Im Trüben fischen
Text
Johannes Reichl
Ausgabe
Wer anlässlich des Prozessauftaktes im Fall St. Pölten gegen Raiffeisen Landesbank Wien/Niederösterreich in Sachen Derivativgeschäfte am Wiener Handelsgericht gehofft hatte, dass nunmehr Licht ins Dunkel der seitens der Stadt zur Verschlusssache erklärten Causa kommt, wurde enttäuscht. Der Prozess wurde auf September vertagt. Es heißt weiterhin im Trüben fischen.
Auf Anfrage von MFG, ob sich an der generellen (Des)Informationspolitik der Stadt etwas geändert habe, wurde erklärt, dass es in Bezug auf die Klage „keine Neuigkeiten“ gibt. Eine neuerliche Anfrage, so hieß es weiter, habe daher keinen Sinn. Kurzum: Die Angelegenheit wird nach wie vor völlig an der Öffentlichkeit vorbeigespielt. Den unsererseits verwendeten Begriff „Informationssperre“ weist man allerdings zurück, weil die Derivativgeschäfte ja in der „nicht öffentlichen Sitzung des Gemeinderates“ abgehandelt würden – also hinter verschlossenen Türen. Argumentiert wurde dieses Vorgehen von Beginn an damit, „die Rechtsposition der Stadt St. Pölten im laufenden Verfahren zu wahren".
Für Otto Normalverbraucher liegt freilich auch die Vermutung nahe, dass man das wahre budgetäre Gefahrenpotential im Falle eines Scheiterns der Klage ebenso verschweigen mag, wie die Frage, wer seitens Verwaltung und Politik dann die Verantwortung dafür trägt. Man hofft auf ein gutes Ende ohne späteren Erklärungsbedarf.
Eine weitere Zuspitzung erfährt diese „Transparenzpolitik“ à la St. Pölten durch den Umstand, dass – was in der unterdrückten öffentlichen Debatte bislang gänzlich untergegangen ist – sämtliche von der Stadt getätigten Derivativgeschäfte unter Ausschluss der Öffentlichkeit behandelt werden. Also auch jene, die mit dem Prozess oder der RLB in überhaupt keinem Zusammenhang stehen. Warum?
Gut in dieses Mosaik des Verschweigens passt zudem, dass jene Teile des im vorletzten Gemeinderat präsentierten Kontrollamtsberichts, die die Derivativgeschäfte der Stadt betrafen, ebenfalls nur in der nichtöffentlichen Sitzung referiert wurden. Exitstrategien.
Hat die Stadt schon früher SWAP-Geschäfte mit der RLB getätigt, ohne deshalb vor den Kadi zu gehen (warum auch, sie liefen gut), so wurde jetzt eine im Jahr 2008 abgeschlossene Euro/Franken-Wette juristisch hinterfragt, die sich seit mindestens 2010 aufgrund des Frankenkurses für die Stadt negativ entwickelt. Die Stadt möchte aus diesem Geschäft, das auch für die Zukunft Millionenverluste bedeuten könnte, so schnell als möglich hinaus. Folgende Strategien bieten sich aus der Erfahrung anderer Körperschaften (St. Pölten ist beileibe kein Einzelfall, zahlreiche Gemeinden, Institutionen, Länder etc. haben ähnliche Geschäfte laufen) an: Zum einen beschuldigt man die RLB, die Kommune nicht ausreichend über die Risken der Geschäfte informiert zu haben (Selbstredend, dass die RLB ihrerseits auf die ausreichende, vorgeschriebene Informationspflicht beharrt.) Ob diese Strategie der Stadt aufgeht, wird sich weisen. Immerhin hatte die Kommune ehemals zahlreiche Derivativgeschäfte laufen (mit verschiedenen Instituten), außerdem leistete sie sich für all diese Geschäfte sogar eine eigene externe Risikoberatungsfirma: Pikantes Detail am Rande – es handelte sich hierbei um die RLB! Diese informierte zu Beginn angeblich auch wöchentlich über das nun eingeklagte Geschäft.
Hoffnung darf die Stadt nach einem Urteil des Obersten Gerichtshofes im Februar dieses Jahres zugunsten der Vorarlberger Gebietskrankenkasse in einem ähnlich gelagerten Fall dennoch schöpfen: So habe die Bank [in diesem Fall die Bank Austria, Anm. d. Red.] den Kunden nicht über die eigene Marge und den damit verbundenen Interessenskonflikt aufgeklärt, weshalb das Geschäft nicht rechtmäßig zustandegekommen sei und für nichtig erklärt wurde. Schwarzer Peter?
Eine zweite Stadtstrategie könnte sich ebenfalls am Vorgehen der Vorarlberger Gebietskrankenkasse orientieren. So könnte man versuchen, den Schwarzen Peter sozusagen weiterzugeben, indem man den Standpunkt vertritt, dass (in diesem Fall) die Gemeindeaufsicht Niederösterreich versagt hat, weil sie ein derart hochspekulatives Geschäft mit einem überlangen Zeitraum, der auch nächste Generationen betrifft, hätte untersagen müssen. Diesbezüglich würde man sich auf jenen Passus beziehen, der besagt, dass die Gemeindeaufsicht Rechtsgeschäfte dann zu untersagen hat, wenn eine Gefahr der dauernden Schmälerung des Gemeindevermögens, eine übermäßige Verschuldung oder eine Gesetzwidrigkeit der Maßnahme die Folge sind.
Die Vorarlberger Gebietskrankenkasse konnte sich mit dieser Argumentationslinie im Nachhinein(!), also ohne, dass sie im Vorfeld das Geschäft bei der zuständigen Aufsichtsbehörde überhaupt gemeldet hatte, juristisch aus der Bredouille befreien – was auch St. Pölten hoffen lässt. Die Geschäfte mussten rückabgewickelt werden.
Von der Gemeindeaufsicht erhielt MFG übrigens auf seine Fragen, ob sie von den Geschäften überhaupt gewusst habe, diese meldepflichtig seien, und wenn ja, ob sie sie genehmigt oder untersagt wurden, bis zum Redaktionsschluss keine Antwort. Doppelmühle für die RLB?
Die RLB ihrerseits ist ebenfalls in einem Dilemma, weil man als mit den Kommunen eng verzahnter Geschäftspartner zahlreichen Gemeinden ähnliche Geschäfte vermittelt hat. Während es den dahinter stehenden internationalen Fonds und Gesellschaften herzlich egal sein wird, was mit den Gemeinden passiert, kann es dies der RLB keinesfalls sein. Die Folge wäre ein eklatanter Vertrauensbruch. Zudem droht der RLB, sollte die Klage St. Pöltens zugunsten der Kommune ausgehen, ein Dominoeffekt. Das Bankinstitut bliebe wohl selbst auf den Zahlungen gegenüber seinen Geschäftspartnern sitzen.
All diese Ingredienzien legen nahe, dass beide Seiten um einen Vergleich bemüht sind, weil der jeweils vage Ausgang für beide äußerst riskant scheint!
Die Stadt hat wohl auch deshalb nicht den Fehler von Linz begangen, gleich auf völligen Crashkurs einzuschwenken. Die oberösterreichische Landeshauptstadt hatte ja – sich ebenfalls auf zu wenig Aufklärung berufend und daher die Geschäfte für nichtig erklärend – im Vorjahr nicht nur Klage gegen seine Hausbank BAWAG eingebracht, sondern mit sofortiger Wirkung auch die Zinszahlungen aus den Verträgen eingestellt. Die BAWAG – wie man weiß mittlerweile im Mehrheitsbesitz des globalen Gamblers CERBERUS, also ohne großes österreichisches Nahverhältnis – hat daraufhin mit einer Gegenklage samt Schadenersatzforderung in der Höhe von fast 419 Millionen Euro geantwortet. Das Verfahren läuft.
St. Pölten hingegen kommt bislang brav seinen (wenn auch nunmehr juristisch angezweifelten) Verpflichtungen nach, und muss aufgrund der aktuellen Euro-Frankenkonstellation kräftig zahlen. Im Jahr 2011 waren es angeblich rund 1,5 Millionen Euro, die dafür rückgestellt wurden. Das Geschäft läuft bis 2028.
Ginge Nichtigkeit durch, würden die Geschäfte rückabgewickelt. Eine Hoffnung, die nicht nur die Politiker und die für diese Geschäfte verantwortlichen Beamten hegen, sondern nolens volens auch die Bürger der Stadt!
Der eigentliche Prozessauftakt im September, wenn dann erstmals Vertreter von Stadt und Bank ihre Positionen darlegen, verspricht jedenfalls spannend zu werden. Bis dahin heißt es für Bürger sowie Journalisten weiterhin im Trüben fischen und sich seinen Teil über den von Politikern aktuell gern strapazierten Begriff „Transparenz“ zu denken. Dass sich die Kommune ihrerseits im Verfahren gegen die RLB auf mangelnde Transparenz und Information des Bankinstituts beruft, entbehrt keiner gewissen Ironie.
DIE SACHE MIT DER BARCLAYS BANK
Wer meint, das Derivativgeschäft mit der RLB sei das einzige, das aktuell Kopfzerbrechen bereitet, liegt wohl falsch. Die Stadt hat auch mit anderen Instituten ähnliche Deals laufen. Und auch über diese gibt man unter dem Vorwand der RLB-Klage keine Auskunft, was einigermaßen stutzig macht. Ungemach bergen möglicherweise zwei SWAP-Geschäfte mit der britischen Barclays Bank, die erst im Dezember 2007 abgeschlossen wurden. Die Stadt erhielt damals eine Upfrontzahlung von 2 Millionen Euro, womit zuvor eingefahrene Verluste u. a. aus Währungsoptionen wettgemacht werden konnten, und der 2008 vorgelegte Rechnungsabschluss in dieser Rubrik nunmehr ein leichtes Plus auswies. Allein, die neue Zinswette, die 2019 schlagend wird, entwickelt sich aktuell angeblich nachteilig für die Kommune. Der Deal sieht vor, dass die Stadt 2019 fix 23 Millionen Euro von der britischen Großbank bekommt. Soweit so gut. Die Stadt ihrerseits bezahlt hingegen fix 17 Millionen Euro plus – jetzt kommt das Wettelement ins Spiel – die Kursdifferenz zwischen Ausgabe und Endzeitpunkt mal Fixwert. Aktuell liegt man damit dem Vernehmen nach leicht im Minus, mit wenig rosigen Aussichten für die Zukunft. Unappetitliches Detail am Rande. War die Stadt auch in diesem Fall zu wenig informiert? Möglich.Wenig bzw. gar nicht informiert hat sich die Stadt offensichtlich über die Geschäftspraktiken ihres globalen Partners bzw. hat dafür schlicht noch kein Bewusstsein ausgebildet. So erhielt Barclays, eine der größten Banken der Welt, aufgrund seiner Lebensmittelspekulationen heuer den wenig schmeichelhaften Public Eye Global Award der Berner Konferenz und Greenpeace Schweiz, welche alljährlich die „übelsten Unternehmen“ der Welt auszeichnen. In der Begründung heißt es: „Spekulation mit dem Wichtigsten auf Kosten der Ärmsten zugunsten der Reichsten: Die britische Großbank Barclays ist der schnellstwachsende Nahrungsmittelspekulant der Welt. Er treibt die Nahrungsmittelpreise weltweit auf Kosten der Ärmsten in die Höhe. [...]. Barclays lobbyiert momentan massiv bei der Regierung in London gegen drohende staatliche Regulierungen für die Lebensmittelspekulation.“
Für eine Stadt, die soziale Gerechtigkeit auf ihre Fahnen heftet, muss auch die Frage der Geschäftspartner eine relevante sein! Auch hier ist die vielbeschworene Transparenz gefordert, und zwar nicht nur im Sinne einer Bring-, sondern auch einer Holschuld.
Für Otto Normalverbraucher liegt freilich auch die Vermutung nahe, dass man das wahre budgetäre Gefahrenpotential im Falle eines Scheiterns der Klage ebenso verschweigen mag, wie die Frage, wer seitens Verwaltung und Politik dann die Verantwortung dafür trägt. Man hofft auf ein gutes Ende ohne späteren Erklärungsbedarf.
Eine weitere Zuspitzung erfährt diese „Transparenzpolitik“ à la St. Pölten durch den Umstand, dass – was in der unterdrückten öffentlichen Debatte bislang gänzlich untergegangen ist – sämtliche von der Stadt getätigten Derivativgeschäfte unter Ausschluss der Öffentlichkeit behandelt werden. Also auch jene, die mit dem Prozess oder der RLB in überhaupt keinem Zusammenhang stehen. Warum?
Gut in dieses Mosaik des Verschweigens passt zudem, dass jene Teile des im vorletzten Gemeinderat präsentierten Kontrollamtsberichts, die die Derivativgeschäfte der Stadt betrafen, ebenfalls nur in der nichtöffentlichen Sitzung referiert wurden. Exitstrategien.
Hat die Stadt schon früher SWAP-Geschäfte mit der RLB getätigt, ohne deshalb vor den Kadi zu gehen (warum auch, sie liefen gut), so wurde jetzt eine im Jahr 2008 abgeschlossene Euro/Franken-Wette juristisch hinterfragt, die sich seit mindestens 2010 aufgrund des Frankenkurses für die Stadt negativ entwickelt. Die Stadt möchte aus diesem Geschäft, das auch für die Zukunft Millionenverluste bedeuten könnte, so schnell als möglich hinaus. Folgende Strategien bieten sich aus der Erfahrung anderer Körperschaften (St. Pölten ist beileibe kein Einzelfall, zahlreiche Gemeinden, Institutionen, Länder etc. haben ähnliche Geschäfte laufen) an: Zum einen beschuldigt man die RLB, die Kommune nicht ausreichend über die Risken der Geschäfte informiert zu haben (Selbstredend, dass die RLB ihrerseits auf die ausreichende, vorgeschriebene Informationspflicht beharrt.) Ob diese Strategie der Stadt aufgeht, wird sich weisen. Immerhin hatte die Kommune ehemals zahlreiche Derivativgeschäfte laufen (mit verschiedenen Instituten), außerdem leistete sie sich für all diese Geschäfte sogar eine eigene externe Risikoberatungsfirma: Pikantes Detail am Rande – es handelte sich hierbei um die RLB! Diese informierte zu Beginn angeblich auch wöchentlich über das nun eingeklagte Geschäft.
Hoffnung darf die Stadt nach einem Urteil des Obersten Gerichtshofes im Februar dieses Jahres zugunsten der Vorarlberger Gebietskrankenkasse in einem ähnlich gelagerten Fall dennoch schöpfen: So habe die Bank [in diesem Fall die Bank Austria, Anm. d. Red.] den Kunden nicht über die eigene Marge und den damit verbundenen Interessenskonflikt aufgeklärt, weshalb das Geschäft nicht rechtmäßig zustandegekommen sei und für nichtig erklärt wurde. Schwarzer Peter?
Eine zweite Stadtstrategie könnte sich ebenfalls am Vorgehen der Vorarlberger Gebietskrankenkasse orientieren. So könnte man versuchen, den Schwarzen Peter sozusagen weiterzugeben, indem man den Standpunkt vertritt, dass (in diesem Fall) die Gemeindeaufsicht Niederösterreich versagt hat, weil sie ein derart hochspekulatives Geschäft mit einem überlangen Zeitraum, der auch nächste Generationen betrifft, hätte untersagen müssen. Diesbezüglich würde man sich auf jenen Passus beziehen, der besagt, dass die Gemeindeaufsicht Rechtsgeschäfte dann zu untersagen hat, wenn eine Gefahr der dauernden Schmälerung des Gemeindevermögens, eine übermäßige Verschuldung oder eine Gesetzwidrigkeit der Maßnahme die Folge sind.
Die Vorarlberger Gebietskrankenkasse konnte sich mit dieser Argumentationslinie im Nachhinein(!), also ohne, dass sie im Vorfeld das Geschäft bei der zuständigen Aufsichtsbehörde überhaupt gemeldet hatte, juristisch aus der Bredouille befreien – was auch St. Pölten hoffen lässt. Die Geschäfte mussten rückabgewickelt werden.
Von der Gemeindeaufsicht erhielt MFG übrigens auf seine Fragen, ob sie von den Geschäften überhaupt gewusst habe, diese meldepflichtig seien, und wenn ja, ob sie sie genehmigt oder untersagt wurden, bis zum Redaktionsschluss keine Antwort. Doppelmühle für die RLB?
Die RLB ihrerseits ist ebenfalls in einem Dilemma, weil man als mit den Kommunen eng verzahnter Geschäftspartner zahlreichen Gemeinden ähnliche Geschäfte vermittelt hat. Während es den dahinter stehenden internationalen Fonds und Gesellschaften herzlich egal sein wird, was mit den Gemeinden passiert, kann es dies der RLB keinesfalls sein. Die Folge wäre ein eklatanter Vertrauensbruch. Zudem droht der RLB, sollte die Klage St. Pöltens zugunsten der Kommune ausgehen, ein Dominoeffekt. Das Bankinstitut bliebe wohl selbst auf den Zahlungen gegenüber seinen Geschäftspartnern sitzen.
All diese Ingredienzien legen nahe, dass beide Seiten um einen Vergleich bemüht sind, weil der jeweils vage Ausgang für beide äußerst riskant scheint!
Die Stadt hat wohl auch deshalb nicht den Fehler von Linz begangen, gleich auf völligen Crashkurs einzuschwenken. Die oberösterreichische Landeshauptstadt hatte ja – sich ebenfalls auf zu wenig Aufklärung berufend und daher die Geschäfte für nichtig erklärend – im Vorjahr nicht nur Klage gegen seine Hausbank BAWAG eingebracht, sondern mit sofortiger Wirkung auch die Zinszahlungen aus den Verträgen eingestellt. Die BAWAG – wie man weiß mittlerweile im Mehrheitsbesitz des globalen Gamblers CERBERUS, also ohne großes österreichisches Nahverhältnis – hat daraufhin mit einer Gegenklage samt Schadenersatzforderung in der Höhe von fast 419 Millionen Euro geantwortet. Das Verfahren läuft.
St. Pölten hingegen kommt bislang brav seinen (wenn auch nunmehr juristisch angezweifelten) Verpflichtungen nach, und muss aufgrund der aktuellen Euro-Frankenkonstellation kräftig zahlen. Im Jahr 2011 waren es angeblich rund 1,5 Millionen Euro, die dafür rückgestellt wurden. Das Geschäft läuft bis 2028.
Ginge Nichtigkeit durch, würden die Geschäfte rückabgewickelt. Eine Hoffnung, die nicht nur die Politiker und die für diese Geschäfte verantwortlichen Beamten hegen, sondern nolens volens auch die Bürger der Stadt!
Der eigentliche Prozessauftakt im September, wenn dann erstmals Vertreter von Stadt und Bank ihre Positionen darlegen, verspricht jedenfalls spannend zu werden. Bis dahin heißt es für Bürger sowie Journalisten weiterhin im Trüben fischen und sich seinen Teil über den von Politikern aktuell gern strapazierten Begriff „Transparenz“ zu denken. Dass sich die Kommune ihrerseits im Verfahren gegen die RLB auf mangelnde Transparenz und Information des Bankinstituts beruft, entbehrt keiner gewissen Ironie.
DIE SACHE MIT DER BARCLAYS BANK
Wer meint, das Derivativgeschäft mit der RLB sei das einzige, das aktuell Kopfzerbrechen bereitet, liegt wohl falsch. Die Stadt hat auch mit anderen Instituten ähnliche Deals laufen. Und auch über diese gibt man unter dem Vorwand der RLB-Klage keine Auskunft, was einigermaßen stutzig macht. Ungemach bergen möglicherweise zwei SWAP-Geschäfte mit der britischen Barclays Bank, die erst im Dezember 2007 abgeschlossen wurden. Die Stadt erhielt damals eine Upfrontzahlung von 2 Millionen Euro, womit zuvor eingefahrene Verluste u. a. aus Währungsoptionen wettgemacht werden konnten, und der 2008 vorgelegte Rechnungsabschluss in dieser Rubrik nunmehr ein leichtes Plus auswies. Allein, die neue Zinswette, die 2019 schlagend wird, entwickelt sich aktuell angeblich nachteilig für die Kommune. Der Deal sieht vor, dass die Stadt 2019 fix 23 Millionen Euro von der britischen Großbank bekommt. Soweit so gut. Die Stadt ihrerseits bezahlt hingegen fix 17 Millionen Euro plus – jetzt kommt das Wettelement ins Spiel – die Kursdifferenz zwischen Ausgabe und Endzeitpunkt mal Fixwert. Aktuell liegt man damit dem Vernehmen nach leicht im Minus, mit wenig rosigen Aussichten für die Zukunft. Unappetitliches Detail am Rande. War die Stadt auch in diesem Fall zu wenig informiert? Möglich.Wenig bzw. gar nicht informiert hat sich die Stadt offensichtlich über die Geschäftspraktiken ihres globalen Partners bzw. hat dafür schlicht noch kein Bewusstsein ausgebildet. So erhielt Barclays, eine der größten Banken der Welt, aufgrund seiner Lebensmittelspekulationen heuer den wenig schmeichelhaften Public Eye Global Award der Berner Konferenz und Greenpeace Schweiz, welche alljährlich die „übelsten Unternehmen“ der Welt auszeichnen. In der Begründung heißt es: „Spekulation mit dem Wichtigsten auf Kosten der Ärmsten zugunsten der Reichsten: Die britische Großbank Barclays ist der schnellstwachsende Nahrungsmittelspekulant der Welt. Er treibt die Nahrungsmittelpreise weltweit auf Kosten der Ärmsten in die Höhe. [...]. Barclays lobbyiert momentan massiv bei der Regierung in London gegen drohende staatliche Regulierungen für die Lebensmittelspekulation.“
Für eine Stadt, die soziale Gerechtigkeit auf ihre Fahnen heftet, muss auch die Frage der Geschäftspartner eine relevante sein! Auch hier ist die vielbeschworene Transparenz gefordert, und zwar nicht nur im Sinne einer Bring-, sondern auch einer Holschuld.