MFG - Es geht natürlich um die Kinder...
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St. Pöltens gute Seite

Es geht natürlich um die Kinder...

Text Johannes Reichl
Ausgabe 12/2010
Er greift um sich, er frisst sich in unser Hirn und unsere Herzen, und das rücksichtsloser als je zuvor: Warum Populismus derzeit eskaliert? Weil seine willfährigsten Helfer zunehmend just jene sind, die ihn eigentlich erkennen, entlarven, bekämpfen und – wenn schon nicht tilgen, was unmöglich ist – so doch wenigstens in Schach halten sollten: die Medien.
Da marschiert z. B. eine österreichische Tageszeitung mit dem Landesrat für Bildung im Schlepptau (bzw. war das Medium wohl eher im Schlepptau des Politikers) zum „Lokalaugenschein“ ins Gymnasium in der Josefstraße, um über die dortigen baulichen Zustände zu wettern und uns zu erklären, „hätte das Land die Verantwortung, wäre so eine Schande nicht möglich.“ Gar der Vergleich mit einer „Landschule im tiefsten Rumänien zur Ceausescu-Zeit“ wird strapaziert (es darf bezweifelt werden, dass der Herr Redakteur oder der Herr Landesrat jemals eine solche von innen gesehen haben), zudem ist die Rede von Zuständen „wie im frühen Ostblock“ (auch hier gilt die „Unkenntnisvermutung“). Unser EU-Partner Rumänen wird sich für derlei Nettigkeiten und gar nicht ausländerfeindlichen Stereotypen jedenfalls herzlich bedanken, aber das nur am Rande.
Dann tauchte vor geraumer Zeit ein angebliches „Geheimpapier“ aus dem Ministerium (wo komischerweise NÖ Landesschulrat drauf stand) über Schulschließungen auf, die – so wurde suggeriert – vom bösen Bund (in Person des Leibhaftigen höchstselbst, nämlich Ministerin Claudia Schmied) praktisch schon beschlossene Sache seien. Das Papier stellte sich dann freilich als so geheim heraus, dass es im Ministerium gar nicht existierte, kurzum ein selbstgebasteltes Phantom war. Auf dieses nebensächliche Detail wurde (auch von vielen Medien) zunächst nicht weiter eingegangen. Was interessieren einen schon ein paar zutiefst verunsicherte Eltern, wenn man ein bisschen Panik verbreiten kann. Schnell war an einer St. Pöltner Schule eine Unterschriftenliste gegen die Schulschließung hervorgezaubert,  mit dem kleinen Schönheitsfehler, dass eine Schließung gar nicht zur Debatte steht.
Ein Schelm, wer nun – zugegeben – den völlig abwegigen Schluss zieht, dieser Theaterdonner habe gar mit der aktuellen Debatte um Förderalismus versus Zentralismus im Schulbereich zu tun, im Konkreten der Frage, ob die Lehrer nun nach der Pfeife des Bundes oder jener der Länder tanzen sollen. Also wirklich! Wo uns doch alle involvierten politischen Protagonisten treuherzig versichern, dass es NATÜRLICH nur um das Wohl unserer Kinder geht, und keinesfalls – welch perfide Unterstellung – um Einfluss auf die große Lehrerschar, kurzum also um schnöde Machtinteressen.
Ein anderes ungustiöses Beispiel für die Mesalliance zwischen Medien und Populismus betraf eine Kindergarten-Veranstaltung. Da durfte sich ein FPÖ Abgeordneter xenophob auskotzen und ungeniert Halb-, also Unwahrheiten über den angeblich provozierten Abbruch eines Martinsfestes durch Muslime verbreiten (siehe S. 6), und dieser Schmonzes wurde – ohne dass sich irgendein Redakteur die Mühe gemacht hätte, vielleicht  auch im Kindergarten nachzurecherchieren (nicht dass bei FPÖ-Aussendungen im Hinblick auf ihren Wahrheitsgehalt a priori Vorsicht geboten wäre) – einfach 1:1 übernommen. Dass es dann eigentlich so gar nicht gewesen ist, erfuhr man erst Tage später, nachdem bereits das Integrations-Porzellan zerschlagen und der irrationalen Islamophobie der Volksseele neue Nahrung gegeben worden war.
Was ich damit sagen möchte: Liebe Medien, Steigbügel sollte unsere Zunft bestenfalls halten, wenn es gilt, die Wahrheit aufs Pferd des kritischen Journalismus zu hieven, aber sicher nicht, um uns selbst in den Sattel des Populismus zu schwingen. Dieser Gaul geht nämlich in die Irre, und – das ist das Fatale – unsere Leser hintendrein. Die glauben uns nämlich – wer hätte das für möglich gehalten – das, was wir schreiben. Kurzum: Es gilt der Vertrauensgrundsatz.
Weniger Populismus von unseren Politikern einzufordern, käme wohl ohnedies einem Wunsch ans Christkind gleich –  andererseits ist ja auch Fasching, da darf man schon ein bisserl lustig sein. Eines sollten die Damen und Herren jedenfalls bedenken:  Wer unter ihrem Populismus und seinen Folgen zu leiden haben wird, sind...? Richtig, unsere Kinder, und um die geht’s ja?! NATÜRLICH!