Tour de gamble
Text
Eva Seidl
Ausgabe
Ein dubioses Hinterzimmer, Rauchschwaden geben kaum den Ausdruck der Anwesenden preis – es geht um Zocken, Gamblen, Bluffen und natürlich Geld, Glück und Adrenalin. Diese romantisch-verruchte Vorstellung vom Glücksspiel findet man heute hauptsächlich nur mehr in Filmen mit Paul Newman oder Burt Reynolds. Wie es heutzutage aussieht? MFG machte sich auf die Suche nach dem St. Pöltner Spieler.
Schon Thomas von Aquin erkannte, dass das Spiel zur Führung eines menschlichen Lebens notwendig ist. Auch Aristoteles hat das Spiel als eine Form des Ausruhens gegenüber dem Ernst des Lebens verstanden. Dass der Mensch an sich dem Spiel zugeneigt ist, ist also keineswegs neu. Was die Herren Aquin und Aristoteles jedoch nicht einplanten: Internet und 24-Stunden-Spielstätten. Wie gefährlich ist Spielen heute, was qualifiziert ein Spiel als Glücksspiel und wie ist der St. Pöltner Spieler zu typisieren?
Wettbüro
Auf der Suche nach der Faszination Spiel führt uns unser Weg zunächst ins Wettbüro Cashpoint in der Josefstraße. Der erste Eindruck entspricht keinem der bekannten Klischees vom Hinterzimmer und Sündenpfuhl. Eine langgezogene Fensterfront lässt den Tag herein und vermittelt eine geschäftige Atmosphäre. Drinnen dominieren ganz klar die zahlreichen Flatscreens, die über sämtliche Sportvorgänge weltweit live informieren. Es ist 11 Uhr vormittags und eine Gruppe Herren hat sich bereits in den schwarzen Fauteuils vor den Bildschirmen platziert. Diskutiert werden die Ergebnisse des gestrigen Rapid-Spiels. Der Schmäh rennt. Es begrüßt uns Eigentümer Goran Zvijerac. „Das ist unser Stammtisch. Wir sind wie eine Familie“, beschreibt er seine Kunden. Wetten kann man bei ihm auf alles, vom Fußball-Derby über den Ausgang der Nationalratswahlen bis hin zu Starmania-Siegern. Ob er selbst auch wettet? „Ja sicher, jeden Tag gegen jeden!“, lacht er. Persönlich setzt er nur in Ausnahmefällen. Für Goran ist sein Wettbüro weit entfernt vom Glücksspiel. „Bei mir gibt es eigentlich keine Großwetten. Die meisten setzen ein paar Euro am Tag. Da kommt hin und wieder ganz schön was raus. Letzte Woche habe ich 35.000 Euro ausbezahlt bei einem Einsatz von 5 Euro.“ Über Spielsucht macht er sich weniger Gedanken. Bei den geringen Einsätzen passiere ja nicht viel, und so habe er das auch gern. „Ich schlafe besser.“ Sein Wettbüro funktioniere über Selbstkontrolle: „Wer wirklich viel spielt und ein Problem hat, macht das in der Anonymität zuhause vor dem Computer und nicht bei mir, wo ihn jeder kennt.“
Familiensache. Nebenan beim Stammtisch füllen sich die Reihen. „Wir sind jeden Tag da. Von Montag bis Sonntag“, so Werner, 53. Er hat Goran beim Fußball kennengelernt. Als dieser das Cashpoint eröffnet hat, ist der pensionierte ÖBBler anstatt ins Wirtshaus zum Goran gegangen. So ist er auch zum Wetten gekommen: „Ich setz 2 bis 3 Euro am Tag, trink meinen Kaffee und tratsch‘ ein bisserl. Das macht den Sport interessanter und spannender.“ Auch er begreift das Wettbüro als Familiensache. Man diskutiert über Sport wie über Privates, oft gibt’s eine Jause oder Kuchen. Als eingefleischter Rapidler fühlt er sich hier wohler als im Wirtshaus. Er selbst hat sich noch nie veranlasst gefühlt, jemanden wegen übermäßigen Wettens zu konfrontieren. „Das muss eh jeder selber wissen.“ Männerdomäne
Die Abwesenheit des weiblichen Geschlechts in der Runde fällt auf. „Ja sicher ist das Wetten eine Männerdomäne. Bei Großereignissen kommen schon auch einmal Frauen. Die wetten eher auf Sympathie, als auf tatsächliche Favoriten“, beschreibt Goran die Situation. Dies gesagt, betritt an diesem Tag die erste Dame das Wettbüro. Allerdings an der Hand ihres Freundes. Thomas, 24, stellt ohne Umschweife klar: „Eins sag ich gleich, spielsüchtig bin ich nicht!“, und sucht den zustimmenden Blick neben sich. Die Freundin bestätigt, dass er „ein ganz ein Braver ist.“ Thomas wette sogar manchmal mit seinen Freunden, wer es länger ohne Wetten aushält. Wer verliert, zahlt eine Kiste Bier. „Ich geb euch einen guten Tipp. Schaut an einem Samstag ab 17 Uhr bei Admiral Sportwetten vorbei. Was dort an Geld rennt! Vor allem bei den Automaten!“ Das war das Stichwort für Goran und die Stammtischrunde. Unisono ist man der Ansicht, dass das wahre böse Glücksspiel nur in den Automaten steckt. „Von mir aus müssten die Automaten überall verboten werden. Wenn das einer hat, dann muss jeder mitziehen“, vertritt Goran seinen Standpunkt. Konkurrenz spürt er allerdings vom Platzhirschen Admiral nicht. „Cashpoint ist eine bekannte Marke. Ich habe meine Stammkunden, und das ist für mich das Schönste!“
Nun genug der Familienidylle. Wir halten es mit dem deutschen Aphoristiker Werner Mitsch, der meinte „Er bezeichnet das Kartenspiel als Glücksspiel. Kann er nicht richtig mischen?“, und wechseln ins Concorde Card Casino. Poker Casino
Um bei den Zitaten zu bleiben, lassen wir einleitend den großen amerikanischen Schriftsteller Mark Twain zu Wort kommen: „Ich habe freimütige, freundliche, großzügige und visionäre Menschen kennengelernt und die meisten von ihnen wussten nicht, was ein ‚Flush‘ ist. Ich denke, das ist genug, um Schande über die gesamte Menschheit zu bringen.“ Nun, um die Schande zu minimieren, kaufen wir uns in das Turnier ein und stellen unser Anfängerglück auf die Probe. „Moment. Poker ist höchst anspruchsvoll und hat mit Glück nichts zu tun! Es ist vielmehr ein Geschicklichkeitsspiel“, bekommen wir zuallererst bei unserer Einführung vom heutigen Floorman Kurt Mittermaier zu hören. Trotzdem helfen einige Spieler den Karten mit diversen Glücksbringern auf die Sprünge. Also wie jetzt? Glück oder Geschicklichkeit? Wir werden es gleich sehen. Unser Einsatz liegt auf dem Tisch, erstes Adrenalin ist versprüht und dann der große Bluff. Jetzt dämmert uns schön langsam, was Twain gemeint hat. Ein Flush nimmt die Schreiberin dieser Zeilen ganz locker vom Tisch. „A so a Pech!“ Aber so einfach geben wir nicht auf. Das wäre ja gelacht! Ein Geldschein wechselt über den mit grünem Filz bedeckten Spieltisch den Besitzer und schon scheppern die neuen Chips am Tisch. Mama’s back in the game! Wie die nächsten Runden als blutiger Anfänger gegen routinierte Pokerspieler ablaufen, soll an dieser Stelle ausgespart bleiben. Nur soviel: Der Begriff „All in“ sollte nicht leichtfertig verwendet werden. Verantwortung
Im Casino ist Kurt um Seriosität bemüht. „Uns ist es extrem wichtig, mit dem Tabu zu brechen, dass Poker Casinos Spielhöllen sind. Durch den vorherigen Einkauf in das Turnier hat man ja ständig die volle Kostenkontrolle. Mehr als 20-30 Euro gibt man dann pro Abend nicht aus“, verteidigt er den noch immer schlechten Ruf. Er kann sich noch gut an die Zeiten erinnern, als im Hinterzimmer vom „Pool Planet“ gepokert wurde, als es noch kein Concorde Card Casino gab, keine Turniere und nur private Cash Games an der Tagesordnung standen. „Damals lag noch das Bargeld am Tisch, und hin und wieder wechselte auch ein Autoschlüssel den Besitzer. Es ist wirklich manchmal um das große Geld gegangen. Der Ehrenkodex wurde streng eingehalten: Bezahlt wurde ohne zu Murren“, beschreibt er seine Erfahrungen aus den 90ern. Jetzt wäre das für ihn undenkbar. „Poker ist ein schönes Spiel, das zu Unrecht einen schlechten Ruf hat. Es ist eine Unterhaltung für jeden“, verteidigt er das Spiel. Cash Games gibt es aber auch im Concorde. Dabei kauft man sich mit einer selbst gewählten Summe ein und spielt mit dem wirklichen Geldwert an Chips, kann jeder Zeit aussteigen, aber auch ständig nachkaufen. Soviel zum Thema volle Kostenkontrolle. Der schnelle Kick
„Poker birgt wenig Suchtpotential“, erklärt der Floorman. Roulette oder Automaten seien das wahre Glückspiel mit hohem Gefährdungspotential. Aha, also auch hier der mahnende Finger in Richtung Spielautomaten. Automaten seien laut Kurt das Glücksspiel par excellence. Schneller Kick, rapider Adrenalinanstieg, schneller Abfall des Gefühls und Wiederholung. Poker sei für das Glücksspiel nicht geeignet. Bis eine Hand gespielt wird, kann es Minuten dauern. Das sei für Süchtige zu langsam. Das Personal ist darauf geschult, Anzeichen von Suchtverhalten zu erkennen. Im Ernstfall kann man Spieler sperren. Trotz der Seriosität und obwohl so verteufelt, finden sich im Vorraum jedoch mehrere Spielautomaten. Wie das? „Es geht um ein Komplettangebot. Wir müssen hier mitziehen, wenn andere Einrichtungen die Automaten auch anbieten“, erklärt Kurt knapp. Muss man wirklich? Die Bösen?
Auf unserer „Tour de Gamble“ wurden wir immer wieder darauf verwiesen, dass der schlechte Ruf des Glücksspiels nur von der Gefährlichkeit des Automatenspiels ausgehe. Kurz gesagt: Die Bösen sind die anderen, und in diesem Fall patzt man gern die Konkurrenz an. Daher statten wir auch dem Admiral einen Besuch ab. Sogleich werden wir an den Chef verwiesen, der nicht da ist. Der Name des Chefs werde dann beim Rückruf bekannt gegeben – der aber nie stattfindet. Auch mit dem Verbinden klappt es nie so ganz und die bekannt gegebene Telefonnummer hat einen Ziffernsturz. Die Pressestelle verweist uns an die Konzernpressestelle, die jedoch nie erreichbar ist. Man redet offensichtlich nicht so gern übers Spielen, Sucht und Co. So müssen wir uns mit dem offiziellen Statement von Admiral Sportwetten/Novomatic zufrieden geben, in dem es heißt: „Ein essenzieller Bestandteil unseres Responsible Gaming-Programms stellen Maßnahmen zur Früherkennung und Prävention von Spielsucht dar.“ Dies bedeutet laufende Mitarbeiterschulungen, Informationsflyer und der Verweis an eine zentrale Helpline.
Nun, genug der Schwarz-Weiß-Malerei im bunten Dunst von blinkenden Automaten, scheppernden Chips und verheißungsvollen Wettscheinen. Fakt ist, in dieser Szene muss man sich eben doch auf sein Glück verlassen, trotz aller Geschicklichkeit. Um nochmals Mitsch zu zitieren: „Spieler sind Menschen, die dem Glück eine Chance geben.“ Die St. Pöltner Spieler machen sich geschickt in familiärer Atmosphäre auf die Suche. Man passt ein bissl auf einander auf und vielleicht ist das auch das größte Glück...
Die Kehrseite ist die Suchtgefahr, die ganze Existenzen ruinieren kann – dann reicht Glück allein nicht mehr aus! Im Namen des Gesetzes
Aus dem Bundes- und Landesgesetz
Im vergangenen Jahr wurde vom Parlament eine Novelle zum Bundesglücksspielgesetz verabschiedet. U. a. wurde die Zahl der legalen Automaten auf ein Gerät pro 1.200 Einwohner (Bundesländer) bzw. 600 Einwohner (Wien) beschränkt. Durch stärkere Kontrollen sollen illegale Automaten aus dem Verkehr gezogen werden. Die Höchsteinsätze sowie Höchstgewinne für Automatenspiele wurden erhöht. Im NÖ Landtag wurde dazu am 16. Dezember 2010 das NÖ Spielautomatengesetz 2011 beschlossen, das u. a. Folgendes vorsieht:
•Der Betreiber von Automatensalons ist verpflichtet sicherzustellen, dass der Zutritt nur volljährigen Personen gestattet ist, weiters ist die Identität anhand eines amtlichen Lichtbildausweises festzuhalten. Diese Aufzeichnungen müssen fünf Jahre aufbewahrt werden.
•Es darf nicht länger als zwei Stunden ununterbrochen gespielt werden. Das Gesetz sieht daher vor, dass der Glücksspielautomat den Spielbetrieb nach zwei Stunden automatisch für mindestens fünf Minuten unterbricht (Abkühlphase).
•Für die Standorte von Automatensalons gibt es ebenfalls detaillierte Vorschriften. Zum Standort einer Spielbank ist ein Mindestabstand von 15 km Luftlinie einzuhalten. Zwischen Automatensalons mit mehr als 15 Glücksspielautomaten muss ein Umkreis von 500 Metern Luftlinie bestehen, zwischen den Automatensalons derselben Bewilligungsinhaber mindestens 100 Meter Gehweg.
•Das Land NÖ verdient nicht unerheblich an der Glücksspielbranche: In Abschnitt 3, §14 wird festgehalten, dass das Land Niederösterreich für Ausspielungen mit Glücksspielautomaten und elektronischen Lotterien einen Landeszuschlag zur Bundesabgabe von 150% der Stammabgabe des Bundes erhebt. Der Ertrag aus dem Landeszuschlag ist zweckgebunden für das Sozialwesen zu verwenden. „Heute höre ich auf“
Offene Einblicke in eine Spielerseele
Lug, Trug und Schulden – das bleibt oftmals über von einer Person, die spielsüchtig ist.
Reinkippen war für Hakan leicht. „In meiner Kultur ist Spielen ein üblicher Zeitvertreib. Schon meine frühesten Kindheitserinnerungen drehen sich um Kartenspiele im Familienkreis. Meist geht es dabei auch um ein paar Euro“, erinnert sich der gebürtige St. Pöltner türkischer Abstammung. Ob ihn diese Erinnerungen zum Spieler programmiert haben, kann er nicht sagen. Fakt ist, dass er mit 18 im Badener Casino vom Roulette verführt wurde. „Zuerst reizt dich das Geld. Später wird dir bewusst, dass du nur verlieren kannst. Aber dann spielst du, um den Reiz aufrecht zu erhalten. Irgendwann kannst du nicht mehr aufhören“, beschreibt Hakan seinen Suchtverlauf. Regelmäßig fährt er nach Wien und spielt hauptsächlich an den Automaten. Das ist der schnelle Kick, beinahe wie ein Rausch. Dem Wolf ausgeliefert
Als er beruflich ins Ausland ging, eskalierte die Situation. „Es gibt ein Sprichwort: ‚Verlässt du die Herde, bist du dem Wolf alleine ausgeliefert‘. So war es bei mir ohne Familie und Freunde.“ Seine Familie wurden die Spielhallen und die Spielkollegen. „Meinen Lohn hab ich oft in ein paar Stunden verspielt. Ich wusste nicht, wovon ich die Miete bezahlen oder wie ich Essen kaufen sollte“, gibt er offen zu. Auch seine Freundin „spielte“ nicht mit. Hakan kämpft sich mit Krediten und Geld von Freunden und Verwandten durch. „Das Schlimmste waren für mich nicht die Schulden. Finanzielles lässt sich regeln. Das, was ich mir am meisten vorwerfe, sind die Schäden, die ich bei Menschen verursacht habe durch meine Lügen und mein Verhalten!“, gesteht er sich mittlerweile ein.
Jeden Tag hat er sich gesagt „Heute höre ich auf!“ Aber die zurückbleibende Leere trieb ihn immer wieder in die Arme der Spielhallen. Seinen Tiefpunkt beschreibt er, als er drei Tage nichts zu essen hatte, weil er sich zu sehr schämte, seine Freunde um Geld zu bitten. Die Notbremse
Nach einer Fahrt nach Kroatien mit einem befreundeten Spielsüchtigen zog er die Notbremse. „Anstatt acht Stunden haben wir 25 Stunden für die Reise gebraucht, weil wir an jeder Tankstelle gespielt haben.“ Also beschließt er zurück nach Österreich zu seiner Familie zu ziehen. Er weist sich selbst in eine Klinik ein. „Erst als ich meinen Therapeuten gefunden habe, ist mir ein Licht aufgegangen. Er hat mir vermitteln können, dass ich es nicht alleine schaffen muss, ja gar nicht kann.“ Mittlerweile ist Hakan seit sechs Monaten spielfrei und lebt einen Tag nach dem anderen. „Ich gehe zur Therapie, habe wieder einen Job und besuche Treffen. Diese Genesungskontakte helfen mir sehr.“ Deshalb hat er auch eine Selbsthilfegruppe in St. Pölten gegründet, die ihn motiviert weiter zu machen. „Mir ist jetzt klar, dass es nicht nur einen richtigen Weg gibt. Viele Wege führen zum Ziel. Ich bin spielsüchtig, aber ich bin auf dem Weg der Besserung“, sieht Hakan den Silberstreifen am Horizont.
Ob er sich vom Gesetzgeber allein gelassen fühlt: „Wenn ich wieder mal viel verloren hatte, dann ist die Wut in mir gestiegen. Wut auf die Betreiber, Wut auf die Politik. Man kann kritisieren, dass durch sie die Möglichkeit geschaffen wird, süchtig zu machen. Aber verantwortlich ist jeder für sich selbst!“ Was würde er jemandem raten, der betroffen ist: „Ehrlich sein und Hilfe suchen. Vor einer Gruppe auszusprechen ‚ich bin spielsüchtig‘ ist der schwierigste Schritt, aber der erste in die richtige Richtung!“ Interview: Elke Billensteiner, Caritas Suchtberatung
"Spiele machen süchtig!"
Die Suchtberatungsstelle der Caritas ist Anlaufstelle für sogenannte „substanzungebundene Süchte“. MFG sprach mit Suchtberaterin Elke Billensteiner. Welchen Stellenwert hat Spielsucht in Österreich?
Das Glücksspielangebot ist in den letzen 30 Jahren ständig gestiegen und für jede Bevölkerungsschicht einfach zugänglich. Durch das vermehrte Angebot gewinnt die Spielsucht immer mehr an Bedeutung. Bemerken Sie de facto eine Zunahme?
Das Bewusstsein in der Öffentlichkeit ist größer geworden. Wir bemerken eine Häufung an diesbezüglichen Anfragen, sowohl von Betroffenen, als auch von Angehörigen. Prinzipiell ist die Bereitschaft der Menschen, Hilfsangebote in Anspruch zu nehmen, größer geworden. Welche Personengruppen sind gefährdet?
Es ist jede Bevölkerungsschicht und jede Altersgruppe betroffen. Frauen beginnen in der Regel später, sich mit dem Glücksspiel auseinanderzusetzen, dafür entwickeln sie schneller eine mit dem Spielen assoziierte Problematik und Abhängigkeit. Männer spielen eher aus Sensationslust, Frauen weisen eher Vermeidungsverhalten auf. Halten Sie die Maßnahmen in der Novelle zum Bundesglücksspielgesetz für ausreichend?
Die Maßnahmen dienen dem Spielerschutz und sind präventiv sicher von Bedeutung. Die Maßnahmen sind aber sicher nicht ausreichend, um Personen vor einer Abhängigkeit zu schützen. Es werden auch keine Lösungen für die Betroffenen angeboten. Werden Jugendliche ausreichend geschützt?
Mit der Ausweispflicht soll Jugendlichen der Zugang zu Automatensalons verweigert werden, es ist demnach kein allgemeiner Schutz. Da im Internet eine große Palette an Glücksspielen angeboten wird, haben Jugendliche sehr wohl die Möglichkeit zu spielen. Weiters ist es Jugendlichen möglich z. B. Rubbellose, Brieflose etc. zu erwerben. Um Jugendliche wirklich zu schützen, ist Aufklärung über einen adäquaten Umgang mit dem Glücksspiel bzw. Internet sinnvoll.
Auf der Suche nach der Faszination Spiel führt uns unser Weg zunächst ins Wettbüro Cashpoint in der Josefstraße. Der erste Eindruck entspricht keinem der bekannten Klischees vom Hinterzimmer und Sündenpfuhl. Eine langgezogene Fensterfront lässt den Tag herein und vermittelt eine geschäftige Atmosphäre. Drinnen dominieren ganz klar die zahlreichen Flatscreens, die über sämtliche Sportvorgänge weltweit live informieren. Es ist 11 Uhr vormittags und eine Gruppe Herren hat sich bereits in den schwarzen Fauteuils vor den Bildschirmen platziert. Diskutiert werden die Ergebnisse des gestrigen Rapid-Spiels. Der Schmäh rennt. Es begrüßt uns Eigentümer Goran Zvijerac. „Das ist unser Stammtisch. Wir sind wie eine Familie“, beschreibt er seine Kunden. Wetten kann man bei ihm auf alles, vom Fußball-Derby über den Ausgang der Nationalratswahlen bis hin zu Starmania-Siegern. Ob er selbst auch wettet? „Ja sicher, jeden Tag gegen jeden!“, lacht er. Persönlich setzt er nur in Ausnahmefällen. Für Goran ist sein Wettbüro weit entfernt vom Glücksspiel. „Bei mir gibt es eigentlich keine Großwetten. Die meisten setzen ein paar Euro am Tag. Da kommt hin und wieder ganz schön was raus. Letzte Woche habe ich 35.000 Euro ausbezahlt bei einem Einsatz von 5 Euro.“ Über Spielsucht macht er sich weniger Gedanken. Bei den geringen Einsätzen passiere ja nicht viel, und so habe er das auch gern. „Ich schlafe besser.“ Sein Wettbüro funktioniere über Selbstkontrolle: „Wer wirklich viel spielt und ein Problem hat, macht das in der Anonymität zuhause vor dem Computer und nicht bei mir, wo ihn jeder kennt.“
Familiensache. Nebenan beim Stammtisch füllen sich die Reihen. „Wir sind jeden Tag da. Von Montag bis Sonntag“, so Werner, 53. Er hat Goran beim Fußball kennengelernt. Als dieser das Cashpoint eröffnet hat, ist der pensionierte ÖBBler anstatt ins Wirtshaus zum Goran gegangen. So ist er auch zum Wetten gekommen: „Ich setz 2 bis 3 Euro am Tag, trink meinen Kaffee und tratsch‘ ein bisserl. Das macht den Sport interessanter und spannender.“ Auch er begreift das Wettbüro als Familiensache. Man diskutiert über Sport wie über Privates, oft gibt’s eine Jause oder Kuchen. Als eingefleischter Rapidler fühlt er sich hier wohler als im Wirtshaus. Er selbst hat sich noch nie veranlasst gefühlt, jemanden wegen übermäßigen Wettens zu konfrontieren. „Das muss eh jeder selber wissen.“ Männerdomäne
Die Abwesenheit des weiblichen Geschlechts in der Runde fällt auf. „Ja sicher ist das Wetten eine Männerdomäne. Bei Großereignissen kommen schon auch einmal Frauen. Die wetten eher auf Sympathie, als auf tatsächliche Favoriten“, beschreibt Goran die Situation. Dies gesagt, betritt an diesem Tag die erste Dame das Wettbüro. Allerdings an der Hand ihres Freundes. Thomas, 24, stellt ohne Umschweife klar: „Eins sag ich gleich, spielsüchtig bin ich nicht!“, und sucht den zustimmenden Blick neben sich. Die Freundin bestätigt, dass er „ein ganz ein Braver ist.“ Thomas wette sogar manchmal mit seinen Freunden, wer es länger ohne Wetten aushält. Wer verliert, zahlt eine Kiste Bier. „Ich geb euch einen guten Tipp. Schaut an einem Samstag ab 17 Uhr bei Admiral Sportwetten vorbei. Was dort an Geld rennt! Vor allem bei den Automaten!“ Das war das Stichwort für Goran und die Stammtischrunde. Unisono ist man der Ansicht, dass das wahre böse Glücksspiel nur in den Automaten steckt. „Von mir aus müssten die Automaten überall verboten werden. Wenn das einer hat, dann muss jeder mitziehen“, vertritt Goran seinen Standpunkt. Konkurrenz spürt er allerdings vom Platzhirschen Admiral nicht. „Cashpoint ist eine bekannte Marke. Ich habe meine Stammkunden, und das ist für mich das Schönste!“
Nun genug der Familienidylle. Wir halten es mit dem deutschen Aphoristiker Werner Mitsch, der meinte „Er bezeichnet das Kartenspiel als Glücksspiel. Kann er nicht richtig mischen?“, und wechseln ins Concorde Card Casino. Poker Casino
Um bei den Zitaten zu bleiben, lassen wir einleitend den großen amerikanischen Schriftsteller Mark Twain zu Wort kommen: „Ich habe freimütige, freundliche, großzügige und visionäre Menschen kennengelernt und die meisten von ihnen wussten nicht, was ein ‚Flush‘ ist. Ich denke, das ist genug, um Schande über die gesamte Menschheit zu bringen.“ Nun, um die Schande zu minimieren, kaufen wir uns in das Turnier ein und stellen unser Anfängerglück auf die Probe. „Moment. Poker ist höchst anspruchsvoll und hat mit Glück nichts zu tun! Es ist vielmehr ein Geschicklichkeitsspiel“, bekommen wir zuallererst bei unserer Einführung vom heutigen Floorman Kurt Mittermaier zu hören. Trotzdem helfen einige Spieler den Karten mit diversen Glücksbringern auf die Sprünge. Also wie jetzt? Glück oder Geschicklichkeit? Wir werden es gleich sehen. Unser Einsatz liegt auf dem Tisch, erstes Adrenalin ist versprüht und dann der große Bluff. Jetzt dämmert uns schön langsam, was Twain gemeint hat. Ein Flush nimmt die Schreiberin dieser Zeilen ganz locker vom Tisch. „A so a Pech!“ Aber so einfach geben wir nicht auf. Das wäre ja gelacht! Ein Geldschein wechselt über den mit grünem Filz bedeckten Spieltisch den Besitzer und schon scheppern die neuen Chips am Tisch. Mama’s back in the game! Wie die nächsten Runden als blutiger Anfänger gegen routinierte Pokerspieler ablaufen, soll an dieser Stelle ausgespart bleiben. Nur soviel: Der Begriff „All in“ sollte nicht leichtfertig verwendet werden. Verantwortung
Im Casino ist Kurt um Seriosität bemüht. „Uns ist es extrem wichtig, mit dem Tabu zu brechen, dass Poker Casinos Spielhöllen sind. Durch den vorherigen Einkauf in das Turnier hat man ja ständig die volle Kostenkontrolle. Mehr als 20-30 Euro gibt man dann pro Abend nicht aus“, verteidigt er den noch immer schlechten Ruf. Er kann sich noch gut an die Zeiten erinnern, als im Hinterzimmer vom „Pool Planet“ gepokert wurde, als es noch kein Concorde Card Casino gab, keine Turniere und nur private Cash Games an der Tagesordnung standen. „Damals lag noch das Bargeld am Tisch, und hin und wieder wechselte auch ein Autoschlüssel den Besitzer. Es ist wirklich manchmal um das große Geld gegangen. Der Ehrenkodex wurde streng eingehalten: Bezahlt wurde ohne zu Murren“, beschreibt er seine Erfahrungen aus den 90ern. Jetzt wäre das für ihn undenkbar. „Poker ist ein schönes Spiel, das zu Unrecht einen schlechten Ruf hat. Es ist eine Unterhaltung für jeden“, verteidigt er das Spiel. Cash Games gibt es aber auch im Concorde. Dabei kauft man sich mit einer selbst gewählten Summe ein und spielt mit dem wirklichen Geldwert an Chips, kann jeder Zeit aussteigen, aber auch ständig nachkaufen. Soviel zum Thema volle Kostenkontrolle. Der schnelle Kick
„Poker birgt wenig Suchtpotential“, erklärt der Floorman. Roulette oder Automaten seien das wahre Glückspiel mit hohem Gefährdungspotential. Aha, also auch hier der mahnende Finger in Richtung Spielautomaten. Automaten seien laut Kurt das Glücksspiel par excellence. Schneller Kick, rapider Adrenalinanstieg, schneller Abfall des Gefühls und Wiederholung. Poker sei für das Glücksspiel nicht geeignet. Bis eine Hand gespielt wird, kann es Minuten dauern. Das sei für Süchtige zu langsam. Das Personal ist darauf geschult, Anzeichen von Suchtverhalten zu erkennen. Im Ernstfall kann man Spieler sperren. Trotz der Seriosität und obwohl so verteufelt, finden sich im Vorraum jedoch mehrere Spielautomaten. Wie das? „Es geht um ein Komplettangebot. Wir müssen hier mitziehen, wenn andere Einrichtungen die Automaten auch anbieten“, erklärt Kurt knapp. Muss man wirklich? Die Bösen?
Auf unserer „Tour de Gamble“ wurden wir immer wieder darauf verwiesen, dass der schlechte Ruf des Glücksspiels nur von der Gefährlichkeit des Automatenspiels ausgehe. Kurz gesagt: Die Bösen sind die anderen, und in diesem Fall patzt man gern die Konkurrenz an. Daher statten wir auch dem Admiral einen Besuch ab. Sogleich werden wir an den Chef verwiesen, der nicht da ist. Der Name des Chefs werde dann beim Rückruf bekannt gegeben – der aber nie stattfindet. Auch mit dem Verbinden klappt es nie so ganz und die bekannt gegebene Telefonnummer hat einen Ziffernsturz. Die Pressestelle verweist uns an die Konzernpressestelle, die jedoch nie erreichbar ist. Man redet offensichtlich nicht so gern übers Spielen, Sucht und Co. So müssen wir uns mit dem offiziellen Statement von Admiral Sportwetten/Novomatic zufrieden geben, in dem es heißt: „Ein essenzieller Bestandteil unseres Responsible Gaming-Programms stellen Maßnahmen zur Früherkennung und Prävention von Spielsucht dar.“ Dies bedeutet laufende Mitarbeiterschulungen, Informationsflyer und der Verweis an eine zentrale Helpline.
Nun, genug der Schwarz-Weiß-Malerei im bunten Dunst von blinkenden Automaten, scheppernden Chips und verheißungsvollen Wettscheinen. Fakt ist, in dieser Szene muss man sich eben doch auf sein Glück verlassen, trotz aller Geschicklichkeit. Um nochmals Mitsch zu zitieren: „Spieler sind Menschen, die dem Glück eine Chance geben.“ Die St. Pöltner Spieler machen sich geschickt in familiärer Atmosphäre auf die Suche. Man passt ein bissl auf einander auf und vielleicht ist das auch das größte Glück...
Die Kehrseite ist die Suchtgefahr, die ganze Existenzen ruinieren kann – dann reicht Glück allein nicht mehr aus! Im Namen des Gesetzes
Aus dem Bundes- und Landesgesetz
Im vergangenen Jahr wurde vom Parlament eine Novelle zum Bundesglücksspielgesetz verabschiedet. U. a. wurde die Zahl der legalen Automaten auf ein Gerät pro 1.200 Einwohner (Bundesländer) bzw. 600 Einwohner (Wien) beschränkt. Durch stärkere Kontrollen sollen illegale Automaten aus dem Verkehr gezogen werden. Die Höchsteinsätze sowie Höchstgewinne für Automatenspiele wurden erhöht. Im NÖ Landtag wurde dazu am 16. Dezember 2010 das NÖ Spielautomatengesetz 2011 beschlossen, das u. a. Folgendes vorsieht:
•Der Betreiber von Automatensalons ist verpflichtet sicherzustellen, dass der Zutritt nur volljährigen Personen gestattet ist, weiters ist die Identität anhand eines amtlichen Lichtbildausweises festzuhalten. Diese Aufzeichnungen müssen fünf Jahre aufbewahrt werden.
•Es darf nicht länger als zwei Stunden ununterbrochen gespielt werden. Das Gesetz sieht daher vor, dass der Glücksspielautomat den Spielbetrieb nach zwei Stunden automatisch für mindestens fünf Minuten unterbricht (Abkühlphase).
•Für die Standorte von Automatensalons gibt es ebenfalls detaillierte Vorschriften. Zum Standort einer Spielbank ist ein Mindestabstand von 15 km Luftlinie einzuhalten. Zwischen Automatensalons mit mehr als 15 Glücksspielautomaten muss ein Umkreis von 500 Metern Luftlinie bestehen, zwischen den Automatensalons derselben Bewilligungsinhaber mindestens 100 Meter Gehweg.
•Das Land NÖ verdient nicht unerheblich an der Glücksspielbranche: In Abschnitt 3, §14 wird festgehalten, dass das Land Niederösterreich für Ausspielungen mit Glücksspielautomaten und elektronischen Lotterien einen Landeszuschlag zur Bundesabgabe von 150% der Stammabgabe des Bundes erhebt. Der Ertrag aus dem Landeszuschlag ist zweckgebunden für das Sozialwesen zu verwenden. „Heute höre ich auf“
Offene Einblicke in eine Spielerseele
Lug, Trug und Schulden – das bleibt oftmals über von einer Person, die spielsüchtig ist.
Reinkippen war für Hakan leicht. „In meiner Kultur ist Spielen ein üblicher Zeitvertreib. Schon meine frühesten Kindheitserinnerungen drehen sich um Kartenspiele im Familienkreis. Meist geht es dabei auch um ein paar Euro“, erinnert sich der gebürtige St. Pöltner türkischer Abstammung. Ob ihn diese Erinnerungen zum Spieler programmiert haben, kann er nicht sagen. Fakt ist, dass er mit 18 im Badener Casino vom Roulette verführt wurde. „Zuerst reizt dich das Geld. Später wird dir bewusst, dass du nur verlieren kannst. Aber dann spielst du, um den Reiz aufrecht zu erhalten. Irgendwann kannst du nicht mehr aufhören“, beschreibt Hakan seinen Suchtverlauf. Regelmäßig fährt er nach Wien und spielt hauptsächlich an den Automaten. Das ist der schnelle Kick, beinahe wie ein Rausch. Dem Wolf ausgeliefert
Als er beruflich ins Ausland ging, eskalierte die Situation. „Es gibt ein Sprichwort: ‚Verlässt du die Herde, bist du dem Wolf alleine ausgeliefert‘. So war es bei mir ohne Familie und Freunde.“ Seine Familie wurden die Spielhallen und die Spielkollegen. „Meinen Lohn hab ich oft in ein paar Stunden verspielt. Ich wusste nicht, wovon ich die Miete bezahlen oder wie ich Essen kaufen sollte“, gibt er offen zu. Auch seine Freundin „spielte“ nicht mit. Hakan kämpft sich mit Krediten und Geld von Freunden und Verwandten durch. „Das Schlimmste waren für mich nicht die Schulden. Finanzielles lässt sich regeln. Das, was ich mir am meisten vorwerfe, sind die Schäden, die ich bei Menschen verursacht habe durch meine Lügen und mein Verhalten!“, gesteht er sich mittlerweile ein.
Jeden Tag hat er sich gesagt „Heute höre ich auf!“ Aber die zurückbleibende Leere trieb ihn immer wieder in die Arme der Spielhallen. Seinen Tiefpunkt beschreibt er, als er drei Tage nichts zu essen hatte, weil er sich zu sehr schämte, seine Freunde um Geld zu bitten. Die Notbremse
Nach einer Fahrt nach Kroatien mit einem befreundeten Spielsüchtigen zog er die Notbremse. „Anstatt acht Stunden haben wir 25 Stunden für die Reise gebraucht, weil wir an jeder Tankstelle gespielt haben.“ Also beschließt er zurück nach Österreich zu seiner Familie zu ziehen. Er weist sich selbst in eine Klinik ein. „Erst als ich meinen Therapeuten gefunden habe, ist mir ein Licht aufgegangen. Er hat mir vermitteln können, dass ich es nicht alleine schaffen muss, ja gar nicht kann.“ Mittlerweile ist Hakan seit sechs Monaten spielfrei und lebt einen Tag nach dem anderen. „Ich gehe zur Therapie, habe wieder einen Job und besuche Treffen. Diese Genesungskontakte helfen mir sehr.“ Deshalb hat er auch eine Selbsthilfegruppe in St. Pölten gegründet, die ihn motiviert weiter zu machen. „Mir ist jetzt klar, dass es nicht nur einen richtigen Weg gibt. Viele Wege führen zum Ziel. Ich bin spielsüchtig, aber ich bin auf dem Weg der Besserung“, sieht Hakan den Silberstreifen am Horizont.
Ob er sich vom Gesetzgeber allein gelassen fühlt: „Wenn ich wieder mal viel verloren hatte, dann ist die Wut in mir gestiegen. Wut auf die Betreiber, Wut auf die Politik. Man kann kritisieren, dass durch sie die Möglichkeit geschaffen wird, süchtig zu machen. Aber verantwortlich ist jeder für sich selbst!“ Was würde er jemandem raten, der betroffen ist: „Ehrlich sein und Hilfe suchen. Vor einer Gruppe auszusprechen ‚ich bin spielsüchtig‘ ist der schwierigste Schritt, aber der erste in die richtige Richtung!“ Interview: Elke Billensteiner, Caritas Suchtberatung
"Spiele machen süchtig!"
Die Suchtberatungsstelle der Caritas ist Anlaufstelle für sogenannte „substanzungebundene Süchte“. MFG sprach mit Suchtberaterin Elke Billensteiner. Welchen Stellenwert hat Spielsucht in Österreich?
Das Glücksspielangebot ist in den letzen 30 Jahren ständig gestiegen und für jede Bevölkerungsschicht einfach zugänglich. Durch das vermehrte Angebot gewinnt die Spielsucht immer mehr an Bedeutung. Bemerken Sie de facto eine Zunahme?
Das Bewusstsein in der Öffentlichkeit ist größer geworden. Wir bemerken eine Häufung an diesbezüglichen Anfragen, sowohl von Betroffenen, als auch von Angehörigen. Prinzipiell ist die Bereitschaft der Menschen, Hilfsangebote in Anspruch zu nehmen, größer geworden. Welche Personengruppen sind gefährdet?
Es ist jede Bevölkerungsschicht und jede Altersgruppe betroffen. Frauen beginnen in der Regel später, sich mit dem Glücksspiel auseinanderzusetzen, dafür entwickeln sie schneller eine mit dem Spielen assoziierte Problematik und Abhängigkeit. Männer spielen eher aus Sensationslust, Frauen weisen eher Vermeidungsverhalten auf. Halten Sie die Maßnahmen in der Novelle zum Bundesglücksspielgesetz für ausreichend?
Die Maßnahmen dienen dem Spielerschutz und sind präventiv sicher von Bedeutung. Die Maßnahmen sind aber sicher nicht ausreichend, um Personen vor einer Abhängigkeit zu schützen. Es werden auch keine Lösungen für die Betroffenen angeboten. Werden Jugendliche ausreichend geschützt?
Mit der Ausweispflicht soll Jugendlichen der Zugang zu Automatensalons verweigert werden, es ist demnach kein allgemeiner Schutz. Da im Internet eine große Palette an Glücksspielen angeboten wird, haben Jugendliche sehr wohl die Möglichkeit zu spielen. Weiters ist es Jugendlichen möglich z. B. Rubbellose, Brieflose etc. zu erwerben. Um Jugendliche wirklich zu schützen, ist Aufklärung über einen adäquaten Umgang mit dem Glücksspiel bzw. Internet sinnvoll.