MFG - The long way home to Europe
The long way home to Europe


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

The long way home to Europe

Text Johannes Reichl
Ausgabe 09/2019

„Wir haben bisher sicher um die 250 Gespräche geführt“, schätzt Michael Duscher, Geschäftsführer der NÖ Kulturlandeshauptstadt St. Pölten GmbH. „Mindestens“, nickt Projektleiter Jakob Redl zustimmend, und damit machen die beiden Masterminds schon eines klar: Der Bewerbungsprozess zur Europäischen Kulturhauptstadt ist in seiner ersten Phase vor allem auch eine kommunikative Herkulesaufgabe.

Eine, die am 11. November in der Präsentation des Bidbook 2 gipfeln wird. Dann werden die beiden – 2 Minuten 2 Millionen lässt grüßen – in ihrem 45 minütigem Pitch der Jury klar zu machen versuchen, warum gerade St. Pölten Europäische Kulturhauptstadt 2024 werden soll und nicht eine der beiden Mitbewerber-Städte Bad Ischl bzw. Dornbirn. Tags darauf gibt die Jury ihre Entscheidung bekannt. Grund genug, mit dem dynamischen Duo anlässlich des Endspurts die letzten zwei Jahre Revue passieren zu lassen.
Treffpunkt ist das KHS-Hauptquartier im Rathaus, wo es im neu renovierten Teil des „Schubert“-Hauses situiert ist. Der Franzl blickt sodenn auch heiter von seinem Medaillon auf uns herab, als wir durchs Portal treten und uns an den „Kulturhauptstadt 2024“-Straßenschildern (!) weiterorientieren. Im übertragenen Sinne sollen diese am Ende des Tages natürlich nach St. Pölten führen, die Europäische Kulturhauptstadt 2024, die diesen Titel dann übrigens mit dem bereits fixierten estnischen Tartu sowie einer nicht EU-Stadt teilen wird – also gleich drei europäische Kulturhauptstädte … auch das ist Europa! Ganz konkret landen wir fürs Erste aber im ersten Stock, wo die KHS-Büros gleich neben dem Fraktionszimmer der FPÖ situiert sind. Das mag manchen zu Ironie hinreißen, man kann es aber auch positiv-symbolisch deuten, dass nämlich alle Parteien, egal welcher Couleur, St. Pöltens Bewerbung voll und ganz unterstützen – und das ist beileibe keine Selbstverständlichkeit!
Alte Reflexe?
Wir setzen uns am Besprechungstisch in Duschers Büro zusammen, wo alles fein säuberlich gehalten ist: heller Boden, heller Tisch, weiße Wände. Man sieht, dass die Büros neu sind und vermeint fast noch den Geruch frischer Farbe in der Nase wahrzunehmen. Hier herrscht strukturierte Nüchternheit. Nur ein Rad „bricht“ den Eindruck. Als es unser Fotograf beiseite stellen möchte, „weil es auf den Fotos stören könnte“, hält ihn Duscher zurück: „Nein, das lass ruhig stehen, ist ja authentisch. Und Transparenz war uns immer ein Anliegen!“
Deshalb hat man auch im Dauermodus nicht nur diverse öffentliche Foren, Arbeitskreise und Info-Veranstaltungen abgehalten, sondern deren Ergebnisse vielfach publiziert, auch das Bidbook 1, also jene Einreichunterlage, die man beim ersten Pitch im Jänner der Jury mit auf den Weg gab. Bevor wir quasi auf dessen verfeinerte, konkretisierte Version Bidbook 2 zu sprechen kommen, die es im November zu präsentieren gilt, interessiert mich, warum man gleich im ersten Satz mit dem Einschub „St. Pölten – eine Stadt, die hierzulande bisweilen synonym für Provinzialität und Mittelmaß steht“ aufmachte. War das nicht kontraproduktiv, quasi den alten eingelernten Reflex der St. Pöltner 40+ einzuführen, anstatt selbstbewusst zu sagen, warum eben gerade St. Pölten als Kulturhauptstadt prädestiniert ist? Duscher erklärt „dass die Bewerbung ja vorsieht, dass man sozusagen die Dringlichkeit erläutern muss, warum man überhaupt antritt. Nur zu sagen, wir wollen das gerne, ist zu wenig.“ Außerdem, fügt Redl hinzu, würden in der Jury auch drei Österreicher sitzen „und die wissen schon, wie St. Pölten in Vergangenheit wahrgenommen wurde, denen braucht man nichts vorzumachen.“ Worum es aber vor allem ging und was auch von der Jury eingefordert wurde, war die Beantwortung der Frage, was die Kulturhauptstadt mit bzw. aus der Stadt machen soll. „Also was will St. Pölten werden?“ Und damit ist man schnell beim substanziellen Kern angelangt, nämlich der Frage nach der Identität, die unweigerlich auch mit dem Selbstbild zusammenhängt: „Hat St. Pölten überhaupt eine Identität? Und wenn ja, wie sieht diese aus? Ist diese schon abgeschlossen?“ Im Zuge des Prozesses kristallisierte sich für das Team zusehends der Eindruck einer „unfertigen Stadt heraus“ wie Duscher ausführt, „und dieser Ansatz ist zu so etwas wie unserer ureigensten Philosophie geworden.“ Keine negative übrigens, wie man in einem ersten Reflex vielleicht mutmaßen könnte, sondern eine zukunftsträchtige, „denn es heißt im Umkehrschluss, dass in Städten wie St. Pölten eben noch vieles möglich und offen ist“, ergänzt Redl. Und dies wiederum ist ein Befund, den die niederösterreichische Kapitale mit vielen anderen Mittelstädten verbindet. „So betrachtet gibt es viele St. Pöltens in Europa!“ Eben diese Erkenntnis mündete letztlich im Fluchtpunkt der gesamten Bewerbung, „der Erzählung“, wie es Duscher formuliert, was dieses St. Pölten im Zuge dieses „Kulturentwicklungsprojektes Kulturhauptstadt“ werden soll bzw. werden könnte: „Ein Rolemodel für eine europäische Mittelstadt! Immerhin leben über 50% der Bewohner Europas in Mittelstädten, die oftmals im Schatten großer Metropolen – mit allen damit zusammenhängenden Vor- und Nachteilen – liegen, wobei wir vor allem die Vorteile sehen: Kürzere Wege, mehr Diversität auf kleinerem Raum, die Möglichkeit, schneller etwas umzusetzen. Als Kulturhauptstadt möchten wir in den nächsten vier Jahren best practice-Modelle in anderen europäischen Städten studieren, ebenso aber versuchen, ebensolche bis 2024 zu entwickeln und dann zu präsentieren. Das Programm muss daher so aufgestellt sein, dass die Besucher aus Europa hier in St. Pölten mit etwas konfrontiert werden, das auch mit ihnen selbst zu tun hat, das sie selbst betrifft.“
 
Europa?
Gerade diese europäische Dimension hat man aber lange Zeit in den diversen Gesprächsformaten irgendwie vermisst. Man schien vor allem im eigenen St. Pöltner Saft zu schwimmen. Redl räumt ein, „dass Bidbook 1 vielleicht so wirken mochte, weil es in einem ersten Schritt eben galt, den Ist-Zustand der Stadt zu analysieren, wo stehen wir überhaupt.“ Erst in einem zweiten konnte man dann darauf fußend ausloten, wohin die Europäische Reise überhaupt gehen kann, auch mit welchen ganz konkreten Projekten. Europa habe man aber immer mitgedacht, es aber – und dies hat durchaus seine Logik – zunächst nicht außen „sondern im Inneren verortet. Wir stellten die Frage nach ‚Europa daheim‘. Wo ist Europa also in St. Pölten schon präsent? Und da gibt es viel: die lange Geschichte der Stadt, die bis ins Römische Reich zurückführt; die verschiedenen internationalen Res­taurants; die Unis, wo Studenten aus allen Teilen Europas studieren; nicht zuletzt Menschen aus 110 Nationen, die in der Stadt leben – bisweilen als marginalisierte Gruppen.“
Jetzt, im zweiten Schritt, gehe es darum, das Gemeinsame herauszudestillieren, „welchen Themen sich die europäischen Mittelstädte also stellen müssen, und die sind vielerrorts ja ähnlich: Verkehr, Mobilität, Wohnen, Bildung, Integration, Umweltschutz – all das sind europäische Fragen, die wir 2024 auch europäisch diskutieren und behandeln möchten.“
Aus diesem Grund wird, gerade im Hinblick auf die programmatische Umsetzung, der so wichtige „St. Pöltner Saft“ mit Expertise von außen gewürzt werden müssen – was auch schon passiert. So sitzt etwa im Team zur künstlerischen Projektentwicklung nicht nur local hero Andi Fränzl, sondern auch der künstlerische Leiter des donaufestival Krems, Thomas Edlinger, die Leiterin für Kunst und Kultur beim Europäischen Forum Alp­bach, Elisabeth Schack, sowie „Romana Maliti, die etwa schon für die Europäische Kulturhauptstadt Kosice 2013 Programm- und Kunstprojekte koordinierte und eine wichtige Brücke zu Zentral- und Osteuropa darstellt“, so Redl.
Von Domplatz bis KiKuLa
Stellt sich natürlich die Frage, welche konkreten Projekte nun überhaupt im Bidbook 2 vorgeschlagen werden? Da winken die beiden Kulturmanager entschuldigend ab. „Das können wir leider noch nicht verraten, wir werden das Bidbook 2 aber nach der Präsentation wieder online stellen.“ Verständlich, ein Trainer lässt sich in Sachen Aufstellung und Taktik auch nicht in die Karten blicken, um seinem Gegner einen etwaigen Vorteil zu verschaffen. Einiges liegt aber ohnedies schon am Tisch und war auch schon lange vor der Kulturhauptstadtbewerbung Teil des öffentlichen Diskurses, wie etwa die Domplatz-Neugestaltung. Die Bewerbung verschaffte dem Projekt nur eine kleine Verzögerungs- und Atempause, vor allem aber die Chance, dank nunmehr höherer Dotierung einer wirklich hochwertigen Lösung zugeführt zu werden. Die Bedeutung des Platzes liegt für Duscher auf der Hand „Das ist die Keimzelle des historischen St. Pölten! Der Platz hat einen 1.000-jährigen Friedhof, die Römerfunde, die Vergangenheit der Kirchen – das soll alles in die Programmierung und Gestaltung Eingang finden.“ Das heißt zugleich, dass der Domplatz im Kulturhauptstadtjahr zum Spielort wird, was wiederum die klare Forderung nach sich zieht „dass er im Jahr 2024 autofrei sein soll, ganz klar!“, so Duscher. Auf das politisch dünne Eis einer generellen Nutzungsempfehlung lässt sich der Kulturmanager erst gar nicht ein. „Was darüber hinaus passiert, welche Formate funktionieren und daher möglicherweise bleiben sollen, wird man dann bewerten müssen.“
Ein weiteres, gerne als „Leuchtturmprojekt“ tituliertes Vorhaben ist ebenso auf Schiene: das sogenannte KiKuLa, das KinderKunstLabor. Wie ist man eigentlich gerade auf dieses gekommen – ein Ausfluss der öffentlichen Foren an sich scheint es ja nicht gewesen zu sein? „Es gab in St. Pölten schon zuvor verschiedene Überlegungen einer innovativen Einrichtung, etwa die Schaffung eines Hauses der Zukunft. Wir haben dann intensiv diskutiert und analysiert, was repräsentativ sein könnte, und als großes Thema schälte sich die Erkenntnis heraus, dass es eigentlich für Kinder nichts Dezidiertes gibt“, erklärt Redl. Zwar gäbe es diverse Vermittlungsschienen in den verschiedenen Kulturinstitutionen, „diese sind aber jeweils in einen Gesamtbetrieb eingebettet, ebenso wie Ausstellungen, die zumeist für Erwachsene konzipiert sind und dann halt kindgerecht aufbereitet werden.“ Aber eine eigene Institution nur für Kinder und Kunst, ein Kompetenzzentrum, wo etwa auch die Ausbildung für Vermittlungstätigkeit angesiedelt ist, „existiert in dieser Art in ganz Europa nicht. Wir wollen hier ganz bewusst einen Ort der Begegnung und des europäischen Austausches schaffen, wo der Ausgangspunkt nicht die Welt der Erwachsenen ist, sondern der Blickwinkel der Kinder maßgeblich im Vordergrund steht!“, präzisiert Duscher.
Wurde die Idee an sich wohlwollend aufgenommen, so sorgte die Standortfrage – spätestens als der Altoona-Park als potenzieller durchsickerte – für heftige Diskussionen. Die Gegner des Standortes befürchten eine komplette Verbauung des Grünareals sowie die Vernichtung innenstadtnahen Grünraums. „Dabei ist die Standortwahl“, wie Duscher betont, „noch gar nicht endgültig abgeschlossen.“ Sehr wohl aber die Parameter des Ideal­standortes für eine derartige Einrichtung, die sozusagen die Grundideen der Bewerbung auch per se atmen soll. „Das KiKuLa soll auf der Achse Stadt-Regierungsviertel liegen und so eine Brücke bilden; es soll innenstadtnah und fußläufig leicht erreichbar sein; und es soll ein sichtbares Zeichen der Kulturhauptstadt sein.“ Dass ein öffentliches Grundstück, wo man nicht lange verhandeln muss, ebenso von Vorteil ist wie Parkmöglichkeiten, versteht sich von selbst. Was das KiKuLa aber nicht soll und auch nicht wird, so tatsächlich der Altoona-Park den Zuschlag erhält, ist eine komplette Verbauung des Grünareals, wie Duscher versichert. „Mich hat die Aufregung ehrlich gesagt verwundert bzw. wurde es glaube ich auch falsch kommuniziert, denn in Wahrheit soll das KiKuLa ja sogar eine Aufwertung bringen. Das Gebäude würde quasi wie eine Lärmschutzwand zur Schule dienen, es umfasste einen Garten, und der größere Rest der Fläche würde ein attraktiver öffentlicher Park.“ Wobei Redl noch einmal einwirft: „dass der Standort noch nicht beschlossen ist.“
Plan B?
Wie auch der Zuschlag zur Europäischen Kulturhauptstadt nicht, auch wenn viele davon überzeugt sind, dass St. Pölten aufgrund der im Vergleich potenten Budgetierung, des klaren Bekenntnisses von Stadt und Land, der politischen Eintracht sowie der tiefen Verankerung und Integration der heimischen Szene, Kultur, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft sehr gute Karten hat. Trotzdem – ohne den Teufel an die Wand malen zu wollen – gibt es eigentlich so etwas wie einen Plan B?
 „Den gibt es“, versichert Duscher, „der ist sogar eine Vorgabe fürs Bidbook 2.“ Die EU besteht nämlich auf Nachhaltigkeit – eine Lehre aus Europäischen Kulturhauptstädten, die zwar im jeweiligen Jahr ordentlich, sprich teuer auf den Putz hauten, in Folge aber hochverschuldet und ohne nachhaltige Effekte in ein Loch stürzten und in der Versenkung verschwanden. In St. Pölten wird dies nicht passieren, wie Redl prophezeit, „allein wenn man bedenkt, dass aus dem bisherigen Prozess Projekte wie das KiKuLa hervorgegangen sind, die jedenfalls realisiert werden und über das Jahr 2024 hinaus als Erbe bleiben!“ Und das KiKuLa sei ja „nur eines von mehreren Projekten, die –  wenn vielleicht auch mit weniger Mitteln – umgesetzt werden“, fügt Duscher hinzu, der als Beispiele die Neugestaltung des Domplatzes, die Verbindung Altstadt-Regierungsviertel, die Aufwertung der Ehemaligen Synagoge, die Renovierung der LAMES-Gebäude im Sonnenpark oder die Attraktivierung der Promenade zu einer im wortwörtlichen Sinne nennt, „also zu einem Ort, wo man wirklich promenieren kann. Das alles sind Orte, die unmittelbare Auswirkungen auf ihre Umgebung und die dort lebenden Menschen haben, Orte, die somit identitätsstiftend wirken – und genau das braucht die Stadt, mit oder ohne Kulturhauptstadt-Titel.“
Letztlich gehe also nichts verloren, was in den letzten beiden Jahren an positivem Output erarbeitet wurde. „Nehmen wir die Kulturstrategie 2030, die Ideen zur Bespielung der Öffentlichen Plätze, das Update des Masterplanes 2020, den Arbeitskreis öffentlicher Raum und ähnliches mehr – da sitzen nicht nur überall die jeweiligen Entscheidungsträger drin, mittlerweile auch von verschiedensten Institutionen, sondern da waren auch wir überall mit an Bord. Alles greift also ineinander, und die Ergebnisse daraus bilden die Arbeitsgrundlage für die nächsten Jahrzente der Stadt auf vielen Ebenen!“
Wobei St. Pölten, wie Duscher verrät, 2024 jedenfalls zur „Kulturhauptstadt“ wird – ob nun „nur“ zur niederösterreichischen oder doch zur europäischen wird sich erst weisen, „aber es wird jedenfalls einen Kulturschwerpunkt 2024 in St. Pölten geben!“
Eine Region, die bleibt
Bis dahin wird, so steht zu hoffen, auch ein anderer grundlegender Ansatz bereits eine Vertiefung erfahren haben, der großes Zukunftspotential in sich trägt: Die noch stärkere Vernetzung des Zentralraumes. „St. Pölten bewirbt sich ja ganz bewusst unter Einbeziehung der Region“, so Duscher. Die mit den „Außenposten“ Krems, Melk, Neulengbach und Lilienfeld definiert wird, könnte man sagen. Diese Region soll noch stärker zusammenwachsen „ja es geht um die Entwicklung einer gemeinsamen Identität!“ Den mancherorts aufkeimenden Unkenrufen,  „dass St. Pölten dann ja wieder nur einen Bruchteil der Gelder lukrieren wird, während das Gros in die Regionen fließt wie ehemals bei der Landeshauptstadterhebung“ nimmt Redl von vorne herein den Wind aus den Segeln: „St. Pölten ist die Kulturhauptstadt und tritt als solche an. Es steht außer Streit, dass Geld für kulturelle Infrastruktur nur in der Kulturhauptstadt selbst investiert wird. Die Region wird aber sehr wohl in der Programmierung mit berücksichtigt werden.“ Und das ist gut so und eine der großen Stärken der Bewerbung, wie er überzeugt ist. „Es ist ja unglaublich, wie vielfältig dieser relativ kleine Raum ist – von den Voralpen bis zum Donauraum, vom Dunkelsteiner- bis zum Wienerwald, von unglaublicher Natur- bis ebensolcher Kulturvielfalt! Man besucht die Kulturhauptstadt, und dann noch die Schönheiten der Region!“ Vor allem auch aus touristischer Sicht steckt ungeheures Potenzial in diesem Ansatz. „Ich habe unlängst einen Touristiker, der schon viele Destinationen entwickelt hat, um seine Meinung diesbezüglich gebeten: Er hat ganz klar gesagt, es wäre ein schwerer Fehler gewesen, ohne die Region anzutreten“, erzählt Duscher. Dass dieser Ansatz dann auch über 2024 hinaus, ja selbst im Falle des Nichtzuschlages vorangetrieben wird, dafür dürfte übrigens er selbst Garant sein, immerhin übernimmt er mit 1. Jänner doch die Geschäftsführung der Niederösterreich Werbung. „Ich bleibe dem Projekt also eng verbunden!“, verspricht er.
Dabei – und wenn allein das durch die Bewerbung gelingt, wäre es schon ein Riesenerfolg – geht es ja vor allem auch um die nachhaltigen Wirkungen für den Zentralraum nach innen. Denn es gibt genug Baustellen, die man verbessern kann, denkt man etwa nur an das Kuriosum, dass man von St. Pölten nach Krems noch immer länger im Zug sitzt als von St. Pölten ins doppelt so weit entfernte Wien. Und dies ist nur ein banales Beispiel von vielen.
 
Was mit uns passiert
Eines steht fest. Die letzten zwei Jahre des Bewerbungsprozesses haben mit der Stadt schon etwas gemacht. Noch selten zuvor hat sich St. Pölten so intensiv mit sich selbst beschäftigt, selten – vielleicht noch gar nie – haben sich so viele verschiedene Bürger, Initiativen, Vereine, Institutionen und Entscheidungsträger gemeinsam an einem Prozess beteiligt, vor allem auch in vermischten Formaten. St. Pölten ist sozusagen näher zusammengerückt, es herrscht Aufbruchsstimmung und – das ist besonders wichtig – ein Gefühl von Solidarität, weil ja WIR antreten. „Allein die Tatsache, dass durch die Bewerbung viele Protagonisten zum ersten Mal überhaupt gemeinsam an einem Tisch gesessen sind, was sich sonst vielleicht nie ergeben hätte, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden!“, streicht Duscher als Besonderheit hervor.
Dann macht er eine längere Pause, als würde er vorm geistigen Auge noch einmal alles Revue passieren lassen, und fügt schließlich voll Überzeugung hinzu: „Nein, ganz klar, wir wollen Europäische Kulturhauptstadt werden. Darauf arbeiten wir hin, dafür haben wir und die ganze Stadt ihr Herzblut investiert.“ Fast vermeint man ein, freilich unausgesprochenes „Wir hätten es uns verdient!“ herauszuhören.
Jetzt gilt es noch die letzten Meter des Weges zurückzulegen: Das Bidbook 2 fertig zu stellen und attraktiv zu gestalten; die Jury – die zwei Tage vor der Präsentation die Stadt besucht – einzukochen; schließlich am 11. November eine gute Präsentation hinzulegen, wofür die beiden bereits trainieren, weil man nichts dem Zufall überlässt. Auch das ist eine Stärke der Bewerbung. Dann hat man sozusagen seine Schuldigkeit getan und muss den Dingen ihren Lauf lassen, denn mit derlei Bewerbungen verhält es sich wie bei einem abgewandelten Vergleich aus der Justiz. „Vor der Jury und auf hoher See ist man in Gottes Hand.“ Stimmt natürlich nicht ganz, denn selbstverständlich kommt es vor allem auf die Qualität der Bewerbung, die Glaubwürdigkeit, die Inhalte und Professionalität an – da hat das Team, diese Rosen darf man streuen, wirklich einen guten Job gemacht. Aber ausgemacht ist eben nichts.
„Das wird Thriller pur“, weiß Duscher. Was werden die beiden eigentlich tun, wenn St. Pölten am 12. November den Zuschlag erhält? „Dann wird man uns am Abend sicher in der Bar Yesterday antreffen!“, verrät Duscher. Und wenn nicht? „Dann auch!“, lacht Redl.
Die beiden werden nicht alleine sein, und, um eines klarzustellen: Wir werden dort sein, um zu feiern!
Die Daumen dürfen sicherheitshalber aber trotzdem gedrückt werden.