MFG - Von politischen Miesmachern & Bulldozern
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MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Von politischen Miesmachern & Bulldozern

Text Johannes Mayerhofer
Ausgabe 06/2024

Die jüngsten Studien zur Innenstadt sowie diverse Geschäfts-Schließungen haben zuletzt eine Debatte über den Allgemeinzustand der City vom Zaun gebrochen. Meinungen und Rezepte gehen dabei je nach Partei auseinander: Die FPÖ will am liebsten autofreie Zonen wieder abschaffen, die ÖVP packt den „Herzschrittmacher für die Innenstadt“ aus, Grüne und Neos kritisieren ein mangelndes Gesamtkonzept sowie „Steinzeit-Ideen“ der Stadtregierung. Und die SPÖ – die ist mit ihrer Arbeit eigentlich ganz zufrieden.


Zeitgleich mit Bekanntwerden der Schließung der Blumenbinderei Nentwich in der Kremsergasse hoben ÖVP und FPÖ wieder die Situation der St. Pöltner Innenstadt-Gewerbetreibenden auf die Tagesordnung im Gemeinderat. Die Blauen stören sich grundsätzlich an der Idee eines autofreien Stadtkerns. „Dieses Konzept ist eine Illusion. Viele Geschäfte haben aufgrund dessen in den letzten Jahren hier geschlossen“, steht für FPÖ-Stadtrat Klaus Otzlberger fest. Die Ausdehnung der Fußgängerzonen auf die Razonigasse, Grenzgasse, Alumnatsgasse, Wiener Straße und den Domplatz sowie Linzer Straße sei unverhältnismäßig. „Wir haben nicht 150.000 Einwohner, sondern nur etwa 60.000. Aber wir haben eine riesige Innenstadt-Zone. Soll demnächst noch die Josefstraße autofrei werden?“, fragt er rhetorisch. Der FPÖ-Antrag forderte Dreierlei: Die Parkplätze am Domplatz sollen reaktiviert werden, solange bis eine in der Nähe versprochene Tiefgarage umgesetzt ist. Weiters sollen alle Fußgängerzonen der letzten drei Jahre abgeschafft und das Parken in den zwölf innerstädtischen Parkgaragen für die ersten zwei Stunden gratis  werden. Um das Zentrum attraktiver zu machen, gelte es auch, Angebote für Familien und Kinder zu fördern. „Früher gab es am Rathausplatz mal diesen Zug zum Spielen. Wo ist der eigentlich hin?“

ÖVP fordert Zahlenmaterial 
Auch aus Sicht der ÖVP steht es nicht gut um den Kern der Landeshauptstadt. Nachdem im März ein als „Stärkungspaket“ initiierter Antrag von der SPÖ-Mehrheit abgeschmettert worden war, versuchte man es im folgenden Gemeinderat mit zwölf Einzelanträgen. Die ÖVP will v. a. „belastbares Zahlenmaterial“. „Die Daten über Kunden und Besucher des Zentrums sind mehr als dürftig“, heißt es im Antrag. Gefordert wird daher eine unabhängige Studie, welche Vergleichswerte bezüglich der Innenstadt, des Traisencenters und des Fachmarktzentrums im Süden der Stadt liefern soll. „Das betrifft die Herkunft der Kunden, die Art der Anreise, die Besuchsdauer und den durchschnittlichen Umsatz.“ Auch die Zahlen zur Leerstands-Situation stoßen VP-Stadtrat Florian Krumböck sauer auf. Zwar stehe St. Pölten beim „harten“  Leerstand gut da. Dieser beträgt 2,7 Prozent. „Wenn man sich den Leerstand im Umbau anschaut, dann sind wir schon bei 10,5 Prozent“, so Krumböck. „Dort wo die Post war, ist jetzt der Integrationsfonds, und die SPÖ besetzt mit ihrem Parteilokal auch eine Geschäftsfläche. Das zählt alles nicht als Leerstand, ist aber nicht das, was klassisch als Handelsfläche zu sehen ist“, stichelt er in Richtung SPÖ. Die Stadtführung habe den Handel vernachlässigt und nur auf Gastronomie gesetzt. Weiters fordert die ÖVP einen Stopp des Parkplatzabbaus ohne „adäquaten Ersatz“ sowie die Einführung eines Parkleitsystems zur besseren Parkplatzsuche. Die Linzer Straße soll wieder für Autos geöffnet und eine neue Frequenz-Analyse per Mobilfunkdaten durchgeführt werden.

SPÖ bulldozert alle 12 Anträge
Dass die ÖVP ihre Forderungen diesmal in zwölf Einzelanträgen eingebracht hatte, änderte nichts am Abstimmungsverhalten der SP-Mehrheitsfraktion. Sie stimmte konsequent dagegen. Generell sieht die SPÖ die Situation in der Innenstadt vergleichsweise gut. „St. Pölten gehört bei der City-Bewertung von Standort + Markt weiterhin zu den ‚gesunden‘ Städten mit Potenzial nach oben. In der St. Pöltner Innenstadt sind weniger Geschäftsflächen leer als in den meisten anderen Primär- und Sekundärstädten“, heißt es auf MFG-Anfrage. Zwar hätten unter anderem Modegeschäfte wie Triumph, Palmers und s. Oliver die Innenstadt verlassen, aber „Bekleidungsgeschäfte sind hier dominanter angesiedelt als anderswo.“ Auch die Kritik, es würde zu sehr auf Gastronomie gesetzt, sei nicht nachvollziehbar: „Dieser Bereich ist in unserem Branchenmix sogar leicht unterrepräsentiert.“ Fluktuation, Vielseitigkeit und wechselnde Konzepte seien „Markenzeichen einer funktionierenden Stadt“, es komme Neues nach. „In die ehemalige Triumph-Filiale in der Kremser Gasse, in die leeren Lokale am Herrenplatz, am Riemerplatz und in der Schreinergasse werden neue Mieter einziehen, ebenso in die ehemaligen Palmers-Filiale in der Wiener Straße“, bestätigt auch Lukas Stefan vom Wirtschaftsservice Ecopoint. Die ehemalige Libro-Filiale sei nach Angaben des Eigentümers bereits im Umbau. Dort wird bekanntermaßen eine KFC-Filiale entstehen.
Als Positivbeispiel für vitale autofreie Zonen sieht die SPÖ etwa die nördliche Innenstadt beim Bahnhof. „Bis ca. Anfang der 2010er-Jahre konnte in der nördlichen Kremser Gasse, der Brunngasse und der Franziskanergasse noch mit dem Auto gefahren werden.“ Heute sei das Areal „Teil der Fußgängerzone und wichtiges Element im täglichen Leben für tausende Innenstadtbewohner und -besucher.“ Bezüglich der Frequenz beruft sich die SPÖ auf Erhebungen, welche in einer Woche im September 2023 rund 663.000 Passanten in der Innenstadt auswiesen. „Das sind 9,3 Prozent mehr als bei der Messung im Jahr davor!“ Die ÖVP moniert, dass von der Zahl an Straßenpassanten nicht auf entsprechende Kundenfrequenz in den Geschäften geschlossen werden könne.

Grüne kritisieren „Flickwerk“
Während FPÖ und ÖVP ein dunkles Bild der City malen und die SPÖ sämtliche Einzelvorschläge in Bausch und Bogen ablehnt, zeigen sich die Grünen differenziert. So können sie manchen ÖVP-Vorschlägen etwas abgewinnen, etwa dem Parkleitsys­tem oder einem besseren Lastenradangebot. Wenig überraschend sind die Grünen leidenschaftliche Vertreter der Idee „Autofreie Innenstadt“. Deren Umsetzung solle zwar nicht schlagartig, aber „zügig“ passieren. „Unzufriedenheit vonseiten der Unternehmer entsteht zum Beispiel, wenn sie nicht rechtzeitig informiert und eingebunden werden“, erklärt die Grüne Stadträtin Christina Engel-Unterberger. Sie vermisst ein Gesamtkonzept, kritisiert die rote Politik als „Flickwerk“ und nennt als Beispiel das bereits beschlossene Promenaden-Konzept. „Damit das funktioniert, muss das Verkehrsaufkommen von etwa 8.000 auf 2.500 Autos an einem Werktag runterkommen. Die Situation auf der Promenade kann nicht losgelöst von der Situation am Domplatz oder der Fußgängerzonen gesehen werden“, so Engel-Unterberger.  Sie kontrastiert Wien und St. Pölten: „Wien kommuniziert, dass es erwünscht ist, mit dem Umweltverbund der Stadt unterwegs zu sein. Dort gibt es auch viele konsumfreie Sitzmöglichkeiten et cetera.“ In St. Pölten sei das Gegenteil der Fall. Als positives Beispiel, wie eine Innenstadt auch ohne Autos florieren kann, nennt sie Ljubljana, wo dies auf einer 19 Hektar großen Fläche bereits 2007 umgesetzt wurde.

WKO soll für Studien zahlen
Mehr Parkplätze, Leitsysteme, Frequenzmessungen, Steuererhöhungen für Internetriesen – all das sind für Neos-Gemeinderat Niko Formanek „Vorschläge aus der Steinzeit“.  „Ich bin überzeugt, es geht schon lange nicht mehr um den Einkauf irgendwelcher klassischer Produkte, denn die können günstiger, komfortabler und mit mehr Auswahl online und in Malls gekauft werden. Der internationale Trend für Innenstädte geht vielmehr in Richtung ‚Einkauf als Experience‘ und ‚gemeinschaftliches Erleben‘“, schildert der Neos-Einzelkämpfer seine Sicht. Ihm zufolge sollten erst folgende Fragen geklärt werden: Welche Kunden mit welchem Potential sind für St. Pölten mittelfristig mobilisierbar? „Frühestens danach sollte man sich Gedanken über Größe und Design von Shop- und Handelsflächen, Verkehrsleitsysteme, Mobilität et cetera machen.“ Außerdem sollten für derartige Erhebungen nach Formanek nicht die Steuerzahler aufkommen, sondern der Handel oder die Wirtschaftskammer „mit ihren Milliarden an Mitgliedsbeiträgen.“  Fußgängerzonen im Zentrum steht Formanek grundsätzlich positiv gegenüber.

Fazit
Die Zahlen bezüglich des 10-jährigen Handelsflächenverlustes sind weit weniger dramatisch, wenn man den Einmal-Effekt der Leiner-Schließung berücksichtigt. Gleichzeitig ist bei den geringen Leerstands- und den hohen Frequenzzahlen zu hinterfragen, wo noch zusätzlicher „versteckter Leerstand“ existiert und inwiefern auch hohe Kundenfrequenz gegeben ist. ÖVP und FPÖ stellen als Opposition negative Aspekte der Innenstadt-Entwicklung in den Vordergrund, manches klingt überdramatisiert. Dass deshalb aber jeder einzelne Oppositions-Vorschlag von der roten Mehrheitsfraktion brüsk abgeschmettert werden muss, lässt am sachlichen Interesse an Verbesserungen der Situation zweifeln.