AUSSENSICHT „St. Pölten Wählt“: Was wird der 17. April bringen?
Ausgabe
GEORG RENNER, der gebürtige Wilhelmsburger ist Chef vom Dienst bei NZZ.at
Ich liebe den St. Pöltner Wahlkampf. Das hat mich anfangs etwas ratlos zurückgelassen, aber inzwischen weiß ich, was ich an diesem Wahlkampf so sehr mag: Er kommt mir so bekannt vor, so ... ja, vertraut. Die absolut regierende Partei mit der Mutter aller Materialschlachten. Die zurechtgeschnitzte Persönlichkeit ihres Spitzenkandidaten. Die mittlere Oppositionspartei, die gleichzeitig scharfer Kritiker wie konstruktiver Partner sein möchte. Und eine versprengte Opposition, die den Eindruck macht, nicht völlig verstanden zu haben, worum es eigentlich geht. Richtig: Es ist das selbe Szenario wie bei der Landtagswahl 2013 – nur in anderen Farben. Die Hoheit über die Materialschlacht hatte damals Erwin Pröll via hunderter Sujets: Macher, Landesvater, Partner aller Generationen. Heute ist es Matthias Stadler, der so inszeniert wird: Als braver Verwalter, Ansprechpartner für jung und alt, Stadtvater, der bis Mitternacht arbeitet.
Dann ist da die ÖVP, die ehrlich versucht, das wohl stärkste Thema dieser Wahl zu spielen, die verspekulierten 45 Millionen: Harte Konfrontation. Gleichzeitig stellt sie Forderungen, die es ohne SPÖ nicht spielen wird: Jahreskarte, Parkplätze, Sonnenpark. Das erinnert mich an die Leitner-SPÖ, die weiland versuchte, die Wohnbau-Spekulationen des Landes anzuprangern und sich gleichtzeitig als Partner mit Handschlagqualität zu inszenieren.
Und der Rest: Die FPÖ, die macht, was die FPÖ halt in jedem Wahlkampf macht. Die Grünen, deren Wahlkampf („Festivals nicht um jeden Preis“) sich mir zielgruppenmäßig in einem Ausmaß nicht erschließt, dass ich eher wetten würde, dass die Neos mit ihrem farblosen „Macht braucht Kontrolle“ in den Gemeinderat kommen als sie. Und, ja, „Blüh“. Und wie wird es ausgehen? Nun, 2013 hielt die Absolute, die mittlere Opposition wurde mit ihrer Bad Cop/Good Cop-Nummer abgestraft, die Protestpartei der Stunde legte zu, für den Rest war es ein Nullsummenspiel. Das klingt für mich, bereinigt um den Stronach-Effekt von damals, auch heuer realistisch.
Aber vielleicht kommt auch alles ganz anders. Das einzige, das ich sicher weiß: Dieser Wahlkampf wird mir fehlen. Bis 2018 dann, im Land wieder.
Ich liebe den St. Pöltner Wahlkampf. Das hat mich anfangs etwas ratlos zurückgelassen, aber inzwischen weiß ich, was ich an diesem Wahlkampf so sehr mag: Er kommt mir so bekannt vor, so ... ja, vertraut. Die absolut regierende Partei mit der Mutter aller Materialschlachten. Die zurechtgeschnitzte Persönlichkeit ihres Spitzenkandidaten. Die mittlere Oppositionspartei, die gleichzeitig scharfer Kritiker wie konstruktiver Partner sein möchte. Und eine versprengte Opposition, die den Eindruck macht, nicht völlig verstanden zu haben, worum es eigentlich geht. Richtig: Es ist das selbe Szenario wie bei der Landtagswahl 2013 – nur in anderen Farben. Die Hoheit über die Materialschlacht hatte damals Erwin Pröll via hunderter Sujets: Macher, Landesvater, Partner aller Generationen. Heute ist es Matthias Stadler, der so inszeniert wird: Als braver Verwalter, Ansprechpartner für jung und alt, Stadtvater, der bis Mitternacht arbeitet.
Dann ist da die ÖVP, die ehrlich versucht, das wohl stärkste Thema dieser Wahl zu spielen, die verspekulierten 45 Millionen: Harte Konfrontation. Gleichzeitig stellt sie Forderungen, die es ohne SPÖ nicht spielen wird: Jahreskarte, Parkplätze, Sonnenpark. Das erinnert mich an die Leitner-SPÖ, die weiland versuchte, die Wohnbau-Spekulationen des Landes anzuprangern und sich gleichtzeitig als Partner mit Handschlagqualität zu inszenieren.
Und der Rest: Die FPÖ, die macht, was die FPÖ halt in jedem Wahlkampf macht. Die Grünen, deren Wahlkampf („Festivals nicht um jeden Preis“) sich mir zielgruppenmäßig in einem Ausmaß nicht erschließt, dass ich eher wetten würde, dass die Neos mit ihrem farblosen „Macht braucht Kontrolle“ in den Gemeinderat kommen als sie. Und, ja, „Blüh“. Und wie wird es ausgehen? Nun, 2013 hielt die Absolute, die mittlere Opposition wurde mit ihrer Bad Cop/Good Cop-Nummer abgestraft, die Protestpartei der Stunde legte zu, für den Rest war es ein Nullsummenspiel. Das klingt für mich, bereinigt um den Stronach-Effekt von damals, auch heuer realistisch.
Aber vielleicht kommt auch alles ganz anders. Das einzige, das ich sicher weiß: Dieser Wahlkampf wird mir fehlen. Bis 2018 dann, im Land wieder.
JAKOB WINTER, der gebürtige St. Pöltner ist Redakteur des Nachrichtenmagazins „profil“
Üblicherweise kommt kaum ein Wahlkampf ohne Kopf-an-Kopf-Rennen aus – ganz gleich, ob inszeniert oder real. Nicht hier: Just im letzten absolut regierten ÖVP-Bundesland liegt die einzige absolut regierte rote Landeshauptstadt. Dafür gibt es drei Gründe.
Erstens: Anstatt Krieg zu führen, haben sich die beiden machtbewussten Regenten, Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) und Bürgermeister Matthias Stadler (SPÖ), arrangiert. Das Verhältnis wurde noch enger, seit Stadler nach dem Landtagswahldebakel im Jahr 2013 die rote Landespartei übernahm und die Fehde zwischen SPÖ und ÖVP beilegte. Die Appeasement-Politik nützt beiden: Pröll hat im Landtag seine Ruhe. Und Stadler kann sich der Unterstützung des Landeschefs in seiner Stadt sicher sein. Im Wahlkampf wirbt Stadler gar damit, dass er fünf Mal monatlich mit Pröll telefoniere.
Zweitens: Niederösterreichs Wahlrecht ist reichlich speziell, sticht doch die Vorzugsstimme für eine Person jene für eine Partei. Wer etwa FPÖ ankreuzt und Stadler die Vorzugsstimme gibt, wählt SPÖ. Davon profitiert in der Regel jene Partei, die mit charismatischem Spitzenpersonal aufwarten kann. Bereits jetzt werden in ganz St. Pölten eifrig Stimmzettel verteilt, auf denen der Name des Stadtoberhauptes steht. Damit soll der Eindruck einer Direktwahl des Bürgermeisters verstärkt werden (obwohl er vom Gemeinderat gekürt wird). Dazu passen die roten Wahlplakate ins Bild, die ohne SPÖ-Logo auskommen.
Drittens: Stadler hat, wie Pröll, beachtliche Beliebtheitswerte: 63 Prozent würden ihn laut NÖN direkt wählen.
Dass Stadler nach dem 17. April abdanken muss, glauben nicht einmal seine Herausforderer. Er werde „schon Bürgermeister bleiben“, sagt die ÖVP. „Wenn Stadler möchte, bleibt er Bürgermeister“, sagen die NEOS. „Wir haben nicht vor, die Absolute der SPÖ zu brechen“, sagen die Grünen. Die kulanten Töne könnten dem Stadtchef allerdings gefährlich werden, ein knappes Rennen würde die Anhänger besser mobilisieren. Davon hat zuletzt die SPÖ bei der Wien-Wahl profitiert, als sie ein erbittertes Duell gegen die FPÖ inszenierte. Stadler hat dagegen ein Luxusproblem: Ihm fehlt das Bedrohungsszenario.
Üblicherweise kommt kaum ein Wahlkampf ohne Kopf-an-Kopf-Rennen aus – ganz gleich, ob inszeniert oder real. Nicht hier: Just im letzten absolut regierten ÖVP-Bundesland liegt die einzige absolut regierte rote Landeshauptstadt. Dafür gibt es drei Gründe.
Erstens: Anstatt Krieg zu führen, haben sich die beiden machtbewussten Regenten, Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) und Bürgermeister Matthias Stadler (SPÖ), arrangiert. Das Verhältnis wurde noch enger, seit Stadler nach dem Landtagswahldebakel im Jahr 2013 die rote Landespartei übernahm und die Fehde zwischen SPÖ und ÖVP beilegte. Die Appeasement-Politik nützt beiden: Pröll hat im Landtag seine Ruhe. Und Stadler kann sich der Unterstützung des Landeschefs in seiner Stadt sicher sein. Im Wahlkampf wirbt Stadler gar damit, dass er fünf Mal monatlich mit Pröll telefoniere.
Zweitens: Niederösterreichs Wahlrecht ist reichlich speziell, sticht doch die Vorzugsstimme für eine Person jene für eine Partei. Wer etwa FPÖ ankreuzt und Stadler die Vorzugsstimme gibt, wählt SPÖ. Davon profitiert in der Regel jene Partei, die mit charismatischem Spitzenpersonal aufwarten kann. Bereits jetzt werden in ganz St. Pölten eifrig Stimmzettel verteilt, auf denen der Name des Stadtoberhauptes steht. Damit soll der Eindruck einer Direktwahl des Bürgermeisters verstärkt werden (obwohl er vom Gemeinderat gekürt wird). Dazu passen die roten Wahlplakate ins Bild, die ohne SPÖ-Logo auskommen.
Drittens: Stadler hat, wie Pröll, beachtliche Beliebtheitswerte: 63 Prozent würden ihn laut NÖN direkt wählen.
Dass Stadler nach dem 17. April abdanken muss, glauben nicht einmal seine Herausforderer. Er werde „schon Bürgermeister bleiben“, sagt die ÖVP. „Wenn Stadler möchte, bleibt er Bürgermeister“, sagen die NEOS. „Wir haben nicht vor, die Absolute der SPÖ zu brechen“, sagen die Grünen. Die kulanten Töne könnten dem Stadtchef allerdings gefährlich werden, ein knappes Rennen würde die Anhänger besser mobilisieren. Davon hat zuletzt die SPÖ bei der Wien-Wahl profitiert, als sie ein erbittertes Duell gegen die FPÖ inszenierte. Stadler hat dagegen ein Luxusproblem: Ihm fehlt das Bedrohungsszenario.