MFG - Gut Ding braucht Weile
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St. Pöltens gute Seite

Gut Ding braucht Weile

Text Johannes Reichl
Ausgabe 09/2023

Es war eines der einschneidendsten Ereignisse der jüngeren Stadtgeschichte: Der Brand der Glanzstoff-Fabrik 2008 sowie die darauf folgende Schließung des Werks. In Folge wurde die Vision eines neuen Stadtteils skizziert, 2014 das Projekt „Glanzstadt“ mit auf Sicht bis zu 1.300 Wohnungen präsentiert. Mittlerweile sind die dafür notwendigen Umwidmungen ebenso erfolgt, wie die Altlastensanierung des ehemaligen Fabrikareals. Wir sprachen mit Eva Czirny, Geschäftsführerin der für die Verwertung zuständigen Domus, über den aktuellen Stand der Dinge.


Am ehemaligen Glanzstoff Areal wurde zuletzt wieder „Produktion“ umgesetzt, Prefa hat einen Standort am Areal eröffnet. Ist dies Beleg dafür, dass das Gelände doch noch länger seiner ursprünglichen Bestimmung gemäß erhalten bleibt?
So pauschal kann man das nicht sagen. Zum einen hat die emissionslose Produktion von Prefa nichts mit der ehemaligen chemischen Industrie hier am Standort zu tun, zum anderen sind die Hallen, die derzeit von Prefa genutzt werden, ein in sich abgeschlossenes Areal. Die Flächen des Glanzstoff-Areals, die aktuell zu entwickeln sind, werden in keiner Weise beeinträchtigt. Wir sehen es sehr positiv, dass ein kleiner Teil unserer Hallen wieder Arbeitsplätze schaffen konnte, nachdem hier über 100 Jahre erfolgreich produziert wurde.

Nach dem Aus der Glanzstoff 2008 entstand die Vision eines neuen Stadtteils – wie weit ist man auf diesem Weg aktuell? 
So eine große Fläche muss sich entwickeln können und dürfen. Der einfachste und schnellste Weg wäre der Abverkauf verschiedener Parzellen an Bauträger und Investoren, dann wäre hier recht schnell vieles verbaut. Das würde aber – wie wir an einigen Stadtteilentwicklungen der letzten Jahre in anderen Städten gut beobachten können – vermutlich dazu führen, dass die einzelnen Projekte nichts miteinander zu tun haben – weder architektonisch, noch funktional. Es braucht ein Zentrum, um welches der Stadtteil in seinem Tempo herum wachsen darf und das auch Identität stiftet und prägt. Daran arbeiten wir aktuell mit vielen kleinen und größeren Projekten.

Wie sieht das in der Praxis aus?
Der Fokus liegt aktuell auf dem denkmalgeschützten Kernbereich, der ein großartiges industriegeschichtliches und architektonisch wertvolles Erbe darstellt. Diese Bereiche mit adäquatem Leben zu erfüllen ist auch wesentlich für die Stadtteilentwicklung. Hier sind wir auf einem guten Weg. In der ehemaligen Konerei haben wir eine sehr ansprechende Eventlocation etabliert, viele kennen das Gebäude vermutlich vom Designverliebt oder Vintage-Markt oder verschiedenen Messen. Neben Veranstaltungen für Unternehmen möchten wir hier noch weitere Angebote für die Bevölkerung schaffen, die Richtung Kultur und Genuss gehen. Die Aufenthaltsqualität beeinflusst ganz entscheidend auch das Branding des Glanzstoff-Areals als sympathische Wohn- und Arbeitsumgebung. 

Wobei es in diese Richtung noch andere Aktivitäten gibt. Was sind weitere Projekte?
Ähnliches gilt für unser Kesselhaus und die Turbinenhalle, welche ebenfalls Schritt für Schritt veranstaltungsfit gemacht werden. Wesentlich ist uns hier die Qualität und der Allgemeinnutzen der Veranstaltungen – z. B. fördern wir die ArtSession in besonderem Maß, es gab und gibt auch Veranstaltungen im Rahmen der Tangente 2024. Mittlerweile dauerhaft angesiedelt haben sich die glanz-greißlerei, die ich allen, die Wert auf die Herkunft und die Herstellung ihrer Lebensmittel legen, sehr ans Herz legen möchte. Neben einigen Büros haben wir zudem ein Yoga-Studio, einen Fitness-Parcours mit Schwerpunkt Hindernisse und einen Gynäkologen anzubieten. Schöne Nutzungsmöglichkeiten mit breitem Sympathiewert für künftige Bewohner wären auch noch ein Indoor-Spielplatz, ein Food-Court, eventuell in Kombination mit einigen Marktständen, hier sind wir aktuell auf Partnersuche. Bei einem Hallenteil sind wir schon recht weit, hier wird es hoffentlich in Kürze konkrete Neuigkeiten geben.

Vor gut zehn Jahren wurde auch das Projekt „Glanzstadt“ mit bis zu 1.300 Wohnungen präsentiert – ist dieses noch spruchreif oder sanft entschlafen?
Der Masterplan „Glanzstadt“ hat sich in erster Linie mit der zukünftigen Erschließung der Flächen beschäftigt, also wo wird es Straßen und Plätze geben, wo werden Baugrundstücke sein, wo sind Grüngürtel sinnvoll usw. Das ist der aktuelle Planstand, auf dem wir bei allen Entwicklungen aufsetzen. Ob es jetzt irgendwann 1.300 Wohnungen werden oder weniger beschäftigt uns im Moment noch überhaupt nicht. Auf jeden Fall steht für uns die Lebens- und Wohnqualität der künftigen Bewohner deutlich über der Anzahl an Wohneinheiten. Wir haben 2021 bereits 84 Neubauwohnungen fertiggestellt, die von den Bewohnern auch sehr gut angenommen und bewertet werden. Leider haben uns dann ebenfalls all die Lieferketten- und Preisprobleme eingeholt, die Baukosten sind dadurch so stark gestiegen, dass wir die Mieten deutlich erhöhen hätten müssen. Daher haben wir den zweiten Bauabschnitt noch nicht realisiert.

Welche nächsten Schritte sind in Sachen Verwertung geplant?
Wir beschäftigen uns sehr intensiv mit der Entwicklung eines möglichst energieautarken, grünen und autofreien Generationenwohnquartiers, in dem auch die entsprechende Infrastruktur nicht zu kurz kommt. Wohnen im Alter wird ein immer größeres Thema. Gleichzeitig interessiert uns, wie die klimasensible Jugend von heute morgen gerne wohnen möchte. Einen Schwerpunkt stellt die weitere Entwicklung des denkmalgeschützten Stadtteilzentrums dar. Wir sind immer offen für neue Ideen, auch pfiffige Gastronomieprojekte und Start-ups finden bei uns offene Türen vor! 

„Glanzstoff“-Projekte