Der Clou
Text
Johannes Reichl
Ausgabe
Manchmal trägt dich das Leben in die weite Welt hinaus, um dich – wenn du schon glaubst anderswo für den Rest deines Lebens angekommen zu sein – unerwartet zurück in die Heimat zu führen. Johannes Neulinger und seiner Gattin ist es so ergangen – mit der Eröffnung des „Kultig“ schlagen sie zuhause wieder Wurzeln.
Als wir uns Richtung „Neulingers Kultig“, formerly known as „Koll“ und zuletzt als „Akiwi“ geführt, aufmachen, ist eine gewisse (hohe) Erwartungshaltung nicht zu verleugnen. Immerhin hat Johannes Neulinger ja angekündigt „den Charakter des Lokals erhalten zu wollen“. Und auch wenn dieser zuletzt – elegant formuliert – „urig-morbid“ daherkam, so war er eben doch das, was der Neowirt auch gleich im Namen festgeschrieben hat: Kult! Während vorne die neue Fassade aufgeputzt in die Nacht hinausglänzt und Zeugnis großer Renovierungsarbeiten ablegt, nehmen wir – Tradition ist nun mal Tradition – den Hintereingang und parken im Bereich meines Lieblings-Parkverbotsschildes ein. Das gilt nämlich skurrilerweise exakt nur für den Standort des Schildes selbst, einen Anfang oder Ende-Zusatz sucht man vergeblich. Wir gehen durch den kleinen Hof zwischen kleinem und großem Garten (wobei es der große mit den herrlichen Apfel- und Nussbäumen sein wird, der im Sommer eine Wiederauferstehung als Gastgarten erfahren soll) die paar Stufen ins Lokal, dessen Holztür uns im gewohnten Dunkelgrün begrüßt. Weil es sozusagen am Weg liegt, machen wir auch gleich den ersten wirklichen Stresstest und werfen einen Blick ins Pissoir ...Tatsächlich haben sich schon die ersten Klopoeten mit gewohnt deftigen Sprüchen an der Wand „verewigt“, die etwa den ehemaligen Bundespräsidenten Rudolf Kirchschläger zu zweifelhaften Ehren kommen lassen. Ob sich der Neowirt darüber freut, mag dahingestellt sein, aber, um es frei nach Erich Fried zu formulieren: „Es ist was es ist!“ – und auch in diesem Fall tatsächlich so etwas wie eine Liebeserklärung der vermeintlichen „Vandalen“. Beim Weitergehen werfen wir einen verstohlenen Blick in die komplett neue Küche – die strahlt im neuen Nierostglanz, schließlich – „Augen zu und durch (die Schwingtür)“ – wagen wir den Schritt in den Schankraum. Augen wieder auf und ... Überraschung: Wir sind wieder „zuhause“! Auch hier begrüßt den Gast die altehrwürdige dunkelgrüne Holzverkleidung, die legendären Schilder hängen wieder an ihrem Platz, und dass etwa die Puppe fehlt, ist bestenfalls eine Angelegenheit für „religiöse“ Eiferer. Die Bar ist neu, kleiner, und alles wirkt noch recht aufgeräumt. Das Licht ist einen Tick zu hell, aber das ist schon unangebrachte i-Tüpferlreiterei! Immerhin geht’s ja nicht um eine Kopie ... andererseits doch um einen gelungene „Wiederbelebung“! Selbst der wuchtige eckige Stammtisch steht am Stammplatz und beherbergt an diesem Abend einen bemerkenswerten Gast, als stünde der ad personam für eine Art Gütesiegel nach dem Reinheitsgebot: Leo Koll sitzt dort im Kreise der Familie. Wir machen es uns nach einem kleinen Rundgang im mittleren Raum gemütlich, wo als Novum sofort das Pianino ins Auge sticht. Kein Dekostück, sondern fortan allwöchentlicher „Arbeitsplatz“ von Harry Gansberger, der sich auch an diesem Donnerstag ans Instrument setzt und bezeichnenderweise mit „The Clou“ eröffnet.
Heimkehrer
Ein Clou wie der Kauf des ehemaligen „Koll“, der Neulinger nach 25 Jahren Südtirol zurück in die Heimat führen sollte. Dabei war St. Pölten als neuer Lebensmittelpunkt alles andere denn eine ausgemachte Sache, wie er uns verrät: „Wir haben uns eigentlich überall umgeschaut, auch sehr intensiv in Tirol.“ Das St. Pöltner Lokal sei sogar eines der letzten Objekt gewesen, der Tipp dazu kam vom befreundeten St. Pöltner Busunternehmers Franz Datzinger. „Meine Frau war sofort angetan. Ich hab zunächst eher die viele Renovierungsarbeit gesehen – und da habe ich mich nicht getäuscht,“ lacht Neulinger. Aber wie das im Leben und in Ehen so ist, mit der Gattin Begeisterung für das Lokal war die Sache sozusagen auch schon entschieden. „Ingrid hat gemeint, wenn wir schon wo neu anfangen, warum dann nicht in der Heimat?“ Tja, wo sie recht hat, hat sie recht, muss man – als zugegeben befangener „Kollianer“ – beipflichten. Und so wagte sich Neulinger an seine mittlerweile fünfte Baustelle im Leben heran, von der er aber hofft, „dass es die letzte sein wird!“ Eine, die auch die befürchtete Arbeit (und Kosten nebstbei erwähnt) bedeutete, denn so „erhalten“ das „Kultig“ auch aussieht, so ist es in seiner Substanz in Wahrheit fast komplett neu – von der Küche über die Toiletteanlagen bis hin zur Fassade. Selbst der Boden in der Schankstube, der so wunderbar „alt“ daherkommt, ist in Wahrheit nur ein Beweis für Neulingers Liebe zum Detail – kurzum ebenfalls komplett neu, aber dem alten fast perfekt nachempfunden! Wobei die Baustelle bzw. die anschließende Neueröffnung auch schöne Metaphern für Neulingers eigenes Leben sind. Denn der Schritt nach St. Pölten bedeutet mit seinen knapp 50 Lenzen auch einen persönlichen Neuanfang. Gründe dafür gibt es verschiedene, die unter die Kategorie „privat“ fallen, nach 25 Jahren Hotellerie „ist das Ganze aber einfach auch schon ein bissl fad geworden.“ Zudem ist dem Beruf auch ein ungesundes Burn-Out-Potential nicht abzusprechen.„Du arbeitest im Hotel sieben Tage die Woche 14 Stunden am Tag. Das geht vier, fünf Monate so durch, dann hast du einen Monat frei.“ Nicht gerade das, was sich Neulinger für den Rest seines Lebens vorstellte, das er eher unter das Motto „einen Gang zurückschalten“ stellen möchte. Mit der neuen Lebenssituation erhofft er sich mehr Freizeit für sich und seine Familie, „ich möchte das Leben ein bisserl mehr und bewusster genießen, wobei das Lokal natürlich eine völlig neue Herausforderung darstellt.“ Denn Hotelier und Wirt sind zwei verschiedene Paar Schuhe, wobei ihm das neue bislang sehr gut gefällt.„Es macht mir enorm viel Spaß. Ich fühle mich einfach wohl in der neuen Rolle“, bekennt er. Insbesondere der Kontakt zu den Leuten hätte schon etwas, wobei Neulinger „sicher kein Wirt wird, der an der Bar mitsauft.“ Dazu sei er zu alt und – so darf man hinzufügen – zu reif. „Als Junger habe ich noch Gas gegeben“, erinnert er sich schmunzelnd zurück, um dann die Stirn in Falten zu legen „mit dem Endergebnis, dass ich dann derjenige war, der die Sauerei weggewischt hat.“ Und in Tirol „ist sicher ein Drittel derjenigen, die mit mir begonnen hatten, schon verstorben. Die Arbeit und das Schnapssaufen, das geht sich auf Dauer nicht aus – da geht’s irgendwann Ratzvaz.“ Neulingers primäres „Revier“ im „Kultig“ ist ohnedies die Küche. „Ich koche selbst“, betont er, und zwar „bodenständige Kost mit guter Qualität.“ Was er unter guter Qualität – heutzutage ja ein gern gebrauchter Allerweltsslogan – genau versteht: „Gute Qualität heißt, dass wir alles selbst kochen, von der Suppe bis zur Nachspeis!“ Mit Überzeugung vorgebrachter Nachsatz „Sonst bräuchte ich ja kein Wirt und Koch sein!“ Dabei, so betont Neulinger, versteht er das „Kultig“ (das auch Mittagsmenüs bietet) gar nicht in erster Linie als Speiserestaurant „Essen und Trinken kannst du ja überall, das soll den Besuch abrunden. Wichtig ist hingegen, was sich sonst noch abspielt.“ Und diesbezüglich hat Neulinger schon konkrete Pläne, die ebenfalls an vergangene „Glory Days“ anschließen sollen.
Vielfalt
Ein Kabarett und Theater sollen einkehren, selbstredend Musik. Selbst legendäre Formate wie der „Weihnachtskoll“, wenngleich dann unter neuem Brand, möchte Neulinger gerne wiederbeleben. „Ich möchte vor allem auch jungen Künstlern eine Plattform bieten!“ Das heißt im Umkehrschluss aber nicht, dass er das Kultig als „Jugendlokal“ positionieren möchte. „Ganz und gar nicht. Wichtig ist eine gute Durchmischung. Jung und Alt, von Hakler bis Schickimicki! Ich möchte einen Ort und eine Atmosphäre schaffen, wo sich die Leute wohlfühlen, miteinander diskutieren, Musik hören, essen.“ Das Wirtshaus als idealistischer Ort gesellschaftlicher Durchdringung und Nivellierungsmaschinerie von Standesdünkeln. Das scheint schon jetzt ganz gut zu gelingen, das „Kultig“ ist gut gefüllt an diesem Abend, und Neulinger gibt offen zu „dass der Andrang meine Erwartungen übertroffen hat. Bis jetzt bin ich sehr zufrieden.“ Ebenso wie viele ehemalige „Kollianer“ vom „Kultig“ einen passablen Ersteindruck mit nach Hause nehmen. Und gibt es etwas, das die „Wiederkehrer“ bislang vermehrt vermissen? Da muss Neulinger lachen, weil er weiß, worauf ich hinausmöchte: „Jaja, die Schnitzelsemmel“ … Aber selbst diese könnte ein Comeback feiern, immerhin hat der Wirt via facebook eine Befragung dazu initiiert. Bei Redaktionsschluss lag der Wunsch nach Wiedereinführung bereits bei 168 likes!
Ein Clou wie der Kauf des ehemaligen „Koll“, der Neulinger nach 25 Jahren Südtirol zurück in die Heimat führen sollte. Dabei war St. Pölten als neuer Lebensmittelpunkt alles andere denn eine ausgemachte Sache, wie er uns verrät: „Wir haben uns eigentlich überall umgeschaut, auch sehr intensiv in Tirol.“ Das St. Pöltner Lokal sei sogar eines der letzten Objekt gewesen, der Tipp dazu kam vom befreundeten St. Pöltner Busunternehmers Franz Datzinger. „Meine Frau war sofort angetan. Ich hab zunächst eher die viele Renovierungsarbeit gesehen – und da habe ich mich nicht getäuscht,“ lacht Neulinger. Aber wie das im Leben und in Ehen so ist, mit der Gattin Begeisterung für das Lokal war die Sache sozusagen auch schon entschieden. „Ingrid hat gemeint, wenn wir schon wo neu anfangen, warum dann nicht in der Heimat?“ Tja, wo sie recht hat, hat sie recht, muss man – als zugegeben befangener „Kollianer“ – beipflichten. Und so wagte sich Neulinger an seine mittlerweile fünfte Baustelle im Leben heran, von der er aber hofft, „dass es die letzte sein wird!“ Eine, die auch die befürchtete Arbeit (und Kosten nebstbei erwähnt) bedeutete, denn so „erhalten“ das „Kultig“ auch aussieht, so ist es in seiner Substanz in Wahrheit fast komplett neu – von der Küche über die Toiletteanlagen bis hin zur Fassade. Selbst der Boden in der Schankstube, der so wunderbar „alt“ daherkommt, ist in Wahrheit nur ein Beweis für Neulingers Liebe zum Detail – kurzum ebenfalls komplett neu, aber dem alten fast perfekt nachempfunden! Wobei die Baustelle bzw. die anschließende Neueröffnung auch schöne Metaphern für Neulingers eigenes Leben sind. Denn der Schritt nach St. Pölten bedeutet mit seinen knapp 50 Lenzen auch einen persönlichen Neuanfang. Gründe dafür gibt es verschiedene, die unter die Kategorie „privat“ fallen, nach 25 Jahren Hotellerie „ist das Ganze aber einfach auch schon ein bissl fad geworden.“ Zudem ist dem Beruf auch ein ungesundes Burn-Out-Potential nicht abzusprechen.„Du arbeitest im Hotel sieben Tage die Woche 14 Stunden am Tag. Das geht vier, fünf Monate so durch, dann hast du einen Monat frei.“ Nicht gerade das, was sich Neulinger für den Rest seines Lebens vorstellte, das er eher unter das Motto „einen Gang zurückschalten“ stellen möchte. Mit der neuen Lebenssituation erhofft er sich mehr Freizeit für sich und seine Familie, „ich möchte das Leben ein bisserl mehr und bewusster genießen, wobei das Lokal natürlich eine völlig neue Herausforderung darstellt.“ Denn Hotelier und Wirt sind zwei verschiedene Paar Schuhe, wobei ihm das neue bislang sehr gut gefällt.„Es macht mir enorm viel Spaß. Ich fühle mich einfach wohl in der neuen Rolle“, bekennt er. Insbesondere der Kontakt zu den Leuten hätte schon etwas, wobei Neulinger „sicher kein Wirt wird, der an der Bar mitsauft.“ Dazu sei er zu alt und – so darf man hinzufügen – zu reif. „Als Junger habe ich noch Gas gegeben“, erinnert er sich schmunzelnd zurück, um dann die Stirn in Falten zu legen „mit dem Endergebnis, dass ich dann derjenige war, der die Sauerei weggewischt hat.“ Und in Tirol „ist sicher ein Drittel derjenigen, die mit mir begonnen hatten, schon verstorben. Die Arbeit und das Schnapssaufen, das geht sich auf Dauer nicht aus – da geht’s irgendwann Ratzvaz.“ Neulingers primäres „Revier“ im „Kultig“ ist ohnedies die Küche. „Ich koche selbst“, betont er, und zwar „bodenständige Kost mit guter Qualität.“ Was er unter guter Qualität – heutzutage ja ein gern gebrauchter Allerweltsslogan – genau versteht: „Gute Qualität heißt, dass wir alles selbst kochen, von der Suppe bis zur Nachspeis!“ Mit Überzeugung vorgebrachter Nachsatz „Sonst bräuchte ich ja kein Wirt und Koch sein!“ Dabei, so betont Neulinger, versteht er das „Kultig“ (das auch Mittagsmenüs bietet) gar nicht in erster Linie als Speiserestaurant „Essen und Trinken kannst du ja überall, das soll den Besuch abrunden. Wichtig ist hingegen, was sich sonst noch abspielt.“ Und diesbezüglich hat Neulinger schon konkrete Pläne, die ebenfalls an vergangene „Glory Days“ anschließen sollen.
Vielfalt
Ein Kabarett und Theater sollen einkehren, selbstredend Musik. Selbst legendäre Formate wie der „Weihnachtskoll“, wenngleich dann unter neuem Brand, möchte Neulinger gerne wiederbeleben. „Ich möchte vor allem auch jungen Künstlern eine Plattform bieten!“ Das heißt im Umkehrschluss aber nicht, dass er das Kultig als „Jugendlokal“ positionieren möchte. „Ganz und gar nicht. Wichtig ist eine gute Durchmischung. Jung und Alt, von Hakler bis Schickimicki! Ich möchte einen Ort und eine Atmosphäre schaffen, wo sich die Leute wohlfühlen, miteinander diskutieren, Musik hören, essen.“ Das Wirtshaus als idealistischer Ort gesellschaftlicher Durchdringung und Nivellierungsmaschinerie von Standesdünkeln. Das scheint schon jetzt ganz gut zu gelingen, das „Kultig“ ist gut gefüllt an diesem Abend, und Neulinger gibt offen zu „dass der Andrang meine Erwartungen übertroffen hat. Bis jetzt bin ich sehr zufrieden.“ Ebenso wie viele ehemalige „Kollianer“ vom „Kultig“ einen passablen Ersteindruck mit nach Hause nehmen. Und gibt es etwas, das die „Wiederkehrer“ bislang vermehrt vermissen? Da muss Neulinger lachen, weil er weiß, worauf ich hinausmöchte: „Jaja, die Schnitzelsemmel“ … Aber selbst diese könnte ein Comeback feiern, immerhin hat der Wirt via facebook eine Befragung dazu initiiert. Bei Redaktionsschluss lag der Wunsch nach Wiedereinführung bereits bei 168 likes!