Auf stürmischer See
Text
Johannes Reichl
Ausgabe
Es ist etwas in Bewegung. Unverkennbar. Und selbst wenn gebrannte Kinder aus Erfahrung Parolen wie „na und, was soll da schon rauskommen“ auf den Lippen tragen, so wird alles, was aktuell so unter den Schlagworten „mehr Demokratie“, „mehr Transparenz“ etc. durch den Raum schwirrt, Ergebnisse zeitigen. Der gesellschaftliche Wandel ist nicht aufzuhalten, auch wenn dies einige – gerade auch in den diversen Parteiapparaten – aus einer Sehnsucht nach ehemaliger Berechen- und Kontrollierbarkeit nur widerwillig zur Kenntnis nehmen wollen. Aber früher war gestern, und heute ist die Zukunft, mit ganz neuen – auch technischen – Möglichkeiten, die die Gesellschaft und ihre Kommunikationswege verändert haben, damit aber auch jene der persönlichen Willensäußerung. Ein Posting eines Absenders in einem Social Network, tausende Adressaten, ein Diskurs vieler.
Die Piraten sind ein Phänomen dieser Entwicklung, und weit weniger chaotisch, wie es ihre Gegner gerne darstellen. Strukturen bestehen bereits auf Ebene des Netzes; Grundsätze sind formuliert, die vor allem einen sozial-liberalen (ja, das gibt es) Gestus verpflichtet scheinen; Die Themen werden laufend über das Liquid Democracy Verfahren erarbeitet; Und selbst ein Programm gibt es – dass es quasi kein (fixes) Programm gibt. Das ist zugegeben radikal, aber nicht unbedingt dumm, weil es auf den steten Wandel hin reflektiert.
Aber egal, wie man die Piraten beurteilen mag. Politisch haben sie schon eines bewirkt: Sie zwingen, im Windschatten des gesamtgesellschaftlichen Wandels, die arrivierten Parteien, sich mit ihren eigenen Strukturen und Verhaltensmustern auseinanderzusetzen. Es ist unverkennbar, dass sich die Parteien diesbezüglich schwer tun. Bezeichnend, dass für diese neuen, heißen Themenkreise – wie etwa „mehr Demokratie“ – vielfach die Jungparteien vorgeschickt werden. Als wollte man ausloten, wie ernst es die Leute draußen wirklich meinen. Nun. Sie meinen es sehr ernst, freilich ohne konkrete Vorstellungen zu haben. Es ist nämlich nicht so, dass die Bürger genau wüssten, was sich verändern soll. Es besteht aber kein Zweifel daran, dass sie wollen, dass sich etwas ändert.
Mitunter hat es den Eindruck, dass die arrivierten Parteien genau das noch nicht gänzlich begriffen haben. Die Bürger denken nicht mehr in Lagern oder linear, so wie man es in der Nussschale der Parteiapparate tut. Heute ist es kein Problem, sich ganz offen zur Homoehe zu bekennen und zugleich überzeugter Familienvater zu sein. Oder Chancengleichheit für Frauen einzufordern, zugleich aber auch eine Absicherung für Mütter, die sich eine Zeitlang uneingeschränkt der Kindesbetreuung widmen möchten.
Für Parteien ist dies – da ja eine bestimmte Ideologie und Richtung das Fundament schlechthin darstellt – selbstredend ein Dilemma. Nicht sie verlieren ihre „Stammklientel“, der Zeitgeist hat sie wegnivelliert. Die ehemaligen Klassen – Arbeiter, Bauer, Wirtschaftstreibender & Co. – mit ihren spezifischen Ansprüchen sind aufgeweicht.
Zudem sind die ehemaligen Abhängigkeitsverhältnisse aufgebrochen. Die Zeiten, da man Wähler über diverse Posten, Wohnungsvergaben etc. bei der Parteistange hielt, sind zwar noch nicht vollends überwunden, aber sichtbar im Schwinden begriffen. Das bedeutet weniger Mitglieder, und das wiederum weniger Geld, von der Solidarität ganz zu schweigen. Außerdem ist die „Dankbarkeit“ für diese Hilfeleistungen, früher sozusagen ein (pseudo?)moralischer Automatismus, in der Wahlkabine nicht mehr garantiert. Man nimmt, und wählt dann trotzdem anders. Immer häufiger auch von Wahl zu Wahl unterschiedlich.
Auf all diese neuen Gegebenheiten und viele mehr, und das ist ein hartes Brot, müssen die etablierten Parteien reagieren, auch in der Wahl ihrer Mittel und Methoden. Hier könnte ein Blick auf die Partizipationsmodelle der Piraten hilfreich sein. In diesem Sinne sollten sich die Altparteien vielleicht weniger den Kopf darüber zerbrechen, wie die Piraten eine richtige Partei werden könnten, sondern gerade umgekehrt, wie sie selbst mehr zu Piraten werden.
Die Piraten sind ein Phänomen dieser Entwicklung, und weit weniger chaotisch, wie es ihre Gegner gerne darstellen. Strukturen bestehen bereits auf Ebene des Netzes; Grundsätze sind formuliert, die vor allem einen sozial-liberalen (ja, das gibt es) Gestus verpflichtet scheinen; Die Themen werden laufend über das Liquid Democracy Verfahren erarbeitet; Und selbst ein Programm gibt es – dass es quasi kein (fixes) Programm gibt. Das ist zugegeben radikal, aber nicht unbedingt dumm, weil es auf den steten Wandel hin reflektiert.
Aber egal, wie man die Piraten beurteilen mag. Politisch haben sie schon eines bewirkt: Sie zwingen, im Windschatten des gesamtgesellschaftlichen Wandels, die arrivierten Parteien, sich mit ihren eigenen Strukturen und Verhaltensmustern auseinanderzusetzen. Es ist unverkennbar, dass sich die Parteien diesbezüglich schwer tun. Bezeichnend, dass für diese neuen, heißen Themenkreise – wie etwa „mehr Demokratie“ – vielfach die Jungparteien vorgeschickt werden. Als wollte man ausloten, wie ernst es die Leute draußen wirklich meinen. Nun. Sie meinen es sehr ernst, freilich ohne konkrete Vorstellungen zu haben. Es ist nämlich nicht so, dass die Bürger genau wüssten, was sich verändern soll. Es besteht aber kein Zweifel daran, dass sie wollen, dass sich etwas ändert.
Mitunter hat es den Eindruck, dass die arrivierten Parteien genau das noch nicht gänzlich begriffen haben. Die Bürger denken nicht mehr in Lagern oder linear, so wie man es in der Nussschale der Parteiapparate tut. Heute ist es kein Problem, sich ganz offen zur Homoehe zu bekennen und zugleich überzeugter Familienvater zu sein. Oder Chancengleichheit für Frauen einzufordern, zugleich aber auch eine Absicherung für Mütter, die sich eine Zeitlang uneingeschränkt der Kindesbetreuung widmen möchten.
Für Parteien ist dies – da ja eine bestimmte Ideologie und Richtung das Fundament schlechthin darstellt – selbstredend ein Dilemma. Nicht sie verlieren ihre „Stammklientel“, der Zeitgeist hat sie wegnivelliert. Die ehemaligen Klassen – Arbeiter, Bauer, Wirtschaftstreibender & Co. – mit ihren spezifischen Ansprüchen sind aufgeweicht.
Zudem sind die ehemaligen Abhängigkeitsverhältnisse aufgebrochen. Die Zeiten, da man Wähler über diverse Posten, Wohnungsvergaben etc. bei der Parteistange hielt, sind zwar noch nicht vollends überwunden, aber sichtbar im Schwinden begriffen. Das bedeutet weniger Mitglieder, und das wiederum weniger Geld, von der Solidarität ganz zu schweigen. Außerdem ist die „Dankbarkeit“ für diese Hilfeleistungen, früher sozusagen ein (pseudo?)moralischer Automatismus, in der Wahlkabine nicht mehr garantiert. Man nimmt, und wählt dann trotzdem anders. Immer häufiger auch von Wahl zu Wahl unterschiedlich.
Auf all diese neuen Gegebenheiten und viele mehr, und das ist ein hartes Brot, müssen die etablierten Parteien reagieren, auch in der Wahl ihrer Mittel und Methoden. Hier könnte ein Blick auf die Partizipationsmodelle der Piraten hilfreich sein. In diesem Sinne sollten sich die Altparteien vielleicht weniger den Kopf darüber zerbrechen, wie die Piraten eine richtige Partei werden könnten, sondern gerade umgekehrt, wie sie selbst mehr zu Piraten werden.