MFG - Auf zum letzten Gefecht
Auf zum letzten Gefecht


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Auf zum letzten Gefecht

Text Althea Müller
Ausgabe 09/2005

Grell, obszön, geschminkt, fleischig, blutig, derb, erotisch, nackt, laut – und dabei immer in wechselnder Besetzung, die sich jedoch stets um einen Mittelpunkt dreht: DRAHDIWABERL.

Die Wiener „Anarcho-Rock-Truppe“ rund um Professor Stefan Weber, treibt im ur-wahrsten Sinne des Wortes seit 1969 ihr Unwesen auf den heimischen Bühnen. Stars wie Falco oder Jazz Gitti verdienten sich in ihrem kreiselnden Schoß ihre ersten Sporen. Worte wie „Skandal“, „Eklat“ und „Hausverbot“ prägen den Lebenslauf der schrillen Rockinstitution, die nicht nur mit toten Tieren auf Politiker zielt, sondern auch mit meist körpereigenen Dingen und Säften auf die Besucher (die sich wiederum schnell zu einer die-hard-Fangemeinde ohnegleichen formieren). Anfang der 90er findet sich die Gruppe gar live in New York wieder, was wiederum als einer der Gründe gehandelt wird, warum das zwei Jahre später geplante London-Konzert dann doch noch in letzter Sekunde abgesagt wird ... 2003 steht Weber wegen Bühnen-Mitnahme von mit Platzpatronen geladenen Waffen vor Gericht und darf sich über seinen Freispruch freuen. 2004 erscheint das Aufreger-Album „Sitzpinkler“. Und 2005 geht als Jahr der Ehrungen in die DRAHDIWABERL-History ein – doch gelaufen ist das Jahr damit noch lange nicht. Wem jetzt schon schwindlig ist, der darf sich darum gerne daheim vor den ORF setzen, im Schrebergarten Zwerge züchten oder sich einfach nur betont schockiert abwenden. Allen anderen empfehlen wir das DRAHDIWABERL-Konzert am 15.10. im VAZ St. Pölten, wo ein Best Of der Lieder über Rebellen, Päpste und Präsidenten sowie der wiederholte Versuch einer Weltrevolution Kern einer wie immer mehr als „aufsehenerregenden“ Show sein werden! Fliegende Fetzen erlaubt. Aber Achtung: !! Jugendverbot !! Du bist ja heuer beim Amadeus für dein Lebenswerk geehrt worden und hast außerdem das Silberne Ehrenzeichen der Stadt Wien verliehen bekommen. Ganz ehrlich: freust du dich über solche Sachen wenigstens ein bisschen? Mir ist der Amadeus ja so was von egal. Den Preis stifte ich vielleicht mal bei einer passenden Aktion. Wir haben uns eigentlich nur komplett geärgert, weil wir dachten, dass bei der Verleihung keine Aktion möglich wäre, dementsprechend haben wir auch nichts mitgehabt und nichts vorbereitet – dabei wäre ALLES möglich gewesen! Wir hätten den Typen von oben bis unten ansoachen können, wenn wir wollen hätten! Und was diese andere Auszeichnung angeht – die ist mir eigentlich auch wurscht. Eventuell kann man das Ehrenzeichen mal für irgendwas benutzen bei einer Opernballdemo oder so. (Anm.: ganz so unvorbereitet und ohne jegliche Provokation hat Weber die Amadeus-Verleihung ja dann doch nicht über sich ergehen lassen: zwar war das Erbrechen nur vorgetäuscht und es wurden statt anderer Exkremente nur ein paar Schampustropferln auf die ersten Reihen losgelassen – aber immerhin!) Wie zufrieden bist du mit dem Absatz deiner aktuellen CD „Sitzpinkler“ – wie läuft der Verkauf bis jetzt? Fürchterlich! Es sind circa 1.500 Stückln weg. Das ist (vorsichtig) ... ? Wenig! Sehr wenig! Läuft ja aber gerade weltweit so schlecht mit den CDs. Alle laden nur noch alles runter. In Zukunft soll’s ja angeblich gar keine CDs mehr geben ... nur noch in dem Kastl drin ... Wär natürlich auch traurig für mich als Grafiker – kein Mensch braucht dann mehr Covers. (Seufzt.) Einmal ist ein Bursch hergekommen, der sein Cover signiert haben wollte. Da ist rausgekommen, dass die CD gebrannt war – einer hat’s ‘kauft und dann selbst gebrannt und weiterverkauft ... So rennt das heut. Ich habe jetzt auch keinerlei Pläne für eine neue CD in nächster Zeit. Am 15.10. trittst du live im VAZ auf. Wie oft warst du mit DRAHDIWABERL denn schon in St. Pölten? Eh schön öfters, viermal oder so. Heimspiel nenne ich das: das Publikum geht in St. Pölten genauso mit wie in Wien, und das aber nicht vielleicht deshalb, weil lauter Wiener nach St. Pölten kommen würden oder so – wobei natürlich schon immer genug auch aus Wien kommen. Ich wohne ja selbst noch nicht so lang da, aber St. Pölten wird ja immer wieder durch den Kakao gezogen: Möchtegern-Hauptstadt, Glanzstoff- und Schülerstadt ... Was hast du für eine Meinung zu unserer kleinen Stadt? Also, ich habe St. Pölten schon vor der Hauptstadtzeit kennengelernt – es war die erste niederösterreichische Stadt, die eine schöne Fußgängerzone gebaut hat etc., und auch dieser große jährliche Faschingsumzug ist mir gut in Erinnerung geblieben, da wurde schön deftig gefeiert. Ich kann also nichts Schlechtes sagen, ich weiß nur, dass wir, wenn wir hier live auftreten, nicht nur deshalb kommen, um Bier von der Bühne zu schütten, sondern weil das Publikum ordentlich mitgeht bei uns! Dein Auftritt steht ja unter dem Motto „Das letzte Gefecht“. Heißt das, dass ihr zum letzten Mal auftretet? Nein, so alt bin ich dann doch noch nicht. Das ist eine Textzeile aus dem Marschlied der Internationalen.  Und was erwartet uns beim letzten Gefecht? Die genauen Mitstreiter stehen noch nicht fest – es wird aber wie immer jede Menge Special Guests geben. Songmäßig werden wir übrigens auch ein paar Lieder des Soundtracks zu meinem Film (s. u.) präsentieren. Wir wollen prinzipiell die Weltrevolution in Gang bringen – dass das illusionär ist, wissen wir. Aber man kann ja wenigstens träumen. Was tust du eigentlich, wenn du nicht auf der Bühne stehst oder im Studio bist? Ich kann mir nicht vorstellen, dass du um 20:15 mit einem Bier vorm Fernseher sitzt?! (Lacht.) Naa, sicher net! Ich bin in Frühpension und habe jetzt zwei Monate lang an einem Dokumentarfilm geschrieben, ein Projekt, das hoffentlich einmal verwirklicht werden kann; da gibt es auch einen Soundtrack dazu. Weiters mache ich alle grafischen Dinge wie Plakate (z.B. letztes Jahr für die Arena), CD-Covers etc. selbst – deshalb kann man übrigens vielleicht manchmal etwas schlecht lesen: ich mache ja vieles noch händisch. Auf jeden Fall wird mir nicht fad! Somit dreht sich aber doch alles immer um DRAHDIWABERL bei dir? Naja. Um Musik schon. Aber DRAHDIWABERL, das ist halt mein Hobby. Leben kann man davon nicht. Bitte? Ich persönlich dachte, wenn du das seit so langer Zeit machst, CDs verkaufst, Ehrungen kriegst – dass du da sehr wohl davon leben könntest? Ich bin einmal im Bus gesessen, da haben sich Zwei gestritten, ob ich jetzt der Stefan Weber wäre oder nicht, und der eine meinte: ‚Heast, glaubst du wirklich, der tarad mitm Bus foahrn? Des is a Star, der foahrt im Mercedes mit Chaffeur!‘ Hast du die zwei Streithähne aufgeklärt? Naa, mir war des echt z’deppad damals ... Aber dass berühmte Leute in Limousinen durch die Gegend kutschiert werden, das ist vielleicht in Los Angeles so, nur sicher nicht bei uns. Und ich kann, wie gesagt, von DRAHDIWABERL allein auf keinen Fall leben! Die berühmte Frage zum Schluss: wirst du bis zum Ende weiterrocken und –provozieren? Bis zu meinem Lebensende? Äh. Yepp! Nein. Ich will mich nicht lächerlich machen. Natürlich wird der Gig in St. Pölten jetzt nicht der letzte sein, da wird schon noch was kommen. Aber mit Sechzig im Rockg’schäft? Na gut, Keith Richards und Mick Jagger schaffen es auch heut noch, nicht lächerlich zu wirken auf einer Bühne. Aber besser ausg’schaut als heut hams früher trotzdem. Fazit: Schau‘ ma mal. Genau.