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St. Pöltens gute Seite

Anwaltspost

Text Thomas Winkelmüller
Ausgabe 06/2024
Ich weiß nicht, ob sie schon mal eine Klagsdrohung bekommen haben. Mir wurde vor ein paar Wochen diese Ehre jedenfalls zu Teil. Ein Kollege und ich haben einen österreichischen Betrugsfall recherchiert und aufgedeckt. Schadenshöhe laut 
WKStA: 34,6 Millionen Euro bei 21.000 Kunden eines Goldhändlerpaares aus Wien. Ebendieses Ehepaar war alles andere als begeistert, als wir ihnen kurz vor Veröffentlichungen unseren Fragenkatalog zukommen ließen. Antworten wollten die beiden uns keine geben, dafür drohten sie mit Klagen.
Meine Freunde fanden das irgendwie cool. Wir hätten dort hingeschaut, wo es wehtut, hat einer gesagt. Wer klagt, der habe schließlich was zu verstecken. Wenn man als Journalist eine Klagsdrohung bekomme, sei das ein Ritterschlag. Stimmt alles, ich fand die Situation aber irgendwie so gar nicht cool.
Ein drohendes Anwaltsschreiben versetzt einen zuerst einmal in einen Zustand stiller Panik. Sie sind bewusst so formuliert, dass man die eigene Existenz oder zumindest seine Karriere vor sich zusammenbrechen sieht. Ich hinterfragte also jede Zeile des sechsseitigen Textes, den wir publizieren würden. Es war im Grunde aber schon zu spät, um jetzt noch einen Rückzieher zu machen.
Keine Sorge, daran haben wir keine Sekunde gedacht und ein paar Wochen später hat sich die Drohung wohl als eine leere entpuppt. Ein Gericht werde ich trotzdem bald besuchen. Im Herbst trägt die WKStA die Anklage wegen schweren Betrugs gegen die Goldhändler am Wiener Straflandesgericht vor. Da wird dann aber ziemlich sicher mehr als nur gedroht werden.