MFG - Paniert's mi
Paniert's mi


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Paniert's mi

Text Johannes Reichl
Ausgabe 05/2006

Erinnern Sie sich noch an den Film „Supersize Me“ aus dem Jahr 2004, als Morgan Spurlock ein Monat lang ausschließlich bei Mc Donalds gegessen hat - mit durchaus fatalen Auswirkungen auf seine Gesundheit?

Was gab es damals nicht für hitzige Diskussinen. Während sich die einen in ihrer Meinung, wonach Fastfood der kulinarische Belzebub schlechthin ist, bestätigt sahen und – frei nach Arnies Anti-Drogen Werbung - predigten „Des Fast Food mocht eich hin!“, bezeichneten andere Spurlocks Aktion als Humbug, weil dasselbe wohl rauskäme, wenn man ein Monat lang Schnitzel isst. Genau das wollten wir herausfinden und schickten Hermann Rauschmayr auf eine Schnitzeljagd der etwas anderen Art. Willkommen bei „Paniert’s mi!“
Und so funktionierts
Unser (noch) wackerer Fotograf Hermann Rauschmayr (dem ein paar Pfunde mehr auf den Rippen, wie besorgte Eltern meinen, ohnedies nicht schaden würden) isst seit 10. Mai und noch bis 10. Juni (also genau ein Monat lang) zu den Hauptmahlzeiten (Frühstück, Mittagessen, Abendessen) jeweils Wiener Schnitzel bzw. dessen Abarten.
Als Schnitzerl lassen wir durchgehen: Paniertes vom Kalb, vom Schwein und von der Pute. (Pute darf maximal 1mal pro Tag verzehrt werden!) Erlaubt sind Schnitzel am Teller (allerdings keine Kinderportionen wie Pinocchio, Biene Maja, Wickie & Co. Auch Seniorenpapperl sind tabu!), aber auch in Form von Schnitzelsemmeln (Schnitzelsemmel maximal 1 Mal pro Tag). Beilagen sind erlaubt. Bei der Mahlzeit muss das Schnitzel jedenfalls verzehrt werden, die Beilage darf stehen bleiben!
Die ärztliche Begleitung
Um das Ganze auf eine substanzielle, wissenschaftliche Basis zu stellen, wird Hermann ärztlich vom praktischen Arzt Dr. Herbert Fohringer begleitet. Vor dem Start gab es eine Untersuchung (siehe Tabelle), während der Experiment-Phase geht Hermann jede Woche einmal zum Arzt.
Gemessen wird Gewicht, Bodymaß-Index, Bauchumfang, Blutdruck, Blut, Herz via EKG etc. So können die Veränderungen dokumentiert werden. Beendet wird das Ganze mit einer Abschluss-Untersuchung.
Der Arzt - Dr. Fohringer
Voruntersuchung 10. Mai
Was halten Sie generell von „Panierts mi“?
Es ist ein lustiges Experiment. Es hat so etwas Ähnliches ja schon mit Fastfood gegeben. Es wird daher sicher interessant zu vergleichen, wie sich die typisch österreichische Kost auswirkt.
Welche Auswirkungen erwarten Sie persönlich?
Ich denke, man wird es insbesondere beim Körpergewicht sowie beim Bauchumfang merken, also wenn die Hose nicht mehr passt. Dass sich der Blutdruck so schnell ändert, glaube ich eher nicht. Bei den Blutwerten könnten sich die Triglyzeride, das ist ein Fettbestandteil im Blut, erhöhen. Cholesterin hingegen wird weniger dramatisch sein, ebenso der Zucker.
Möglich ist, dass sich Hermann nicht ganz so frisch fühlt wie gewöhnlich, Folge des Zunehmens. Ich bin ehrlich gesagt selbst neugierig.

Halten Sie das Ganze gesundheitlich für gefährlich?

Es geht ja nur ein Monat lang, daher habe ich keine Bedenken. Ich nehme an, es wird sang- und klanglos ablaufen. Überspitzt formuliert machen das ja viele Österreicher, nur eben über Jahrzehnte, so dass das zu chronischer Fehlernährung sowie Übergewicht führt und damit in späteren Jahren die „typischen“ Wohlstandskranheiten mit sich bringt: hoher Blutdruck, Verengung der Blutgefäße etc. Das ist dann wirklich gefährlich! Faktum ist, dass Hermann sich jetzt sehr einseitig ernährt. Aber in Lebensgefahr begibt er sich nicht!
Der Proband-Hermmann Rauschmayr
Gespräch am Vorabend, 9. Mai
Warum tust du dir das an? Bist du so ein Schnitzelliebhaber?
Nein, ich mag Schnitzel eigentlich gar nicht. Aber ich seh’ das als Herausforderung. Das liegt wohl in meiner künstlerischen Natur verankert. Ich bin sehr neugierig, liebe Eigenversuche.
Es gibt ja „Super Size me“, das sehr einseitig war. Es gab keinen Vergleich wie das ist, wenn man sich auf andere Weise einseitig ernährt, ob das dann ähnliche Auswirkungen zeitigt wie bei Fastfood. Diesen Vergleich erbringen wir jetzt, und da wir in Österreich leben, lag Schnitzel nahe!
Hast du irgendwelche Bedenken, auch im Hinblick auf deine Gesundheit?
Nein, eigentlich nicht. Ich bin guter Dinge. Ich befürchte allerdings, dass ich ab einem gewissen Zeitpunkt wahrscheinlich kein Schnitzel mehr sehen kann. Aber wenn es so einfach wäre, könnte es ja jeder machen.

Was sagen die Leute in deinem Umfeld. Freunde, Familie, Freundin zu dem Experiment?

Die Meinungen sind geteilt. Manche fragen mich, ob ich jetzt völlig durchgeknallt bin und raten mir eher ab. Andere sind selbst neugierig, wie das ausgeht. Ein Monat ist schnell vorbei. Dann kann man die Ergebnisse vergleichen. Ich mach es ja nicht aus Jux und Tollerei, sondern wir wollen wirklich ein nachvollziehbares, wissenschaftlich halbwegs fundiertes Ergebnis erlangen.

Wie fühlst du dich jetzt, einen Tag vor Beginn? Schnitzel zum Frühstück, bekommst du da nicht die Panik?

Ich fühl mich eigentlich sehr wohl, sehr gesund! Ich hab keine Probleme. Zum Frühstück werd ich jetzt halt eine Schnitzelsemmel essen - das macht mir weniger Sorgen als die Vorstellung, dass ich auch am Abend ein Schnitzel essen muss, weil ich befürchte, dass ich dann nicht gut schlafen kann. Mal sehen.

Du wirst ja durch das „Panierts mi“ T-Shirt gebrandet. Glaubst du, dass dich die Leute beim Essen kontrollieren?

Das wird sich zeigen und ist ja auch Sinn und Zweck der Sache. Ich könnte mir vorstellen, dass einige einfach aus Interesse herkommen und mich ansprechen. Wer weiß, vielleicht lädt mich ja jemand auf ein Schnitzel ein?!
Na dann, alles Gute!
"Paniert's mi!" T-Shirt
Damit Hermann stets erkenntlich ist und beim Schnitzelessen vom Volk „kontrolliert“ werden kann, trägt er ein gelbes „Paniert’s mi!“-Leiberl (keine Angst, nicht jeden Tag dasselbe – er hat gleich mehrere ausgefasst). Die „Paniert’s mi“ T-Shirts können übrigens bei Interesse oder Solidaritätskundgebungen auch unter office@dasmfg.at bestellt werden. Preis: 20 Euro!
"Paniert's mi!" im Net
Jene, die topaktuell am Laufenden bleiben möchten, können Hermanns (Leidens?)Weg im Internet auf www.dasmfg.at/paniertsmi sowie auf www.joynt.at/paniertsmi verfolgen. Dort führt Hermann sein Web-Tagebuch und berichtet über sein allgemeines Befinden! Außerdem gibt’s aktuelle Fotos und Daten.
Der Schnitzel Test
Weil das gleich in einem Aufwischen geht, wird Hermann ganz á la Gault Millau jedes verzehrte Schnitzerl via standardisiertem Fragebogen (einzusehen im Web) beurteilen und so – aus seiner Sicht – das beste Schnitzel St. Pöltens eruieren. Kategorien sind Fleisch, Panier, Farbe/Ästhetik, Öl, Portionsgröße, FP (Fleisch/Panier)-Index und subjektive Geschmackseindrücke!
"Paniert's mi!"-Der Film
Hermann – hinlänglich als Filmemacher bekannt – begleitet das Experiment auch filmisch. Man darf sich also schon auf die Doku „Panierts mi!“ freuen! Weitere Infos unter:
www.joynt.at/paniertsmi
www.dasmfg.at/paniertsmi
Schnitzl-History
Kaum zu glauben aber wahr: Das Schnitzel, heute Standard der Hausmannskost, entstand aus Angeberei in Adelskreisen – und zwar nicht in Wien, sondern in Norditalien! So ließen in der Rennaissance honorige Herren (die offensichtlich nicht wussten, wohin mit ihrer Marie) ihre Speisen vergolden! Als dieser Schwachsinn 1514, wahrscheinlich aus Gesundheitsgründen, verboten wurde, brachte das die Köche einigermaßen in Verlegenheit. Wie sollten sie das goldene Angeberschnitzerl nun zubereiten? Rettung kam aus dem Osten. So griff man den byzantinischen Brauch auf, das Fleisch im güldenen Bröselkleid schimmern zu lassen – kurzum die Panier wurde importiert!
Später dann, im 19. Jahrhundert, wurde der Radetzkymarsch angestimmt. Denn es war der österreichische Feldmarschall (und Feinspitz), welcher das Rezept nach Österreich brachte! Das macht ihn erst zum wahren Helden der österreichischen Historie, nicht etwa die lächerlichen Militäranstrengungen. In Österreich wurde das Schnitzerl dann verfeinert, vor allem – das war neu und ist das Originalrezept bis heute – verwendete man nun eine fingerdicke Scheibe von der Kalbsnuss, die in Mehl, Brösel und Ei gewendet und anschließend im Fett schwimmend herausgebacken wurde. Das Wiener Schnitzel, und so ging es in die Literatur ein, war „geboren“!
AUS DEM Web-TAGEBUCH
Tag 1, 10. Mai:
direkt vor dem ersten schitzel noch den arzt aufgesucht um blut- und ekg-werte zu ermitteln, danach gleich zu ‚schnitzel + co.’ beim st. pöltner hauptbahnhof zum ersten schnitzelburger um 9:00 vormittags. der burger war anundfürsich besser als erwartet.
Tag, 2 11. Mai:
etwas schwach von mir, aber dennoch tatsache, beim verzehr einer schnitzelsemmel am nachmittag kamen erste anzeichen von übelkeit auf. war nicht so, dass ich kurz davor war, das soeben gegessene wieder der öffentlichkeit zugänglich zu machen, dennoch verschaffte mir allein der anblick der semmel ein etwas mulmiges gefühl. die panier war fast schon tropfend und die beilagen waren diesmal sehr spärlich, um genau zu sein, bestand die beilage rein nur aus einem stück aufgeschnittenes gurkerl...
Tag, 3 12. Mai:
meine lady war diese nacht anwesend und somit konnte ich einen ausführlichen test meiner libidoentwicklung durchführen und durfte erfreulicherweise feststellen, dass nach 2 tagen noch keine störungen vorhanden sind.
 
Tag 4, 13. Mai:
heute ist der 4. tag meiner monogamen esskultur und ich verspüre, anders als gedacht, appetit auf schnitzel. klingt komisch, ist aber so, fühlt sich fast wie eine art von abhängigkeit an, seltsam irgendwie.
habe mir vorhin meine daten vom 1. bluttest geholt (wurden VOR der ernährungsumstellung durchgeführt), die werte sind laut arzt hervorragend.
Tag 5, 14. Mai:
gestern abend ist mir mein 3. schnitzel bereits sehr schwer gefallen, gottseidank hatte ich tatkräftige unterstützung durch meine freunde die mich anfeuerten bzw. meinten, dass ich es nie schaffen werde (was auch wiederum ansporn ist ;-)). ich denke mal, die 2. woche wirds in sich haben, fällt mir jetzt schon schwer.
habe soeben mein letztes schnitzel für heute verdrückt, geht ja schon um einiges besser als die tage zuvor, mein magen dürft sich schon daran gewöhnt haben...