt er die politische Dimension der Freihandelsdoktrin: ‚Bad Samaritans. The Myth of Free Trade and the Secret History of Capitalism‘.“
Die traditionellen Kontroversen über Freihandel bilden heute aber nur mehr bedingt die aktuellen Problemlagen ab, „vor allem, weil Freihandel früher ausschließlich den freien Warenverkehr betraf. Heute hingegen geht es um weit mehr, wie es ja auch bereits im Namen von TTIP ganz explizit festgeschrieben ist: Transatlantic Trade And Investment Partnership. Es geht also vor allem um freien Kapitalverkehr, um den unbeschränkten Zugang zu Auslandsinvestitionen. Damit ergeben sich gegenüber früher ganz andere Diskursfelder, die in viele Lebensbereiche hineinwirken. Außerdem – auch das ist ein grundlegender Unterschied – standen früher Nationalstaaten in Konkurrenz zueinander, heute sind hingegen die großen internationalen Konzerne die wahren Akteure der Wirtschaft.“ Und um deren Gunst bzw. Kapital würden die Staaten buhlen. „Im Grunde genommen geht es in der globalisierten Wirtschaft darum, dass Länder versuchen, Rahmenbedingungen zu schaffen, um Konzerne bzw. Kapital ins Land zu locken, weil sie davon Wohlstandseffekte erhoffen. Das ist aber keine ausgemachte Sache, weil Konzerne ja nicht aus sozialen Motiven heraus agieren, sondern sich schlicht dort ansiedeln, wo sie für sich die besten Profitmöglichkeiten sehen.“ Auslandsinvestitionen wirkten also nicht a priori wohlstandsfördernd, relevant sei vielmehr die Frage, „ob sie nachhaltig die Wertschöpfung im Land steigern. Ist das der Fall, so ist Freihandel eine gute Sache. Wenn die Gewinne aber – wie wir es z.B. vielfach in Entwicklungsländern erleben – an den Mutterkonzern im Ausland zurückfließen, relativiert sich das schon wieder.“
Die Sache mit der Globalisierung
In all den Diskussionen rund um Freihandelsabkommen, damit einhergehend heute auch um Globalisierung an sich, müsse also viel mehr die Frage nach der Teilhabe an etwaigen Wohlstandsgewinnen zentral sein. „Man muss nüchtern analysieren, was uns die Globalisierung – die im heutigen Sinne vor etwa 30, 35 Jahren ihren Ausgang genommen hat – gebracht hat? Profitiert haben definitiv einige Schwellenländer wie China und zum Teil Indien, nicht zuletzt deshalb, weil deren Heer von billigsten Arbeitskräften in einer globalisierten Wirtschaft besser verwertet werden kann – dann ist es aber auch schon wieder vorbei. Die Armutsregionen der Welt versinken weiter in Elend. Und auch die alten Industriestaaten haben keinen Nutzen gezogen bzw. – das ist vielleicht treffender formuliert – nicht alle ihre Bürger. Es kommt ja nicht von ungefähr, dass im höchstentwickelten kapitalistischen Land, in den USA, Donald Trump protektionistische Töne im Wahlkampf angeschlagen hat und damit auch gewinnen konnte. Die amerikanische Industrie hat ihre Produktionsstätten aus Kostengründen vielfach ins Ausland verlagert, die Möbelindustrie z. B. nach Mexiko, dadurch sind massenweise Arbeitsplätze verlorengegangen. Und das erleben wir zum Teil auch bei uns, dieses Auseinandergehen der Schere zwischen Arm und Reich. Der scheidende amerikanische Präsident Barack Obama hat jüngst in einer Rede in Athen mit bemerkenswerter Offenheit diese Problematik angesprochen. Die Dynamik der Globalisierung müsse allen Menschen zugute kommen und nicht nur einigen wenigen global players.“
So seien in vielen westlichen Industriestaaten die realen Masseneinkommen seit geraumer Zeit nicht mehr gestiegen, was Bachinger als logische Konsequenz des neoliberalen Paradigmas verortet. „Sein Ziel ist es, wie seine Prediger nicht selten ungeschminkt herausstellen, den Reichtum der Reichen zu vergrößern. Diese würden dann vermehrt Investitionen vornehmen, dadurch Arbeitsplätze schaffen und so den Wohlstand aller heben. Der Staat habe die Aktivitäten des privaten Kapitals in keiner Weise zu stören, seine Aufgabe bestehe nur darin, für Ruhe und Ordnung zu sorgen und als Krisenfeuerwehr zu fungieren, wenn der immer risikoreichere Wettlauf um Maximalprofite in Pleiten mündet, deren Kosten die Allgemeinheit zu tragen hat. Die alte Rede aus den 1970er-Jahren von der Privatisierung der Gewinne und der Sozialisierung der Verluste ist zur Alltagsrealität geworden.“
Spätestens nach der Finanzkrise von 2008/09 habe sich „das neoliberale Dogma als Schimäre erwiesen, aber es wird weiterhin aufrechterhalten. Die Politik, die nicht nur in Europa mit wirtschaftlicher Stagnation, explodierender Arbeitslosigkeit und einem Anschwellen von Migrationswellen konfrontiert ist, sucht, sichtlich hilflos ihr Heil in einer noch höheren Dosierung der alten Rezepte. Also: noch mehr Deregulierung, noch mehr Liberalisierung.“
In all den Diskussionen rund um Freihandelsabkommen, damit einhergehend heute auch um Globalisierung an sich, müsse also viel mehr die Frage nach der Teilhabe an etwaigen Wohlstandsgewinnen zentral sein. „Man muss nüchtern analysieren, was uns die Globalisierung – die im heutigen Sinne vor etwa 30, 35 Jahren ihren Ausgang genommen hat – gebracht hat? Profitiert haben definitiv einige Schwellenländer wie China und zum Teil Indien, nicht zuletzt deshalb, weil deren Heer von billigsten Arbeitskräften in einer globalisierten Wirtschaft besser verwertet werden kann – dann ist es aber auch schon wieder vorbei. Die Armutsregionen der Welt versinken weiter in Elend. Und auch die alten Industriestaaten haben keinen Nutzen gezogen bzw. – das ist vielleicht treffender formuliert – nicht alle ihre Bürger. Es kommt ja nicht von ungefähr, dass im höchstentwickelten kapitalistischen Land, in den USA, Donald Trump protektionistische Töne im Wahlkampf angeschlagen hat und damit auch gewinnen konnte. Die amerikanische Industrie hat ihre Produktionsstätten aus Kostengründen vielfach ins Ausland verlagert, die Möbelindustrie z. B. nach Mexiko, dadurch sind massenweise Arbeitsplätze verlorengegangen. Und das erleben wir zum Teil auch bei uns, dieses Auseinandergehen der Schere zwischen Arm und Reich. Der scheidende amerikanische Präsident Barack Obama hat jüngst in einer Rede in Athen mit bemerkenswerter Offenheit diese Problematik angesprochen. Die Dynamik der Globalisierung müsse allen Menschen zugute kommen und nicht nur einigen wenigen global players.“
So seien in vielen westlichen Industriestaaten die realen Masseneinkommen seit geraumer Zeit nicht mehr gestiegen, was Bachinger als logische Konsequenz des neoliberalen Paradigmas verortet. „Sein Ziel ist es, wie seine Prediger nicht selten ungeschminkt herausstellen, den Reichtum der Reichen zu vergrößern. Diese würden dann vermehrt Investitionen vornehmen, dadurch Arbeitsplätze schaffen und so den Wohlstand aller heben. Der Staat habe die Aktivitäten des privaten Kapitals in keiner Weise zu stören, seine Aufgabe bestehe nur darin, für Ruhe und Ordnung zu sorgen und als Krisenfeuerwehr zu fungieren, wenn der immer risikoreichere Wettlauf um Maximalprofite in Pleiten mündet, deren Kosten die Allgemeinheit zu tragen hat. Die alte Rede aus den 1970er-Jahren von der Privatisierung der Gewinne und der Sozialisierung der Verluste ist zur Alltagsrealität geworden.“
Spätestens nach der Finanzkrise von 2008/09 habe sich „das neoliberale Dogma als Schimäre erwiesen, aber es wird weiterhin aufrechterhalten. Die Politik, die nicht nur in Europa mit wirtschaftlicher Stagnation, explodierender Arbeitslosigkeit und einem Anschwellen von Migrationswellen konfrontiert ist, sucht, sichtlich hilflos ihr Heil in einer noch höheren Dosierung der alten Rezepte. Also: noch mehr Deregulierung, noch mehr Liberalisierung.“
Der Teufel steckt im Detail
Wohl nicht zuletzt aus dieser Grundkonstellation heraus rühre auch die verbreitete Skepsis gegenüber CETA und TTIP – die Bürger befürchten eine weitere massive und dann allumfassende Einflussnahme der Wirtschaft. Tatsächlich stecke der Teufel aber im Detail – man müsse die Abkommen eben sehr genau auf ihren Inhalt abklopfen, um Ängste argumentativ und substanziell zu entkräften. Und man müsse Grundsatzentscheidungen treffen. „Wollen wir z.B. in Österreich unsere klein- bis mittelbäuerliche Landwirtschaft der Übermacht internationaler Agrarkonzerne aussetzen oder wollen wir aus guten Gründen die bestehenden Strukturen erhalten? Sollen öffentliche Güter wie Bildungs- und Gesundheitswesen, Verkehrsinfrastruktur, Wasser- und Abfallwirtschaft etc. weiterhin vorwiegend durch Staat, Länder und Gemeinden bereitgestellt werden oder wollen wir diese Bereiche vermehrt dem privaten Gewinninteresse überantworten? Diese Grundsatzentscheidungen, demokratisch legitimiert, müssten dann in die Verträge einfließen und abgesichert werden.“
Bachinger geht auch auf die Diskussion um Schiedsgerichte ein. „Deren Funktion, deren Zuständigkeitsbereiche müssen ganz klar definiert werden. Einerseits ist es nachvollziehbar, dass sich Investoren darauf verlassen möchten, dass Abmachungen eingehalten werden. Andererseits wurde, zumindest einmal bei CETA, auch das right to regulate der Regierungen festgeschrieben. Was heißt das aber bei einem politischen Perspektivenwechselwechsel in einem Land? Aktuell ist ja der Fall von Vattenfall bekannt, das Deutschland vor einem Schiedsgericht aufgrund seines Beschlusses zum Ausstieg aus der Atomenergie und damit auslaufender Genehmigungen geklagt hat.“
Gerade die Frage der Schiedsgerichte sind dem Vernehmen nach ja in den Verhandlungen rund um TTIP zwischen den USA und Europa einer der ganz großen Knackpunkte, wobei Bachinger dieses Handelsabkommen nach dem Wahlsieg Donald Trumps und seinem Bekenntnis zum Protektionismus während des Wahlkampfes ohnedies bis auf weiteres „für tot“ hält. Schlimme Folgen hätte das seiner Ansicht nach aber ohnedies nicht. „Die EU-Kommission stützt sich in ihrer Erwartungshaltung auf eine von ihr beim Centre for Economic Policy Research in Auftrag gegebene Studie, die ergibt, dass bei einem Anpassungszeitraum von zehn Jahren TTIP der EU und den USA ein zusätzliches durchschnittliches Wachstum beim BIP von weniger als 0,05 Prozentpunkte pro Jahr bringen würde. Das ist verschwindend gering.“
Worauf es seinem Dafürhalten grundsätzlich viel mehr ankommt, betrifft die Beantwortung der Frage, „wie wir unseren Wohlstand auch in Zukunft bewahren können.“ Bachinger plädiert diesbezüglich für eine wirtschaftspolitische Neuorientierng, die man auch als eine Art Mittelweg deuten könnte: „Bedingungslos auf die Verheißungen eines überbordenden Neoliberalismus zu setzen, dessen Glanzlack zunehmend abblättert, ist keine Lösung. Damit könnten wir uns die Leiter zum Wohlstand selbst wegziehen. Der Beschwörung einer umzäunten Schrebergarten-Idylle nachzugeben, wie sie eine populistische Gestrigkeit propagiert, wäre ein noch fatalerer Irrweg. Notwendig ist viel mehr, dass Staat und Gesellschaft, wie vor der neoliberalen Ära, wieder mehr gestaltend auf das Wirtschaftsleben einwirken. Ebenso, dass – um auf die vorige Metapher zurückzukommen – der große reißende Fluss namens globaler Kapitalismus wieder in ein Bett geleitet wird, das der Masse der Menschen eine Zukunftsperspektive bietet und eine vermehrte Teilhabe an den Wohlstandsgewinnen ermöglicht. Das ist die Herausforderung unserer Gegenwart!“
Könne man dies bewerkstelligen und den „Menschen ein Licht am Ende des Tunnels vermitteln, dann werden die Spukgestalten unserer derzeitigen politischen Dämmerung – die Fremdenfeindlichkeit ebenso wie die Erosion des gesellschaftlichen Zusammenhalts im Sinne von ‚wir da unten, das ‚Volk‘ versus die da oben, das Establishment und System‘ – sich verflüchtigen. Gelingt es nicht, gehen wir dunklen Zeiten entgegen.“
Wohl nicht zuletzt aus dieser Grundkonstellation heraus rühre auch die verbreitete Skepsis gegenüber CETA und TTIP – die Bürger befürchten eine weitere massive und dann allumfassende Einflussnahme der Wirtschaft. Tatsächlich stecke der Teufel aber im Detail – man müsse die Abkommen eben sehr genau auf ihren Inhalt abklopfen, um Ängste argumentativ und substanziell zu entkräften. Und man müsse Grundsatzentscheidungen treffen. „Wollen wir z.B. in Österreich unsere klein- bis mittelbäuerliche Landwirtschaft der Übermacht internationaler Agrarkonzerne aussetzen oder wollen wir aus guten Gründen die bestehenden Strukturen erhalten? Sollen öffentliche Güter wie Bildungs- und Gesundheitswesen, Verkehrsinfrastruktur, Wasser- und Abfallwirtschaft etc. weiterhin vorwiegend durch Staat, Länder und Gemeinden bereitgestellt werden oder wollen wir diese Bereiche vermehrt dem privaten Gewinninteresse überantworten? Diese Grundsatzentscheidungen, demokratisch legitimiert, müssten dann in die Verträge einfließen und abgesichert werden.“
Bachinger geht auch auf die Diskussion um Schiedsgerichte ein. „Deren Funktion, deren Zuständigkeitsbereiche müssen ganz klar definiert werden. Einerseits ist es nachvollziehbar, dass sich Investoren darauf verlassen möchten, dass Abmachungen eingehalten werden. Andererseits wurde, zumindest einmal bei CETA, auch das right to regulate der Regierungen festgeschrieben. Was heißt das aber bei einem politischen Perspektivenwechselwechsel in einem Land? Aktuell ist ja der Fall von Vattenfall bekannt, das Deutschland vor einem Schiedsgericht aufgrund seines Beschlusses zum Ausstieg aus der Atomenergie und damit auslaufender Genehmigungen geklagt hat.“
Gerade die Frage der Schiedsgerichte sind dem Vernehmen nach ja in den Verhandlungen rund um TTIP zwischen den USA und Europa einer der ganz großen Knackpunkte, wobei Bachinger dieses Handelsabkommen nach dem Wahlsieg Donald Trumps und seinem Bekenntnis zum Protektionismus während des Wahlkampfes ohnedies bis auf weiteres „für tot“ hält. Schlimme Folgen hätte das seiner Ansicht nach aber ohnedies nicht. „Die EU-Kommission stützt sich in ihrer Erwartungshaltung auf eine von ihr beim Centre for Economic Policy Research in Auftrag gegebene Studie, die ergibt, dass bei einem Anpassungszeitraum von zehn Jahren TTIP der EU und den USA ein zusätzliches durchschnittliches Wachstum beim BIP von weniger als 0,05 Prozentpunkte pro Jahr bringen würde. Das ist verschwindend gering.“
Worauf es seinem Dafürhalten grundsätzlich viel mehr ankommt, betrifft die Beantwortung der Frage, „wie wir unseren Wohlstand auch in Zukunft bewahren können.“ Bachinger plädiert diesbezüglich für eine wirtschaftspolitische Neuorientierng, die man auch als eine Art Mittelweg deuten könnte: „Bedingungslos auf die Verheißungen eines überbordenden Neoliberalismus zu setzen, dessen Glanzlack zunehmend abblättert, ist keine Lösung. Damit könnten wir uns die Leiter zum Wohlstand selbst wegziehen. Der Beschwörung einer umzäunten Schrebergarten-Idylle nachzugeben, wie sie eine populistische Gestrigkeit propagiert, wäre ein noch fatalerer Irrweg. Notwendig ist viel mehr, dass Staat und Gesellschaft, wie vor der neoliberalen Ära, wieder mehr gestaltend auf das Wirtschaftsleben einwirken. Ebenso, dass – um auf die vorige Metapher zurückzukommen – der große reißende Fluss namens globaler Kapitalismus wieder in ein Bett geleitet wird, das der Masse der Menschen eine Zukunftsperspektive bietet und eine vermehrte Teilhabe an den Wohlstandsgewinnen ermöglicht. Das ist die Herausforderung unserer Gegenwart!“
Könne man dies bewerkstelligen und den „Menschen ein Licht am Ende des Tunnels vermitteln, dann werden die Spukgestalten unserer derzeitigen politischen Dämmerung – die Fremdenfeindlichkeit ebenso wie die Erosion des gesellschaftlichen Zusammenhalts im Sinne von ‚wir da unten, das ‚Volk‘ versus die da oben, das Establishment und System‘ – sich verflüchtigen. Gelingt es nicht, gehen wir dunklen Zeiten entgegen.“
Exportland Österreich
Österreichs Exportquote liegt bei knapp 54% des BIP, dh Österreich erwirtschaftet über fünf von zehn Euro durch den Export. Das Gesamtexportvolumen betrug 2015 über 131 Milliarden Euro (1995, als Österreich der EU beitrat, waren es 37 Milliarden). Laut Wirtschaftskammer (WK) ist jeder zweite Job in Österreich direkt oder indirekt vom Export abhängig. Pro Milliarde Euro Export, so Schätzungen der WK, werden 6.000 neue Jobs geschaffen.
Über 69% des Außenhandels Österreichs werden laut Statistik Austria mit EU-Partnern abgewickelt, wobei Deutschland mit einem Anteil von ca. 30% der Exporte Österreichs wichtigster Handelspartner ist. Rund 10% der Exporte gehen nach Asien, 9% nach Amerika, wobei die USA als Einzelland nach Deutschland Österreichs zweitwichtigster Exportpartner sind.
Über 69% des Außenhandels Österreichs werden laut Statistik Austria mit EU-Partnern abgewickelt, wobei Deutschland mit einem Anteil von ca. 30% der Exporte Österreichs wichtigster Handelspartner ist. Rund 10% der Exporte gehen nach Asien, 9% nach Amerika, wobei die USA als Einzelland nach Deutschland Österreichs zweitwichtigster Exportpartner sind.
CETA & TTIP & TiSA
CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement) ist ein europäisch-kanadisches Freihandelsabkommen, das seit 2009 verhandelt und diesen Herbst von der EU-Kommission und dem kanadischen Premierminister unterzeichnet wurde. Es bedarf, da es als gemischstes Abkommen eingestuft wurde, neben der Ratifizierung durch den Europarat, das Europaparlament sowie das kanadische Parlament auch der Zustimmung sämtlicher Parlamente der EU-Mitgliedsstaaten. Jene Bereiche, die im alleinigen Zuständigkeitsbereich der EU liegen, sollen bereits nach der Ratifizierung durch das EU-Parlament kommendes Jahr in Kraft treten und damit vorläufig Anwendung finden. Ausgenommen von der vorläufigen Anwendung sind u.a. auch die umstrittenen Schiedsgerichte. Es wird erwartet, dass deren Rechtmäßigkeit durch den Europäischen Gerichtshof (Belgien wird diesen auf Wunsch des wallonischen Regionalparlaments anrufen) überprüft werden wird.
TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership), deutsch Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft, ist ein im Verhandlungsstadium befindliches, geplantes Freihandels- und Investitionsschutzabkommen zwischen der EU und den USA. Es würde damit die größte Freihandelszone der Welt geschaffen. Die Verhandlungen wurden 2013 gestartet. Seitens der EU-Mitgliedstaaten wurde die EU-Kommission mit den Verhandlungen betraut, politisch verantwortlich hierfür ist EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström, Chefunterhändler ist Ignacio Bercereo von der EU-Generaldirektion Handel.
Das Abkommen wird 24 Kapitel umfassen. Bisher fanden 15 Verhandlungsrunden statt, die letzte im Oktober 2016. Bislang konnte zwischen den Verhandlungspartnern allerdings noch in keinem einzigen Kapitel Einigung erzielt werden, weshalb nicht mit einem raschen Ergebnis gerechnet wird. Nach freihandelskritischen Aussagen des designierten US-Präsidenten Donald Trump während des Wahlkampfes halten viele die TTIP Verhandlungen bis auf weiteres für gescheitert.
Das Abkommen wird 24 Kapitel umfassen. Bisher fanden 15 Verhandlungsrunden statt, die letzte im Oktober 2016. Bislang konnte zwischen den Verhandlungspartnern allerdings noch in keinem einzigen Kapitel Einigung erzielt werden, weshalb nicht mit einem raschen Ergebnis gerechnet wird. Nach freihandelskritischen Aussagen des designierten US-Präsidenten Donald Trump während des Wahlkampfes halten viele die TTIP Verhandlungen bis auf weiteres für gescheitert.
TiSA (Trade in Services Agreement), deutsch Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen, ist eine in Verhandlung befindliche geplante Nachfolgevereinbarung des GATS (General Agreement on Trade in Services) in Form eines völkerrechtlichen Vertrages zwischen 23 Mitgliedern der WTO (Welthandelsorganisation), darunter auch die EU. TiSA wird seit 2013 verhandelt. Mit TiSA sollen, wie die EU-Kommission formuliert, „Märkte geöffnet und die Regelungen in Bereichen wie Lizensierung, Finanzdienstleistungen, Telekommunikation, elektronischer Handel, Seeverkehr und grenzüberschreitende Arbeitnehmermobilität im Dienstleistungssektor verbessert werden.“ Man erhofft sich davon mehr Wirtschaftswachstum und neue Arbeitsplätze. Kritiker hingegen befürchten eine Deregulierung auch öffentlicher Dienstleistungen der Daseinsvorsorge (Wasser, Energie, Bildung, Verkehr, Gesundheit etc.) und damit einen Angriff auf nationale Souveränität. Zudem steht die Geheimhaltung der Verhandlungen in der Kritik. Bis November 2016 haben 21 Verhandlungsrunden am Verhandlungsstandort Genf stattgefunden.
PRO & CONTRA
Das versprechen sich die Befürworter
• Schaffung der weltgrößten Freihandelszone (TTIP) und damit eine Stärkung im globalen
Wettbewerb
• Vertiefung gemeinsamer Werte
• Abbau von Handelshemmnissen
• Vereinfachter Zugang zum jeweils anderen Markt durch weniger Zölle, gleiche Normen bei Produkten und internationalen Ausschreibungen
• Größeres Warenangebot und niedrigere Preise für die Konsumenten
• Gegenseitige Anerkennung von Waren oder Produktionsverfahren (diese erfolgen nach dem Äquivalenzabkommen, d. h. es muss Gleichwertigkeit der EU- und US-Vorschriften bestehen, was von vielen Kritikern aber bezweifelt wird.)
• Zusätzliches Wirtschaftswachstum, mehr Arbeitsplätze, steigende Einkommen (Die EU-Kommission geht – basierend auf einer Studie des Centre for Economic Policy Research– von einem zusätzlichen Wirtschaftswachstum von 0,5 % des BIP bis 2027 aus; eine ifo-Studie im Auftrag der deutschen Bundesregierung schätzt, das bis zu 400.000 neue Arbeitsplätze in der EU durch TTIP geschaffen werden und sich auf Sicht das Pro-Kopf-Einkommen erhöht; eine Studie des European Centre for International Political Economy geht ab 2029 von einem jährlichen zusätzlichen Wirtschaftswachstum im Promillebereich aus; eine Analyse von Jeronim Capaldo geht hingegen von negativen Effekten aus, bis zu 600.000 Arbeitsplätze könnten in der EU verloren gehen.)
• Mehr Direktinvestitionen
• Schaffung der weltgrößten Freihandelszone (TTIP) und damit eine Stärkung im globalen
Wettbewerb
• Vertiefung gemeinsamer Werte
• Abbau von Handelshemmnissen
• Vereinfachter Zugang zum jeweils anderen Markt durch weniger Zölle, gleiche Normen bei Produkten und internationalen Ausschreibungen
• Größeres Warenangebot und niedrigere Preise für die Konsumenten
• Gegenseitige Anerkennung von Waren oder Produktionsverfahren (diese erfolgen nach dem Äquivalenzabkommen, d. h. es muss Gleichwertigkeit der EU- und US-Vorschriften bestehen, was von vielen Kritikern aber bezweifelt wird.)
• Zusätzliches Wirtschaftswachstum, mehr Arbeitsplätze, steigende Einkommen (Die EU-Kommission geht – basierend auf einer Studie des Centre for Economic Policy Research– von einem zusätzlichen Wirtschaftswachstum von 0,5 % des BIP bis 2027 aus; eine ifo-Studie im Auftrag der deutschen Bundesregierung schätzt, das bis zu 400.000 neue Arbeitsplätze in der EU durch TTIP geschaffen werden und sich auf Sicht das Pro-Kopf-Einkommen erhöht; eine Studie des European Centre for International Political Economy geht ab 2029 von einem jährlichen zusätzlichen Wirtschaftswachstum im Promillebereich aus; eine Analyse von Jeronim Capaldo geht hingegen von negativen Effekten aus, bis zu 600.000 Arbeitsplätze könnten in der EU verloren gehen.)
• Mehr Direktinvestitionen
Das befürchten die Kritiker
• Aufweichen europäischer Verbraucherstandards
• Öffnung des Marktes für gentechnisch manipulierte Lebensmittel (In CETA bleibt die europäische Beschränkung für genmanipulierte Lebensmittel unangetastet. Es soll aber ein Dialogforum gebildet werden, dessen Ziele in den Augen der Gegner zu gentechnikfreundlich formuliert sind.)
• Aufweichung des europäischen Vorsorgeprinzips. In Europa gilt das Vorsorgeprinzip – vor Einführung eines Produktes muss dessen Unbedenklichkeit nachgewiesen werden. In den USA gilt hingegen das Nachsorgeprinzip – ein Produkt darf solange verkauft werden, bis eine etwaige Schädlichkeit wissenschaftlich nachgewiesen ist. (Im CETA-Vertrag mit Kanada bezieht sich die Lebensmittelsicherheit auf die für das Vorsorgeprinzip Regeln der World Trade Organization. Prinzipiell ist das Vorsorgeprinzip im Vertrag aber nicht wörtlich genannt und somit für andere Bereiche nicht bindend, was Kritiker beanstanden. Das Vorsorgeprinzip ist allerdings im EU-Primärrecht verankert und kann – so die Meinung mancher Juristen – nicht durch Freihandelsabkommen ausgesetzt werden.)
• Private Schiedsgerichte anstatt nationaler Gerichtsbarkeit. (In CETA ist nach langen Verhandlungen die Einrichtung ständig öffentlicher Gerichtshöfe anstelle von rein privaten Schiedsgerichten vereinbart worden, deren Verfahren transparent und öffentlich einsehbar sein müssen. Auch eine Berufungsinstanz ist vorgesehen, das Modell eines internationalen Handeslgerichtshofes ist angedacht, der auch bei Streitfällen anderer Staaten richten könnte. De facto wartet man nun auf eine Einschätzung des Europäischen Gerichtshofes, weshalb die Schiedsgerichte vorläufig noch nicht eingeführt werden.)
• Reduzierung von Umwelt-, Sozial- und Verbraucherstandards aufgrund des Investorenschutzes. (In CETA wird in einem eigenen Artikel bekräftigt, dass Regierungen nach wie vor Umwelt- und Verbraucherschutzgesetze verabschieden dürfen [right to regulate], ohne Klagen ausländischer Konzerne fürchten zu müssen. Kritiker monieren allerdings die vagen Definitionen, in welchen Fällen der Investorenschutz tatsächlich greift.)
• Amerikanische Unternehmen könnten CETA als „trojanisches Pferd“ nutzen, um mit ihren Zweigniederlassungen in Kanada Klagerechte gegen EU-Staaten zu erhalten.
• Aufweichen europäischer Verbraucherstandards
• Öffnung des Marktes für gentechnisch manipulierte Lebensmittel (In CETA bleibt die europäische Beschränkung für genmanipulierte Lebensmittel unangetastet. Es soll aber ein Dialogforum gebildet werden, dessen Ziele in den Augen der Gegner zu gentechnikfreundlich formuliert sind.)
• Aufweichung des europäischen Vorsorgeprinzips. In Europa gilt das Vorsorgeprinzip – vor Einführung eines Produktes muss dessen Unbedenklichkeit nachgewiesen werden. In den USA gilt hingegen das Nachsorgeprinzip – ein Produkt darf solange verkauft werden, bis eine etwaige Schädlichkeit wissenschaftlich nachgewiesen ist. (Im CETA-Vertrag mit Kanada bezieht sich die Lebensmittelsicherheit auf die für das Vorsorgeprinzip Regeln der World Trade Organization. Prinzipiell ist das Vorsorgeprinzip im Vertrag aber nicht wörtlich genannt und somit für andere Bereiche nicht bindend, was Kritiker beanstanden. Das Vorsorgeprinzip ist allerdings im EU-Primärrecht verankert und kann – so die Meinung mancher Juristen – nicht durch Freihandelsabkommen ausgesetzt werden.)
• Private Schiedsgerichte anstatt nationaler Gerichtsbarkeit. (In CETA ist nach langen Verhandlungen die Einrichtung ständig öffentlicher Gerichtshöfe anstelle von rein privaten Schiedsgerichten vereinbart worden, deren Verfahren transparent und öffentlich einsehbar sein müssen. Auch eine Berufungsinstanz ist vorgesehen, das Modell eines internationalen Handeslgerichtshofes ist angedacht, der auch bei Streitfällen anderer Staaten richten könnte. De facto wartet man nun auf eine Einschätzung des Europäischen Gerichtshofes, weshalb die Schiedsgerichte vorläufig noch nicht eingeführt werden.)
• Reduzierung von Umwelt-, Sozial- und Verbraucherstandards aufgrund des Investorenschutzes. (In CETA wird in einem eigenen Artikel bekräftigt, dass Regierungen nach wie vor Umwelt- und Verbraucherschutzgesetze verabschieden dürfen [right to regulate], ohne Klagen ausländischer Konzerne fürchten zu müssen. Kritiker monieren allerdings die vagen Definitionen, in welchen Fällen der Investorenschutz tatsächlich greift.)
• Amerikanische Unternehmen könnten CETA als „trojanisches Pferd“ nutzen, um mit ihren Zweigniederlassungen in Kanada Klagerechte gegen EU-Staaten zu erhalten.
Infos zu diversen Handelsabkommen findet man auf den Websites von EU-Kommission, Wirtschaftsministerium, WK, AK, IV, weiters zahlreichen NGOs wie Greenpeace, ATTAC, Foodwatch etc. und diversen Medien (wikipedia, spiegel.de etc.)