Die Rückkehr der Sommerfrische?
Text
Sascha Harold
Ausgabe
Eine neue Ausstellung im Haus der Geschichte widmet sich dem Thema Tourismus. Wie man auf das Thema gekommen ist, welche Veränderungen es über die Jahrzehnte gegeben hat und vor welchen Herausforderungen das Urlaubsland Niederösterreich steht, darüber hat MFG mit dem wissenschaftlichen Leiter des „Haus der Geschichte“ Christian Rapp gesprochen.
Plump gefragt: Worum gehts in der Ausstellung „Zimmer frei“?
Wir beschäftigen uns mit dem Urlaub auf dem Land nach dem Zweiten Weltkrieg und zeigen – anhand von Fallbeispielen aus Niederösterreich – wie sich Urlaub seitdem verändert hat. Das betrifft alles: Wie wir Urlaubsorte aussuchen, welche Ansprüche wir an den Komfort stellen, mit welchen Verkehrsmitteln wir reisen. Und doch gibt es auch Konstanten. Deshalb haben wir die Ausstellung nicht chronologisch angelegt, sondern orientieren uns an den Phasen des Urlaubs, also von der Vorbereitung über die Planung, die Anreise und Aktivitäten vor Ort bis hin zu den Erinnerungen.
Warum gerade eine Ausstellung über Tourismus?
Das Thema hat uns schon lange gereizt und hat sich insbesondere nach dem Ende von Corona angeboten. Während der Pandemie haben viele überlegt, wie es mit dem Tourismus weitergeht. Urlaub im eigenen Land war ja die einzige Option. Inzwischen hat sich vieles wieder „normalisiert“, aber der langfristige Aspekt des Klimawandels bleibt natürlich. Angesichts zunehmender Hitzewellen sind die Chancen, die Alpen und Voralpen bieten, beachtlich. So gesehen ist die Frage nach dem Urlaub im ländlichen Raum eine hochaktuelle.
Die Ausstellung wurde gemeinsam mit der Universität Wien entwickelt. Wie kam es dazu?
Wir wollten das unbedingt gemeinsam mit jungen Leuten machen und haben Studierende der Europäischen Ethnologie in die Entwicklung und Recherchen zur Ausstellung eingebunden. Die Studierenden haben zum Beispiel Urlaubsorte erkundet, Werbemittel analysiert und zahlreiche Interviews mit Gastgeberinnen und Gastgebern geführt.
Auch die Bevölkerung wurde zum Mitmachen aufgerufen, gesucht wurden etwa Postkarten oder Souvenirs.
Wir haben zahlreiche, sehr reizvolle Objekte erhalten. Das Interessante bei diesen ist stets die Geschichte dahinter, also warum und von wem bestimmte Souvenirs erworben, weitergegeben und aufbewahrt werden. Diese Objektgeschichten vermitteln wir in der Ausstellung. Solche Leihgaben sind übrigens auch noch während der Laufzeit der Ausstellung möglich. Da handelt es sich um tolle private Quellen, an die man sonst nur durch Zufall herankommt.
Was waren in den vergangenen Jahrzehnten die größten Veränderungen im Tourismus?
Gerade in Niederösterreich hat sich sehr viel verändert. Bis in die 1960er-Jahre stiegen überall die Nächtigungszahlen. Erstmals war es für breite Bevölkerungskreise möglich, Urlaub zu machen. Dann gingen die Übernachtungen rasant zurück, denn mit den neuen Verkehrsmitteln, Auto und Flugzeug, wurden fernere Ziele interessanter. Inzwischen fächert sich vieles auf, Menschen machen heute meistens mehrere und kürzere Urlaube und dabei hat Niederösterreich an Attraktivität wieder gewonnen. Allerdings haben sich dazu die Betriebe anpassen müssen. Sie mussten flexibler werden und gleichzeitig viel mehr anbieten als früher.
Und welche Änderungen gab es in der Art des Urlaubens?
Die Ausstellung zeigt vor allem jüngeren Menschen, aber nicht nur diesen, wie primitiv einst Unterkünfte waren und nicht nur die ganz billigen. In vielen Quartieren dienten Waschschüssel und ein Krug mit lauwarmem Wasser der Körperpflege, ein Klo am Gang und ein Bad pro Etage waren schon der bessere Standard. Das ist noch gar nicht so lange her. Ein anderer Aspekt sind die Aktivitäten während des Urlaubs. Heute gestalten wir schon vor der Ankunft am Urlaubsort ein umfangreiches Programm, vom Radfahren und Wandern bis zu Yoga und Kreativkursen. Früher hat man oft so gut wie gar nichts getan im Urlaub.
Sie haben den Klimawandel erwähnt, was heißt das für nieder-österreichische Skigebiete?
Fachleute sagen, dass nur mehr die zwei oder drei größten Skigebiete in Niederösterreich eine langfristige Überlebenschance haben. Das ist die schlechte Nachricht. Die gute Nachricht ist, dass sich die übrigen jetzt schon auf Alternativen einstellen können. St. Corona am Wechsel hat das vorgezeigt. Dort fährt man im Sommer mit dem Lift, allerdings nicht auf Skiern, sondern mit dem Mountainbike. Der Skitourismus war ohnedies immer problematisch. Da braucht man viel landschaftszerstörende Infrastruktur, die nur wenige Wochen im Jahr benutzt wird. Selbst wenn man auf den einen oder anderen Berg also nicht mehr mit dem Sessellift fahren wird, erwandern wird man ihn immer können.
Was ist Ihr persönliches Ziel für die Ausstellung?
Wir bieten Menschen die Möglichkeit, hinter die Kulissen des Tourismus zu blicken. Sie sehen und hören aus erster Hand, was es bedeutet, im Gastgewerbe, in Hotels, aber auch in Privatquartieren tätig zu sein – wie der Arbeitsalltag früher abgelaufen ist und wie er heute abläuft. Wir weisen aber auch auf Konflikte im Zusammenhang mit dem Tourismus hin, wie etwa die Problematik der Zweitwohnhäuser und den Overtourism.
SCHNEE ADÉ?
Wie die Zukunft des Tourismus aussehen könnte, darüber macht man sich auch im alpinen Niederösterreich Gedanken. Teils aus eigenem Antrieb, teils aus Notwendigkeit, denn die Schneesicherheit wird in den kommenden Jahren wohl nicht größer werden. Ein Beispiel für eine gelungene Transformation hin zu Ganzjahrestourismus biete das Skigebiet St. Corona am Wechsel, dessen Geschichte es vor zwei Jahren sogar bis in die Washington Post geschafft hat. „In St. Corona am Wechsel war die vor zehn Jahren getroffene politische Entscheidung hin zu einem ganzjährigen Bergtourismus, anfänglich ganz auf die Bedürfnisse der Familien mit Kindern unter zehn Jahren zugeschnitten, goldrichtig. Die damalige Infrastruktur des Skigebietes wie der Speicherteich wurden teilweise für das Familienskiland nachgenutzt, vor allem aber Angebote wie ein attraktiver Motorikpark und die Wexl Trails neu geschaffen“, erzählt Markus Redl, Geschäftsführer bei der ecoplus Alpin GmbH. Ähnliches will man künftig in der Ötscherregion schaffen. Nachdem der Liftbetrieb dort vor zwei Jahren überraschend vor dem Aus stand, sprang das Land Niederösterreich ein und betreibt seitdem sowohl die Lifte am Ötscher als auch am Hochkar zur Gänze. In Zukunft soll auch dort ganzjähriger Tourismus forciert werden.