KURT FARASIN Wenn sich Fremde plötzlich Fragen stellen
Text
Michael Müllner
Ausgabe
Mit der Landesausstellung im südlichen Waldviertel heben Kurt Farasin und sein Team eine relativ unbekannte Region auf die Bühne. Doch wie gelingt heute eine Ausstellung für die ganze Familie? Und was, außer zig Millionen an Spesen, soll bleiben, wenn die Karawane weiterzieht?
Welche Ziele setzen Sie sich mit einer Ausstellung?
Unsere Ausstellungen sollen Prozesse anstoßen – vor allem im ganz Persönlichen. Die Objekte in der Ausstellung sollen uns eine Geschichte erzählen. Mit einer Ausstellung soll man nicht den Scheinwerfer auf einen Punkt richten, sondern man soll ihn im Raum herumgehen lassen, von Mensch zu Mensch. Mit dem Thema „Alles was RECHT ist“ möchten wir zurückblicken, aber auch Antworten für die Zukunft suchen. Wir wollen einen Dialog fördern und stellen darum viele Fragen. Der Besucher merkt rasch, dass er Teil des Themas ist. Wir sind ein zeitaktueller Begegnungsraum. Weniger theoretisch ausgedrückt: Das Schönste ist für mich, wenn sich zwei Fremde in einem Raum plötzlich Fragen zur Ausstellung stellen. Das wollen wir erreichen, dass man nachdenkt, diskutiert und für sich selber auch Werte und Positionen findet.
Man darf also mehr erwarten, als ausgestellte Gesetzestexte?
Natürlich, wir haben uns schon mehr einfallen lassen, um verschiedene Aspekte darzustellen und die Besucher aktiv einzubinden. Vor dem Recht sind wir ja alle gleich, darum war uns auch gerade bei diesem Thema die Einbindung aller Bevölkerungsgruppen ein ganz zentrales Anliegen. Das beginnt damit, dass man auch Menschen mit Einschränkungen ermöglicht, die Ausstellung zu erleben. Es gibt auch Texte in „leichter Sprache“, damit sich jeder informieren kann. Wir machen kein klassisches Kinderprogramm – unserer Meinung nach sollen Kinder nicht in die Kinderschiene wegpädagogisiert werden sondern die Familie soll gemeinsam die Ausstellung spielerisch erleben und begreifen. Dann kann man nach dem Besuch am Weg zum Wirten im Auto auch darüber diskutieren, wenn man das Gleiche erlebt hat.
Die Fahrt zum regionalen Wirten ist sehr wichtig?
Unbedingt, wir wollen die Region einbinden. Ein Beispiel ist, dass „normale“ Menschen aus der Region durch die Ausstellung führen werden. Sie sind natürlich entsprechend geschult, aber sie bringen auch ihre eigene Biographie mit, die örtliche Verankerung, den authentischen Bezug zum südlichen Waldviertel. Dieses Beispiel zeigt: Wir stellen uns bewusst unter das Thema, wir verteilen kein Herrschaftswissen, sondern wir wecken Interesse.
In Wahrheit ein Regionalentwicklungsprojekt?
Sicher. Vor drei Jahren haben wir begonnen vor Ort zu arbeiten. Wir haben die Menschen eingeladen uns zu erzählen, was sie mit dem Ausstellungsort und ihrer Region verbinden. Wo beginnt und endet überhaupt die relevante Region, das „südliche Waldviertel“? Welche Orte und Sehenswürdigkeiten sollen wir vor den Vorhang stellen. Die idyllische „Servus-TV“-Landschaft oder die extrem hohe Dichte an Hausgärten beispielsweise. Über diesen langen Prozess zeichnete sich ein zunehmend klares Bild ab, was „unsere Region“ ist. Dann findet man Partner – ein paar hundert Menschen, die sich einbinden, rund 70 Betriebe, die mitmachen. Es gibt laufend Veranstaltungen, die sich um die Entwicklung der Region drehen. Außerdem haben wir sechs „Waldviertelstationen“ identifiziert, auf welche man in der Region besonders stolz ist und die wir den Besuchern ans Herz legen. Es gibt so viel zu entdecken. Das wollen wir ja generell von unseren Besuchern. Wenn Sie eintreffen, bekommen sie ein „Los geht’s“-Heft in das sie reinzeichnen können. Wir geben Ihnen Eigenverantwortung beim Entdecken des Schlosses, beim Blick in die Landschaft und natürlich auch bei der Ausstellung selber.
Macht es wirklich Sinn alle zwei Jahre 40 Millionen in eine schwache Region zu pumpen? Für einen Sommer? Und danach leerstehende Veranstaltungsräume?
Es handelt sich um eine echte Regionalentwicklung. Darum überlegt man ja so intensiv, was die Region einzigartig macht und welche Stärken sie in Zukunft besser ausspielen soll. Es geht um die Analysearbeit in den Jahren davor, aber es geht auch ganz stark um die Jahre danach, was man aus diesem Potential macht, wie die regionalen Partner und die einzelnen Menschen davon profitieren. Das muss die Erfolgslatte für uns sein, nicht so sehr die Anzahl der Ausstellungsbesucher. Ich sage immer, die Landesausstellung von April bis November ist das Bühnenprogramm für die Zukunft der Region. Wir teilen dabei das Erreichte mit den Gästen, aber es geht um viel mehr, nämlich um den gemeinsamen Weg in der Zeit nach der Landesausstellung. Und wenn wir hören, dass etwa Annaberg seit zwanzig Jahren erstmals keinen Rückgang bei der Bevölkerungszahl hat, dann ist das für mich eine direkte Auswirkung der letzten Landesausstellung.
Zur Person
Kurt Farasin ist künstlerischer Leiter der Schallaburg und verantwortet auch die NÖ-Landesausstellungen, für welche er seit 2011 tätig ist. Frühere Stationen waren beim ORF in der Entwicklungsabteilung (etwa Konfetti-TV) und bei den „Heimat“-Sendungen. Dabei entstand seine Leidenschaft „Menschen in der Region sprechen zu lassen“.
Unsere Ausstellungen sollen Prozesse anstoßen – vor allem im ganz Persönlichen. Die Objekte in der Ausstellung sollen uns eine Geschichte erzählen. Mit einer Ausstellung soll man nicht den Scheinwerfer auf einen Punkt richten, sondern man soll ihn im Raum herumgehen lassen, von Mensch zu Mensch. Mit dem Thema „Alles was RECHT ist“ möchten wir zurückblicken, aber auch Antworten für die Zukunft suchen. Wir wollen einen Dialog fördern und stellen darum viele Fragen. Der Besucher merkt rasch, dass er Teil des Themas ist. Wir sind ein zeitaktueller Begegnungsraum. Weniger theoretisch ausgedrückt: Das Schönste ist für mich, wenn sich zwei Fremde in einem Raum plötzlich Fragen zur Ausstellung stellen. Das wollen wir erreichen, dass man nachdenkt, diskutiert und für sich selber auch Werte und Positionen findet.
Man darf also mehr erwarten, als ausgestellte Gesetzestexte?
Natürlich, wir haben uns schon mehr einfallen lassen, um verschiedene Aspekte darzustellen und die Besucher aktiv einzubinden. Vor dem Recht sind wir ja alle gleich, darum war uns auch gerade bei diesem Thema die Einbindung aller Bevölkerungsgruppen ein ganz zentrales Anliegen. Das beginnt damit, dass man auch Menschen mit Einschränkungen ermöglicht, die Ausstellung zu erleben. Es gibt auch Texte in „leichter Sprache“, damit sich jeder informieren kann. Wir machen kein klassisches Kinderprogramm – unserer Meinung nach sollen Kinder nicht in die Kinderschiene wegpädagogisiert werden sondern die Familie soll gemeinsam die Ausstellung spielerisch erleben und begreifen. Dann kann man nach dem Besuch am Weg zum Wirten im Auto auch darüber diskutieren, wenn man das Gleiche erlebt hat.
Die Fahrt zum regionalen Wirten ist sehr wichtig?
Unbedingt, wir wollen die Region einbinden. Ein Beispiel ist, dass „normale“ Menschen aus der Region durch die Ausstellung führen werden. Sie sind natürlich entsprechend geschult, aber sie bringen auch ihre eigene Biographie mit, die örtliche Verankerung, den authentischen Bezug zum südlichen Waldviertel. Dieses Beispiel zeigt: Wir stellen uns bewusst unter das Thema, wir verteilen kein Herrschaftswissen, sondern wir wecken Interesse.
In Wahrheit ein Regionalentwicklungsprojekt?
Sicher. Vor drei Jahren haben wir begonnen vor Ort zu arbeiten. Wir haben die Menschen eingeladen uns zu erzählen, was sie mit dem Ausstellungsort und ihrer Region verbinden. Wo beginnt und endet überhaupt die relevante Region, das „südliche Waldviertel“? Welche Orte und Sehenswürdigkeiten sollen wir vor den Vorhang stellen. Die idyllische „Servus-TV“-Landschaft oder die extrem hohe Dichte an Hausgärten beispielsweise. Über diesen langen Prozess zeichnete sich ein zunehmend klares Bild ab, was „unsere Region“ ist. Dann findet man Partner – ein paar hundert Menschen, die sich einbinden, rund 70 Betriebe, die mitmachen. Es gibt laufend Veranstaltungen, die sich um die Entwicklung der Region drehen. Außerdem haben wir sechs „Waldviertelstationen“ identifiziert, auf welche man in der Region besonders stolz ist und die wir den Besuchern ans Herz legen. Es gibt so viel zu entdecken. Das wollen wir ja generell von unseren Besuchern. Wenn Sie eintreffen, bekommen sie ein „Los geht’s“-Heft in das sie reinzeichnen können. Wir geben Ihnen Eigenverantwortung beim Entdecken des Schlosses, beim Blick in die Landschaft und natürlich auch bei der Ausstellung selber.
Macht es wirklich Sinn alle zwei Jahre 40 Millionen in eine schwache Region zu pumpen? Für einen Sommer? Und danach leerstehende Veranstaltungsräume?
Es handelt sich um eine echte Regionalentwicklung. Darum überlegt man ja so intensiv, was die Region einzigartig macht und welche Stärken sie in Zukunft besser ausspielen soll. Es geht um die Analysearbeit in den Jahren davor, aber es geht auch ganz stark um die Jahre danach, was man aus diesem Potential macht, wie die regionalen Partner und die einzelnen Menschen davon profitieren. Das muss die Erfolgslatte für uns sein, nicht so sehr die Anzahl der Ausstellungsbesucher. Ich sage immer, die Landesausstellung von April bis November ist das Bühnenprogramm für die Zukunft der Region. Wir teilen dabei das Erreichte mit den Gästen, aber es geht um viel mehr, nämlich um den gemeinsamen Weg in der Zeit nach der Landesausstellung. Und wenn wir hören, dass etwa Annaberg seit zwanzig Jahren erstmals keinen Rückgang bei der Bevölkerungszahl hat, dann ist das für mich eine direkte Auswirkung der letzten Landesausstellung.
Zur Person
Kurt Farasin ist künstlerischer Leiter der Schallaburg und verantwortet auch die NÖ-Landesausstellungen, für welche er seit 2011 tätig ist. Frühere Stationen waren beim ORF in der Entwicklungsabteilung (etwa Konfetti-TV) und bei den „Heimat“-Sendungen. Dabei entstand seine Leidenschaft „Menschen in der Region sprechen zu lassen“.