MFG - Ein Märchen
Ein Märchen


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Ein Märchen

Text Roul Starka
Ausgabe 05/2023
Wir tragen gelbleuchtendes Gewand und arbeiten im Straßenbau. Da helfen uns viele Menschen, Männer und Frauen. Gemeinsam schwitzen wir und schnaufen laut. Manchmal sind wir alleine, schnaufen leise und lächeln trotzdem. Wir bauen Straßen und wollen uns jederzeit erreichen oder uns in einem Kaffeehaus treffen, offline, ohne Strom im Bauch, aber mit lachen und reden. So mit Mund und Zunge und Ohren und Malakofftorte. Wenn wir Glück haben, zeigen uns die Omas vor, wie man das am besten macht, wir müssen es aber immer wieder üben. 
Wir riechen nach Menschen und bauen geduldig Straßen, zum Beispiel von St. Pölten nach Stattersdorf, das ist nicht weit, also im Geografieunterricht. Leider haben wir noch keinen Herzunterricht mit vielen Übungen im Freien. Dort könnten uns Vögel und Bäume weiterhelfen. Wir bauen bei Regen und Sonne, im Sommer und im Winter, essen Tiefkühlspinat, Fleischlaberl, oder Erdbeeren mit Schlagobers und Zucker. Wir arbeiten 24 Stunden am Tag, Mamas oft zusätzlich die ganze Nacht, also 36 Stunden am Tag. 
Das regt zwar die Mathematiker und Physiker auf, aber das ist den Mamas wurscht. Die Babys müssen später ja auch Straßen bauen, von St. Pölten nach Barcelona, Venedig, Bangkok, Rom oder nach Mošćenice. Das ist ein kleines Dorf oberhalb von Mošćenička Draga in Kroatien. Von dort oben sieht man alles. Die Mamas und Babys müssen aber vorher hinzeigen, dass wir es sehen. Beton und Asphalt und Zement haben wir nicht, wir haben nur uns.