"Das Papier ist die leere Bühne"
Text
Eva Seidl
Ausgabe
Ab 4. Dezember hält der Fürst Saurau im Landestheater Hof. Thomas Bernhards „Verstörung“ kommt in einer Bearbeitung von Karl Baratta und Gwendolyne Melchinger zur Aufführung. MFG sprach mit dem Autor und Regisseur über seine Bernhard-Interpretation und die verrückte Welt des Grafen Saurau.
Obwohl Karl Baratta gerade aus stundenlangen Proben kommt, hört man deutlich seine Begeisterung für Thomas Bernhard: „Ich finde, dass er total aktuell ist. Er nimmt sich in seinen Werken die Fragen vor, die jeder für sich selbst entscheiden muss und die mit der nackten Existenz zu tun haben.“ Gleichzeitig handelt es sich bei „Verstörung“ um eine schwarze Komödie, in der diese existenziellen Fragen äußerst unterhaltsam verpackt sind. „Dieser Roman ist ein Meilenstein in seiner Entwicklung. Er beschreibt eine ländliche Umwelt und im Zentrum einen verrückten Fürsten, der viel Ähnlichkeit mit ihm selbst hat. Dessen Existenz ist an sich Theater, es spielt auch im Roman alles auf einer Bühne.“
Worte in einem künstlichen Raum
Karl Baratta hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Roman für die Bühne zu bearbeiten: „Dieser Roman bietet sich für die Dramatisierung an, weil er ein gewaltiges Personal hat, eine wahnsinnige Hauptfigur und außerdem einen sehr theatralischen Erzählstrang.“ Dabei muss natürlich in erster Linie die Handlung komprimiert werden, „die Aufführung würde sonst acht Stunden dauern“, schmunzelt Baratta.
Wie entscheidet man, was man weglassen kann, ohne die Geschichte zu verfälschen? „Die Fassung ist natürlich eine Verdichtung, eine willkürliche Auswahl letztlich, man schlägt eine Schneise durch den Roman. So wirft man Licht auf die Struktur. Die Handlung ist an sich sehr packend, und diese habe ich versucht, weiter zu verdichten.“ Letztendlich würden die Bezüge der Figuren zueinander verschärft. Baratta konkretisiert: „Der Roman bildet letztlich einen geistigen Prozess ab. Bernhard selbst sagt, es geht um ‚innere Landschaften‘. Eine ziemlich imposante, zerklüftete innere Landschaft wird hier durchquert. Genau diese Reise ist sozusagen der Strang, dem ich folge.“
Ver-rückt
Eine abstruse Reise. Ein Landarzt nimmt seinen Sohn einen Tag lang auf Visite mit. Es offenbart sich eine Welt von kranken und verrückten Menschen, die in einem Besuch auf Burg Hochgobernitz beim Fürsten Saurau gipfelt. Diesen begleiten der Landarzt und sein Sohn auf einem Rundgang durch seine Besitztümer, wobei sich der Fürst in einem endlosen Monolog über die Weltsituation im Großen und im Kleinen verstrickt – der „Prozess der Verstörung“ wird offenbart. Für die Dramatisierung laut Baratta ein „Problem“: „Hier kann die Bühnenlösung dem Roman nicht gerecht werden. Ein Teil der Wirkung ist natürlich die Endlosigkeit, das Nichtabreißenwollen eines Monologs über alles. Das kann die Bühne nicht zustande bringen. Aber sie kann die Konstellation aufreißen, sie kann einen Zugang schaffen, der vielleicht auch Leute anregen wird, den Roman zu lesen.“
Aber ist eine Dramatisierung dann überhaupt schlüssig und zulässig? Für Baratta absolut, weil Bernhard seine Werke immer auch als Bühnentexte begriffen habe. „Alle seine Texte sind ausgezeichnet sprechbar, sie leben von der Verlautbarung, von der Rhythmik, von der Musikalität. Sie leben aus dem Körper des Sprechenden!“
Außerdem richte sich Bernhard immer an ein Publikum, wobei man im Theater einen anderen Zugang habe als der Romanleser zuhause. „Im Theater rutscht man durch die kollektive Aufmerksamkeit in einen anderen Aufnahmezustand, und den benutzt Bernhard auch in seinen Stücken. Man kann sich im Theater wahrscheinlich anders gehen lassen, als wenn man allein liest.“
Skandal im Landestheater?
Bleibt die Frage nach Bernhards (heutigem) Skandalpotenzial. „Er ist sozusagen geschluckt worden vom Kulturbetrieb. Er ist unter die Heiligen eingeordnet worden und dadurch ist er kein Skandalautor mehr. Wenn selbst in der Josefstadt ,Heldenplatz‘, wo ja die Österreichbeschimpfungen nicht abreißen, mit großem Erfolg gespielt wird, dann wird auch ,Verstörung‘ in St. Pölten kein Skandal sein“, meint Barrata fast wehmütig. Der Berühmtheitsfaktor ätzt sozusagen das Skandalpotenzial weg. 1967, als der Roman erschien, war das noch anders, sorgte er für große Aufregung. „In der Einfachheit und der Zuspitzung ist er aber heute noch aktuell“, wie Baratta überzeugt ist: „Das traut sich ja sonst niemand, so plumpe Fragen zu stellen wie ‚Vielleicht ist das ganze Leben eine Komödie?‘ ‚Vielleicht ist alles nur Betrug?‘ Solche Fragen, die jeder heimlich in der Nacht stellt, die spricht er aus.“ Eine ganze Reihe solcher Fragen werden in diesem Roman und dann auch auf der Bühne gestellt.
Letztlich ist für ein Bernhard-Stück wohl auch nicht unschlüssig, dass es sozusagen in der Provinz gespielt wird und nicht etwa in Wien. Da winkt Barrata ab. „Für mich ist das gar keine Kategorie, mich interessieren die einzelnen Menschen und die Zusammenhänge. Ich kann hier ungestört arbeiten, was in Wien nicht der Fall ist!“
Er versucht auch etwaige „Ängste“ zu zerstreuen. „Das Stück wird sicher keine reine ‚Spracharie‘, es wird auch Szenen ohne Text geben. Ich versuche die Eigengesetzlichkeit der Figuren, die Zusammenhänge zu zeigen.“ Auch ein Klavier wird die Darsteller unterstützen – sie treten sozusagen auch in Dialog mit dem Instrument. „Das Stück macht einen Raum auf, in dem man ungehemmt denken kann. Im besten Fall wird es sehr schräg, komisch und abgründig!“
Worte in einem künstlichen Raum
Karl Baratta hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Roman für die Bühne zu bearbeiten: „Dieser Roman bietet sich für die Dramatisierung an, weil er ein gewaltiges Personal hat, eine wahnsinnige Hauptfigur und außerdem einen sehr theatralischen Erzählstrang.“ Dabei muss natürlich in erster Linie die Handlung komprimiert werden, „die Aufführung würde sonst acht Stunden dauern“, schmunzelt Baratta.
Wie entscheidet man, was man weglassen kann, ohne die Geschichte zu verfälschen? „Die Fassung ist natürlich eine Verdichtung, eine willkürliche Auswahl letztlich, man schlägt eine Schneise durch den Roman. So wirft man Licht auf die Struktur. Die Handlung ist an sich sehr packend, und diese habe ich versucht, weiter zu verdichten.“ Letztendlich würden die Bezüge der Figuren zueinander verschärft. Baratta konkretisiert: „Der Roman bildet letztlich einen geistigen Prozess ab. Bernhard selbst sagt, es geht um ‚innere Landschaften‘. Eine ziemlich imposante, zerklüftete innere Landschaft wird hier durchquert. Genau diese Reise ist sozusagen der Strang, dem ich folge.“
Ver-rückt
Eine abstruse Reise. Ein Landarzt nimmt seinen Sohn einen Tag lang auf Visite mit. Es offenbart sich eine Welt von kranken und verrückten Menschen, die in einem Besuch auf Burg Hochgobernitz beim Fürsten Saurau gipfelt. Diesen begleiten der Landarzt und sein Sohn auf einem Rundgang durch seine Besitztümer, wobei sich der Fürst in einem endlosen Monolog über die Weltsituation im Großen und im Kleinen verstrickt – der „Prozess der Verstörung“ wird offenbart. Für die Dramatisierung laut Baratta ein „Problem“: „Hier kann die Bühnenlösung dem Roman nicht gerecht werden. Ein Teil der Wirkung ist natürlich die Endlosigkeit, das Nichtabreißenwollen eines Monologs über alles. Das kann die Bühne nicht zustande bringen. Aber sie kann die Konstellation aufreißen, sie kann einen Zugang schaffen, der vielleicht auch Leute anregen wird, den Roman zu lesen.“
Aber ist eine Dramatisierung dann überhaupt schlüssig und zulässig? Für Baratta absolut, weil Bernhard seine Werke immer auch als Bühnentexte begriffen habe. „Alle seine Texte sind ausgezeichnet sprechbar, sie leben von der Verlautbarung, von der Rhythmik, von der Musikalität. Sie leben aus dem Körper des Sprechenden!“
Außerdem richte sich Bernhard immer an ein Publikum, wobei man im Theater einen anderen Zugang habe als der Romanleser zuhause. „Im Theater rutscht man durch die kollektive Aufmerksamkeit in einen anderen Aufnahmezustand, und den benutzt Bernhard auch in seinen Stücken. Man kann sich im Theater wahrscheinlich anders gehen lassen, als wenn man allein liest.“
Skandal im Landestheater?
Bleibt die Frage nach Bernhards (heutigem) Skandalpotenzial. „Er ist sozusagen geschluckt worden vom Kulturbetrieb. Er ist unter die Heiligen eingeordnet worden und dadurch ist er kein Skandalautor mehr. Wenn selbst in der Josefstadt ,Heldenplatz‘, wo ja die Österreichbeschimpfungen nicht abreißen, mit großem Erfolg gespielt wird, dann wird auch ,Verstörung‘ in St. Pölten kein Skandal sein“, meint Barrata fast wehmütig. Der Berühmtheitsfaktor ätzt sozusagen das Skandalpotenzial weg. 1967, als der Roman erschien, war das noch anders, sorgte er für große Aufregung. „In der Einfachheit und der Zuspitzung ist er aber heute noch aktuell“, wie Baratta überzeugt ist: „Das traut sich ja sonst niemand, so plumpe Fragen zu stellen wie ‚Vielleicht ist das ganze Leben eine Komödie?‘ ‚Vielleicht ist alles nur Betrug?‘ Solche Fragen, die jeder heimlich in der Nacht stellt, die spricht er aus.“ Eine ganze Reihe solcher Fragen werden in diesem Roman und dann auch auf der Bühne gestellt.
Letztlich ist für ein Bernhard-Stück wohl auch nicht unschlüssig, dass es sozusagen in der Provinz gespielt wird und nicht etwa in Wien. Da winkt Barrata ab. „Für mich ist das gar keine Kategorie, mich interessieren die einzelnen Menschen und die Zusammenhänge. Ich kann hier ungestört arbeiten, was in Wien nicht der Fall ist!“
Er versucht auch etwaige „Ängste“ zu zerstreuen. „Das Stück wird sicher keine reine ‚Spracharie‘, es wird auch Szenen ohne Text geben. Ich versuche die Eigengesetzlichkeit der Figuren, die Zusammenhänge zu zeigen.“ Auch ein Klavier wird die Darsteller unterstützen – sie treten sozusagen auch in Dialog mit dem Instrument. „Das Stück macht einen Raum auf, in dem man ungehemmt denken kann. Im besten Fall wird es sehr schräg, komisch und abgründig!“