Der Freche mit der geilen Stimm'
Text
Marion Pfeffer
Ausgabe
40 Jahre dominierte der selbsternannte Rockpapst Gotthard Rieger Radiosender in Deutschland und Österreich, bevor er sich letztes Jahr in die wohlverdiente Pension verabschiedete. Bei besonderen Events macht er schon mal Pause vom Ruhestand: Im April lässt er „GRs Rockshow“ nocheinmal im St. Pöltner Warehouse aufleben.
Er stammt aus einer Zeit, in der Rockmusik noch neu war und Radio Revolution sein konnte. Deshalb weiß Gotthard Rieger auch, wovon er spricht, wenn er die heutige Radioszene in Österreich eher kritisch betrachtet: „Ein Sender kopiert den anderen: Heute gibt es im Radio nur noch die schnelle Berieselung. Sie sind zu reinen Hitsendern avanciert. Der Computer steht über dem Moderator und schlägt immer das gleiche ‚Klumpat‘ vor." Harte Worte findet Rieger auch für seinen früheren Arbeitgeber: „Ö3 erfüllt schon lange seinen Auftrag nicht mehr." Ständige Wiederholungen, fehlende Überleitungen und austauschbare Moderatoren spiegeln nicht die Radiozeit wider, die er mitgeprägt hat. Dafür, dass sich Rieger kein Blatt vor den Mund nimmt, war er immer bekannt, von der Chefetage gefürchtet und von den Fans geliebt. „‘Goschert‘ war ich schon immer. Das hat mir einen Ruf eingebracht und einen Wiedererkennungswert. Wenn ich einen ‚Grant‘ hatte, dann haben das die Zuhörer auch gemerkt", ist er heute noch stolz auf seine Radiopersona. Dass dem gebürtigen Salzburger das nicht nur Freunde eingebracht hat, ist klar. „Der [Ernst] Grissemann hat regelmäßig getobt", erinnert er sich an die vielen Klagedrohungen, die zum Glück immer gut ausgingen. „Den größten Fehler, der übrigens heute laufend passiert, macht man, wenn man nicht zulässt, dass sich die Leute entfalten können. Es braucht Persönlichkeiten und Differenzierungen", weiß die Radio-Legende. „Es ist die große Kunst eines Moderators, Geschichten in kurzer Zeit erzählen zu können, nie zu viel zu verraten und trotzdem durch gezielte Gags zum Nachdenken anzuregen. Dann bleibt bei den Zuhörern etwas haften."
Begonnen hat die Liebe zur Musik schon früh. Als Sohn eines Offiziers hat er Respekt gelernt, aber auch das Anlegen mit Autoritätspersonen. Mit 14 Jahren stand er bereits mit Hansi Kreuzmayr – der später als Waterloo Erfolge feierte – in Linz auf der Bühne. Nach seiner Ausbildung zum Buch-, Kunst- und Musikalienhändler hat es ihn nach Deutschland verschlagen, wo er bald als DJ in der größten Disco Frankfurts Bekanntheitsgrad erlangte. Dort wurde er vom Hoteldirektor des „Savoy" mit der Verdreifachung des Gehalts („Da haben meine Eltern geschaut, als ich mit meinem Jaguar E auf Besuch gekommen bin") und dem Versprechen von jeder Menge Stewardessen abgeworben, wo er sich als österreichischer „Gschichtldrucker" einen Namen machte. Eines Abends bekam er dann von einem „2-Meter-Henker", der „fett wie ein Radierer" war, eine Visitenkarte in die Hand gedrückt. Darauf stand der Name eines gewissen Hans Werres, seines Zeichens Gründer des Senders Hessen3. „Meine erste Sendung bei Hessen war fürchterlich. Ich hab beim Wetter nur gestottert, mich dann aber mit einem Schmäh retten können", gesteht Rieger. „Das Radio war damals Ende der 60er, Anfang der 70er großartig für einen Musikbegeisterten wie mich. Es ist gerade die Rockmusik aufgekommen, richtiger Soul und tanzbarer Blues", schwärmt er. Das wollte er mit in seine Heimat zurückbringen. „Ernst Grissemann hat mir dann eine Chance bei Ö3 gegeben. Mein Kapital war die Erfahrung aus Deutschland und die vielen internationalen Kontakte zu Künstlern, die ich dort getroffen habe", beschreibt der Entdecker Bilgeris seine Anfänge in Österreich. Leicht war es für den „Goscherten" allerdings nicht. 10 Jahre hat er einen Existenzkampf geführt, in denen seine Rocksendung abgedreht werden sollte und er blockiert wurde. Trotzdem traf er alle Rockgrößen der Zeit und flog für Ö3 durch die Weltgeschichte. Daraus sind langjährige Freundschaften mit Joe Cocker oder Iron Maiden entstanden. Als dann ein gewisser Herr sich von Ö3 verabschiedet hat, hat er seine Chance bekommen: „Endlich hab ich den Wecker bekommen! Die Morgensendung ist für jedes Radio die wichtigste Show. Wenn du dort bist, hast du es geschafft." Und so kam es auch: „Damals war die Fernsehshow Dallas echt groß. Alle sprachen von JR. Da hat meine Frau mich auf den Spitznamen ,GR‘ gebracht. Als ich mich beim Wecker das erste Mal damit vorgestellt habe, habe ich gewusst: ‚Jetzt bist da, wo du hin willst‘. Vorher war ich der Freche mit der geilen Stimm‘ – danach hat jeder gewusst, wer das ist", beschreibt Rieger den Moment, als ihm klar war, er gehört jetzt zur Radio-Oberliga. Sendungen wie „Hard Rock Café" oder „Ö3 Magazin" festigten seinen Bekanntheitsgrad. Seine Leidenschaft, Authentizität und Musik-Know-how brachten ihm sogar seine eigene TV-Show ein: „Ich war der damalige Rockpapst, und Radio war ebenso eine Showbranche wie das Fernsehen. Eine eigene Rocksendung liegt da nahe." Und so ging Rieger 1987 das erste Mal mit „GRs Rockshow" im ORF auf Sendung. „Wir haben echt gute Musik gespielt. Besonders wichtig war es mir, gute Musikvideos zu bekommen. Das hat man so in Österreich vorher noch nicht gesehen. Außerdem wäre ich nicht ich, wenn nicht ein bissl Schmäh dazukommen soll. Ich hab im Planschbecken im Sommer moderiert, auf Sendung geraucht und getrunken und sogar einen Hechtsprung aus dem Fenster gemacht. Das wäre heute natürlich alles nicht mehr möglich. Nach zwei Jahren sind sie mir draufgekommen, was ich da eigentlich mache. Mein Budget haben sie dann der Barbara Stöckl gegeben", zuckt er mit den Schultern. Ein stolzes Glitzern ist aber dennoch in seinen Augen zu erkennen, wenn er an seine TV-Zeit denkt.
Das enfant terrible hat sich Anfang der 90er zu neuen Ufern aufgemacht und eines der ersten Privatradios, „Radio CD", aufgebaut. Wegen des Radiomonopols wurde von Bratislava aus gesendet. „Zu der Zeit habe ich das erste Mal den langen Arm des ORF kennen gelernt. Keiner wollte uns z.B. Verkehrsmeldungen weiterleiten. Da habe ich einfach Radfahrer auf der A4 erfunden. Als die Polizei dann mit Blaulicht ausrückte, um den Radfahrer zu stoppen, hab ich halt durchgegeben, dass er die Autobahn bereits verlassen hat. Um solche Vorfälle zu vermeiden, haben sich die Polizei und die Automobilclubs dann doch überreden lassen, uns zu unterstützen", zwinkert der Moderator.
In den 90ern wagte er mehrere neue Karriereschritte. Er tourte mit den Bluesbreakers durch China, managte die Band NoBros und hatte Sendungen auf Antenne Steiermark, Antenne Wien und PL1, bevor es ihn wieder zum ORF zurück verschlug. „Dieter Dorner hat für mich eine Lanze gebrochen und mich zu Radio Niederösterreich geholt. Dort habe ich dann meine letzten 11 Jahre vor der Pension verbracht." Zwar auch dort nicht konfliktfrei – GR bleibt schließlich GR – aber doch sehr zufrieden. Trotz aller Kritik ist für Rieger eines klar: „Niemand wird Ö3 und den ORF vom Thron stürzen können. Dafür ist das Informationsangebot zu gut und die Österreicher zu unflexibel – hier reflektiert man nicht auf Veränderungen", prognostiziert der Branchenkenner. Heute schließt sich für den 66-Jährigen der Kreis. Der mittlerweile zweifach Geschiedene und doppelte Opa lebt – wie schon die letzten 20 Jahre – in einer ruhigen Ecke Pyhras und frönt seinen größten Leidenschaften: Modellbau, Flugzeuge und Oldtimer. Ganz nach dem Motto „Man kann den Mann aus dem Moderatorensessel nehmen, aber nicht den Moderator aus dem Mann" gibt GR nochmal mit seiner Rockshow im Warehouse Vollgas. Dort präsentiert er gemeinsam mit den NÖN „sauguade" Rockhits und außerdem Klaus Schuberts „Rockbunnies." „Die Mädels sind der absolute Hammer! Ich weiß noch nicht, wer kommen wird, aber gute Musik gibt’s in jedem Fall!"