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UTOPIA


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St. Pöltens gute Seite

UTOPIA

Text Johannes Reichl
Ausgabe 03/2017

Die Art selbst, wie sie Theater machen, mutet schon „utopisch“ an, auch wenn YZMA einräumen, „dass es diese Form sicher schon gegeben hat.“ In St. Pölten bringt das Ensemble „Utopia“ auf die Bühne und hat damit bereits im Vorfeld dafür gesorgt, dass auch wir uns des Themas annahmen.

Woher kommt eigentlich euer Name?
YZMA war die böse Hexe aus „Ein Königreich für ein Lama“. Da wir alle große Disney-Fans sind, war relativ rasch klar, wenn schon ein Name für unsere Theatergruppe, dann muss es dieser sein – YZMA ist ja eine sehr prägnante Figur im Film. Unser Gründungsjahr war 2014 – damals haben wir mit „Morsch“ beim Newcomer Wettbewerb des Theaters in der Drachengasse gewonnen und waren eines von vier Stücken, die Teil einer Aufführung waren, die regulär im Spielplan stand.

Euer Zugang zum Theater ist ja sehr eigen, könnt ihr den kurz umreißen?
Unser Hauptaugenmerk liegt darauf, ein Stück selbst zu entwickeln, das heißt wir gehen nicht von einem fertigen Drama oder Text aus, sondern von einem Thema, das wir in einem mehrwöchigen Prozess – der Recherchephase, Improvisationsphase und Probezeit umfasst – umkreisen. Daraus entsteht erst der eigentliche Text und ganz am Schluss das Stück an sich, das zumeist erst etwa drei Tage vor der Aufführung wirklich fertig ist. Für UTOPIA hatten wir 680 Seiten Rohmaterial zusammengetragen, das wir dann letztlich auf rund 90 Minuten eingedampft haben.

Wobei ihr diesmal ja insofern eine Ausnahme gemacht habt, dass ihr sehr wohl von einer Textvorlage ausgegangen seid: Thomas Morus‘ Utopia. Wie kam es dazu?
Ganz pragmatisch gesprochen: Der Text-Vorschlag kam vom Landestheater, das uns eingeladen hat, dazu etwas zu machen. Da haben wir gern zugesagt, weil Utopie ein Thema ist, das uns selbst sehr fasziniert, ebenso wie wir das heurige Spielplanthema „Die Welt ist groß“ spannend finden und bei Morus auch den Gedanken der Seefahrt. Wir bringen aber nicht den Morus-Text als solchen auf die Bühne, sondern haben wieder ein eigenes Stück entwickelt. Wir haben uns dabei zu Morus hin- und wieder wegbewegt, haben dieses ganze Zwischenreich zwischen der Entstehungszeit des Buches vor 500 Jahren und der Gegenwart, insbesondere auch der niederösterreichischen, ausgelotet und die Frage nach der Zukunft, der Utopie gestellt. Daraus sind zehn Thesen geworden.

Auf eurem Weg habt ihr auch zahlreiche realisierte Utopien – oder wie im Falle Zwentendorfs auch gescheiterte – in Niederösterreich besucht, eure Eindrücke und Ergebnisse lässt ihr in das Stück einfließen. Welche Projekte haben euch am meisten fasziniert?
Sehr beeindruckend war etwa das Cohousing Projekt Pomali in Oberwölbling, wo die Bewohner ihren Alltag gemeinsam regeln. Es klingt ja verrückt und ein bisschen esoterisch – aber wenn man dort hinkommt, fühlt man sich mit einem Mal ruhiger. Es herrschen ganz andere Vibes vor und man hat den Eindruck, dass die Menschen einander wohlgesonnen sind, was ja leider nicht überall der Fall ist. Die Bewohner leben nach dem Prinzip der Soziokratur, alle Beschlüsse, welche das Zusammenleben betreffen, müssen einstimmig gefällt werden, jeder hat ein Vetorecht! Zunächst dachten wir, „Bitte, wie soll das denn funktionieren?“ – aber die Bewohner haben uns den Eindruck vermittelt, dass es tatsächlich gelingt, ja dass sie gerade deshalb gelernt haben, sich noch mehr aufeinander zu verlassen, einzulassen und Rücksicht aufeinander zu nehmen.Was bei allen Projekten spannend war, sind die Menschen selbst – die Utopie scheint in den Personen selbst manifest zu werden. Leo Navratil vom Museum Gugging etwa bezeichnet sich selbst als „Utopist“, auch weil die Utopie, wie er sagt, nie abgeschlossen ist. Er hat uns erzählt, gegen welche Widerstände er ehemals ankämpfen musste, aber er hat seinen Traum verwirklicht – das macht Mut!
 
Wobei die von euch besuchten Orte ja keine Utopien mehr darstellen, weil sie schon realisiert sind. Ist es heute schwer, Utopisten zu finden?
Das Problem ist, wie wir Utopien heute überhaupt denken können, in einer vermeintlich fertigen Welt mit starren Denksystemen, wie der Kapitalismus eines darstellt. Wie kann man das aufbrechen? Und wie begegnet man den eigenen Ängsten, die dann rasch miteinhergehen. Man kann zum Beispiel locker sagen – um einen Gedanken von Morus aufzugreifen –  weg mit dem Privateigentum. Aber das heißt auch, dass man z.B. – ganz banal – nichts mehr schenken kann, weil man ja nichts mehr hat. Will ich das? Wobei es natürlich bei der Utopie darum geht, auch das vermeintlich Undenkbare zu denken. Sie erschöpft sich nicht darin, an ein paar Schrauben zu drehen – weil da sind wir bei Reformen. Sie ist auch kein Baukasten, den man einfach zusammensetzt und dann sagt: So, das ist es jetzt, sondern man muss sich auf den Weg machen, muss das eine oder andere verändern und wird begreifen, dass auch das bisher als unveränderbar Angenommene nicht starr ist. So gesehen hat jede Utopie Auswirkungen auf die Gegenwart. Aktuell ist etwa das Phänomen konstatierbar, dass sich die Rechte des Feldes bemächtigt hat und eine rückwärtsgewandte Utopie verfolgt, die in der Abschottung und Abgrenzung das Heil sieht und den Staat nach ihren Regeln umformen möchte. Dieses Feld gilt es zurückzuerobern.

Klingt sehr politisch und nach einem gehörigen Schuss Gesellschaftskritik. Packt ihr die Moralkeule aus?

Nein. Das ist ja kein Lehrstück, wo wir sozusagen mit dem erhobenen Zeigefinger herumrennen. Es ist auch nicht so, dass wir etwa den Rechtsruck als Hauptaspekt thematisieren, wenngleich wir an manch aktuellem Phänomen wie Trump, AfD, Islamischer Staat etc. natürlich nicht vorbeigehen können bzw. gar nicht vorbeigehen wollen. Wir bleiben aber nicht im Gegenwärtigen stecken, sondern versuchen das Ganze vielmehr auch auf eine Metaebene zu heben, wo es um ganz allgemeingültige Themen wie Angst, Liebe, Verantwortung, Familie etc. geht, die jeden einzelnen betreffen. In unseren Stücken kommt auch der Humor nicht zu kurz, alleine schon deshalb, weil es ja aufgrund unseres Zuganges ein sehr assoziatives Stück ist, und da passiert viel Absurdes und Witziges. Außerdem steckt auch viel Selbstironie drin, weil der Text ja von uns ist – das können wir nicht alles zu 100% ernstnehmen bzw. uns selbst so wichtig. Letztlich wollen wir die Besucher unterhalten …  und vielleicht ein bisschen zum Nachdenken animieren!

INFO: www.landestheater.net | www.yzma.org