Für Visionen bereit?
Text
Andreas Reichebner
Ausgabe
Bei einem ersten Workshop im Bundeskanzleramt zum Thema „Europäische Kulturhauptstadt“ war auch eine Abordnung der Stadt St. Pölten zugegen. Offensichtlich ist also durchaus Interesse an einer Bewerbung vorhanden. So ja, sollte man möglichen Überlegungen bald Taten folgen lassen, denn die Zeit drängt.
Dabei treten alte Polit-Mechanismen zu Tage. Während die Stadtverantwortlichen auf ein deutliches Zeichen, respektive eine Förderzusage der neuen Landeshauptfrau warten, spielt das Land den Ball zurück und erhofft sich im Vorfeld ein durchdachtes Konzept der Stadt. Obwohl neben den vier Vertretern aus der Stadt - Kulturamtsleiter Thomas Karl, Stadtmuseumsdirektor Thomas Pulle, Jugendkulturkoordinator Wolfgang Matzl und Musikschuldirektor Alfred Kellner - mit dem Geschäftsführer des Festspielhauses und der Bühne im Hof, Thomas Gludovatz von der NÖKU, quasi auch ein Apologet der kulturellen Strukturen des Landes im Bundeskanzleramt bei der Erstinformation dabei war, scheint es eine Art Lauerstellung zwischen den Protagonisten im Kulturhauptstadt-Bewerbungsspiel zu geben.
„Ein Riesenthema mit großen Chancen“, zeigt sich Gludovatz von der Idee der Bewerbung sehr angetan, „wir wären mit unseren Häusern gerne dabei. Auf jeden Fall gehört ein Schulterschluss zwischen den Institutionen dazu, aber schlussendlich ist es eine politische Entscheidung.“ Ebenfalls positiv sieht Thomas Pulle die Vision einer Kulturhauptstadt St. Pölten: „Schon die Überlegung bringt wahnsinnig viel in Bewegung, allein der Prozess ist sehr heilsam. Wir haben am Standort großes Potenzial, es sollte allerdings ein breiter Konsens darüber herrschen.“ Falls es zur Bewerbung kommt, fordert er größtmögliche Professionalität und volle Kraft. Im jetzigen Stadium gibt er sich aber genauso bedeckt wie der oberste städtische Kulturbeamte Thomas Karl, der aber wie Pulle an eine nahe Unterredung zwischen Bürgermeister Stadler und Landeshauptfrau Mikl-Leitner und „an eine baldige Entscheidung glaubt“.
Währenddessen geht das Prozedere zur Kulturhauptstadt 2024 im Bundesministerium für Kunst und Kultur weiter. Am 8. und 9. Juni findet das nächste Meeting statt. Der 8. Juni ist dabei ein offenes Forum, zu dem auch freie Kulturgruppen Zugang haben, der Tag darauf ist eine geschlossene Veranstaltung mit Vertretern aus Brüssel und einigen Kuratoren, ebenso werden dann auch wieder die interessierten Gemeinden dabei sein. Schlüssige Basiskonzepte schon dort zu präsentieren, wäre nach Angaben von Jurymitgliedern, die schlussendlich die Entscheidung treffen, welche Stadt das Rennen macht, ein gewisser Start- bzw. Wettbewerbsvorteil. Wenn sich St. Pölten doch demnächst aufmacht, sich offiziell zu bewerben (Einreichfrist ist Ende 2018), wird man vermutlich das Murtal, das Rheintal etwa mit Hohenems oder Bregenz, das Salzkammergut oder die Regionen um Wels und Baden als Konkurrenten antreffen.
Während sich die Politik also bis Redaktionsschluss noch bedeckt hielt, bemüht sich die kulturelle Bürgerinitiative „KulturhauptSTART“ recht rührig, in diese Sache Bewegung und einen aktiven Diskurs zu bringen. Proponenten rund um Michaela Steiner oder Klaus-Michael Urban sehen sich als Initiative, die direkt aus der Bevölkerung eine Bewerbung vorantreiben will. Mit einem Brief an die Politik will man Dynamik in dem Prozess einfordern, denn ohne politische Verantwortungsträger läuft man leere Kilometer. „Eine Riesenchance für unsere Stadt, unsere Region und unser zukünftiges kulturelles – und somit auch unser soziales – Miteinander“, sollte nicht ungenützt bleiben. In Arbeitskreisen, für die sich Kulturinteressierte aus den verschiedensten Sparten engagieren, wird an Grundsätzlichem zum Thema Kulturhauptstadt gearbeitet, und einmal im Monat wird zum Jour fixe geladen. Der letzte fand im Bürgertheaterzelt des Landestheaters statt. Von einer „kulturellen Kraft“, die dem, das schon da war, „die Krone aufsetzte“ sprach etwa Theaterintendantin Maria Rötzer über ihre Erlebnisse im Jahr 2003 rund um Graz als europäische Kulturhauptstadt. Besonders interessant war der Reisebericht des „Doyens der Hauptstadtplanung“, Norbert Steiner, der gemeinsam mit seiner Frau Michaela die heurige Kulturhauptstadt Aarhus besuchte. Schon allein das von Steiner berichtete Faktum, dass die schwedische Stadt mit über 250.000 Einwohnern Autos rigoros aus dem Zentrum entfernt hat, zeigt, dass beim Thema Kulturhauptstadt grundsätzlich viel weitgefasster gedacht werden muss. Kurzfristige Kleinkrämerei, etwa bei der Diskussion um Parkplätze am Domplatz, dass hier in St. Pölten noch Potenzial an visionären Lösungen zu finden wäre. Allein dieser Diskurs nährt die Frage, ob die Stadt reif für neugedachte Visionen ist.
Wie formuliert es das EU-Jurymitglied, Geschäftsführer der Graz 2003 GmbH, Manfred Gaulhofer: „Was zählt ist die nachhaltige Verbesserung der Lebensqualität der in der Stadt Lebenden.“ Und auf die Frage, welche Art von Kulturbegriff eine Initiative Kulturhauptstadt 2024 überhaupt verfolgen sollte, gibt er zu bedenken: „Einen möglichst weit gefassten, der Kultur nicht als elitäres Kunstgeschehen für Illuminati, sondern als elementaren Lebensbaustein aller Menschen bzw. Grundnahrungsmittel für uns alle versteht.“
Kann und will sich St. Pölten Fragen zu zukünftigen Stadtentwicklungen stellen? Eine Bewerbung könnte ein Schritt in einen nachhaltigen Diskurs sein, wie Stadt in Zukunft funktionieren kann, und ein mutiges Aufzeigen in Richtung einer Vision des kulturellen und sozialen Miteinanders. Jetzt wäre die Möglichkeit, eine seltene Chance zu nutzen, „das Miteinander vieler kleiner, eigenständiger Kulturräume, die sich um St. Pölten als geographischen Mittelpunkt einer vielfältigen Kunst- und Kulturregion …“, scharen, „völlig neu zu denken und zu entwickeln“, wie es auf der Homepage der Plattform heißt. Das wird seinen Preis haben, aber viel Geld kosten auch die jährlichen Landesausstellungen samt Infrastrukturmahnahmen, lautet ein Grundtenor. Die Zeit drängt.
"Was zählt ist die nachhaltige Verbesserung der Lebensqualität der in der Stadt Lebenden." Manfred Gaulhofer, EU-Jurymitglied
"Aarhus, die diesjährige Kulturhauptstadt, hat radikal die Autos aus dem Zentrum entfernt." Norbert Steiner
„Ein Riesenthema mit großen Chancen“, zeigt sich Gludovatz von der Idee der Bewerbung sehr angetan, „wir wären mit unseren Häusern gerne dabei. Auf jeden Fall gehört ein Schulterschluss zwischen den Institutionen dazu, aber schlussendlich ist es eine politische Entscheidung.“ Ebenfalls positiv sieht Thomas Pulle die Vision einer Kulturhauptstadt St. Pölten: „Schon die Überlegung bringt wahnsinnig viel in Bewegung, allein der Prozess ist sehr heilsam. Wir haben am Standort großes Potenzial, es sollte allerdings ein breiter Konsens darüber herrschen.“ Falls es zur Bewerbung kommt, fordert er größtmögliche Professionalität und volle Kraft. Im jetzigen Stadium gibt er sich aber genauso bedeckt wie der oberste städtische Kulturbeamte Thomas Karl, der aber wie Pulle an eine nahe Unterredung zwischen Bürgermeister Stadler und Landeshauptfrau Mikl-Leitner und „an eine baldige Entscheidung glaubt“.
Währenddessen geht das Prozedere zur Kulturhauptstadt 2024 im Bundesministerium für Kunst und Kultur weiter. Am 8. und 9. Juni findet das nächste Meeting statt. Der 8. Juni ist dabei ein offenes Forum, zu dem auch freie Kulturgruppen Zugang haben, der Tag darauf ist eine geschlossene Veranstaltung mit Vertretern aus Brüssel und einigen Kuratoren, ebenso werden dann auch wieder die interessierten Gemeinden dabei sein. Schlüssige Basiskonzepte schon dort zu präsentieren, wäre nach Angaben von Jurymitgliedern, die schlussendlich die Entscheidung treffen, welche Stadt das Rennen macht, ein gewisser Start- bzw. Wettbewerbsvorteil. Wenn sich St. Pölten doch demnächst aufmacht, sich offiziell zu bewerben (Einreichfrist ist Ende 2018), wird man vermutlich das Murtal, das Rheintal etwa mit Hohenems oder Bregenz, das Salzkammergut oder die Regionen um Wels und Baden als Konkurrenten antreffen.
Während sich die Politik also bis Redaktionsschluss noch bedeckt hielt, bemüht sich die kulturelle Bürgerinitiative „KulturhauptSTART“ recht rührig, in diese Sache Bewegung und einen aktiven Diskurs zu bringen. Proponenten rund um Michaela Steiner oder Klaus-Michael Urban sehen sich als Initiative, die direkt aus der Bevölkerung eine Bewerbung vorantreiben will. Mit einem Brief an die Politik will man Dynamik in dem Prozess einfordern, denn ohne politische Verantwortungsträger läuft man leere Kilometer. „Eine Riesenchance für unsere Stadt, unsere Region und unser zukünftiges kulturelles – und somit auch unser soziales – Miteinander“, sollte nicht ungenützt bleiben. In Arbeitskreisen, für die sich Kulturinteressierte aus den verschiedensten Sparten engagieren, wird an Grundsätzlichem zum Thema Kulturhauptstadt gearbeitet, und einmal im Monat wird zum Jour fixe geladen. Der letzte fand im Bürgertheaterzelt des Landestheaters statt. Von einer „kulturellen Kraft“, die dem, das schon da war, „die Krone aufsetzte“ sprach etwa Theaterintendantin Maria Rötzer über ihre Erlebnisse im Jahr 2003 rund um Graz als europäische Kulturhauptstadt. Besonders interessant war der Reisebericht des „Doyens der Hauptstadtplanung“, Norbert Steiner, der gemeinsam mit seiner Frau Michaela die heurige Kulturhauptstadt Aarhus besuchte. Schon allein das von Steiner berichtete Faktum, dass die schwedische Stadt mit über 250.000 Einwohnern Autos rigoros aus dem Zentrum entfernt hat, zeigt, dass beim Thema Kulturhauptstadt grundsätzlich viel weitgefasster gedacht werden muss. Kurzfristige Kleinkrämerei, etwa bei der Diskussion um Parkplätze am Domplatz, dass hier in St. Pölten noch Potenzial an visionären Lösungen zu finden wäre. Allein dieser Diskurs nährt die Frage, ob die Stadt reif für neugedachte Visionen ist.
Wie formuliert es das EU-Jurymitglied, Geschäftsführer der Graz 2003 GmbH, Manfred Gaulhofer: „Was zählt ist die nachhaltige Verbesserung der Lebensqualität der in der Stadt Lebenden.“ Und auf die Frage, welche Art von Kulturbegriff eine Initiative Kulturhauptstadt 2024 überhaupt verfolgen sollte, gibt er zu bedenken: „Einen möglichst weit gefassten, der Kultur nicht als elitäres Kunstgeschehen für Illuminati, sondern als elementaren Lebensbaustein aller Menschen bzw. Grundnahrungsmittel für uns alle versteht.“
Kann und will sich St. Pölten Fragen zu zukünftigen Stadtentwicklungen stellen? Eine Bewerbung könnte ein Schritt in einen nachhaltigen Diskurs sein, wie Stadt in Zukunft funktionieren kann, und ein mutiges Aufzeigen in Richtung einer Vision des kulturellen und sozialen Miteinanders. Jetzt wäre die Möglichkeit, eine seltene Chance zu nutzen, „das Miteinander vieler kleiner, eigenständiger Kulturräume, die sich um St. Pölten als geographischen Mittelpunkt einer vielfältigen Kunst- und Kulturregion …“, scharen, „völlig neu zu denken und zu entwickeln“, wie es auf der Homepage der Plattform heißt. Das wird seinen Preis haben, aber viel Geld kosten auch die jährlichen Landesausstellungen samt Infrastrukturmahnahmen, lautet ein Grundtenor. Die Zeit drängt.
"Was zählt ist die nachhaltige Verbesserung der Lebensqualität der in der Stadt Lebenden." Manfred Gaulhofer, EU-Jurymitglied
"Aarhus, die diesjährige Kulturhauptstadt, hat radikal die Autos aus dem Zentrum entfernt." Norbert Steiner