MFG - Mimi im Wunderland
Mimi im Wunderland


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Mimi im Wunderland

Text Matthias Steinperl
Ausgabe 03/2005

Seit 15 Jahren weht ein kultureller Wirbelwind namens Mimi Wunderer durch die Stadt. Zeit, sich von ihr zum Kardamom-Kaffeeplausch laden zu lassen und zu fragen: Was hat die Stadt jetzt, was sie vor ihr nicht hatte?

Inmitten der neuen transparenten Silhoutte der Bühne im Hof begrüßt uns eine bestens gelaunte Mimi Wunderer-Gosch: „Egal, was ihr schreibt, es kann nichts gegen mich verwendet werden. Ich bin immerhin schon 53 Jahre alt und im Wechsel – das hält vor jedem Gericht der Welt stand.“ Bei Kaffee und Marzipankuchen stellte sich die kleine starke Frau, wie sie gerne apostrophiert wird, unseren Fragen.  Sie gelten als Theaterfrau, sind seit Jahrzehnten im Geschäft. Hat sich für Sie persönlich etwas verändert? Ich hab für das Theater früher alles gemacht. Mir war auch die Position bedeutend unter dem Motto: Wenn man Wichtiges macht, ist man wichtig. Da spielte viel persönliche Eitelkeit mit. In Wien zum Beispiel, da waren wir wer in der Szene, man wurde gekannt. Der Türsteher beim U4, der Conny, ließ uns hinein. Heute mit 53 ist das natürlich anders, das ist sozusagen die Erwachsenenwelt, und die Fragen des Lebens lassen sich nicht mehr so eindeutig mit Ja oder Nein beantworten. Wie sieht es mit jener nach Ihrer Heimat aus: Persien oder Österreich? Ich bin Kosmopolitin, und möchte überall zuhause sein, wo es mir gefällt. Heimatverbunden, das ist für mich überhaupt ein eher negativ besetztes Wort. Zuhause trifft es vielleicht besser. Das ist dort, wo ich wohne, in Kapelln, in Österreich. Sie sind mittlerweile 34 Jahre hier. Fühlen Sie sich mehr als Orientalin oder als Europäerin? Das ist schwierig. Heute sind irgendwie zwei Kulturen in mir. Ich hab die orientalische nicht abgelegt, und die mitteleuropäische ist dazugekommen. Ich hab versucht, mich zu erweitern. Was macht das Orientalisch aus? Von der emotionalen Seite her? Ich bin leicht beleidigt. Und ich komme gleich zur Sache ohne große Umschweife, sage frei heraus, was ich mir denke. Sie sind also ein „grader Michl“? (lachend) Nein, eher ein Trottel, weil das manche natürlich vor den Kopf stößt diese Direktheit.  Manche Leute sagen auch, Sie sind aufbrausend... Aufbrausend? Nein aufbrausend bin ich nicht – das sind nur dumme Leute! Ich bin manchmal vielleicht arrogant, und ich bin sicher nicht lieblich. Aber es ist schon bezeichnend: Wenn eine Frau Autorität zeigt, dann heißt es, sie ist hysterisch, unverträglich. Bei Männern hingegen wird das als höchste Managerqualität gelobt. Was ich sicher bin, ist eine Perfektionistin: Ich geb’ solange keine Ruhe, bis meine Ideen umgesetzt sind. Ist dieser Perfektionisums eine Tugend oder ein Laster? Wohl halb, halb. Wenn man den inneren Schweinehund überwindet dadurch, ist es eine Tugend. Andererseits sehe ich jeden Fehler und muss ihn sofort beheben. Das macht den Mitarbeitern mitunter schon sehr zu schaffen.  Wie hat es sich überhaupt nach St. Pölten verschlagen? Ich wollte damals vom „Metropol“ weg – hab gefühlt, dass ich in einer Sackgasse bin. Im Linzer Posthof wurde ich gefragt: „Na Mimi, was hast du denn jetzt vor.“ Josef Hader hat ironisch eingeworfen: „Na, wie wärs mit St. Pölten. Da mach selbst ich einen Bogen herum. Aber du bis zäh genug – geh doch dort hin, da kannst du Aufbauarbeit leisten.“ Das ist irgendwie hängen geblieben - tja, und der Rest ist Geschichte. Eine mit Anlaufschwierigkeiten, oder?  Nun, ich bin zuerst zum damaligen Kulturamtsleiter Karl Gutkas gegangen. Dem hab ich von meinen Plänen erzählt, hab mir die Seele aus dem Leib geredet - er hat mich nur verdattert angeschaut und gemeint: „Was wollen Sie?“ Ich war so beleidigt! Irgendwie haben Sie sich aber trotzdem durchgesetzt und im letzten Jahr sogar den Prandtauerpreis der Stadt St. Pölten erhalten. Schmeichelt Ihnen das, oder haben Sie Angst, dass man Sie damit vereinnahmen will. Immerhin vergisst auch Landeshauptmann Dr. Pröll bei keinem Anlass mitzuteilen, dass er „sie liebt“.  Natürlich genieße ich jede Würdigung, ob das nun der Prandtauerpreis oder das Goldene Verdienstkreuz des Landes ist. Das ist doch rein menschlich, weil es einem zeigt, dass die eigene Arbeit anerkannt wird. Ich glaub aber nicht, dass man mich vereinnahmen möchte. Dazu bin ich schon zu alt. Ich gelte ja fast schon als Fossil im Geschäft. Und politisch, mussten Sie sich nie exponieren?  Wir waren in der Bühne zwar immer politisch, aber immer frei von Parteipolitik – das ist bis heute so! Parteien haben in meinem künstlerischen Schaffen nie Einfluss gehabt und diese verziegelte Parteipolitik hab ich immer abgelehnt. Man muss fairerweise auch sagen, dass die Politik nie versucht hat, in der Bühne Einfluss zu üben.  Das heißt Mimi Wunderer taucht in keinen Unterstützungskomitees auf? Oh doch, ich hab zum Beispiel Landeshauptmann Pröll im letzten Wahlkampf unterstützt. Aber nicht aus Anbiederung, sondern aus Überzeugung. Ohne seinen persönlichen Einsatz, das muss man einfach einmal sagen, würde die Bühne im Hof bis heute wohl nicht existieren. Ein Fels in der Brandung war auch Liese Prokop. Politik übt indirekt aber schon über Fördergelder Einfluss aus. Wie beurteilen Sie diesbezüglich die Diskussionen ums Cinema Paradiso, das Buhlen um Fördergelder, Programmierungsüberschneidungen. Gibt’s da Futterneid in der Szene? Eigentlich ist es mir inzwischen einfach wurscht. Ich bin seit 28 Jahren hauptberuflich in dem Job tätig, habe die dementsprechenden Erfahrungen – das lässt mich Distanz und auch Gelassenheit gewinnen. Ich hab außerdem eine andere Mentalität: Ich messe mich nur mit Stärkeren, nicht mit Schwachen. In St. Pölten sehe ich niemanden, mit dem ich mich messen müsste. Ich wünschte mir manchmal vielleicht mehr Kollegialität untereinander. Ich hab zum Beispiel ein hochkarätiges Filmsymposium in der Bühne veranstaltet mit Schauspielern und Regisseuren aus dem Iran. Was ist passiert? Die Macher des Paradiso haben Stimmung dagegen gemacht und sich beim Land beschwert, dass wir das nicht machen dürfen, weil das Konkurrenz zu ihnen ist. Auch die Broschüre dazu haben sie nicht im Kino aufgelegt. So gesehen gibt’s schon Futterneid. Zudem ist es unoriginell, wenn man Dinge, die sich 15 Jahre in der Bühne im Hof bewährt haben, plötzlich woanders machen will. Das Cinema hat so viele Möglichkeiten - Aufklärungsfilme, politische Filme – warum müssen die Kleinkunst machen? Sie setzen sich sehr für den „Dialog der Zivilisationen“ ein, warum dieses Engagement?  Jeder Mensch, der humanistisch fühlt, Gerechtigkeit empfindet und demokratisches Gespür hat, muss sich einsetzen gegen den Wahnsinn in der Welt. Das verstehe ich als Verpflichtung, auch für ein Haus wie die Bühne. Die Frage ist, auf welcher Seite man steht, und da kann ich nur sagen: dort, wo die Schwachen sind, die sich nicht wehren können. Ich will etwa nicht einfach hinnehmen, wenn 1 Milliarde Kinder not leiden – das rührt mich zu Tränen.  Die Art, wie die Weltpolitik derzeit abläuft, dass ein einziger Mann daran Vergnügen findet, seine Macht der Welt zu demonstrieren, das ist jedenfalls schändlich. Aber die Welt liegt nicht in der Hand von Machthabern, wie die letzte Naturkatastrophe gezeigt hat. Alles rächt sich mit der Zeit, das kommt nicht von irgendwoher. Ist das religiös zu interpretieren?  Nein. Aber ich glaube an die Natur, dass sie höher und mächtiger ist als alles andere. Sie zeigt uns immer wieder unsere Grenzen auf. Das müssen wir akzeptieren, ob wir wollen oder nicht.  ZUR PERSON  Mimi Wunderer-Gosch wurde 1951 in Persien geboren. 1969 Emigration nach Wien, wo sie die ersten drei Tage und Nächte im „Hotel Regina“ am Zimmer verbringt. („Ich hatte Angst hinunterzugehen, weil ich die Sprache nicht beherrschte. Damals, in der Einsamkeit, hab ich zu rauchen begonnen. Heut rauch ich maximal vier Zigaretten pro Tag“) Wunderer studiert zunächst Bodenkultur („Die ganze Technik, das war nicht wirklich meins.“), kurzfristig Dolmetsch, dann Publizistik & Politikwissenschaft, die sie praktisch – die Dissertation liegt fix fertig im Büro – zu Ende bringt, aber nicht offiziell abgeschlossen hat. („Das ist das Einzige, was mir nachhängt. Das Studium abzuschließen ist ein Traum, den ich mir noch gerne erfüllen würde.“) 1978 stirbt ihr Vater, die Tochter übernimmt die Rolle des Familienoberhauptes. Künstlerisch geht Wunderers Stern im Wiener „Metropol“ auf, wo sie es von der Kartenabreißerin bis zur künstlerischen Leiterin bringt. 1990 Beginn des „Abenteuers St. Pölten“ als Leiterin der von ihr und Michaela Steiner „erfundenen“ Bühne im Hof. Zwischenzeitlich ist sie - als Krisenfeuerwehr - Chefin des Festspielhauses. Ihre Verdienste: Geburtshelferin und Pionierin dessen, was man heute unter St. Pöltner Kulturszene versteht, Miterfinderin St. Pöltens als Tanzstadt, „iron lady“, die sich in der Männerdomäne „Kulturbetrieb“ durch Kompetenz und Unnachgiebigkeit behauptet hat! 15 JAHRE BÜHNE IM HOF  Während am 1. April die Honoren antanzen, wird am 2. und 3. April mit den Gästen gefeiert. So sind – bei freiem Eintritt – am 2. April um 20 Uhr sowie am 3. April um 11 Uhr „Spirit of Europe“ zu bewundern. Zudem wird für die Gäste aufgekocht! Anlässlich des Jubiläums erscheint auch ein Karikaturband aus der spitzen Feder von Andreas Reichebner. „Das soll aber keine billige Abrechnung, sondern eine nette Liebeserklärung sein, mit Witz und Charme.“, so Mimi Wunderer. www.bih.at