Transparenz in der Politik
Text
Johannes Reichl
Ausgabe
In der Optik kann ein transparenter Körper durchschaut werden. Transparenz in der Politik ist somit eine Metapher – das System durchschauen. Doch wie durchschaubar ist die Politik tatsächlich?
Hermann Nonner (FPÖ) tobte. Er habe bei fünf Sitzungen das Protokoll nicht vorher, sondern erst bei der Sitzung erhalten. Seitens des Magistrats wird betont, dass diese Vorgehensweise „exakt den gesetzlichen Bestimmungen des Stadtrechtsorganisationsgesetzes“ (STROG) entspricht, das im Übrigen ein Landesgesetz und für alle Statutarstädte gültig sei. „Die diesbezüglichen Rechtsvorschriften sind sinnvoll und notwendig, um zum Beispiel rechtliche Interessen von Bürgern zu wahren und/oder Haftungen für die Stadt auszuschließen.“ Das bisherige Vorgehen, Akten bereits vor Sitzungen zu verschicken, sei nur eine Kulanzlösung gewesen. SP-Bezirksgeschäftsführer Robert Laimer (SPÖ) erklärt, dass es wiederholt in Vergangenheit zu Problemen hinsichtlich der Amtsverschwiegenheit gekommen sei. Er sieht daher auch keinen Änderungsbedarf an der jetzigen Handhabe: „Die derzeitige Regelung ist gesetzeskonform.“
Bernhard Wurzer (ÖVP) verweist hingegen auf die in seinen Augen erschwerte, ja widersinnige Praxis. „Nun erhalte er erst während der Sitzung seitenlange Akten und müsse diese studieren. Eine seriöse Entscheidung kann daher schwer getroffen werden, weil man keine Rücksprache mehr mit Experten halten kann.“ Der Verweis des Magistrates auf das Stadtrechtsorganisationsgesetz sei für ihn „Blödsinn, weil es handelt sich hierbei nur um Mindestrechte.“ Soll heißen, mehr Service sei umgekehrt ja nicht explizit verboten, könnte also bei gutem Willen durchaus praktiziert werden. Das Problem liege aber grundsätzlich beim STROG, welches noch aus den 90er-Jahren stamme „und daher keine Regelung für eMails enthält.“ Die Grünen wiederum sind gar nicht im Stadtsenat vertreten, weshalb sie auch nicht zu Ausschusssitzungen eingeladen werden und auch keine Unterlagen oder Protokolle zugeschickt bekommen. Für Nicole Buschenreiter tritt hier bereits das Grundproblem bereits zutage: „Transparenz nach Zuschnitt des SP Bürgermeisters bedeutet gezielte Nicht-Information und absolute Erschwernis im Zugang zu Unterlagen und Akten.“ Nonner kritisiert zudem, und deutet damit ein demokratiepolitisches Defizit an, dass man aufgrund der absoluten Mehrheit auf Ausschüsse ohnedies verzichten könne, weil sie nicht öffentlich sind und Anträge mit den Stimmen der SPÖ alleine beschlossen werden können. „Damit fehlt jegliche Transparenz, aber auch Effizienz.“ Transparenz für Bürger. Und wie ist es um die Transparenz für den „normalen Bürger“ bestellt? Laimer verweist darauf, dass alle Gemeinderatssitzungen grundsätzlich öffentlich zugänglich seien, die Bürger zudem im Amtsblatt „St. Pölten konkret“ über die zentralen Beschlüsse informiert werden. Außerdem würde die SPÖ über ihre Homepage auch aktuell informieren.
In die selbe Kerbe schlägt Pressesprecher Martin Koutny: „Grundsätzlich werden also die gefassten Beschlüsse durch die Pressestelle im Rathaus umfassend und ausführlich bekannt gemacht, so dass sich die Bürgerinnen und Bürger entsprechend informieren können.“ Man könne sich aber auch direkt in den Abteilungen des Magistrats informieren oder in die Sprechstunden des Bürgermeister kommen.
Buschenreiter, „als Newcomerin ernüchtert, was Transparenz und Bürgernähe anlangt“, würde begrüßen, wenn die Tagesordnung plus alle dafür notwendigen Unterlagen auf der Stadthomepage abrufbar sind, „mit zusätzlicher Kommentarfunktion für interessierte Bürgerinnen und Bürger.“ Sie wünscht sich zudem einen Livestream der Gemeinderatssitzungen, was auf Landtags- und Nationalratsebene längst üblich sei. Wurzer will sogar alles veröffentlichen, das nicht die Privatsphäre betrifft. „Die Menschen haben ein Recht darauf zu erfahren, was in der Gemeinde passiert, wer was sagt oder tut. Es ist schließlich ihr Steuergeld. Je höher die Transparenz, desto höher die Akzeptanz.“
In den anderen Statutarstädten Niederösterreichs werden Beschlüsse im Übrigen ähnlich wie in St. Pölten kundgemacht: In Krems, Waidhofen an der Ybbs und Wiener Neustadt werden die wichtigsten Beschlüsse per Presseaussendung sowie online veröffentlicht. In Krems findet man sie zudem im amtlichen Teil des „Stadtjournal Krems“. Ein Livestream wurde schon in Wiener Neustadt geprüft, aus Kostengründen aber nicht implementiert. Ein Beispiel könnte man sich an Wien nehmen, das sämtliche Sitzungsberichte und Protokolle des Gemeinderates online stellt.
In der Politiktheorie wie auch der Verhandlungstheorie wird am an sich positiv konnotierten Begriff Transparenz aber auch Kritik geübt. In einem transparenten System seien Politiker versucht, sich als stärksten Interessensvertreter darzustellen. Es werden radikalere Verhandlungspositionen bezogen, die Kompromisse scheitern lassen. Auch kann öffentlicher Druck Abgeordnete zu einer Stimmänderung trotz besseren Wissens bewegen. Ein Mangel an Transparenz fördere bei prekären Themen auch den Freiraum zur Diskussion.
Infos zum Thema:KOPIERMANIAIn St. Pölten darf man vor der Gemeinderatssitzung um 50 Cent pro Seite Kopien anfertigen, welche höchstpersönlich geholt werden müssen. Ein Vertreter darf übringes, sehr zum Missfallen der Opposition, nicht geschickt werden. Dazu verlautet es aus dem Magistrat: „Ein Gemeinderatsmandatar wird entsprechend entlohnt und deshalb ist auch zumutbar, dass er sich gemäß den gesetzlichen Bestimmungen Informationen holt.“Und wie wird die Chose in anderen Statutarstädten gehandhabt? In Wiener Neustadt z. B. kann Akteneinsicht ab dem Tag der Einberufung (GR, StS, Ausschuss) genommen werden. Die Mandatare müssen persönlich bei der zuständigen Dienststelle vorstellig werden. Die Kopien sind gratis.In Waidhofen wiederum ist Akteneinsicht während des Sitzungsverlaufes im Magistrat möglich. Kostenlose Kopien werden mit Parteivermerk erstellt.NICHT ÖFFENTLICHNeben öffentlichen Sitzungen gibt es auch solche hinter verschlossenen Türen. Geregelt, wenngleich mit großem Interpretationsspielraum, ist dies im §26 des Stadtrechtsorganisationsgesetz. Demnach ist laut Absatz 1 jede Sitzung grundsätzlich öffentlich. Individuelle Personalangelegenheiten, Angelegenheiten, die Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse oder schutzwürdige Daten betreffen, Angelegenheiten, durch deren öffentliche Behandlung ein wirtschaftlicher oder persönlicher Nachteil für Dritte entstehen könnte und die Erlassung individueller, hoheitlicher Verwaltungsakte müssen nach Absatz 3 nichtöffentlich behandelt werden. Der Bürgermeister kann nach Absatz 4 Gegenstände in eine nichtöffentliche Sitzung verweisen. Auf Antrag eines Zehntels der Mitglieder des Gemeinderats werden die Gegenstände, die für eine nichtöffentliche Behandlung vorgesehen waren, in öffentlicher Sitzung behandelt.
Bernhard Wurzer (ÖVP) verweist hingegen auf die in seinen Augen erschwerte, ja widersinnige Praxis. „Nun erhalte er erst während der Sitzung seitenlange Akten und müsse diese studieren. Eine seriöse Entscheidung kann daher schwer getroffen werden, weil man keine Rücksprache mehr mit Experten halten kann.“ Der Verweis des Magistrates auf das Stadtrechtsorganisationsgesetz sei für ihn „Blödsinn, weil es handelt sich hierbei nur um Mindestrechte.“ Soll heißen, mehr Service sei umgekehrt ja nicht explizit verboten, könnte also bei gutem Willen durchaus praktiziert werden. Das Problem liege aber grundsätzlich beim STROG, welches noch aus den 90er-Jahren stamme „und daher keine Regelung für eMails enthält.“ Die Grünen wiederum sind gar nicht im Stadtsenat vertreten, weshalb sie auch nicht zu Ausschusssitzungen eingeladen werden und auch keine Unterlagen oder Protokolle zugeschickt bekommen. Für Nicole Buschenreiter tritt hier bereits das Grundproblem bereits zutage: „Transparenz nach Zuschnitt des SP Bürgermeisters bedeutet gezielte Nicht-Information und absolute Erschwernis im Zugang zu Unterlagen und Akten.“ Nonner kritisiert zudem, und deutet damit ein demokratiepolitisches Defizit an, dass man aufgrund der absoluten Mehrheit auf Ausschüsse ohnedies verzichten könne, weil sie nicht öffentlich sind und Anträge mit den Stimmen der SPÖ alleine beschlossen werden können. „Damit fehlt jegliche Transparenz, aber auch Effizienz.“ Transparenz für Bürger. Und wie ist es um die Transparenz für den „normalen Bürger“ bestellt? Laimer verweist darauf, dass alle Gemeinderatssitzungen grundsätzlich öffentlich zugänglich seien, die Bürger zudem im Amtsblatt „St. Pölten konkret“ über die zentralen Beschlüsse informiert werden. Außerdem würde die SPÖ über ihre Homepage auch aktuell informieren.
In die selbe Kerbe schlägt Pressesprecher Martin Koutny: „Grundsätzlich werden also die gefassten Beschlüsse durch die Pressestelle im Rathaus umfassend und ausführlich bekannt gemacht, so dass sich die Bürgerinnen und Bürger entsprechend informieren können.“ Man könne sich aber auch direkt in den Abteilungen des Magistrats informieren oder in die Sprechstunden des Bürgermeister kommen.
Buschenreiter, „als Newcomerin ernüchtert, was Transparenz und Bürgernähe anlangt“, würde begrüßen, wenn die Tagesordnung plus alle dafür notwendigen Unterlagen auf der Stadthomepage abrufbar sind, „mit zusätzlicher Kommentarfunktion für interessierte Bürgerinnen und Bürger.“ Sie wünscht sich zudem einen Livestream der Gemeinderatssitzungen, was auf Landtags- und Nationalratsebene längst üblich sei. Wurzer will sogar alles veröffentlichen, das nicht die Privatsphäre betrifft. „Die Menschen haben ein Recht darauf zu erfahren, was in der Gemeinde passiert, wer was sagt oder tut. Es ist schließlich ihr Steuergeld. Je höher die Transparenz, desto höher die Akzeptanz.“
In den anderen Statutarstädten Niederösterreichs werden Beschlüsse im Übrigen ähnlich wie in St. Pölten kundgemacht: In Krems, Waidhofen an der Ybbs und Wiener Neustadt werden die wichtigsten Beschlüsse per Presseaussendung sowie online veröffentlicht. In Krems findet man sie zudem im amtlichen Teil des „Stadtjournal Krems“. Ein Livestream wurde schon in Wiener Neustadt geprüft, aus Kostengründen aber nicht implementiert. Ein Beispiel könnte man sich an Wien nehmen, das sämtliche Sitzungsberichte und Protokolle des Gemeinderates online stellt.
In der Politiktheorie wie auch der Verhandlungstheorie wird am an sich positiv konnotierten Begriff Transparenz aber auch Kritik geübt. In einem transparenten System seien Politiker versucht, sich als stärksten Interessensvertreter darzustellen. Es werden radikalere Verhandlungspositionen bezogen, die Kompromisse scheitern lassen. Auch kann öffentlicher Druck Abgeordnete zu einer Stimmänderung trotz besseren Wissens bewegen. Ein Mangel an Transparenz fördere bei prekären Themen auch den Freiraum zur Diskussion.
Infos zum Thema:KOPIERMANIAIn St. Pölten darf man vor der Gemeinderatssitzung um 50 Cent pro Seite Kopien anfertigen, welche höchstpersönlich geholt werden müssen. Ein Vertreter darf übringes, sehr zum Missfallen der Opposition, nicht geschickt werden. Dazu verlautet es aus dem Magistrat: „Ein Gemeinderatsmandatar wird entsprechend entlohnt und deshalb ist auch zumutbar, dass er sich gemäß den gesetzlichen Bestimmungen Informationen holt.“Und wie wird die Chose in anderen Statutarstädten gehandhabt? In Wiener Neustadt z. B. kann Akteneinsicht ab dem Tag der Einberufung (GR, StS, Ausschuss) genommen werden. Die Mandatare müssen persönlich bei der zuständigen Dienststelle vorstellig werden. Die Kopien sind gratis.In Waidhofen wiederum ist Akteneinsicht während des Sitzungsverlaufes im Magistrat möglich. Kostenlose Kopien werden mit Parteivermerk erstellt.NICHT ÖFFENTLICHNeben öffentlichen Sitzungen gibt es auch solche hinter verschlossenen Türen. Geregelt, wenngleich mit großem Interpretationsspielraum, ist dies im §26 des Stadtrechtsorganisationsgesetz. Demnach ist laut Absatz 1 jede Sitzung grundsätzlich öffentlich. Individuelle Personalangelegenheiten, Angelegenheiten, die Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse oder schutzwürdige Daten betreffen, Angelegenheiten, durch deren öffentliche Behandlung ein wirtschaftlicher oder persönlicher Nachteil für Dritte entstehen könnte und die Erlassung individueller, hoheitlicher Verwaltungsakte müssen nach Absatz 3 nichtöffentlich behandelt werden. Der Bürgermeister kann nach Absatz 4 Gegenstände in eine nichtöffentliche Sitzung verweisen. Auf Antrag eines Zehntels der Mitglieder des Gemeinderats werden die Gegenstände, die für eine nichtöffentliche Behandlung vorgesehen waren, in öffentlicher Sitzung behandelt.