MFG - Ist die St. Pöltner „Stadthilfe“ gut angelegt?
Ist die St. Pöltner „Stadthilfe“ gut angelegt?


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St. Pöltens gute Seite

Ist die St. Pöltner „Stadthilfe“ gut angelegt?

Text Georg Renner , Jakob Winter
Ausgabe 09/2020
GEORG RENNER
Der Wilhelmsburger arbeitet als Journalist bei der „Kleinen Zeitung“.

„St. Pölten wäre mit Corona-Förderaktion ein dankbares Studienfeld für Wirtschaftsforscher.“

Ich muss mit einem kleinen Geständnis anfangen, lieber Leser – nur zwischen uns beiden, sozusagen: So sehr ich mich gegenüber Wienern angelegentlich als prototypischer Landeshauptstädter in die Bresche haue: Ich bin gar kein St. Pöltner. Ich lebe knapp hinter der Stadtgrenze im schönen Wilhelmsburg, auch wenn ich meine Schullaufbahn über in StP sozialisiert worden bin.
Das könnte Ihnen natürlich egal sein, aber es erlaubt mir die Überleitung, Ihnen zu sagen, dass ich zuletzt ein wenig neidisch auf euch Hauptstädter war. Denn die Idee, die städtische Wirtschaft nach dem Lockdown anzukurbeln, indem quasi Geld flächendeckend abgeworfen wird, schien mir durchaus gut – aus Sicht der Wirtschaft aber auch aus Sicht der Bürger.
Die 20-Euro-„Stadthilfe“ (lassen wir einmal die eher ins Peinliche driftende Werbung mit den Starterkabeln – immerhin habe ich sie mir gemerkt) konnte jeder St. Pöltner Haushalt (dass das mein Haus 150 Meter jenseits der Stadtgrenze nicht mehr betrifft, erklärt meinen Neid) in Anspruch nehmen, indem er der Stadt recht unkompliziert eine Rechnung von Mitte Juni bis Mitte August zukommen ließ. Die überwies dann 20 Euro zurück – ein Angebot, das rund 9.000 Mal in Anspruch genommen wurde. Das scheint mir erstens ein effizienteres Förderdesign gewesen zu sein als der Wiener Gastro-Gutschein, der physisch fast eine Million Mal versandt worden ist. Die Missbrauchsmöglichkeiten waren geringer, der Adressatenkreis (alle Geschäfte in St. Pölten) weiter, der bürokratische Aufwand weit beherrschbarer.
Ob es geholfen hat, ob es effektiver Einsatz von Steuergeld war, werden wir freilich nie wissen: Dazu müsste man messen, wie viele Einkäufe ohne diese 20 Euro gar nicht erst stattgefunden hätten – und ob nicht besonders jene Geschäfte profitiert haben, die sowieso schnell wieder auf die Beine gekommen wären (ein häufiger Makel von Förderungen). Falls ein Makroökonom gerade ein spannendes Studienfeld sucht: St. Pölten wäre ein dankbares Forschungsfeld, besonders jetzt, wo die Stadt mit einer Neuauflage der „Stadthilfe“ liebäugelt.

JAKOB WINTER
Aufgewachsen in St. Pölten, emigriert nach Wien, Redakteur beim „profil“.

„Das Problem mit dieser Geldverteilung nach dem Gießkannenprinzip.“

Journalisten sind üblicherweise ziemliche Deadline-Junkies. Ich selbst bin das beste Beispiel: Meinen Wiener Gastro-Gutschein habe ich noch immer nicht eingelöst. Langsam sollte ich mich aber beeilen, denn die Aktion läuft nur noch bis Ende September. Doch das schreibt sich leichter als es ist. Die Wahl des Wirts will schließlich gut überlegt sein – nicht nur aus kulinarischen Gründen. Denn ich will nicht bloß fein dinieren. Ich will, dass mein Geld dort ankommt, wo es gebraucht wird, und mithelfen, dass eine Wirtin oder ein Wirt nicht zusperren muss.
Genau das war die Idee des Gastro-Gutscheins: Lokale zu unterstützen, die vom Corona-Shutdown besonders hart getroffen wurden. Bloß fehlen mir für meine Entscheidung ein paar wesentliche Informationen: Wie finde ich heraus, welcher Betrieb meinen Gutschein besonders dringend braucht? Die Antwort ist unbefriedigend: nirgends. Und das ist mein Problem mit dieser Geldverteilung nach dem Gießkannenprinzip. Gemeinderäte, Landtage und der Nationalrat sind gewählt, um das Geld, das wir alle in die Gemeinschaftskasse einzahlen, vernünftig zu verteilen. Sie haben dafür auch alle Entscheidungsgrundlagen. Sie können Unternehmenshilfen, Steuerstundungen und Kredithaftungen davon abhängig machen, wie stark ein Betrieb von der Wirtschaftskrise getroffen wurde. Ich kann mich bei meiner Restaurantwahl letztlich nur von meinem Gusto leiten lassen.
Für die St. Pöltner Stadthilfe (20 Euro) und den Tourismus-Gutschein der burgenländischen Landesregierung (75 Euro) gilt dasselbe wie für den Wiener Gastro-Gutschein: Erstens ist offen, ob das Geld bei den richtigen Unternehmern ankommt – und zweitens kamen viele Bürger in den Genuss eines Wertscheins, obwohl sie nicht darauf angewiesen waren. Dabei fielen mir gerade jetzt viele Empfänger ein, die solche Zuwendungen mehr verdient hätten als ich: Arbeitslose zum Beispiel. Und alle, die während der Corona-Pandemie unter erhöhtem Risiko im Supermarkt, in der Paketzustellung oder im Gesundheitssystem weitergearbeitet haben. Vielleicht verschenke ich den Gutschein ja noch im letzten Moment.