Yutaka SADO – Wie Zauberei
Text
Andreas Reichebner
Ausgabe
Yutaka Sado war Assistent bei Leonard Bernstein und Seiji Ozawa. Nun ist der 53-jährige Japaner Chefdirigent des Tonkünstler-Orchesters Niederösterreich, das er zukünftig auf den internationalen Konzertbühnen etablieren und dabei auch gleich die Wiener Klassik forcieren will.
Alle seine Lieblingskomponisten, wie Haydn, Mozart, Beethoven, Brahms, Mahler und Strauss lebten u. a. in Wien, und Österreichs Bundeshauptstadt war 1988 auch zugleich die erste Auslandsstation des japanischen Dirigenten Yutaka Sado. Jetzt, viele Jahre später nach seinen Weltreisen in Sachen Musik, kehrt Sado wieder an den Ausgangspunkt seiner musikalischen Karriere zurück. Als Chefdirigent des Tonkünstler-Orchesters wird er zudem auch in Grafenegg und im Festspielhaus St. Pölten Einzug halten. „Natürlich werden die Tonkünstler und ich die Werke meiner Lieblingskomponisten aufführen, denn was diese uns hinterließen, ist fantastische und geniale Musik“, legt Sado gleich von Beginn an seinen programmatischen Ansatz dar. Über das typisch Wienerische will er mehr erfahren: „Ich kenne mich ein bisschen aus mit dem, was typisch französisch und italienisch ist, aber der Wiener Klang ist wirklich etwas Besonderes“, so Sado, „denn es ist nicht schwierig, ihn zu erkennen, weil einige der üblicherweise eingesetzten Instrumente eine spezielle Bauweise haben und daher anders klingen, er hängt aber auch mit bestimmten Traditionen der Phrasierungen zusammen oder damit, wie die mittleren Stimmen eingesetzt werden. Ich möchte mich näher mit dieser Tradition auseinandersetzen.“
Auf den Bühnen der Welt
Aber nicht nur die Pflege der Wiener Klassik wird vom neuen Chefdirigenten als Ziel für die vorerst nächsten drei Jahre ausgegeben. Sado will das Tonkünstler-Orchester auch auf den internationalen Konzertbühnen etablieren. Und diese kennt er von den letzten Jahren, wo er als musikalischer Kosmopolit durch die Länder zog, genauso wie die zahlreichen bekannten Orchester, die er im Laufe seiner Karriere dirigierte.
Er arbeitete mit den Berliner Philharmonikern, dem Deutschen Symphonieorchester Berlin, dem Konzerthausorchester und dem Bayerischen Staatsorchester zusammen. Ebenfalls auf seiner umfangreichen Liste stehen u. a. die Rundfunksinfonieorchester von BR, NDR, SWR und WDR, das Gewandhausorchester Leipzig, die Sächsische Staatskapelle Dresden, das London Symphony Orchestra, das Orchestre de Paris, das Mahler Chamber Orchestra oder das Danish National Radio Symphony Orchestra.
Über die Jahre hat Sado seine spezielle Arbeitsweise entwickelt. „Ich gebe dem Orchester einige Ideen vor, dann versuchen wir, sie gemeinsam umzusetzen“, so Sado, „der Dirigent muss dabei den Überblick haben, er muss auch viele Musiker an einem Ort zusammenbringen.“ Für Sado ist dieses Zusammenspiel ein unheimlich kreativer Prozess, bei dem das Wichtigste ist, dass es zu einem bestimmten Termin nur dieses eine Konzert gibt. „Auf Japanisch sagt man: Ichigo ichie, das bedeutet, wir haben nur einen Versuch.“ Dabei verwendet er bei der Probearbeit auch Bilder und Geschichten. „Bilder können helfen, die richtige Muskelspannung zu programmieren, was wirklich wichtig ist für Musiker.“ Zudem versucht er auch technische Einstellungen zu kreieren. „Andererseits erkläre ich auch, warum ich beispielsweise will, dass die Streicher ihre Bögen auf eine bestimmte Art führen, oder warum ich möchte, dass die Holzbläser weniger laut einsetzen, um eine längere Phrase zu entwickeln.“
Aber nicht nur die Pflege der Wiener Klassik wird vom neuen Chefdirigenten als Ziel für die vorerst nächsten drei Jahre ausgegeben. Sado will das Tonkünstler-Orchester auch auf den internationalen Konzertbühnen etablieren. Und diese kennt er von den letzten Jahren, wo er als musikalischer Kosmopolit durch die Länder zog, genauso wie die zahlreichen bekannten Orchester, die er im Laufe seiner Karriere dirigierte.
Er arbeitete mit den Berliner Philharmonikern, dem Deutschen Symphonieorchester Berlin, dem Konzerthausorchester und dem Bayerischen Staatsorchester zusammen. Ebenfalls auf seiner umfangreichen Liste stehen u. a. die Rundfunksinfonieorchester von BR, NDR, SWR und WDR, das Gewandhausorchester Leipzig, die Sächsische Staatskapelle Dresden, das London Symphony Orchestra, das Orchestre de Paris, das Mahler Chamber Orchestra oder das Danish National Radio Symphony Orchestra.
Über die Jahre hat Sado seine spezielle Arbeitsweise entwickelt. „Ich gebe dem Orchester einige Ideen vor, dann versuchen wir, sie gemeinsam umzusetzen“, so Sado, „der Dirigent muss dabei den Überblick haben, er muss auch viele Musiker an einem Ort zusammenbringen.“ Für Sado ist dieses Zusammenspiel ein unheimlich kreativer Prozess, bei dem das Wichtigste ist, dass es zu einem bestimmten Termin nur dieses eine Konzert gibt. „Auf Japanisch sagt man: Ichigo ichie, das bedeutet, wir haben nur einen Versuch.“ Dabei verwendet er bei der Probearbeit auch Bilder und Geschichten. „Bilder können helfen, die richtige Muskelspannung zu programmieren, was wirklich wichtig ist für Musiker.“ Zudem versucht er auch technische Einstellungen zu kreieren. „Andererseits erkläre ich auch, warum ich beispielsweise will, dass die Streicher ihre Bögen auf eine bestimmte Art führen, oder warum ich möchte, dass die Holzbläser weniger laut einsetzen, um eine längere Phrase zu entwickeln.“
Mal Engel, mal Teufel
Zuhören ist für ihn entscheidend. Dass die Orchestermusiker auf ihn hören, aber auch aufeinander. „Ich sage immer und immer wieder: zuhören, zuhören, zuhören.“ Sado gibt dem Orchester auch sehr viel Freiheit, die Musik im Moment mitzugestalten. „Am liebsten wäre es mir, wenn sie mich überhaupt nicht bräuchten“, gibt sich der japanische Dirigent mit einem Anflug an Understatement demütig, „aber natürlich gibt es bei der Probenarbeit schwierige Momente, wenn ich ihnen sagen muss: Das war nicht gut, das hat nicht zusammengeklungen. Als Dirigent leite ich das Musizieren, muss ich den Musikern die Richtung weisen: Ich bin manchmal ein Engel, manchmal ein Teufel.“
Oder auch ein Zauberer, denn diesen Eindruck gewann der in Kyoto geborene Musiker als junger Mensch bei seinen ersten Konzerten, bei denen er von seinen Eltern mitgenommen wurde, vom Orchesterleiter: „Für mich war der Dirigent mit seinem Taktstock wie Harry Potter. Aus der Stille mit einem Nicken die Musik beginnen zu lassen, war wie Zauberei.“ Schon als Volksschüler hörte Yutaka Sado Schallplatten von Gustav Mahler und Richard Strauss. Erst in der Mittelschule befasste er sich „mit zeitgenössischer japanischer Musik.“
Schon früh wurde er von seiner Mutter angehalten, auf dem Klavier zu üben. „Sie war sehr streng … Wenn sie zuhörte, spielte ich Beethoven, wenn sie nicht zu Hause war, Songs von Deep Purple“, so Sado, der aber damals viel lieber zum Basketball spielen gegangen wäre.
1988 wurde er Assistent von Leonard Bernstein, 1993 Chefdirigent des Orchestre des Concerts Lamoureux in Paris. Er gewann einige der weltweit wichtigsten Preise wie den Premier Grand Prix des 39. Internationalen Dirigierwettbewerbs Besançon und den Grand Prix du Concours International L. Bernstein Jerusalem.
Zuhören ist für ihn entscheidend. Dass die Orchestermusiker auf ihn hören, aber auch aufeinander. „Ich sage immer und immer wieder: zuhören, zuhören, zuhören.“ Sado gibt dem Orchester auch sehr viel Freiheit, die Musik im Moment mitzugestalten. „Am liebsten wäre es mir, wenn sie mich überhaupt nicht bräuchten“, gibt sich der japanische Dirigent mit einem Anflug an Understatement demütig, „aber natürlich gibt es bei der Probenarbeit schwierige Momente, wenn ich ihnen sagen muss: Das war nicht gut, das hat nicht zusammengeklungen. Als Dirigent leite ich das Musizieren, muss ich den Musikern die Richtung weisen: Ich bin manchmal ein Engel, manchmal ein Teufel.“
Oder auch ein Zauberer, denn diesen Eindruck gewann der in Kyoto geborene Musiker als junger Mensch bei seinen ersten Konzerten, bei denen er von seinen Eltern mitgenommen wurde, vom Orchesterleiter: „Für mich war der Dirigent mit seinem Taktstock wie Harry Potter. Aus der Stille mit einem Nicken die Musik beginnen zu lassen, war wie Zauberei.“ Schon als Volksschüler hörte Yutaka Sado Schallplatten von Gustav Mahler und Richard Strauss. Erst in der Mittelschule befasste er sich „mit zeitgenössischer japanischer Musik.“
Schon früh wurde er von seiner Mutter angehalten, auf dem Klavier zu üben. „Sie war sehr streng … Wenn sie zuhörte, spielte ich Beethoven, wenn sie nicht zu Hause war, Songs von Deep Purple“, so Sado, der aber damals viel lieber zum Basketball spielen gegangen wäre.
1988 wurde er Assistent von Leonard Bernstein, 1993 Chefdirigent des Orchestre des Concerts Lamoureux in Paris. Er gewann einige der weltweit wichtigsten Preise wie den Premier Grand Prix des 39. Internationalen Dirigierwettbewerbs Besançon und den Grand Prix du Concours International L. Bernstein Jerusalem.
In Japan ein Star
In seiner Heimat Japan ist Sado bereits eine Berühmtheit. Jeden Sonntag ist er mit einer halbstündigen Fernsehsendung in Sachen klassischer Musik am Programm. Dort dirigiert, moderiert und erzählt er über verschiedene Musikstücke. Dabei hat er schon allein 1.500 Leute als Publikum im Saal. Seit nunmehr 16 Jahren dirigiert er jährlich Beethovens „Neunte“ in einer Sportarena in Osaka – die Besonderheit daran: Der Chor besteht aus 10.000 Sängerinnen und Sängern. Allein 35.000 Menschen melden sich jedes Jahr an, die Sänger werden dann per ausgewählt. „Beim letzten Konzert war ein siebenjähriges Mädchen als Jüngste und ein 95-jähriger Mann als Ältester im Chor“, zeigt sich Sado ob dieser Begeisterung stolz, „ich hab Beethovens Neunte schon 200 mal dirigiert, das ist eine göttliche Musik.“ Der Geschäftsführer des Tonkünstler-Orchesters Frank Druschel war einmal dabei: „Dann kommt der vierte Satz und 10.000 Leute stehen auf und fangen zu singen an, ein berührender Moment.“ Vorher probt Yutaka Sado bei zehn Proben mit je 1.000 Sängern. In Grafenegg ist geplant, mit 400 Sängern Beethovens Neunte ebenfalls aufzuführen.
Für den neuen Chefdirigenten der Tonkünstler geht es vorwiegend um die Verbindung zwischen Musik und Menschlichkeit. Dieser Einstellung liegt auch die Idee des Hyogo Performing Arts Centre (PAC), dessen künstlerischer Direktor und Chefdirigent er seit 2005 ist, zu Grunde. Nach dem katastrophalen Erdbeben 1995 von Kobe regte er an, inmitten der völlig zerstörten Innenstadt von Hyogo dieses Menschen verbindende Kulturzentrum zu bauen. Der dort gebaute Konzertsaal hat sich mit inzwischen mehr als 70.000 Zuschauern jährlich zu einem der bedeutendsten Konzertorte Japans entwickelt.
Mit dem Tonkünstler Orchester übernimmt er nun „ein offenes, junges, freundliches und begeisterungsfähiges Orchester“, wie Frank Druschel bei der Präsentation des neuen Programmes ausführte, „mit ihm wird es eine wunderbare Zusammenarbeit geben, wir blicken in eine tolle Zukunft.“ Bei einem Altersschnitt von 40,3 Jahren zeigen sich die Tonkünstler vergleichsweise sehr jung, mit 37 Frauen unter 101 Musikern ist man auch auf dem Weg zur Parität.
Den Beginn macht Yutaka Sado Anfang Oktober mit Poesie und Raffinement der Wiener Klassik, u. a. mit Joseph Haydns Symphonie D-Dur „Le Matin“ – der Morgen. „Haydn bringt Freude und Lebenslust“, plaudert Sado über den Urvater der Symphonie. Mit Haydn, Mozart, Beethoven, Bruckner will er das Orchester auf seiner Basislinie, wie er sagt, bewegen, danach möchte er dem Publikum französische Musik präsentieren.
Nächstes Jahr steht auch eine dreiwöchige Konzerttournee mit den Tonkünstlern in Japan am Programm. Daneben wird Sado an die 20 Konzerte mit „seinem“ neuen Orchester spielen. „Mit Leuten aus verschiedensten Ländern Freude zu teilen, das ist das Wichtigste!“
„Omotenashi“ heißt im japanischen pure Gastfreundschaft, dieses „omotenashi“ hat sich der neue charismatische Orchesterleiter verdient.
INFO
Am 5. Oktober 2015 dirigiert Yutaka Sado das Tonkünstler-Orchesters Niederösterreich im Festspielhaus St. Pölten: Joseph Haydn: Symphonie D-Dur Hob. I:6 “Le Matin“; Wolfgang Amadeus Mozart: Konzert für Klavier und Orchester, G-Dur KV 453; Johannes Brahms: Symphonie Nr. 4 e-Moll op. 98
www.tonkuenstler.at
www.festspielhaus.at
In seiner Heimat Japan ist Sado bereits eine Berühmtheit. Jeden Sonntag ist er mit einer halbstündigen Fernsehsendung in Sachen klassischer Musik am Programm. Dort dirigiert, moderiert und erzählt er über verschiedene Musikstücke. Dabei hat er schon allein 1.500 Leute als Publikum im Saal. Seit nunmehr 16 Jahren dirigiert er jährlich Beethovens „Neunte“ in einer Sportarena in Osaka – die Besonderheit daran: Der Chor besteht aus 10.000 Sängerinnen und Sängern. Allein 35.000 Menschen melden sich jedes Jahr an, die Sänger werden dann per ausgewählt. „Beim letzten Konzert war ein siebenjähriges Mädchen als Jüngste und ein 95-jähriger Mann als Ältester im Chor“, zeigt sich Sado ob dieser Begeisterung stolz, „ich hab Beethovens Neunte schon 200 mal dirigiert, das ist eine göttliche Musik.“ Der Geschäftsführer des Tonkünstler-Orchesters Frank Druschel war einmal dabei: „Dann kommt der vierte Satz und 10.000 Leute stehen auf und fangen zu singen an, ein berührender Moment.“ Vorher probt Yutaka Sado bei zehn Proben mit je 1.000 Sängern. In Grafenegg ist geplant, mit 400 Sängern Beethovens Neunte ebenfalls aufzuführen.
Für den neuen Chefdirigenten der Tonkünstler geht es vorwiegend um die Verbindung zwischen Musik und Menschlichkeit. Dieser Einstellung liegt auch die Idee des Hyogo Performing Arts Centre (PAC), dessen künstlerischer Direktor und Chefdirigent er seit 2005 ist, zu Grunde. Nach dem katastrophalen Erdbeben 1995 von Kobe regte er an, inmitten der völlig zerstörten Innenstadt von Hyogo dieses Menschen verbindende Kulturzentrum zu bauen. Der dort gebaute Konzertsaal hat sich mit inzwischen mehr als 70.000 Zuschauern jährlich zu einem der bedeutendsten Konzertorte Japans entwickelt.
Mit dem Tonkünstler Orchester übernimmt er nun „ein offenes, junges, freundliches und begeisterungsfähiges Orchester“, wie Frank Druschel bei der Präsentation des neuen Programmes ausführte, „mit ihm wird es eine wunderbare Zusammenarbeit geben, wir blicken in eine tolle Zukunft.“ Bei einem Altersschnitt von 40,3 Jahren zeigen sich die Tonkünstler vergleichsweise sehr jung, mit 37 Frauen unter 101 Musikern ist man auch auf dem Weg zur Parität.
Den Beginn macht Yutaka Sado Anfang Oktober mit Poesie und Raffinement der Wiener Klassik, u. a. mit Joseph Haydns Symphonie D-Dur „Le Matin“ – der Morgen. „Haydn bringt Freude und Lebenslust“, plaudert Sado über den Urvater der Symphonie. Mit Haydn, Mozart, Beethoven, Bruckner will er das Orchester auf seiner Basislinie, wie er sagt, bewegen, danach möchte er dem Publikum französische Musik präsentieren.
Nächstes Jahr steht auch eine dreiwöchige Konzerttournee mit den Tonkünstlern in Japan am Programm. Daneben wird Sado an die 20 Konzerte mit „seinem“ neuen Orchester spielen. „Mit Leuten aus verschiedensten Ländern Freude zu teilen, das ist das Wichtigste!“
„Omotenashi“ heißt im japanischen pure Gastfreundschaft, dieses „omotenashi“ hat sich der neue charismatische Orchesterleiter verdient.
INFO
Am 5. Oktober 2015 dirigiert Yutaka Sado das Tonkünstler-Orchesters Niederösterreich im Festspielhaus St. Pölten: Joseph Haydn: Symphonie D-Dur Hob. I:6 “Le Matin“; Wolfgang Amadeus Mozart: Konzert für Klavier und Orchester, G-Dur KV 453; Johannes Brahms: Symphonie Nr. 4 e-Moll op. 98
www.tonkuenstler.at
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