Reversieren, bitte!
Ausgabe
Was er nicht alles werden soll, der Domplatz „neu“: täglicher Marktplatz, Flaniermeile mit Schanigärten, Aufmarschareal für kirchliche Prozessionen, Veranstaltungsraum, historisches „Zeitfenster“ für die archäologischen Funde darunter und – spätestens jetzt wird’s spannend – auch wieder Parkplatz.
Darum hat sich – zurecht – die größte und leidenschaftlichste Debatte entbrannt.
Das Bemerkenswerte an der Diskussion ist nämlich, dass die vehementen Befürworter für die Erhaltung von Autoabstellplätzen am Domplatz bislang statistisch fundierte Daten, welche ihre Befürchtungen von wegen Kundenabfluss & Co. untermauern würden, bislang gänzlich schuldig bleiben. Die Erklärung dafür ist denkbar einfach: Es gibt sie nicht!
Um dies zu begreifen, genügte schon ein Blick in die eigene St. Pöltner Historie. Vom Start der Kremsergasse als Fußgängerzone anno dazumal, über die Autobefreiung des Rathausplatzes (der allerdings erst durch die Schanigartenverordnung seinen eigentlichen Drive erhielt, was der Politik Mahnung genug sein sollte, ein sinnvolles Gesamtkonzept zu entwickeln anstelle eines lauen „Kompromisses“) bis hin zur jüngsten Erweiterung der Fußgängerzone – immer war zuvor über den Untergang des geschäftlichen Abendlandes gefaselt worden. Und was ist passiert? Die Frequenzen sind , wie gerade letztgenannte Erweiterung belegt, gestiegen!
Auch der Schmonzes von wegen „wie soll ich mit den Einkäufen soweit marschieren“ kocht immer wieder hoch – nur muss man auch bei autofreiem Domplatz nicht mehr oder weniger als bisher marschieren, im Übrigen auch nicht länger als die von der FPÖ einmal ins Spiel gebrachten fünf Minuten, weil so riesig ist die FUZO dann auch wieder nicht. Rund um die Innenstadt gibt es Tiefgaragen, die – auch wenns die Gegner nicht zur Kenntnis nehmen möchten – schon jetzt nicht ausgelastet sind. Zudem werden aktuell bereits „Ersatzplätze“ geschaffen, etwa im neuen Parkdeck am Bahnhofsplatz, in dem eine Ebene für Innenstadtbesucher vorbehalten ist. Zudem hofft man nach wie vor, dass die Diözese ihr Njet zu einer Tiefgarage unter dem Diözesangarten vielleicht doch noch revidiert, und auch private Betreiber haben in Bälde neue Eisen im Feuer. Die Mär von zu wenig Parkplätzen ist schlichtweg eine Lüge.
Kurzum: Die Diskussion wird ausschließlich auf Ebene emotionaler Befindlichkeiten, in manch Fällen auch ureigenster persönlicher Interessen im Sinne der Erhaltung des Parkplatzes vor der Haustür geführt – wobei letzteres wenigstens noch menschlich verständlich ist. Nur – kann dieser krude Mix tatsächlich ausreichen 70, wie von der SPÖ kolportiert, oder gar 100 Stellplätze, wie von der ÖVP gefordert (die absurderweise zugleich fordert „Unser Ziel: Ein Leben ohne Auto muss in St. Pölten möglich sein“) , zu rechtfertigen?! Dies würde einer abermaligen Belegung des Platzes von einem Drittel bis zur Hälfte bedeuten! Da sollte man am besten gleich die Finger davon lassen und den Status Quo fortschreiben.
Kurzum: Wenn wir schon den Domplatz neu gestalten – was angesichts der aktuellen Asphaltwüste eine unbestritten gute Idee ist, wenigstens darin scheint man sich einig – dann bitte gleich ordentlich. Geben wir uns nicht mit halben Sachen zu frieden, die uns im Nachhinein wieder leid tun, wie anno dazumal die Umsetzung zu weniger Parkebenen in der Rathausplatztiefgarage – dann würden wir die aktuelle Diskussion um den Domplatz vielleicht jetzt gar nicht führen müssen. Erkämpfen wir uns unsere Lebensräume zurück – die Autos lassen wir derweil in Parkgaragen, Parkdecks und den anderen Abstellplätzen verschwinden. Dass das machbar, ja bereits Realität ist, und dieses stichhaltigste Argument von allen kann bislang kein einziger Parkplatzbefürworter entkräften: Die mit Abstand frequenz- und umsatzstärksten Tage in der St. Pöltner Innenstadt sind Donnerstag und Samstag, und – welch Wunder – an diesen Tagen ist der Domplatz bereits autofrei!
Ein Gedanke zum Schluss, weil immer ein „2 Phasenplan“ herumgeistert – Step 1 Parkplätze, Step 2 autofrei in ferner Zukunft. Warum den Ansatz nicht einfach umkehren: In Phase 1 gibt man autofrei eine Chance, auf Basis einer verpflichtenden Evaluierung ein Jahr später wird dann – auf Basis von Fakten und Erfahrungen, nicht irrationalen Vermutungen– entschieden, ob es sich bewährt hat oder in einer Phase 2 doch Parkplätze umgesetzt werden müssen.
Denn wenn wir schon bei Autos: Man kann, wenn man klug ist, in einer Sackgasse auch reversieren,
zurückfahren, und die richtige Abzweigung nehmen. Man muss nicht stur bis ans Ende der Sackgasse fahren, bis es kein Weiter mehr gibt.